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VwGH vom 25.04.2007, 2005/08/0012

VwGH vom 25.04.2007, 2005/08/0012

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller über die Beschwerde des F in A, vertreten durch Dr. Maximilan Schludermann, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 32/12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS8-SV-310/001-2004, betreffend Übertragung eines Leistungsanspruches gemäß § 65 Abs. 2 GSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Aus dem Pensionsakt der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Notariatsakt vom haben der Beschwerdeführer und seine Ehefrau eine als Pfandbestellungsvertrag bezeichnete Vereinbarung abgeschlossen. In der Präambel dieser Vereinbarung heißt es, die "Intention des gegenständlichen Pfandbestellungsvertrages ist die Sicherung der Unterhaltsansprüche der (Ehefrau des Beschwerdeführers) gegenüber ihrem Ehegatten (Beschwerdeführer)". Zur Sicherstellung dieser Unterhaltsansprüche verpfände der Beschwerdeführer den pfändbaren Teil seiner ihm jetzt und zukünftig gegenüber der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt zustehenden Ansprüche auf Pensionsbezug an seine Ehefrau. Der Beschwerdeführer erteile seine ausdrückliche und unwiderrufliche Anweisung an die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt, dass der pfändbare Teil seines monatlich fällig werdenden Pensionsanspruches auf eine von seiner Ehefrau zu nennenden Zahlstelle zur Überweisung zu bringen sei.

In einem weiteren Notariatsakt vom , überschrieben mit "Nachtrag zum Pfandbestellungsvertrag vom ", stellten der Beschwerdeführer und seine Ehefrau fest, "dass der bisher angelaufene Unterhaltsanspruch der (Ehefrau) inklusive gegebener Darlehen im Zusammenhang mit der Insolvenz von Herrn (Beschwerdeführer) zumindest EUR 115.327,-- ... beträgt. (Der Beschwerdeführer) anerkennt hiermit nochmals dem Grunde und der Höhe nach diesen Betrag aufrecht seiner Ehegattin ... zu schulden, verzichtet diesbezüglich auf die Einrede der Verjährung und verpflichtet sich diesen Betrag über jederzeitige Aufforderung seiner Ehegattin an diese zu bezahlen."

Mit Schreiben vom teilte der Beschwerdevertreter im Namen der Ehefrau des Beschwerdeführers unter Anschluss der ebengenannten Notariatsakte mit, er ersuche um Mitteilung, ob der Beschwerdeführer bereits über pfändbare Pensionsansprüche verfüge.

Mit Schreiben vom teilte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt dem Beschwerdevertreter mit, die Zustimmung zur Übertragung des Leistungsanspruches werde gemäß § 65 Abs. 2 GSVG nicht erteilt.

Mit Bescheid vom hat die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt dem Beschwerdeführer die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 131 GSVG ab mit monatlich EUR 2.087,16 zuerkannt.

Mit Schreiben vom forderte der Beschwerdevertreter die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt neuerlich auf, "die rechtswirksame Verpfändung der Ansprüche an meine Mandantin anzuerkennen und die einbehaltenen Beträge ... zu überweisen. Allenfalls wollen Sie die Verweigerung der Zustimmung in Bescheidform ausfertigen, damit meine Mandantin den Rechtsweg beschreiten kann".

Mit Bescheid vom hat die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt die Zustimmung zur Übertragung eines Leistungsanspruches gemäß § 65 Abs. 2 GSVG mit der Begründung abgelehnt, im konkreten Fall habe kein objektiviertes Interesse des Beschwerdeführers festgestellt werden können, weil den zedierten Pensionsbeträgen kein unmittelbarer Gegenwert gegenüberstehe.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch brachte der Beschwerdeführer vor, es liege bei der Verpfändung der Ansprüche ein objektiviertes Interesse des Beschwerdeführers vor. Die Verpfändung diene der Sicherung der Ansprüche der Ehefrau des Beschwerdeführers auf Unterhalt. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei auf die Unterhaltszahlungen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes angewiesen. Andernfalls müsste sie öffentliche Hilfe in Anspruch nehmen. Zudem sollte mit der Verpfändung zumindest die teilweise Rückzahlung von Darlehen sichergestellt werden, die dem Beschwerdeführer von seiner Ehefrau gewährt worden seien. Durch die Verpfändung solle zumindest eine gewisse Grundversorgung der Ehefrau des Beschwerdeführers sichergestellt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge gegeben.

Begründend gab sie das Verwaltungsgeschehen wieder und stellte den Inhalt der genannten Notariatsakte fest. Beweiswürdigend erachtete die belangte Behörde den Sachverhalt als nicht strittig und sah eine Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau als entbehrlich an. In rechtlicher Hinsicht stützte die belangte Behörde ihre abweisende Entscheidung auf die Bestimmung des § 65 Abs. 2 GSVG, weil kein objektiviertes Interesse an der Übertragung der Forderung vorliege. Die zedierten Beträge sollten auch zur Abdeckung von in der Vergangenheit gewährten Darlehen dienen, in welchem Fall nach der Rechtsprechung eine Genehmigung zu versagen sei. Zudem sei die Verpfändung vor der Zuerkennung der Pension an den Beschwerdeführer erfolgt, was gemäß § 65 Abs. 3 GSVG wirkungslos sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat mitgeteilt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Strittig ist im vorliegenden Fall nach Ansicht der Verfahrensparteien, ob die Voraussetzungen zur Zustimmung gemäß § 65 Abs. 2 GSVG vorliegen. Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit unter anderem geltend, die Verpfändung seines Pensionsanspruches sei zur Sicherung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen seiner Ehefrau erfolgt, weshalb nicht die von der belangten Behörde herangezogene Bestimmung des § 65 Abs. 2 GSVG, sondern jene des § 65 Abs. 1 GSVG heranzuziehen gewesen wäre. Mit diesem Argument ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht:

Der mit "Übertragung und Verpfändung von Leistungsansprüchen" überschriebene § 65 GSVG lautet:

"(1) Die Ansprüche auf Geldleistungen nach diesem Bundesgesetz können unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3 rechtswirksam nur in folgenden Fällen übertragen oder verpfändet werden:

1. zur Deckung von Vorschüssen, die dem Anspruchsberechtigten von Sozialversicherungsträgern oder von einem Träger der Sozialhilfe auf Rechnung der Versicherungsleistung nach deren Anfall, jedoch vor deren Flüssigmachung gewährt wurden;

2. zur Deckung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen gegen den Anspruchsberechtigten mit der Maßgabe, dass § 291 b EO sinngemäß anzuwenden ist.

(2) Der Anspruchsberechtigte kann mit Zustimmung des Versicherungsträgers seine Ansprüche auf Geldleistungen auch in anderen als den im Abs. 1 angeführten Fällen ganz oder teilweise rechtswirksam übertragen; der Versicherungsträger darf die Zustimmung nur erteilen, wenn die Übertragung im Interesse des Anspruchsberechtigten oder seiner nahen Angehörigen gelegen ist.

(3) Die nicht auf Geldleistungen gerichteten Ansprüche sowie die Anwartschaften nach diesem Bundesgesetz können weder übertragen noch verpfändet werden."

In der Regierungsvorlage zum ASVG (599 BlgNR 7. GP, 43), teilweise wiedergegeben auch im hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/08/0031, wurde zur Stammfassung des § 98 ASVG, der mit der eben zitierten Bestimmung wortgleich ist, wie folgt erläutert:

"§ 98 übernimmt im wesentlichen den bisherigen Rechtszustand. Eine Änderung tritt dadurch ein, daß die Leistungsansprüche durch Alimentationsforderungen nur bis zur Hälfte belastet werden dürfen und die zur ausnahmsweisen Übertragung der Ansprüche zu anderen als den im Gesetz angeführten Zwecken erforderliche Zustimmung, die bisher den Landesbehörden als den Nachfolgern der seinerzeitigen Oberversicherungsämter oblag, aus Zweckmäßigkeitsgründen und zur Vereinfachung den Versicherungsträgern überlassen wird. Diese werden ausdrücklich verpflichtet, bei der Erteilung der Zustimmung ausschließlich auf die Interessen des Anspruchsberechtigten und seiner Angehörigen Bedacht zu nehmen, um diese vor den möglichen wirtschaftlich nachteiligen Folgen einer voreiligen Zession zu bewahren. Da der Versicherungsträger nach der Bestimmung des § 407 Z. 6 über den Antrag auf Zustimmung im Falle der gänzlichen oder teilweisen Ablehnung einen formellen Bescheid zu erteilen hat, ist der Anspruchsberechtigte in der Lage, im Instanzenzuge die Entscheidung des Versicherungsträgers überprüfen zu lassen; hiedurch erscheint eine objektive Beurteilung jedenfalls gesichert. Um jeden Zweifel auszuschließen, wird schließlich festgestellt, daß andere Ansprüche als auf Geldleistungen, insbesondere die in der Pensionsversicherung erworbenen Anwartschaften, von der Übertragung, Pfändung und Verpfändung ausgeschlossen sind."

Die Abgrenzung gegenüber dem "bisherigen Rechtszustand" bezog sich in Ansehung des § 98 Abs. 2 ASVG auf § 119 Abs. 2 RVO, der wie folgt gelautet hatte:

"(2) Ausnahmsweise darf der Berechtigte auch in anderen Fällen den Anspruch mit Genehmigung des Versicherungsamts ganz oder zum Teil auf andere übertragen."

Nach der dargestellten Rechtslage entscheidet die Behörde über die Zustimmung nach § 65 Abs. 2 GSVG nicht von Amts wegen, sondern es bedarf eines Antrages des Anspruchsberechtigten. Dieser wurde im Beschwerdefall nicht gestellt. Die an die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt gerichteten Schreiben vom und vom wurden vom Beschwerdevertreter jeweils im Namen der Ehefrau des Beschwerdeführers verfasst; im Namen des Beschwerdeführers oder von ihm selbst wurde kein Antrag gestellt. Ohne Antrag des anspruchsberechtigten Beschwerdeführers war die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt aber zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides unzuständig. Da die belangte Behörde diesen Umstand nicht aufgegriffen und den Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt aufgehoben hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Vollständigkeit halber ist noch Folgendes auszuführen:

Selbst wenn der Antrag vom dem Beschwerdeführer zugerechnet hätte werden können, hätte dieser Antrag nicht Grundlage einer für den Beschwerdeführer positiven Entscheidung sein können, weil er zu dieser Zeit noch nicht anspruchsberechtigt gewesen ist (Zuerkennung der Pension ab ). Die Anspruchsberechtigung ("Ansprüche auf Geldleistungen") ist aber nach dem Gesetzeswortlaut Voraussetzung für eine Zustimmung (vgl. auch § 65 Abs. 3 GSVG, der Anwartschaften von einer Übertragung oder Verpfändung ausschließt).

Zudem lag der Entscheidung ein Antrag auf "Zustimmung zur Verpfändung" zu Grunde; das Gesetz sieht dafür aber keine Zustimmung vor:

In § 65 GSVG wird zwischen der Verpfändung von Ansprüchen einerseits und der Übertragung (Zession) von Ansprüchen andererseits unterschieden. Die Überschrift zu dieser Bestimmung lautet "Übertragung und Verpfändung von Leistungsansprüchen"; im Abs. 1 leg. cit. heißt es, dass Ansprüche in bestimmten Fällen ohne Zustimmung des Versicherungsträgers "übertragen oder verpfändet" werden können. Im Unterschied dazu regelt § 65 Abs. 2 GSVG ausschließlich die Voraussetzungen einer Zustimmung zur "Übertragung" von Ansprüchen auf Geldleistungen; die Verpfändung wird in Abs. 2 nicht als eigener Tatbestand genannt. In den wiedergegebenen Gesetzesmaterialien wird darauf verwiesen, dass durch Abs. 2 leg. cit. der Anspruchsberechtigte und seine Angehörigen vor den möglichen wirtschaftlich nachteiligen Folgen einer voreiligen Zession zu bewahren seien; von einer Zustimmung zu einer Verpfändung ist auch in den entsprechenden Erläuterungen keine Rede. Zudem sieht die Verfahrensvorschrift des § 410 Abs. 1 Z. 6 ASVG (anwendbar aufgrund des Verweises im § 194 GSVG) vor, dass der Versicherungsträger in Verwaltungssachen insbesondere dann Bescheide zu erlassen hat, "wenn er einen gemäß § 98 Abs. 2 (ASVG, hier: gemäß § 65 Abs. 2 GSVG) gestellten Antrag auf Zustimmung zur Übertragung eines Leistungsanspruches ganz oder teilweise ablehnt", ohne dass dies auch für die Verpfändung vorgesehen wäre.

Demzufolge bezieht sich § 65 Abs. 2 GSVG nur auf die Übertragung (Zession) eines Leistungsanspruches, der ausnahmsweise auch in anderen als in den in Abs. 1 geregelten Fällen zugestimmt werden kann. Für die Verpfändung ist diese Möglichkeit nicht vorgesehen; diese kann daher rechtswirksam nur in den Fällen des Abs. 1 leg. cit. erfolgen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das auf den Ersatz der Barauslagen gerichtete Mehrbegehren war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 46 GSVG abzuweisen.

Wien, am