VwGH vom 30.01.2007, 2005/05/0315
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. des Mag. Rainer Wolfsberger, 2. der Mag. Christine Wolfsberger, 3. der Maria Bürger, 4. des Mag. Hannes Scheiner, 5. des Dipl. Kfm. Wolfgang Steindl und 6. der Dr. Lydia Matziuk, alle in Wien, alle vertreten durch Dr. Michael Prager, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 1010 Wien, Seilergasse 9, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 554 und 555/04, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: GEWO Bauträger GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Michael Buresch und Dr. Ilse Korenjak, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Gußhausstraße 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 586/8 der Liegenschaft EZ 626, Grundbuch Obersievering (in der Folge: Baugrundstück). Dieses rund 900 m2 große Grundstück grenzt im Osten in einer Länge von über 20 m an die öffentliche Verkehrsfläche Siolygasse und erstreckt sich über 45 m Richtung Westen.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom wurden für das Baugrundstück der mitbeteiligten Partei antragsgemäß nach § 9 der Bauordnung für Wien die Bebauungsbestimmungen wie folgt bekannt gegeben (auszugsweise):
"Die Baulinie ist durch die Linie a-b für die 8,00 m breite Siolygasse gegeben.
Die durch den Bebauungsplan festgesetzte Baufluchtlinie sowie die Grenzlinie sind im beiliegenden Plan festgehalten.
Aus dem Bebauungsplan ergibt sich für die Liegenschaft an der Siolygasse:
Wohngebiet, Bauklasse I (eins) und die offene oder gekuppelte
Bauweise.
Es bestehen folgende Bebauungsbeschränkungen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | In der Bauklasse I (eins) beträgt die Gebäudehöhe maximal 7,5 m. | |||||||||
- | ... | |||||||||
- | Bei den innerhalb des Baulandes zur Errichtung gelangenden Gebäuden darf der höchste Punkt des Daches nicht höher als 4,5 m über der ausgeführten Gebäudehöhe liegen. | |||||||||
- | Soweit die zulässige Gebäudehöhe nach § 81 (2) der BO für Wien zu ermitteln ist, wird für die Gliederung der Baumassen bestimmt, dass keine Front eine Fläche aufweisen darf, die größer ist als das Produkt aus der Länge der Front und der höchstzulässigen Gebäudehöhe. Der obere Abschluss der Gebäudefronten darf überdies an keiner Stelle höher als das um 1,5 m vermehrte Ausmaß der zulässigen Gebäudehöhe über dem anschließenden Gelände liegen. | |||||||||
..." | ||||||||||
Die Bebauungsbestimmungen ergeben sich aus dem Bebauungsplan | ||||||||||
Plandokument Nr. 6665. | ||||||||||
Die festgesetzte Baufluchtlinie verläuft parallel zur Baulinie um 5 m nach Westen versetzt. | ||||||||||
Alle Beschwerdeführer sind seitliche Nachbarn. | ||||||||||
Die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien sind je zur Hälfte Eigentümer des im Süden an das Baugrundstück über eine Länge von 24 m angrenzenden, an der Siolygasse liegenden Grundstückes Nr. 586/24 der Liegenschaft EZ 627, Grundbuch Obersievering. | ||||||||||
Die drittbeschwerdeführende Partei ist Eigentümerin des nördlich an das Baugrundstück in einer Länge von rund 21 m grenzenden, ebenfalls an der Siolygasse liegenden Grundstückes Nr. 586/7 der Liegenschaft EZ 625, Grundbuch Obersievering. | ||||||||||
Im Westen grenzt an das Grundstück Nr. 586/7 der drittbeschwerdeführenden Partei das Grundstück Nr. 585/1 der Liegenschaft EZ 632, Grundbuch Obersievering. Im Süden grenzt dieses Grundstück zur Gänze an das Baugrundstück. Die viert- und fünftbeschwerdeführenden Parteien sind Miteigentümer des Grundstückes Nr. 585/1, Grundbuch Obersievering, mit welchem das Wohnungseigentum an einer bestimmten Wohnung eines auf diesem Grundstück errichteten Hauses verbunden ist. | ||||||||||
Die sechstbeschwerdeführende Partei ist Hälfteeigentümerin des Grundstückes Nr. 585/8 der Liegenschaft EZ 621, Grundbuch Obersievering. Dieses Grundstück grenzt im Norden an das Baugrundstück und im Osten an das Grundstück Nr. 586/24 der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien. | ||||||||||
Das Baugrundstück steigt von der öffentlichen Verkehrsfläche Siolygasse, welche ein leichtes Gefälle aufweist, bis zur hinteren (östlichen) Grundstücksgrenze annähernd gleichmäßig um ca. 1,70 m an. An der westlichen Grundstücksgrenze besteht eine ca. 1 m hohe Stützmauer, die sich an der nordseitigen Grundstücksgrenze im hinteren Teil des Grundstückes bis ungefähr zu dessen Mitte fortsetzt. Unmittelbar an der Oberkante dieser Stützmauer schließt das Gelände der nord- und westseitig angrenzenden Nachbargrundstücke; dadurch ist das Gelände des Baugrundstückes in seinem westlichen Bereich gegenüber den dort befindlichen Nachbargrundstücken etwas abgesenkt. Das Baugrundstück ist am nordwestlichen Eckpunkt (ausgehend von der Erdgeschossfußbodenoberkante des geplanten Bauvorhabens, welche mit 0,00 kotiert ist) + 0,19, der südwestliche Eckpunkt des Baugrundstückes + 0,04 hoch. Der nordöstliche Eckpunkt des Grundstückes an der öffentlichen Verkehrsfläche Siolygasse ist mit - 1,32, der südöstliche Eckpunkt des Baugrundstückes an der öffentlichen Verkehrsfläche mit - 1,83 kotiert. | ||||||||||
Mit der am bei der Baubehörde erster Instanz eingelangten Eingabe vom beantragte die mitbeteiligte Bauwerberin die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhausneubaues auf dem Baugrundstück. Plangemäß soll das Gebäude im Osten an der Baufluchtlinie errichtet werden. Von der westlichen Grundstücksgrenze ist das Bauvorhaben zwischen 8 und 9 m entfernt. Die Längenmaße des geplanten Gebäudes sind laut Plan (Plan betreffend die Berechnung der verbauten Fläche) an der Nordseite 33,07 m und an der Südseite 32,44 m bzw. 32,49 m; die Breite des Gebäudes (Ost- und Westseite) beträgt etwas weniger als 9 m. Das von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid bewilligte Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei soll zwei Vollgeschosse haben. Darüber sind zwei Staffelgeschosse mit abschließendem Flachdach vorgesehen, die an den beiden Breitseiten des Gebäudes derart zurückversetzt werden, dass sich die Gebäudeumrisse an der Nord- und Südseite von den geplanten Vor- bzw. Aufbauten abgesehen innerhalb eines gedachten 45 Grad -igen Giebels befinden. Das Flachdach ist als Dachterrasse ausgebildet und über ein Stiegenhaus erreichbar. | ||||||||||
Auf Grund der Geländeformation des Baugrundstückes sind mit dem Bauvorhaben Abgrabungen und Anschüttungen verbunden. Das bestehende Niveau soll am südöstlichen Eckpunkt des geplanten Gebäudes rund 1,5 m angeschüttet werden. Die Anschüttung verringert sich an der Südseite des Gebäudes bis zu dessen südwestlichem Eckpunkt gegen 0. Die höchste Anschüttung an der Nordseite des rund 33 m langen Gebäudes beträgt knapp über 1 m. An den Grundgrenzen wird das bestehende Geländeniveau nicht verändert. | ||||||||||
Die Beschwerdeführer erhoben, soweit für das Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung, Einwendungen gegen die Gebäudehöhe. | ||||||||||
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom wurde die beantragte Baubewilligung gemäß § 70 Bauordnung für Wien in Verbindung mit § 54 Abs. 9 Bauordnung für Wien und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes unter Bezugnahme auf die mit Bescheid vom bekannt gegebenen Bebauungsbestimmungen erteilt. | ||||||||||
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid mit der "Maßgabe bestätigt, dass sich dieser auf die zum Bestandteil des Berufungsbescheides erklärten Pläne bezieht". Begründend führte die belangte Behörde aus, die Gebäudehöhe sei im Beschwerdefall nach § 81 Abs. 2 Bauordnung für Wien zu ermitteln. Auch für die Berechnung der Gebäudehöhe nach § 81 Abs. 2 Bauordnung für Wien habe zu gelten, dass der Begriff des anschließenden Geländes als dasjenige Gelände anzusehen sei, wie es nach dem Bauvorhaben zum Zeitpunkt der Bauführung vorhanden sein werde. Die Bewilligungspflicht von Veränderungen der Höhenlage einer Grundfläche nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 lit. g Bauordnung für Wien bleibe davon unberührt. Die Gebäudehöhe betrage sowohl an der West- als auch an der Ostfassade und damit auch an der Nord- und Südfassade als Giebelfronten 7,50 m. Eine Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe liege somit nicht vor. Die beiden - als Staffelgeschoss ausgebildeten - Dachgeschosse überschritten die gemäß § 81 Abs. 4 Bauordnung für Wien entsprechend ermittelten Umrisse der gedachten Dachfläche nicht. Die Giebelfläche, die im Regelfall den seitlichen lotrechten Dachabschluss bilde, sei beim gegenständlichen Bauvorhaben nicht zur Gänze tatsächlich ausgeführt, sondern auf Grund der als Staffelgeschoss ausgeformten zwei Dachgeschosse teilweise nur als gedachte Giebelfläche vorhanden. Sie sei aber ebenso wenig wie eine tatsächlich ausgeführte Giebelfläche für die Ermittlung der Fassadenfläche heranzuziehen und die vorliegende Berechnung der Fassadenfläche stelle sich als korrekt dar. Nicht nur eine tatsächlich gebildete Giebelfläche habe außer Betracht zu bleiben, sondern auch eine Fläche, die - als Giebelfläche gedacht - innerhalb der zulässigen Dachform möglich sei (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 94/05/0172). Die Bauordnung lege keine Beschränkung fest, wonach die Ausführung eines Giebels lediglich an der schmäleren Seite eines Gebäudes zulässig wäre. Es stelle sich daher im Sinne der Baufreiheit auch die Ausformung einer Giebelfläche an der Längsfront eines Gebäudes und damit die Ausformung des Firstes als Flachdach - wie im gegenständlichen Bauvorhaben geplant - als zulässig dar. Diese Giebelfläche sei deshalb auch nicht in die Bemessung der Gebäudehöhe mit einzubeziehen. Die beiden Dachgeschosse seien nicht als Hauptgeschosse anzusehen - auch wenn sie keine Dachschrägen wie bei einem konventionellen Dachausbau aufwiesen -, da durch diese beiden Geschosse der zulässige Gebäudeumriss nicht überschritten werde. Die mit dem Bauvorhaben verbundenen Geländeveränderungen seien an der Bestimmung des § 60 Abs. 1 lit. g Bauordnung für Wien zu messen. Verbinde man die Ecken des Bauplatzes an der Oberkante der Verkehrsfläche bzw. an der hinteren Stützmauer mittels Diagonalen und ermittle daraus die durchschnittliche Höhe des Bauplatzes, so ergebe sich vom rechten vorderen Eckpunkt in der Höhe von 74,43 m über Wiener Nullniveau (WN) zum linken hinteren Eckpunkt mit 76,78 m über WN ein Mittelmaß von 75,61 m über WN. Das auf dieselbe Weise gebildete durchschnittliche Maß zwischen den beiden anderen Eckpunkten - vorne 73,92 m über WN und hinten 76,92 m über WN - betrage 75,42 über WN. Im Mittel - gebildet aus den beiden ermittelten Durchschnittswerten - ergebe sich somit ein durchschnittliches Geländeniveau des Bauplatzes von 75,51 m über WN. Die Anschlüsse des geplanten Geländes an das Gebäude, von denen ausgehend die Gebäudehöhe bemessen werde, seien an sämtlichen Fronten gleich bleibend auf 75,65 m über WN geplant, somit 14 cm über dem durchschnittlichen Niveau des Bauplatzes. Dieses Ausmaß sei als geringfügig anzusehen, sodass es auch im Hinblick auf die Bestimmung des § 60 Abs. 1 lit. g Bauordnung für Wien jedenfalls als zulässig anzusehen sei, zumal sich auch der Abstand des Gebäudes an den gesetzlichen zulässigen Mindestabstand zu den Grundgrenzen von 3 m lediglich einmal punktuell auf ca. 1 m annähere und in den übrigen Bereichen größer sei, aber den Mindestabstand jedenfalls nie erreiche. Aus dem Umstand, dass der Bauplatz gegenüber den Nachbarliegenschaften in seinem hinteren Teil abgesenkt sei, ergebe sich, dass lediglich Anschüttungen durchgeführt würden, nicht aber Abgrabungen erfolgten. Eine Erhöhung in der Form, dass das verfahrensgegenständliche Gebäude auf einem gegenüber der Umgebung herausragenden hügelartigen Gelände errichtet werde, liege nicht vor. Zu den zulässigen gebäudeumrissüberschreitenden Aufbauten werde auf § 81 Abs. 6 Bauordnung für Wien verwiesen. Das unbedingt notwendige Ausmaß von Dachaufbauten ergebe sich aus der Funktion der Stiegenhäuser und Aufzugstriebwerke und werde nicht deshalb überschritten, weil die Bauteile durch eine andere Planung vermeidbar wären (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 94/05/0172). Das Stiegenhaus, das die zulässige Dachhöhe von 4,50 m um 2,73 m überrage, stelle den notwendigen Zugang zur projektierten Dachterrasse dar. Da ein Verbot zur Errichtung von Dachterrassen im Plandokument Nr. 6665 nicht festgeschrieben sei, sei die Stiege zum Erreichen der Dachterrasse als erforderlich anzusehen und überschreite daher das unbedingt notwendige Ausmaß nicht. Die noch im erstinstanzlichen Verfahren bewilligten drei Bauteile an den Seiten der Terrassen der als Staffelgeschosse ausgebildeten Dachgeschosse - zwei an der Westfront und einer an der Ostfront - seien keine Gauben, sondern als Dacherker anzusehen, die das in § 81 Abs. 6 Bauordnung für Wien umschriebene Ausmaß überstiegen hätten. Über Aufforderung der belangten Behörde seien diese Bauteile von der Bauwerberin abgeändert und verkleinert und hernach vom bautechnischen Amtssachverständigen beurteilt worden. Die dazu erfolgte und die Änderungen positiv beurteilende Stellungnahme des Amtssachverständigen vom sei den Beschwerdeführern mit der Möglichkeit zur Entgegnung und der Aufforderung im Wege der Akteneinsicht vom Inhalt der geänderten Pläne Kenntnis zu nehmen von der belangten Behörde zur Wahrung der Parteienrechte zur Kenntnis gebracht worden. Die Beschwerdeführer hätten hierauf in ihrer Stellungnahme vom - nach erfolgter Akteneinsicht am - ausgeführt, dass die vorgenommenen Planänderungen unzulässig seien, da sie das eingereichte Projekt derart veränderten, dass ein Aliud vorläge. Die Modifikationen könnten ebenfalls nicht bewilligt werden, da eine Gaube ein konventionelles Schrägdach voraussetzen würde. Das Hinein- bzw. Zurückrücken der volumensaufbauenden Teile um wenige Zentimeter hätte die Dacherker nicht in zulässige Gauben verwandelt. Diesen Ausführungen sei entgegen zu halten, dass ein Aliud schon allein deshalb nicht vorliege, da lediglich eine Reduktion des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens erfolgt sei, um dessen Bewilligungsfähigkeit zu erreichen. Das Wesen des Projektes, insbesondere die vorgesehene Nutzung als Wohnbau sowie die Form des Baukörpers in seinem wesentlichen Umriss seien beibehalten worden. Durch die bloße Reduktion des Bauvorhabens im Berufungsverfahren könne keine Verschlechterung der Rechtsstellung der Beschwerdeführer herbeigeführt werden. Aus den geänderten Plänen ergebe sich, dass die geänderten Bauteile nunmehr gegenüber den Seitenfronten um 21 cm eingerückt bzw. gegenüber den Stirnfronten um dasselbe Ausmaß zurückgerückt seien. Diese seien somit als Gauben anzusehen, die allseitig von gedachten Dachflächen umfasst seien. Eine tatsächliche Ausführung eines Steildaches als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Gaube sei nicht erforderlich, da eine solche Einschränkung in der Bauordnung nicht festgesetzt sei und im Sinne der Baufreiheit die vorgesehene Ausformung der gegenständlichen Gauben - Aufsetzen eines kubischen Baukörpers auf einem Flachdach vor einem Staffelgeschoss - daher zulässig sei. Der den zulässigen Gebäudeumriss übersteigende Teil der gegenständlichen Gauben halte das gemäß § 81 Abs. 6 Bauordnung für Wien zulässige Ausmaß ein, wodurch sich aus diesem Grund die Gauben als gesetzmäßig erwiesen. Einwendungen über die Form und Gestaltung des Bauvorhabens stellten keines der in § 134a Abs. 1 Bauordnung für Wien abschließend aufgezählten subjektivöffentlichen Nachbarrechte dar. In einer nachträglichen Planänderung könne kein Verfahrensfehler erblickt werden, wenn den mitbeteiligten Parteien Gelegenheit gegeben worden sei, von den Änderungen Kenntnis zu erlangen und hiezu Stellung zu nehmen. Ein Recht auf eine neuerliche mündliche Verhandlung wegen nachträglicher Änderungen komme dem Nachbarn nicht zu. | ||||||||||
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom , B 934/05- 5, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. | ||||||||||
Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in dem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Nichterteilung der Baubewilligung verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde geltend. | ||||||||||
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Bauwerberin - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen: | ||||||||||
Die Beschwerdeführer sind (Mit-)Eigentümer von dem Baugrundstück der mitbeteiligten Partei benachbarten Liegenschaften. Sie haben rechtzeitig im Sinne des § 134 Abs. 3 zweiter Satz Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) Einwendungen erhoben. | ||||||||||
Gemäß § 134a Abs. 1 BO werden subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet: | ||||||||||
"… | ||||||||||
b) Bestimmungen über die Gebäudehöhe; | ||||||||||
..." | ||||||||||
Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist somit in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Im § 134a BO sind die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte taxativ aufgezählt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0237). Die hier genannten Nachbarrechte werden durch die Tatbestandsvoraussetzung "sofern sie ihrem" (gemeint: der Nachbarn) "Schutze dienen" eingeschränkt. Dies bedeutet, dass trotz objektiven Verstoßes gegen eine unter § 134a BO subsumierbare baurechtliche Vorschrift auf die Verletzung subjektiv-öffentlichen Rechtes eines Nachbarn dann nicht zu erkennen ist, wenn nach der Situierung des bewilligten Bauvorhabens schon der Lage nach in subjektive Rechtes des Nachbarn nicht eingegriffen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/05/1507). | ||||||||||
Unter dem Gesichtspunkt einer Unzuständigkeit der Behörde führen die Beschwerdeführer aus, die mitbeteiligte Bauwerberin hätte keinen Antrag auf Genehmigung der Aufschüttung des Baugrundstückes gestellt, die Baubehörden hätten jedoch "materiell über die Erhöhung des Niveaus durch Geländeaufschüttung" abgesprochen, obwohl dies nicht Gegenstand des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens gewesen sei. | ||||||||||
Die Baubewilligung wurde, wie von der mitbeteiligten Partei beantragt, erteilt. Die zur Bewilligung eingereichten Pläne, die die Anschüttung enthalten, sind von der belangten Behörde zu einem Bestandteil des angefochtenen Baubewilligungsbescheides erklärt worden. Die im Berufungsverfahren erfolgte Projektänderung war zulässig im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG. Die Grenzen der Entscheidungsbefugnis wurden von der belangten Behörde nicht überschritten. Die behauptete Verletzung der funktionellen Zuständigkeit liegt somit nicht vor (vgl. zu den Grenzen der Entscheidungsbefugnis bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 84/07/0086, und vom , Zl. 94/04/0248). | ||||||||||
Die Beschwerdeführer bemängeln die von der belangten Behörde vorgenommene Berechnung der Gebäudehöhe des bewilligten Bauvorhabens und weisen insbesondere darauf hin, dass die als Dachgeschosse bezeichneten Bauteile nicht "im vollständigen Gebäudeumriss" lägen. Die Errichtung von Dachschossen innerhalb gedachter Giebelflächen sei nur insoweit möglich, als dadurch auf die Gesamtarchitektur Rücksicht genommen werde und nicht die Bestimmungen über die absolute Gebäudehöhe umgangen würden. | ||||||||||
Das bewilligte Gebäude liegt nicht an den im § 81 Abs. 1 BO aufgezählten Fluchtlinien. Für die Berechnung der Gebäudehöhe sind daher im Beschwerdefall folgende Bestimmungen des § 81 BO maßgeblich: | ||||||||||
"Gebäudehöhe und Gebäudeumrisse; Bemessung |
§ 81. …
(2) Bei den über eine Gebäudetiefe von 15 m hinausragenden Teilen von Gebäuden an der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie sowie bei allen nicht an diesen Fluchtlinien gelegenen Gebäuden darf die Summe der Flächeninhalte aller Gebäudefronten nicht größer als das Produkt aus der Summe der Längen aller Gebäudefronten und der höchsten zulässigen Gebäudehöhe sein; hiebei darf die höchste zulässige Gebäudehöhe an der Grundgrenze und bis zu einem Abstand von 3 m von derselben überhaupt nicht und an den übrigen Fronten an keiner Stelle um mehr als 3 m überschritten werden. Bei dieser Ermittlung sind die Feuermauern ab 15 m hinter der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie wie Fronten in Rechnung zu stellen. Die der Dachform entsprechenden Giebelflächen bleiben bei der Bemessung der Gebäudehöhe außer Betracht, und der oberste Abschluss des Daches darf keinesfalls höher als 7,5 m über der zulässigen Gebäudehöhe liegen, sofern der Bebauungsplan nicht anderes bestimmt.
…
(4) Durch das Gebäude darf jener Umriss nicht überschritten werden, der sich daraus ergibt, dass in dem nach Abs. 1 bis 3 für die Bemessung der Gebäudehöhe maßgeblichen oberen Anschluss der Gebäudefront ein Winkel von 45 Grad , im Gartensiedlungsgebiet von 25 Grad , von der Waagrechten gegen das Gebäudeinnere ansteigend, angesetzt wird. Ist im Bebauungsplan eine besondere Bestimmung über die Höhe oder die Form der Dächer festgesetzt, ist der dieser Festsetzung entsprechende Winkel für die Bildung des Gebäudeumrisses maßgebend.
(5) In den Fällen des § 75 Abs. 4 und 5 ist zum Erreichen des nach der Bauklasse zulässigen Gebäudeumrisses das Staffeln der Baumasse hinter der Baulinie, Straßenfluchtlinie, Verkehrsfluchtlinie oder Baufluchtlinie oder das Zurückrücken der Hauptfront zulässig; beim Zurückrücken der Hauptfront müssen Feuermauern, die sonst sichtbar würden, gedeckt und die zwischen der Fluchtlinie und der Vorderfront des Gebäudes gelegenen Flächen gärtnerisch ausgestaltet oder mit einer Oberflächenbefestigung versehen werden.
(6) Der nach den Abs. 1 bis 5 zulässige Gebäudeumriss darf durch einzelne, nicht raumbildende Gebäudeteile untergeordneten Ausmaßes überschritten werden; mit raumbildenden Dachaufbauten darf der Gebäudeumriss nur durch einzelne Dachgauben sowie im unbedingt notwendigen Ausmaß durch Aufzugstriebwerksräume und durch Stiegenhäuser überschritten werden. Die einzelnen Dachgauben müssen in ihren Ausmaßen und ihrem Abstand voneinander den Proportionen der Fenster der Hauptgeschosse sowie dem Maßstab des Gebäudes entsprechen. Die Dachgauben dürfen insgesamt höchstens ein Drittel der Länge der betreffenden Gebäudefront in Anspruch nehmen.
(7) Der zulässige Gebäudeumriss darf auch durch Verglasungen untergeordneten Ausmaßes überschritten werden."
Die "der Dachfläche entsprechenden Giebelflächen" gemäß § 81 Abs. 2 BO sind nicht nur die tatsächlichen, von der vorhandenen Dachform gebildeten Giebelflächen, sondern auch gedachte Giebelflächen, die innerhalb der zulässigen Dachform möglich sind. Auch solche gedachte Giebelflächen haben daher bei der Bemessung der Gebäudehöhe nach dieser Gesetzesstelle außer Betracht zu bleiben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/05/0172, und vom , Zl. 95/05/0068, VwSlg 14.975/A). Die Bildung gedachter Giebelflächen bei der Ermittlung der Gebäudehöhe gemäß § 81 Abs. 2 BO im Zusammenhang mit Abs. 4 dieses Paragraphen durch die belangte Behörde stimmt daher mit der Rechtslage überein.
Die im Beschwerdefall anzuwendenden, auf den Bebauungsplan PD Nr. 6665 gestützten Bebauungsbestimmungen enthalten Festlegungen gemäß § 5 Abs. 4 lit. k BO betreffend die zulässige Höhe des Daches über der ausgeführten Gebäudehöhe sowie gemäß § 5 Abs. 4 lit. i BO betreffend die Massengliederung. Sind im Zusammenhalt mit den hier maßgeblichen Regelungen des § 81 Abs. 2 und 4 BO als Bestimmungen über die Gebäudehöhe gemäß § 134a Abs. 1 lit. b BO anzusehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0231).
Die belangte Behörde hat ihrer Beurteilung des Gebäudeumrisses zwar § 81 Abs. 4 erster Satz BO zu Grunde gelegt und für die Ermittlung des Umrisses einen von der maßgeblichen Waagrechten gegen das Gebäudeinnere ansteigenden 45 Grad -igen Winkel angesetzt. Diese Vorgangsweise lässt jedoch die Anordnung des § 81 Abs. 4 zweiter (letzter) Satz BO unberücksichtigt, wonach dann, wenn im Bebauungsplan eine besondere Bestimmung über die Höhe oder die Form der Dächer festgesetzt ist, der dieser Festsetzung entsprechende Winkel für die Bildung des Gebäudeumrisses maßgebend ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0073).
Die in den hier anzuwendenden Bebauungsbestimmungen enthaltene Regelung, dass "bei den innerhalb des Baulandes zur Errichtung gelangenden Gebäuden (…) der höchste Punkt des Daches nicht höher als 4,5 m über der ausgeführten Gebäudehöhe liegen" darf, ist eine solche Bestimmung über die Höhe der Dächer im Sinne des § 81 Abs. 4 zweiter Satz BO. Ausgehend von der maßgeblichen Länge der Gebäudefront (rd. 33 m) beträgt der hier entsprechende Winkel für die Bildung des Gebäudeumrisses unter Beachtung des höchstzulässigen Punktes des Daches maßgeblich weniger als der von der belangten Behörde angenommene 45 Grad -ige Winkel. Damit wird der im Sinne des § 81 Abs. 4 erster Satz BO zu bildende Umriss vom bewilligten Bauvorhaben überschritten.
Auf Grund ihrer Rechtsauffassung, die die Festsetzung des entsprechenden Winkels für die Bildung des Gebäudeumrisses im Sinne des § 81 Abs. 4 zweiter Satz BO unbeachtet lässt, hat sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit der weiteren auf § 5 Abs 4 lit. i BO gestützten Regelung des Bebauungsplanes über die Gliederung der Baumassen bei der Ermittlung der zulässigen Gebäudehöhe nach § 81 Abs. 2 BO auseinander gesetzt.
Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Beschwerdeführer durch die Bewilligung des Bauvorhabens in dem von ihnen geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über die Gebäudehöhe gemäß § 134a Abs. 1 lit. b BO verletzt werden.
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am