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VwGH vom 20.05.2010, 2010/07/0014

VwGH vom 20.05.2010, 2010/07/0014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde des Ing. GM in A., vertreten durch Dr. Johannes Hochleitner, Dr. Christian Ransmayr und Mag. Christian Kieberger, Rechtsanwälte in 4320 Perg, Linzer Straße 14, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. IKD(Gem)-525060/13-2009-Bs, betreffend Anschlusszwang an die öffentliche Wasserversorgung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde N. vertreten durch den Bürgermeister, N.), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde N. vom wurde das Bestehen einer Anschlusspflicht für die Liegenschaft des Beschwerdeführers an die öffentliche Wasserversorgungsanlage der Gemeinde gemäß § 5 des OÖ. Wasserversorgungsgesetzes, LGBl. Nr. 24/1997, festgestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer - vertreten durch einen Rechtsanwalt - Berufung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Partei.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei wies diese Berufung mit Bescheid vom als unbegründet ab.

In der Zustellverfügung des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei ist als Empfänger dieses Bescheides der Beschwerdeführer persönlich angegeben. Als Zustelladresse fungiert die Wohnadresse des Beschwerdeführers.

Der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom wurde dem Beschwerdeführer am durch Hinterlegung zugestellt.

Mit beim Gemeindeamt der mitbeteiligten Partei eingelangter Eingabe vom erhob der Beschwerdeführer - wiederum rechtsanwaltlich vertreten - Vorstellung an die belangte Behörde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom "nachweislich am durch Hinterlegung" zugestellt worden sei. Nach § 17 Abs. 3 des Zustellgesetzes würden hinterlegte Dokumente mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gelten. Daher sei die Vorstellung des Beschwerdeführers vom "jedenfalls als verspätet eingebracht" anzusehen.

Die Zustellverfügung dieses Bescheides lautet auf den Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsanwaltes. Als Zustelladresse ist die Kanzlei des Rechtsvertreters angegeben.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird vom Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Zustellgesetzes BGBl. Nr. 200/1982 (im Folgenden: ZustellG), zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 5/2008, lauten:

"§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

1. 'Empfänger': die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll;

...

3. 'Zustelladresse': Eine Abgabestelle (Z 4) oder elektronische Zustelladresse (Z 5);

4. 'Abgabestelle': die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort;

...

§ 5. Die Zustellung ist von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellverfügung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten.

...

§ 7. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

...

§ 9. (3) Ist ein Zustellbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anders bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

...

§ 13. (4) Ist der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person, so ist das Dokument in deren Kanzlei zuzustellen und darf an jeden dort anwesenden Angestellten des Parteienvertreters zugestellt werden; durch Organe eines Zustelldienstes darf an bestimmte Angestellte nicht oder nur an bestimmte Angestellte zugestellt werden, wenn der Parteienvertreter dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat. Die Behörde hat Angestellte des Parteienvertreters wegen ihres Interesses an der Sache oder auf Grund einer zuvor der Behörde schriftlich abgegebenen Erklärung des Parteienvertreters durch einen Vermerk auf dem Dokument und dem Zustellnachweis von der Zustellung auszuschließen; an sie darf nicht zugestellt werden."

Ist eine Person, für die das zuzustellende Dokument inhaltlich bestimmt ist (Empfänger im materiellen Sinn), durch eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person vertreten, so ist deren Kanzlei ausschließliche Abgabestelle (vgl. dazu etwa Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1951 und 1884, sowie Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht, 2007, Rdn 7 zu § 13 ZustellG).

In einer solchen Konstellation ist der berufsmäßige Parteienvertreter Empfänger (im formellen Sinn) nach § 2 Z 1 ZustellG.

Im Beschwerdefall war der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vor dem Gemeinderat der mitbeteiligten Partei durch einen Rechtsanwalt - dem nunmehrigen Beschwerdeführervertreter - vertreten. In Widerspruch zu § 9 Abs. 3 ZustellG wurde jedoch in der Zustellverfügung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom der Beschwerdeführer als Empfänger (im formellen Sinn) nach § 2 Z 1 ZustellG genannt. Demgemäß wurde dieser Bescheid auch an die Wohnadresse des Beschwerdeführers zugestellt.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei hätte jedoch eine Zustellung seines Bescheides vom , der an den Beschwerdeführer als Normadressaten (Empfänger im materiellen Sinn) gerichtet ist, an die Kanzlei seines Rechtsvertreters (Empfänger im formellen Sinn) verfügen müssen. Da dies nicht geschehen ist, würde die Zustellung (erst) in dem Zeitpunkt als bewirkt gelten, in dem das Dokument dem Zustellbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist (§ 9 Abs. 3 ZustellG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 5/2008; vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0069).

Die Einschätzung der belangten Behörde, wonach der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom "nachweislich durch Hinterlegung" zugestellt worden sei, erweist sich daher als nicht in Übereinstimmung mit der Rechtslage und konnte die Zurückweisung der Vorstellung wegen Verspätung nicht tragen.

Auf Grund dieser verfehlten Rechtsansicht hat es die belangte Behörde auch unterlassen, notwendige Ermittlungen darüber anzustellen, ob dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers dieser Bescheid tatsächlich zu einem späteren Zeitpunkt im Sinne des § 9 Abs. 3 ZustellG zugekommen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am