VwGH 23.03.2006, 2005/07/0091
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Den Begriff "Bescheid" verwendet das AVG in der Weise, daß er nicht definiert, sondern bereits vorausgesetzt wird. Ein Bescheid richtet sich jeweils im Unterschied zur Verordnung an individuell bestimmte Personen. Diesen gegenüber ist er zu erlassen. Daher wird zu jenen Merkmalen, deren Fehlen einen Bescheid gar nicht erst entstehen lassen, unter anderem die Nennung eines Adressaten gezählt. Der Zustellnachweis ist kein Bestandteil eines Bescheides und daher für den Bescheidcharakter rechtsunerheblich. Wenn sich die Berufung gegen eine Erledigung richtet, welche nicht als Bescheid im Rechtssinn existent wurde, muß sie als unzulässig zurückgewiesen werden. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 88/07/0072 E RS 1
(hier nur vierter Satz) |
Normen | |
RS 2 | Aus einem Bescheid muß hervorgehen, an wen er sich richtet, da jede individuelle Norm an eine bestimmte Person gerichtet sein muß (Hinweis Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 05te Auflage, S 157). Hat der in der Anschrift des Bescheides bezeichnete Rechtsanwalt für die im Bescheidkopf ausdrücklich als Arbeitgeberin genannte beschwerdeführende Partei als Rechtsvertreter den Antrag auf Beschäftigungsbewilligung für einen namentlich genannten Ausländer eingebracht, und sollte laut Spruchwortlaut dieser Antrag einer bescheidmäßigen Erledigung zugeführt werden, so ist damit die beschwerdeführende Partei eindeutig als Bescheidadressat erkennbar. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 93/09/0261 B RS 3
(hier nur erster Satz) |
Normen | |
RS 3 | Der Adressat eines Bescheides muss eindeutig bezeichnet sein. Die Bezeichnung hat mit dem in der richtigen Form gebrauchten Namen zu erfolgen. Für die Gültigkeit eines Bescheides reicht es allerdings, dass der Adressat der Erledigung insgesamt eindeutig entnommen werden kann. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn bei schriftlichen Ausfertigungen aus Spruch, Begründung und Zustellverfügung in Zusammenhang mit den anzuwendenden Rechtsvorschriften eindeutig erkennbar ist, welchem individuell bestimmten Rechtsträger gegenüber die Behörde einen Bescheid erlassen wollte. Entscheidend ist, dass für die Beteiligten des Verfahrens als Betroffene des Bescheides sowie für die Behörde und in weiterer Folge für den VwGH die Identität des Bescheidadressaten zweifelsfrei feststeht. Solange erkennbar ist, wem gegenüber die Behörde den Bescheid erlassen will, führt eine fehlerhafte Bezeichnung des Bescheidadressaten nicht zur absoluten Nichtigkeit des Bescheides. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2003/07/0088 B RS 1
(Hier mit dem Zusatz: Ist der Bescheidadressat unklar, liegt
überhaupt kein Bescheid vor.) |
Normen | |
RS 4 | Die Identifizierung einer natürlichen Person erfolgt in der Regel durch die Verwendung ihres Vornamens und ihres Zunamens (Hinweis B , 97/16/0174). Die Unterlassung der Beifügung des Vornamens ist dann ohne Bedeutung, wenn klar hervorgeht, welche Person angesprochen ist. |
Normen | |
RS 5 | Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kommt als Träger einer wasserrechtlichen Bewilligung nicht in Betracht, sondern nur ihre Mitglieder (Hinweis E , 2002/07/0051). Die Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aber kommen nur dann als Bescheidadressaten in Betracht, wenn sie im Bescheid hinreichend bestimmt sind. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde 1. des D M und
2. der Kraftwerk F & Co, beide in F, beide vertreten durch Schmid & Horn, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 8, gegen den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit betreffend Berufung gegen eine wasserrechtliche Bewilligung (Beteiligte gemäß § 8 AVG: G W und Dipl.Ing. E R, vertreten durch Fritsch-Kollmann-Partner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Reitschulgasse 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG wird die Berufung der beschwerdeführenden Parteien vom gegen die als "Bescheid" bezeichnete Erledigung des Landeshauptmannes von Steiermark vom , GZ. FA 13A- 32.00 W 3-02/33, zurückgewiesen.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom beantragten "G W & Partner, Salm 301, xxxx R" beim Landeshauptmann von Steiermark (LH) die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für das Kleinwasserkraftwerk "K M mit S-bach".
In den Projektsunterlagen ist teilweise von "W & Partner", teilweise von "G W & Co" die Rede.
Am führte der LH eine wasserrechtliche Verhandlung über das Projekt durch, zu der auch der Erstbeschwerdeführer (als Fischereiberechtigter) geladen wurde.
Der Verhandlungsschrift ist zu entnehmen, dass die zweitbeschwerdeführende Partei mit Eingabe vom , bei der Wasserrechtsbehörde eingelangt am , ein Projekt betreffend "die Beileitung K M" eingereicht hat.
Von den Amtssachverständigen wurde laut Verhandlungsschrift festgestellt, dass zwischen dem zur Verhandlung stehenden Projekt von "W & Partner" und jenem der zweitbeschwerdeführenden Partei ein Widerstreit (im Sinne der §§ 17 und 109 des Wasserrechtsgesetzes 1959) bestehe.
Wie der Verhandlungsschrift weiter zu entnehmen ist, schränkten "W & Partner" ihr Projekt daraufhin ein. Nach dieser Einschränkung erklärten die Amtssachverständigen, nunmehr bestehe kein Widerstreit mehr.
Mit Schriftsatz vom beantragte die zweitbeschwerdeführende Partei beim LH, auch das abgeänderte (eingeschränkte) Projekt "Kraftwerk S-bach" von "W & Partner" in das Widerstreitverfahren einzubeziehen. Sie begründete dies damit, dass aus näher genannten Gründen auch zwischen diesem eingeschränkten Projekt und ihrem Kraftwerksprojekt ein Widerstreit bestehe.
In der Folge kam es mehrmals zu Stellungnahmen der Konsenswerber, die immer unter der Bezeichnung "W & Partner" und der Adresse "S-alm 301, xxxx R" auftraten. Eine nähere Erläuterung, wer unter "W & Partner" zu verstehen sei, erfolgte nicht.
Mit Schriftsatz vom richteten "W & Partner, Salm 301, xxxx R" ein Schreiben mit folgendem Inhalt an den LH:
"W & Partner haben um die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Wasserkraftanlage am S-bach angesucht.
Es wird ersucht, als Konsenswerber W & R, S-alm 301, xxxx R anzuführen."
Eine Erläuterung, wer oder was unter "W & R" zu verstehen sei, enthält dieses Schreiben nicht.
Mit einer als Bescheid bezeichneten Erledigung vom erteilte der LH "W und R, F-straße 19d, xxxx G" die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung des Ausleitungskraftwerkes Sbach.
Mit Schreiben vom ersuchte Dipl.Ing. E R den LH, die Namen der Wasserberechtigten auf "V und R" abzuändern und die entsprechende Eintragung im Wasserbuch zu veranlassen.
Mit Schreiben vom teilte der LH Dipl.Ing. R mit, dass die Änderung der Wasserberechtigten auf V und R zur Kenntnis genommen werde und die Eintragung im Wasserbuch veranlasst worden sei.
In der Zustellverfügung der Erledigung des LH ("Bescheid") vom scheinen die beschwerdeführenden Parteien nicht auf. Die Erledigung wurde ihnen erst über ihr Verlangen im September 2004 übermittelt.
Gegen diese Erledigung erhoben sowohl der Erstbeschwerdeführer allein als auch die Beschwerdeführer gemeinsam Berufung.
In der von beiden beschwerdeführenden Parteien gemeinsam erhobenen Berufung wird zunächst geltend gemacht, der "Bescheid" des LH vom habe keinen Adressaten, da unklar sei, wer "W & R" seien.
Im Berufungsverfahren traten vor der belangten Behörde in einer Stellungnahme vom "G W, DI E R, beide p. A. F-straße 19d, xxxx G" in der Rolle der Konsenswerber auf.
Da über diese Berufung nicht entschieden wurde, brachten die beschwerdeführenden Parteien Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein.
Mit Verfügung vom forderte der Verwaltungsgerichtshof die belangte Behörde auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Mit einer weiteren Verfügung vom verlängerte der Verwaltungsgerichtshof über Ersuchen der belangten Behörde die Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides bis .
Mit Schreiben vom , beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt am , legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erklärte, der Wintereinbruch habe die Erstellung des Gutachtens verhindert, sodass sie das Verfahren nicht innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist abschließen habe können.
Die Voraussetzungen für den Übergang der Zuständigkeit auf den Verwaltungsgerichtshof sind gegeben. Dieser hat in der Sache erwogen:
Die beschwerdeführenden Parteien vertreten in der Berufung die Auffassung, der Bescheid des LH vom habe keinen Adressaten, weil unklar sei, wer "W und R" seien.
Mit dieser Auffassung sind die beschwerdeführenden Parteien im Recht, was allerdings zur Zurückweisung ihrer Berufung führt.
Zu jenen Merkmalen, deren Fehlen einen Bescheid gar nicht erst entstehen lässt, gehört die Nennung eines Adressaten. Aus einem Bescheid muss hervorgehen, an wen er sich richtet, da jede individuelle Norm an eine oder mehrere bestimmte Personen adressiert sein muss (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2003/05/0142 u.a.).
Der Adressat eines Bescheides muss eindeutig bezeichnet sein. Die Bezeichnung hat mit dem in der richtigen Form gebrauchten Namen zu erfolgen. Für die Gültigkeit eines Bescheides reicht es allerdings, dass der Adressat der Erledigung insgesamt eindeutig entnommen werden kann. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn bei schriftlichen Ausfertigungen aus Spruch, Begründung und Zustellverfügung in Zusammenhang mit den anzuwendenden Rechtsvorschriften eindeutig erkennbar ist, welchem individuell bestimmten Rechtsträger gegenüber die Behörde einen Bescheid erlassen wollte. Entscheidend ist, dass für die Beteiligten des Verfahrens als Betroffene des Bescheides sowie für die Behörde und in weiterer Folge für den Verwaltungsgerichtshof die Identität des Bescheidadressaten zweifelsfrei feststeht. Ist aber der Bescheidadressat unklar, liegt überhaupt kein Bescheid vor (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2003/07/0088).
Die Identifizierung einer natürlichen Person erfolgt in der Regel durch die Verwendung ihres Vornamens und ihres Zunamens (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , 97/16/0174).
Die Unterlassung der Beifügung des Vornamens ist dann ohne Bedeutung, wenn klar hervorgeht, welche Person angesprochen ist.
Der "Bescheid" des LH vom erteilt "W und R, Fstraße 19d, xxxx G" eine wasserrechtliche Bewilligung.
Diese Bezeichnung des Bescheidadressaten erfüllt die in der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine ausreichend deutliche Bezeichnung des Bescheidadressaten nicht.
Vornamen, an Hand deren dieser Bescheidadressat als eindeutig identifizierbare physische Person eingestuft werden könnte, fehlen. Vornamen sind weder dem Spruch noch anderen Bescheidbestandteilen zu entnehmen.
Es liegt aber auch kein Fall vor, in welchem auch ohne Anführung des Vornamens aus sonstigen Umständen klar hervorginge, welche Person Bescheidadressat ist.
Um eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts kann es sich ebenfalls nicht handeln, da die Bezeichnung nicht den für juristische Personen und Personengesellschaften des Handelsrechts geltenden Normen entspricht.
Dass die Bezeichnung des Bescheidadressaten mit "W und R" Unklarheit darüber schafft, wer Träger des Wasserrechtes sein soll, das mit der Erledigung des LH vom verliehen werden sollte, illustrieren auch die Vorgänge nach der Erlassung dieses "Bescheides" besonders anschaulich. Über bloßes Ersuchen von Dipl.Ing. R vom änderte der LH die Eintragung des Wasserberechtigten im Wasserbuch von "W und R" auf "V und R". Eine Übertragung von Wasserbenutzungsrechten in dieser Form ist aber nicht möglich. Dass die Voraussetzungen des § 22 WRG 1959 für den Übergang eines Wasserbenutzungsrechtes vorgelegen seien, ist dem Schreiben des Dipl.Ing. R vom nicht zu entnehmen. Dass der LH trotzdem die Bezeichnung des Wasserberechtigten im Wasserbuch vornahm, zeigt, dass er offenbar die mit seinem "Bescheid" vom erteilte wasserrechtliche Bewilligung nicht als auf zwei physische Personen mit den Nachnamen W und R beschränkt ansah. Wer aber Adressat des "Bescheides" sein soll, bleibt völlig unklar. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kommt als Träger einer wasserrechtlichen Bewilligung nicht in Betracht, sondern nur ihre Mitglieder (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2002/07/0051). Die Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aber kommen nur dann als Bescheidadressaten in Betracht, wenn sie im Bescheid hinreichend bestimmt sind.
Mangels eines ausreichend bezeichneten Adressaten ist die Erledigung des LH vom inhaltlich kein Bescheid. Dieser Mangel kann im Berufungsverfahren nicht mehr behoben werden.
Die Berufung der Beschwerdeführer war daher schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass deren Stellung im Verwaltungsverfahren näher zu untersuchen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
Schlagworte | Einhaltung der Formvorschriften Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des Bescheidcharakters Inhalt des Spruches Anführung des Bescheidadressaten Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtsfähigkeit Parteifähigkeit Gebilde ohne Rechtsfähigkeit |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2006:2005070091.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAE-74050