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VwGH vom 21.10.2015, 2012/13/0089

VwGH vom 21.10.2015, 2012/13/0089

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der B GmbH in W, vertreten durch Dr. Friedrich Schubert, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 40, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0965-W/06, betreffend Umsatzsteuer 1999 bis 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der Beschwerdeführerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die den Großhandel mit Mobiltelefonen betreibt, wurde 2003 eine abgabenbehördliche Prüfung betreffend die Jahre 1999 bis 2001 und den Nachschauzeitraum Jänner bis Dezember 2002 durchgeführt. Die Prüferin stellte fest, dass die Beschwerdeführerin im Prüfungs- und Nachschauzeitraum für zahlreiche Ausfuhrlieferungen keine Ausfuhrnachweise erbracht habe (§ 7 Abs. 4 UStG 1994) und bei einer Vielzahl von innergemeinschaftlichen Lieferungen den Nachweis dafür schuldig geblieben sei, dass sie oder ihr Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet habe (Art. 7 Abs. 3 UStG 1994).

Das Finanzamt folgte der Prüferin, verfügte die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 1999 bis 2001 und erließ am den angeführten - sowie weiteren, nicht verfahrensgegenständlichen - Feststellungen entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2001. Am selben Tag erging - aufgrund der Umstellung des Bilanzstichtages auf den 30. September - zudem ein vorläufiger Umsatzsteuerbescheid für das (Rumpf )Wirtschaftsjahr 2002, in dem die von der Prüferin getroffenen Feststellungen berücksichtigt wurden.

Die Beschwerdeführerin berief mit Schriftsatz vom gegen die Umsatzsteuerbescheide 1999 bis 2002 vom . Mit der Berufung legte sie ein Konvolut an Unterlagen zum Nachweis der erfolgten Ausfuhr bzw. der Versendung oder Beförderung der in Rede stehenden Liefergegenstände in das übrige Gemeinschaftsgebiet vor.

Mit Schriftsatz vom nahm die Prüferin zur Berufung und zu den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen dahingehend Stellung, dass die Steuerfreiheit für einzelne Ausfuhren und innergemeinschaftliche Lieferungen zu gewähren sei. In Bezug auf zwei Ausfuhrlieferungen und sechsundzwanzig innergemeinschaftliche Lieferungen erachtete die Prüferin die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit hingegen als nach wie vor nicht gegeben.

Am , , , und legte die Beschwerdeführerin weitere Unterlagen zu den nach wie vor beanstandeten Lieferungen vor, die von der Prüferin in einer weiteren Stellungnahme vom wiederum als nicht ausreichend beurteilt wurden. Das Finanzamt brachte der Beschwerdeführerin die zweite Stellungnahme der Prüferin zur Kenntnis, woraufhin die Beschwerdeführerin am , , , und weitere Unterlagen vorlegte.

Mit Berufungsvorentscheidung vom gab das Finanzamt der Berufung (im Sinne der Stellungnahme der Prüferin vom ) teilweise Folge, woraufhin die Beschwerdeführerin deren Vorlage an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte. Am legte sie der Prüferin noch ergänzende Unterlagen zu den streitgegenständlichen Lieferungen vor, zu denen die Prüferin mit Schriftsatz vom selben Tag Stellung nahm.

Im Mai 2006 legte das Finanzamt die Berufung - samt allen Ergänzungen und den Stellungnahmen der Prüferin - der belangten Behörde zur Entscheidung vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung (im Sinne der Stellungnahme der Prüferin vom bzw. der Berufungsvorentscheidung vom ) teilweise statt. Sie vertrat - wie zuvor das Finanzamt - die Auffassung, dass in Bezug auf zwei Ausfuhrlieferungen und sechsundzwanzig innergemeinschaftliche Lieferungen die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nicht vorlägen. Den Ausfuhrnachweis bzw. den Nachweis dafür, dass die Beschwerdeführerin oder ihre Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hätten, erachtete die belangte Behörde bei mehreren Lieferungen für nicht erbracht, weil die im Berufungsverfahren vorgelegten - den Streitzeitraum betreffenden - Lieferscheine und Rechnungen der Beschwerdeführerin einen Firmennamen aufwiesen, der erst am im Firmenbuch eingetragen worden sei. Weiters würden vorgelegte Empfangsbestätigungen von Abnehmern aus den Jahren 2003 und 2006 datieren. Fremdüblich wäre - so die belangte Behörde weiter - die Ausstellung von Empfangsbestätigungen bei Erhalt der Ware. "Es ist somit denkbar, dass es sich gegenständlich um Gefälligkeitsbestätigungen handelt." Auch die nachträglich vorgelegte Ausfuhrbescheinigung einer Spedition sei laut angefochtenem Bescheid nicht nachvollziehbar, weil die bestätigende Spedition die bescheinigte Ausfuhr gar nicht durchgeführt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer - von der Beschwerdeführerin mit einer Replik beantworteten - Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung eines Abgabenbescheides in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist. Auch ist auf das Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren sachverhaltsbezogen im Einzelnen einzugehen (vgl. zuletzt etwa das Erkenntnis vom , 2011/13/0129).

Die Beschwerde übt umfangreiche Kritik an der Beweiswürdigung der belangten Behörde und zeigt jedenfalls mit einem Teil dieser Ausführungen wesentliche Begründungsmängel auf. Dies gilt zunächst für den von der belangten Behörde erstmalig aufgegriffenen Umstand, dass im Berufungsverfahren vorgelegte Rechnungen und Lieferscheine der Beschwerdeführerin einen Firmennamen aufweisen würden, der erst am im Firmenbuch eingetragen worden sei. Dazu trägt die Beschwerde vor, die Beschwerdeführerin sei nach dem Streitzeitraum an eine Firmengruppe verkauft und umbenannt worden. Wenn nun Rechnungen oder Lieferscheine für länger zurückliegende Sachverhalte (nämlich 1999 bis 2002) zu Informationszwecken nachgedruckt würden, wiesen diese den neuen Firmennamen auf, stellten aber "nichts anderes als Nachdrucke der alten Rechnungen, die selbstverständlich von der (Beschwerdeführerin) ausgestellt wurden", dar. "Diese Vorgangsweise wurde auch im laufenden Betriebsprüfungsverfahren mit der Betriebsprüfung erläutert bzw. wurden ohnedies alte Rechnungen übergeben." Wenn es hier Zweifel gegeben habe, wäre es - so die Beschwerde weiter - für die belangte Behörde ein Leichtes gewesen, im Rahmen eines Vorhaltes entsprechende Aufklärung zu erhalten.

Einen solchen Vorhalt hat die belangte Behörde unterlassen, weshalb das nunmehrige Vorbringen der Beschwerdeführerin - das im fortgesetzten Verfahren noch unter Beweis zu stellen sein wird - nicht gegen das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehende Neuerungsverbot verstößt und den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Ein weiterer Kritikpunkt der Beschwerde betrifft den Umstand, dass die belangte Behörde vorgelegte Empfangsbestätigungen von Abnehmern keiner Würdigung unterzogen und die Tatsache, dass die Bestätigungen im Nachhinein eingeholt worden seien, als Hinweis auf das Vorliegen von "Gefälligkeitsbestätigungen" gewertet habe. Dass nachträglich erstellte Empfangsbestätigungen die Beweiskraft des Nachweises in Frage stellen können, ist ein allgemeines beweisrechtliches Problem (vgl. Ruppe/Achatz , UStG4, Art 7 BMR Rz 30), mit dem sich die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung zumindest auseinanderzusetzen hat (zur Zulässigkeit einer späteren Nachweisführung, wenn dem Unternehmer der Nachweis gelingt, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit zweifelsfrei vorliegen, vgl. die Erkenntnisse vom , 2009/15/0146, und vom , 2012/15/0192). Dem ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ebenfalls nicht nachgekommen.

Der angefochtene Bescheid war schon im Hinblick auf diese Begründungsmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am