VwGH vom 22.02.2012, 2010/06/0068

VwGH vom 22.02.2012, 2010/06/0068

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des T J in H, vertreten durch Dr. Erwin Bajc, Dr. Peter Zach und Mag. Dr. Reinhard Teubl, Rechtsanwälte in 8600 Bruck/Mur, Mittergasse 28, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. 024985/2009/0015, betreffend Beseitigungsauftrag gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Baukontrollor W. A. stellte bei einer Erhebung am fest, dass auf der Höhe der Liegenschaft P-Straße 99 an der Stadtgrenze zu H die beiden dem Beschwerdeführer gehörenden (EZ 2557 KG S.) Wegparzellen Nr. 377/1 und 378/2 asphaltiert worden seien. Im oberen Bereich zum öffentlichen Gut hin sei ein Asphaltwulst errichtet worden (nach den Ermittlungen befindet sich dieser Asphaltwulst im Bereich des öffentlichen Gutes auf der P-Straße), sodass das gesamte Oberflächenwasser der Straße (gemeint offenbar der P-Straße) auf das Grundstück Nr. 377/3 abgeleitet werde (das zuletzt genannte Grundstück - zur Adresse P-Straße 99 - gehört DJ. M).

Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz erteilte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom den Auftrag "die auf den Grundstücken (Wegegrundstücke) Nr. 377/1 und 378/2, EZ …, errichtete bauliche Anlage, nämlich eine

aufgebrachte Asphaltdecke (Länge ca. 84,0 m, Breite ca. 5,0 m)

binnen vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen ."

Es sei von der Baubehörde festgestellt worden, dass die im Spruch angeführte bauliche Anlage (Asphaltdecke) ohne baubehördliche Genehmigung errichtet worden sei. Diese Anlage stelle gemäß § 19 Z. 1 Stmk. BauG grundsätzlich ein bewilligungspflichtiges Vorhaben dar und sei auf Grund des Fehlens dieser Bewilligung daher vorschriftswidrig errichtet worden. Gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG habe die Behörde, ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 Stmk. BauG hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen.

In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, er habe keine bauliche Anlage errichtet, insbesondere keine Asphaltdecke auf den genannten Grundstücken aufgebracht. Auf den angeführten Weggrundstücken befänden sich seit vielen Jahrzehnten befestigte Wegflächen. Der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers habe vor Jahren eine in die Jahre gekommene und teilweise durch Erosion beschädigte Asphaltschicht entfernt und durch eine neue Asphaltschicht ersetzt. Diese Asphaltschicht als oberste Schicht eines befestigten Weges werde im Bescheid offensichtlich als "aufgebrachte Asphaltdecke" bezeichnet. Das Auswechseln einer Asphaltschicht stelle keine bauliche Anlage dar. Eine Bewilligungspflicht sei nicht gegeben.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass unter einer baulichen Anlage gemäß § 4 Z. 12 Stmk. BauG jede Anlage zu verstehen sei, zu deren Errichtung bautechnische Kenntnisse erforderlich seien, die mit dem Boden in eine Verbindung gebracht werde und die wegen ihrer Beschaffenheit die öffentlichen Interessen zu berühren geeignet sei. Eine Verbindung mit dem Boden bestehe schon dann, wenn die Anlage durch ihr eigenes Gewicht auf dem Boden ruhe oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich sei oder nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt sei, überwiegend ortsfest benutzt zu werden.

Schon allein aus dieser Definition ergebe sich, dass es sich bei dem gegenständlichen Asphaltbelag um eine bauliche Anlage handle, zumal nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Straßen oder Bestandteile einer Straße ohne Widmung zur öffentlichen Benutzung vom Stmk. Landesgesetzgeber als bauliche Anlagen aufgefasst würden und gemäß § 19 Abs. 1 Stmk. BauG einer Bewilligungspflicht unterlägen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/17/0070).

Die befestigte Zufahrtsstraße sei darüber hinaus nicht zur öffentlichen Benutzung gewidmet und es komme ihr die Eigenschaft einer Gemeindestraße im Sinne des Stmk. LandesstraßenverwaltungsG nicht zu, sodass das Vorhaben auch nicht als Ausnahme unter § 3 Z. 1 Stmk. BauG falle. Folglich sei das Aufbringen der Asphaltschicht ohne baubehördliche Bewilligung bzw. nachweislich vorschriftswidrig im Sinne des § 41 Abs. 3 Stmk. BauG erfolgt, sodass die Behörde zu Recht einen Beseitigungsauftrag nach § 41 Abs. 3 Stmk. BauG mit der Folge erlassen habe, dass die gegenständliche bauliche Anlage binnen der im Spruch bestimmten Frist ab Rechtskraft zu beseitigen sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall ist das Stmk. Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995 (Stmk. BauG), idF LGBl. Nr. 88/2008 anzuwenden (für die sich im Zusammenhalt mit § 41 Abs. 3 Stmk. BauG auch stellende Frage, ob die bauliche Anlage im Zeitpunkt ihrer Errichtung bewilligungs- oder anzeigepflichtig war oder - wenn auch bewilligungsfrei - entgegen gesetzlichen Bestimmungen errichtet wurde, ist auch die Rechtslage im Zeitpunkt der Errichtung der Anlage maßgeblich).

Gemäß § 3 Z. 1 Stmk. BauG gilt dieses Gesetz nicht für bauliche Anlagen, die nach straßenrechtlichen Vorschriften als Straßen oder Bestandteile einer Straße gelten, sowie die dazugehörigen Lärmschutzanlagen.

§ 4 Z. 12 Stmk. BauG definiert den Begriff "bauliche Anlage" wie folgt:

"12. Bauliche Anlage (Bauwerk): Jede Anlage,


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-
zu deren Errichtung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind
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die mit dem Boden in eine Verbindung gebracht wird und
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die wegen ihrer Beschaffenheit die öffentlichen Interessen zu berühren geeignet ist.
Eine Verbindung mit dem Boden besteht schon dann, wenn die Anlage
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durch eigenes Gewicht auf dem Boden ruht oder
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auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder
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nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden."
Gemäß § 4 Z. 56 Stmk. BauG ist unter einem Umbau die Umgestaltung des Inneren oder Äußeren einer bestehenden baulichen Anlage, die die äußeren Abmessungen nicht verändert, jedoch geeignet ist, die öffentlichen Interessen zu berühren (z.B. Brandschutz, Standsicherheit, äußeres Erscheinungsbild), bei überwiegender Erhaltung der Bausubstanz.
Gemäß § 19 Z. 1 leg. cit. sind folgende Vorhaben, sofern sich aus den §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt, bewilligungspflichtig:
1.
Neu-, Zu- oder Umbauten von baulichen Anlagen sowie umfassende Sanierungen.
Gemäß § 21 Abs. 2 Z. 1 Stmk. BauG ist der Umbau einer baulichen Anlage oder Wohnung, der keine Änderung der äußeren Gestaltung bewirkt, bewilligungsfrei.
Gemäß § 41 Abs. 1 Stmk. BauG hat die Behörde die Baueinstellung zu verfügen, wenn Vorhaben gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen, insbesondere wenn
"1.
bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung,
2.
anzeigepflichtige Vorhaben ohne Genehmigung im Sinne des § 33 Abs. 6 oder
3.
baubewilligungsfreie Vorhaben nicht im Sinne dieses Gesetzes
ausgeführt werden."
Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung hat die Behörde hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, es seien vor dem Aufbringen der Asphaltschicht, die von seinem Rechtsvorgänger hergestellt worden sei, bei der belangten Behörde Erkundigungen eingezogen worden und es sei die Ansicht vertreten worden, dass die Erneuerung des Belages keiner baurechtlichen Bewilligung bedürfe. Weiters liege nach Ansicht des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 21 Abs. 2 Z. 1 Stmk. BauG vor, nach dem der Umbau einer baulichen Anlage bewilligungsfrei sei, wenn dieser keine Änderung der äußeren Gestaltung bewirke. Dies liege hier vor. Es sei eine in die Jahre gekommene und teilweise durch Erosion beschädigte Asphaltschicht entfernt und durch eine neue Asphaltschicht ersetzt worden. Diese Asphaltschicht stelle lediglich die oberste Schicht eines seit Jahrzehnten befestigten Weges dar. Es sei nichts Wesentliches daran geändert worden. Auf Grund dieser neuen Asphaltdecke (ohne Risse und Löcher) sei wieder eine sichere Benützung dieser Straße gewährleistet.
Dazu ist folgendes auszuführen:
Es handelt sich nach den Feststellungen der belangten Behörde im vorliegenden Fall um eine befestigte Zufahrtstraße, die nicht zur öffentlichen Benutzung im Sinne des Stmk. Landes-StraßenverwaltungsG 1964 gewidmet ist. Diese Straße fällt somit nicht unter das Stmk. Landes-StraßenverwaltungsG 1964, von dem gemäß § 1 dieses Gesetzes alle öffentlichen Straßen mit Ausnahme der Bundesstraßen erfasst sind (darunter insbesondere die Landesstraßen und Gemeindestraßen gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 und 4 dieses Gesetzes), aber auch nicht unter das BundesstraßenG. Die in § 3 Z. 1 Stmk. BauG vorgesehene Ausnahme vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes kommt im vorliegenden Fall daher nicht zur Anwendung.
Eine auf einer bestehenden Weg- oder Straßenanlage hergestellte Asphaltdecke stellt entgegen der Ansicht der belangten Behörde keine eigenständige bauliche Anlage im Sinne des § 4 Z. 12 Stmk. BauG dar. Eine solche Asphaltdecke ist vielmehr als ein Teil der baulichen Anlage eines befestigten Weges oder einer errichteten Straße zu qualifizieren (vgl. die hg. Erkenntnisse (beide) vom , Zl. 2007/05/0248, zur Nö BauO, und Zl. 2007/17/0070). Es kann auch ein trennbarer Teil einer baulichen Anlage Gegenstand eines baupolizeilichen Auftrages gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/06/0070). Die vorliegende behauptete Ersetzung einer alten Asphaltdecke könnte daher dann Gegenstand eines baupolizeilichen Auftrages gemäß dieser Bestimmung sein, wenn es sich dabei um einen bewilligungspflichtigen Umbau gemäß § 19 Z. 1 Stmk. BauG handelte. Nach der Begriffsbestimmung für den Umbau gemäß § 4 Z. 56 Stmk. BauG ist davon nicht nur der Umbau eines Gebäudes, sondern nach dem Wortlaut dieser Bestimmung jede Umgestaltung des Inneren oder Äußeren einer bestehenden baulichen Anlage zu verstehen, die weitere in dieser Ziffer enthaltene Kriterien erfüllt. Wenn die Asphaltdecke einer befestigten Weganlage ersetzt wird, erfolgt eine Umgestaltung des Äußeren dieser Weganlage, bei der grundsätzlich die äußeren Abmessungen nicht verändert werden und die geeignet ist, öffentliche Interessen zu berühren (was näher zu begründen wäre) bei überwiegender Erhaltung der Bausubstanz. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift kann ohne nähere Begründung nicht von vorneherein angenommen werden, dass im Falle der Entfernung der Asphaltschicht einer befestigten Weganlage die Bausubstanz dieser Weganlage überwiegend nicht erhalten bleibt.
In diesem Zusammenhang hätte sich die die belangte Behörde - wie dies zutreffend in der Beschwerde vertreten wird - auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob es sich bei dem Ersetzen der in Frage stehenden Asphaltdecke durch eine neue allenfalls um einen bewilligungsfreien Umbau im Sinne des § 21 Abs. 2 Z. 1 Stmk. BauG handelt. Es liegen keine entsprechenden Feststellungen der belangten Behörde vor, dass mit der Ersetzung der Asphaltschicht eine Änderung der äußeren Gestaltung bewirkt wurde. Dazu bedarf es eines Vergleiches der nach den Behauptungen des Beschwerdeführers früher gegebenen Asphaltschicht mit der nunmehr aufgetragenen. Erst nach entsprechender Überprüfung, ob die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes von einer Bewilligungspflicht gegeben sind oder nicht, könnte beantwortet werden, ob ein bewilligungspflichtiger Umbau gemäß § 19 Z. 1 Stmk. BauG vorliegt, der ohne Baubewilligung erfolgt wäre.
Da das vorliegende Ermittlungsverfahren ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht der belangten Behörde, nach der die Herstellung einer Asphaltdecke eine jedenfalls bewilligungspflichtige bauliche Anlage darstelle, unvollständig geblieben ist, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am