VwGH 27.05.2015, 2012/13/0096
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | EStG 1988 §20 Abs1 Z2 litd idF 1996/201; |
RS 1 | Wenn das Arbeitszimmer aus der Sicht einer Einkunftsquelle die Voraussetzungen der Abziehbarkeit nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 erfüllt, ergibt sich eine Kürzung der abziehbaren Aufwendungen nicht aus dem Umstand, dass dieses Arbeitszimmer auch für eine weitere Einkunftsquelle Verwendung findet, für die die Hürde des Mittelpunkts (und der Notwendigkeit) nicht genommen ist. Dies gilt jedenfalls hinsichtlich jener Aufwendungen, die in gleicher Weise angefallen wären, wenn das Arbeitszimmer nur für die Einkunftsquelle verwendet worden wäre, für die der Mittelpunkt der Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer liegt (vgl. das Erkenntnis vom , 2010/15/0124). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und den Hofrat Dr. Nowakowski sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der Mag. S in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Halm, Wirtschaftsprüfer in 1090 Wien, Berggasse 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0054-W/08, betreffend Einkommensteuer 2005 und 2006, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.211,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin bezog in den Streitjahren 2005 und 2006 als Ordinaria für Violine einer Universität Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In den Einkommensteuererklärungen für diese beiden Jahre machte die Beschwerdeführerin u.a. negative Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit als Solistin in Höhe von EUR -11.630,35 (2005) bzw. EUR -9.430,35 (2006) geltend.
In den (endgültigen) Einkommensteuerbescheiden der Jahre 2005 und 2006 berücksichtigte das Finanzamt die geltend gemachten negativen Einkünfte aus selbständiger Arbeit nicht und begründete dies damit, dass die Beschwerdeführerin seit 1997 nur Verluste aus ihrer selbständigen Tätigkeit erzielt habe. Diese sei daher als Liebhabereibetätigung im Sinne des § 1 Abs. 1 LVO zu qualifizieren. Da die in den einzelnen Jahren geltend gemachten Aufwendungen (Reiseaufwand, Miete) die erzielten Honorare übersteigen würden, sei kein marktgerechtes Verhalten im Hinblick auf die angebotenen Leistungen und die Preisgestaltung zu erkennen. Auch fehlten entsprechende Bemühungen zur Verbesserung der Ertragslage.
In der dagegen erhobenen Berufung vom wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die vom Finanzamt vorgenommene Liebhabereibeurteilung und brachte vor, ihre Honorareinnahmen seien "nunmehr" wesentlich höher als "früher".
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 als unbegründet ab. Soweit die Beschwerdeführerin auf gestiegene Einnahmen verweise, sei zu berücksichtigen, dass die - im Übrigen teilweise zweifelhaften - Ausgaben und damit die Verluste in noch höherem Ausmaß gestiegen seien. Auch habe die Beschwerdeführerin im bisherigen Verfahren keine Prognoserechnung vorgelegt, aus der sich die Möglichkeit der Erzielung eines Gesamtüberschusses ergeben könnte. Eine Tätigkeit, die neben einer hauptberuflichen, nichtselbständigen Tätigkeit ausgeübt werde und seit neun Jahren ausschließlich Verluste bringe, könne nur als der privaten Neigung entsprechend und daher als Liebhabereibetätigung beurteilt werden. Auch habe die Beschwerdeführerin keine Änderung des Geschäftsablaufs vorgenommen, der auf zukünftige Gewinne schließen lasse.
Im Vorlageantrag führte die Beschwerdeführerin aus, sie habe die Position als Ordinaria für Violine an der Universität nur erreicht, weil sie als Solistin die entsprechende künstlerische Qualifikation besessen habe. Die Beibehaltung dieser künstlerischen Qualifikation sei sowohl für ihre wissenschaftliche Tätigkeit als auch für ihre Lehrtätigkeit unabdingbar und sei es daher unerlässlich, dass sie in regelmäßigen Abständen als Solistin auftrete. Die Verluste aus der Solistentätigkeit seien daher jedenfalls als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.
Im Rahmen der Beantwortung eines Vorhalts der belangten Behörde vom führte die Beschwerdeführerin hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen für beruflich genutzte Räumlichkeiten aus, sie verwende 70 m2 der 220 m2 umfassenden Wohnung für berufliche Zwecke. In dem als "Salon" bezeichneten Raum organisiere sie mit ihren Studenten oft musikalische Veranstaltungen, um diese auf deren Solistentätigkeit vorzubereiten. Zu den geltend gemachten Tages- und Nächtigungsgeldern für das Musikfestival in L (Schweiz) hielt die Beschwerdeführerin u.a. fest, dass bei Geltendmachung pauschaler Nächtigungskosten ein Nachweis der tatsächlichen Kosten nicht zu erfolgen habe. Die Verpflegung in L sei wesentlich teurer als in Österreich und habe sie, da sie im Hotel übernachte, auch den entsprechenden Aufwand zu tragen. Hinsichtlich des pauschalen Honorars ihres Ehegatten in Höhe von EUR 1.100,-- jährlich wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass dieser die Koordinationsarbeiten für ihre künstlerischen Auftritte durchführe und sie mangels Führerscheins darauf angewiesen sei, dass ihr Mann das Kraftfahrzeug nach L lenke.
In der mündlichen Berufungsverhandlung vom führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie keine weiteren Belege vorlegen könne. Zweifle die belangte Behörde daran, dass sie sich aus beruflichen Gründen in L aufgehalten habe, werde der Antrag auf Einvernahme des Ehegatten als Auskunftsperson für das L-Festival gestellt. Die Beschwerdeführerin trete in L selbst auf und sei Mitglied einer Jury, die junge Künstler beurteile. Das Honorar erhalte sie sowohl für ihren Auftritt als auch für ihre Jurytätigkeit.
Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde die Einkommensteuerbescheide für 2005 und 2006 insoweit ab, als sie positive Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von EUR 3.170,49 (2005) und EUR 3.195,32 (2006) berücksichtigte. Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2000/13/0092, führte die belangte Behörde aus, dem Ernennungsdekret der Beschwerdeführerin zur ordentlichen Hochschulprofessorin sei nicht zu entnehmen, dass die Solistentätigkeit zum Kernbereich dieser Tätigkeit gehöre. Dieser bestehe vielmehr in der Abhaltung der vorgeschriebenen Lehrveranstaltungen sowie in der Betreuung der Studenten und der notwendigen Prüfungstätigkeit. Auch nach der Verkehrsauffassung lägen bei einer unterrichtenden Tätigkeit und der Tätigkeit als Solistin zwei Tätigkeiten vor, die nicht notwendig gemeinsam ausgeübt werden müssten. Darüber hinaus sei auch ein organisatorischer Zusammenhang der beiden Tätigkeiten nicht zu erkennen, sodass es sich bei der Solistentätigkeit der Beschwerdeführerin um eine organisatorisch in sich geschlossene und mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattete Einheit handle, die steuerrechtlich getrennt von der Lehrtätigkeit zu beurteilen sei.
In weiterer Folge beschäftigte sich die belangte Behörde näher mit der Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Betriebsausgaben. Da eine nähere Vereinbarung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten über den Leistungsumfang sowie über die Höhe und die Art der Auszahlung seines Honorars nicht existiere, seien die für die Anerkennung von vertraglichen Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen geforderten Kriterien nicht erfüllt. Die Tätigkeit des Ehegatten sei daher lediglich als Ausfluss der ehelichen Beistandspflicht zu qualifizieren, sodass die geltend gemachten jährlichen Ausgaben in Höhe von EUR 1.100,-- für Chauffeur- und Koordinationsdienste des Ehegatten nicht einkünftemindernd zu berücksichtigen seien.
Zu den geltend gemachten Tages- und Nächtigungsgeldern für den Aufenthalt in L führte die belangte Behörde aus, die geltend gemachten Tagesgelder in Höhe von EUR 515,20 seien zur Deckung des Preisunterschiedes zwischen Österreich und L anzuerkennen. Die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Nächtigungsgelder scheitere jedoch daran, dass die Beschwerdeführerin den Nachweis, dass ihr tatsächlich Nächtigungskosten entstanden seien, nicht habe erbringen können. Der Beweisantrag auf Einvernahme des Ehegatten werde abgelehnt, da sich das vorgebrachte Beweisthema, dass sich die Beschwerdeführerin in L aufgehalten habe, nicht bezweifelt werde.
Hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen für die betrieblich genutzten Räumlichkeiten erachtete es die belangte Behörde als glaubwürdig, dass der als "Studierzimmer" bezeichnete Raum im Ausmaß von 22m2 nahezu ausschließlich betrieblich genutzt werde. Hingegen werde der "Salon" durch darin stattfindende Übungen mit den Studenten nicht zu einem nahezu ausschließlich beruflich genutzten Raum. Darüber hinaus seien die Aufwendungen für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 nur dann abziehbar, wenn dieses den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen bilde, wobei dies aus der Sicht der einzelnen Einkunftsquelle zu bestimmen sei. Während der Mittelpunkt der Lehrtätigkeit an der Universität liege, da dort die Vermittlung von Wissen und technischem Können erfolge, liege der Mittelpunkt der selbständigen Tätigkeit als Solistin nach der Verkehrsauffassung an dem Ort, an dem diese die überwiegende Zeit mit ihrem Instrument verbringe, was im Beschwerdefall auf das in Rede stehende Arbeitszimmer zutreffe. Da die Beschwerdeführerin das Arbeitszimmer sowohl für ihre selbständige Tätigkeit als Solistin als auch für ihr unselbständige Tätigkeit als Ordinaria für Violine verwende, seien - unter Berücksichtigung des Verhältnisses der Einnahmen aus selbständiger und unselbständiger Tätigkeit - im Jahr 2005 lediglich 5,93% der auf das Arbeitszimmer entfallenden Kosten (EUR 74,55) und im Jahr 2006 5,46% (EUR 68,72) dieser Kosten als Betriebsausgaben abzugsfähig.
Im Ergebnis vertrat die belangte Behörde weiters die Auffassung, dass sich aus der Solistentätigkeit der Beschwerdeführerin sowohl in den Streitjahren 2005 und 2006 als auch in den Vorjahren bei richtiger Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen keine Verluste ergeben hätten, sodass diese Tätigkeit nicht als Liebhaberei zu qualifizieren sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift
durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde richtet sich zunächst gegen die Ansicht der belangten Behörde, wonach die Aufwendungen für das im Wohnungsverband gelegene 22 m2 große Arbeitszimmer im Verhältnis der Einnahmen aus unselbständiger Arbeit zu jenen aus selbständiger Arbeit aufzuteilen seien, weil die Beschwerdeführerin dieses Arbeitszimmer auch für ihre universitäre Tätigkeit genutzt habe.
Nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 (in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996) dürfen Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung bei den einzelnen Einkünften nur dann in Abzug gebracht werden, wenn dieses Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen bildet.
Zwar ist der belangten Behörde zu folgen, wenn sie zur Ansicht gelangt, dass der als "Studierzimmer" bezeichnete Raum den Mittelpunkt der selbständigen Arbeit der Beschwerdeführerin als Solistin bildet, der Mittelpunkt ihrer Tätigkeit als Ordinaria für Violine aber an der Universität gelegen ist (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , 2001/15/0197, VwSlg. 7890/F, vom , 2001/15/0052, VwSlg. 7941/F, und vom , 2010/15/0124).
Jedoch ergibt sich, wenn das Arbeitszimmer aus der Sicht einer Einkunftsquelle die Voraussetzungen der Abziehbarkeit nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 erfüllt, eine Kürzung der abziehbaren Aufwendungen nicht aus dem Umstand, dass dieses Arbeitszimmer auch für eine weitere Einkunftsquelle Verwendung findet, für die die Hürde des Mittelpunkts (und der Notwendigkeit) nicht genommen ist. Dies gilt jedenfalls hinsichtlich jener Aufwendungen, die in gleicher Weise angefallen wären, wenn das Arbeitszimmer nur für die Einkunftsquelle verwendet worden wäre, für die der Mittelpunkt der Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer liegt (vgl. nochmals das Erkenntnis vom , 2010/15/0124, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen werden kann).
Die belangte Behörde hat daher insoweit die Rechtslage verkannt und den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Schon aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz im Umfang des Begehrens stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | EStG 1988 §20 Abs1 Z2 litd idF 1996/201; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2015:2012130096.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAE-74207