VwGH vom 13.06.2012, 2010/06/0091
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Merl, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des OR in S, vertreten durch Dr. Hermann Geissler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neutorgasse 12, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 205-07/269/5- 2010, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. EB in H; 2. Gemeinde H), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Gemeinde wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer einerseits und die erstmitbeteiligte Partei (Bauwerberin) andererseits sind Eigentümer aneinandergrenzender Grundstücke. Das Grundstück der Bauwerberin liegt höher als das Grundstück des Beschwerdeführers.
Die Bauwerberin beantragte mit Eingabe vom die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Futtermauer (nach der Technischen Beschreibung:
Steinschlichtung mit Hinterfüllung und "entsprechender" Absturzsicherung) entlang der gemeinsamen Grundgrenze (in den Schnitten kotierter Abstand zur Grundgrenze von 0,95 bzw. 0,97 m).
Der Beschwerdeführer erhob mit Schreiben vom und vom , bei der mündlichen Verhandlung vom sowie mit Schreiben vom Einwendungen gegen das Vorhaben. Es könnten Kraftfahrzeuge bis unmittelbar an seine Grundgrenze heranfahren, wodurch die Abgase dieser Kraftfahrzeuge in konzentrierter Form auf sein Grundstück gelangten. Die Abgase seien schwerer als Luft und sänken daher auf das Niveau seines Grundstückes ab, wodurch die Benützung seines Grundstückes, insbesondere seiner Terrasse und des südseitigen Gartens, verhindert werde. Dies stelle eine wesentliche Beeinträchtigung der Benützung seiner Liegenschaft dar. Darüber hinaus befürchte er ein Herabfallen von Gegenständen, ja sogar von Kraftfahrzeugen, weil das Projekt keine Absturzsicherung oder Brüstung vorsehe. Dies bedeute eine Gefahr für Leib und Leben jener Personen, die sich gerade auf seiner Terrasse oder in seinem Garten befänden. Er könne daher auf Grund des Vorhabens seine Terrasse samt dem südseitigen Garten nicht benützen. Ohne die beantragte Anhebung der Höhenlage samt Herstellung der Mauer wären diese Beeinträchtigungen nicht gegeben.
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde erteilte mit Bescheid vom die angestrebte Baubewilligung mit einer Reihe von - vom bautechnischen Sachverständigen vorgeschlagenen - Vorschreibungen, darunter:
"4. Die absturzgefährdeten Stellen sind mit einer Absturzsicherung zu versehen.
5. Zwischen Autoabstellflächen und den nordseitig angrenzenden Grundstücken ist eine Schutzvorrichtung (Prallschutz) gegen das Abrollen bzw. Abstürzen von KFZ-Fahrzeugen herzustellen."
Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden als unbegründet erachtet (was näher begründet wurde); zur Gefahr des Herabfallens sei auf die Auflagen 4 und 5 des Bescheides zu verweisen, sodass diese Bedenken hinreichend berücksichtigt worden seien.
Der Beschwerdeführer berief mit Schriftsatz vom (nur) gegen die Vorschreibungen der Punkte 4 und 5. Diese Auflagen seien unzureichend und unbestimmt, die vorgeschriebenen Maßnahmen hätten Projektbestandteil sein müssen.
Mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen; die bekämpften Auflagen seien ausreichend bestimmt, die Maßnahmen hätten nicht bereits Projektbestandteil sein müssen (wurde jeweils näher ausgeführt).
Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung, in welcher er sein Vorbringen aus der Berufung wiederholte und ergänzte.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer bemängle ausschließlich, dass die Auflagen 4. und 5. nicht ausreichend bestimmt seien und bereits Teil des Projektes hätten sein müssen. Es sei aber aus dem Vorstellungsvorbringen nicht ableitbar, ob oder welche nachteilige Wirkungen von ihm durch die projektierte Futtermauer erwartet würden. Vielmehr stütze sich das Vorbringen allein auf den Aspekt der Auflagenformulierung und des mangelnden Projektbestandteiles, wobei ihm diesbezüglich aber kein subjektivöffentliches Recht eingeräumt sei. Ihm komme kein Mitspracherecht dahingehend zu, ob die Vermeidung erheblicher nachteiliger Wirkungen durch das Vorhaben schon durch die Gestaltung des Bauvorhabens selbst oder erst durch den Baubewilligungsbescheid im Wege der Erteilung von Auflagen erreicht werde.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 6 des Salzburger Baupolizeigesetzes 1997, LGBl. Nr. 40 (BauPolG - in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 31/2009), ist die Baubewilligung zu versagen, wenn durch die baulichen Maßnahmen ein subjektiv-öffentliches Recht einer Partei verletzt wird; solche Rechte werden durch jene baulichen Vorschriften begründet, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Parteien; hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Höhe und die Lage der Bauten im Bauplatz. Soweit jedoch Bestimmungen des Bautechnikgesetzes, LGBl. Nr. 75/1976 (BauTG), in Betracht kommen, ist das Mitspracherecht des Nachbarn auf die im § 62 BauTG taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Rechte beschränkt (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/06/0203, mwN.).
§ 62 BauTG (idF LGBl. Nr. 107/2003) lautet:
"Subjektiv-öffentliche Rechte
§ 62
Folgende Bestimmungen dieses Gesetzes stellen im Baubewilligungsverfahren für Nachbarn subjektiv-öffentliche Rechte dar:
1. § 8 Abs. 1 hinsichtlich des Vortretens von Bauteilen in den Mindestabstand von den Grenzen des Bauplatzes;
2. § 8 Abs. 3 hinsichtlich des Vorliegens der Zustimmung der Straßenverwaltung bzw. der Gemeinde;
3. § 11 Abs. 2 hinsichtlich des Vorliegens der Zustimmung des Grundeigentümers;
4. § 15 Abs. 1 hinsichtlich der Einhaltung der Mindestentfernung von 1 m;
5. § 25 Abs. 5 hinsichtlich der Einhaltung der erforderlichen Mindestabstände von der Bauplatzgrenze sowie hinsichtlich einer allfälligen Unterschreitung derselben;
6. § 34 Abs. 4 sowie § 53 Abs. 1 hinsichtlich der Einhaltung des Mindestabstandes von 2 m sowie hinsichtlich einer allfälligen Unterschreitung desselben;
7. § 39 Abs. 2 hinsichtlich der das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Belästigungen der Nachbarn;
7a. § 39d Abs 3 hinsichtlich der das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Belästigungen der Nachbarn;
8. § 51 hinsichtlich einer Unterschreitung des Abstandes von 8 m;
9. § 52 Abs. 7 hinsichtlich einer Unterschreitung des Abstandes von 3 m;
10. § 56 Abs. 1 und 3, ausgenommen hinsichtlich der Interessen des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes;
11. § 57 hinsichtlich der erheblich nachteiligen Wirkungen für benachbarte Grundstücke;
12. § 59, soweit in den in Betracht kommenden Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte verankert sind;
13. § 60, ausgenommen hinsichtlich der Interessen des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes;
14. § 61, soweit es sich um Ausnahmen von Vorschriften handelt, die subjektiv-öffentliche Rechte berühren."
§ 16 BauTG LGBl. Nr. 75/1976 lautet:
"Geländer und Brüstungen
§ 16
(1) An allen bei der gewöhnlichen Benützung zugänglichen, absturzgefährlichen Stellen von Bauten und sonstigen baulichen Anlagen sind, soweit dies nicht durch die Bauaufgabe ausgeschlossen wird (Laderampen u. dgl.), standsichere Geländer oder Brüstungen anzubringen, deren Ausführung auch Kindern ausreichenden Schutz bieten muß. Bei Geländern gegen Verkehrsflächen, allgemein zugängliche Freiflächen oder Nachbargrundstücke, insbesondere bei Balkonen, Terrassen und Fenstertüren, ist am Geländerfuß ein Schutz gegen das Abrollen von Gegenständen vorzusehen.
(2) Geländer und Brüstungen müssen mindestens 1 m, im fünften Vollgeschoß und darüber jedoch mindestens 1,10 m hoch sein. Auf diese Höhe ist die Brüstungsbreite anzurechnen, soweit sie 40 cm übersteigt und eine Mindesthöhe von 70 cm an der Innenseite der Brüstung nicht unterschritten wird. Die Höhe von Geländern und Brüstungen ist bei Stiegen lotrecht von der Stufenvorderkante bis zur Geländeroberkante zu messen."
§ 57 BauTG LGBl. Nr. 75/1976 lautet:
"Stütz- und Futtermauern
§ 57
Stütz- und Futtermauern sind dem Verwendungszweck entsprechend standsicher und dauerhaft herzustellen. Sie sind nur zulässig, wenn sie das Orts-, Straßen- und Landschaftsbild nicht stören und keine erheblichen nachteiligen Wirkungen für benachbarte Grundstücke verursachen."
In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, diese richte sich gegen die Vorschreibung der Auflagenpunkte 4 und 5. Sie erfüllten nicht die allgemeinen Anforderungen an Auflagen und würden die erheblich nachteiligen Wirkungen für das Grundstück des Beschwerdeführers nicht vermeiden. Fehlende Teile des Projektes würden damit unzulässigerweise in Auflagen ausgegliedert. Die Auflagen seien nicht hinreichend konkret. Die absturzgefährlichen Teile seien nicht bezeichnet, und es sei auch nichts über die technische Ausführung der Absturzsicherung festgelegt, ebenso fehlten Angaben oder Pläne über den Prallschutz. Der Beschwerdeführer habe als erheblich nachteilige Auswirkungen das Herabsinken von Abgasen auf sein Grundstück und das mögliche Herabstürzen eines Autos auf dasselbe geltend gemacht. Die Auflagen seien nicht auf ihre Tauglichkeit zur Vermeidung dieser Beeinträchtigungen von einem Sachverständigen geprüft worden.
Soweit die Beschwerdeausführungen dahin zu verstehen sein sollten, dass im Beschwerdeverfahren auch eine Immissionsbelastung durch herabsinkende Abgase geltend gemacht wird, ist ihnen zu entgegnen, dass eine solche Immissionsbelastung nicht durch das Bauvorhaben, sondern bereits durch den Höhenunterschied der Grundstücke bewirkt wird. Dass KFZ-Stellplätze an sich unzulässig wären, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Im Übrigen war eine solche Immissionsbelastung auch nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens, weil sich die Berufung (und in weiterer Folge die Vorstellung) nur gegen die Punkte 4 und 5 der Vorschreibungen richtete, deren Schutzzweck Abgase nicht umfasst.
§ 16 BauTG enthält nähere Regelungen für "Geländer und Brüstungen"; diesbezüglich kommt dem Nachbarn mangels Aufzählung im taxativen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom ) Katalog des § 62 BauTG aber kein subjektivöffentliches Recht zu.
Abgesehen davon, dass angesichts der unterschiedlichen Höhenlage der Grundstücke schon vor der Bauführung die Möglichkeit bestanden hatte, dass Autos die Böschung zum Grundstück des Beschwerdeführers herunterrollen, handelt es sich bei der diesbezüglichen Befürchtung auch nicht um einen möglichen Nachteil, der durch eine Mauer wie die gegenständliche selbst (denkbar wäre etwa der Einfluss auf Belichtung bzw. die Beschattung) bewirkt wird. Er wird somit auch nicht vom Begriff "keine erheblichen nachteiligen Wirkungen für benachbarte Grundstücke" in § 57 2. Satz BauTG erfasst.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Gemeinde war abzuweisen, weil sie nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war.
Wien, am