VwGH 14.12.2007, 2005/05/0177
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | BauO NÖ 1996 §33 idF 8200-6; BauRallg; |
RS 1 | Ein Baugebrechen im Sinne des § 33 BauO NÖ 1996 ist ein durch a) Alter, Abnützung, Verwitterung oder Beschädigung (Verschlechterung) oder b)eine bewilligungsbedürftige, aber nicht bewilligte, oder anzeigepflichtige, aber nicht angezeigte, Abänderung oder das Fehlen eines unentbehrlichen Bauteils oder Zubehörs (Konsenswidrigkeit) verursachter Zustand eines Bauwerkes, der seine Standfestigkeit, sein Aussehen, den Brandschutz oder die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt oder zu einer örtlich unzumutbaren Belästigung der Nachbarschaft führen kann (Hinweis auf Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht7, 436). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde 1. der Helga Himmelbauer und 2. des Franz Himmelbauer, beide in Eggendorf am Walde, beide vertreten durch Sacha & Katzensteiner Rechtsanwälte OEG in 3500 Krems, Gartenaugasse 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-336/001-2005, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Maissau), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Den Beschwerdeführern gehört die Liegenschaft Eggendorf am Walde Nr. 27, dem J.K. und der R.K. die seitlich benachbarte Liegenschaft Eggendorf am Walde Nr. 28. Auf Grund eines Antrages der Beschwerdeführer um baupolizeiliche Überprüfung von Bauführungen auf der Nachbarliegenschaft fand am im Beisein eines Bausachverständigen ein Lokalaugenschein statt. Dabei wurde zunächst festgehalten, dass zwischen den beiden auf den benachbarten Liegenschaften bestehenden Gebäuden eine Reiche vorhanden sei, die an der Straße 64 cm breit sei und nach rückwärts verlaufend zum Hof schmäler werde. Im Zuge dieser Verhandlung brachten die Nachbarn vor, dass die Beschwerdeführer ohne baubehördliche Bewilligung diverse Holzfenster in der Brandwand durch neue Kunststofffenster ersetzt hätten. Es wurde festgestellt, dass Öffnungen in der Brandwand vorhanden seien und neun neue Kunststofffenster eingebaut worden waren. Der Bausachverständige führte dazu aus, dass dafür aus Gründen des Brandschutzes (Öffnungen in der Brandwand) eine Bewilligung nicht möglich sei. In einem Bescheid vom sei bereits festgehalten worden, dass beim Heiz- und Öllagerraum die Fensteröffnungen brandbeständig abgemauert werden müssten. Die Beschwerdeführer brachten dazu vor, durch die Fenstersanierung sei es zu keiner Beeinträchtigung des Brandschutzes gekommen.
Mit Bescheid vom trug der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde den Beschwerdeführern auf, die Öffnungen in der Brandwand ihres Hauses Eggendorf am Walde Nr. 27 zum Anrainergrundstück der Familie K. bis abzumauern. Im Zuge der besonderen Beschau am sei festgestellt worden, dass diese Öffnungen in der Brandwand vorhanden seien und lediglich die Instandsetzung bewilligungs- und anzeigefrei gewesen wäre, wenn die Konstruktion und Materialart beibehalten sowie Formen und Farben von außen sichtbaren Flächen nicht verändert worden wären. Hier seien aber neun neue Kunststofffenster eingebaut worden, wofür eine Baubewilligung erforderlich gewesen wäre. Eine solche Baubewilligung sei wegen der Öffnungen in der Brandwand nicht möglich. In einem Bescheid vom sei die Abmauerung von Fensteröffnungen beim Heiz- und Öllagerraum aufgetragen worden.
In ihrer dagegen erstatteten Berufung rügten die Beschwerdeführer zunächst, dass ihnen keine Akteneinsicht gewährt worden sei. Bezüglich der Sanierung der Fenster seien die Beschwerdeführer in den Genuss einer Förderung durch die NÖ Landesregierung gelangt; Voraussetzung dieser Förderung sei gewesen, dass die Baubehörde dieser Renovierungsmaßnahme zugestimmt habe (offenbar haben sich die Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen auf die im Akt erliegende Bauanzeige vom bezogen). Das Objekt Eggendorf am Walde bestehe seit 1702. Die vor der Fenstersanierung bestehenden alten vermorschten Holzfenster seien seit unvordenklichen Zeiten dort eingebaut gewesen. Durch die Fenstersanierung auf weiße Kunststofffenster statt der alten verwitterten, leicht entflammbaren Fenster sei die Sicherheit erhöht worden. Wie sich aus einem vorgelegten Schreiben der Firma O. ergebe, seien die neuen Fenster schwer entflammbar. Es sei eine wesentliche Verbesserung des Brandschutzes erzielt worden. Einer im Bescheid vom (betreffend die Baubewilligung für einen Heiz- und Tankraum) erteilten Auflage, die Fensteröffnungen in der Brandwand brandbeständig zu verschließen, seien die Beschwerdeführer nachgekommen und es sei eine entsprechende Benützungsbewilligung erteilt worden.
Diese Berufung bildet den Gegenstand des Bescheides des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom ; mit diesem Bescheid wurde der "Einspruch einstimmig abgelehnt". In der Begründung wurde auf die beim Lokalaugenschein vom getroffenen Feststellungen verwiesen. Zur Bauanzeige vom führte die Berufungsbehörde aus, es sei daraus zu schließen, dass es sich hier um die Sanierung und den Fenstertausch an der Hausfassade zur Straße und nicht um die Sanierung der Brandwand zum Anrainergebäude handle. Außerdem seien die Fenster der Brandwand erst ca. 10 Jahre nach der Sanierung der Hausfassade getauscht worden. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens seien der Berufungsbehörde Fotos vorgelegt worden, aus denen ersichtlich sei, dass vor dem Fenstertausch in der Brandwand die Fensteröffnungen deutlich kleiner waren als nach dem Fenstertausch. Die Vergrößerung der Fensteröffnung stelle eine bauliche Veränderung dar, für die keine Bewilligung möglich sei. Die neuen Kunststofffenster seien mit der Bauanzeige vom nicht genehmigt worden, also ohne Konsens eingebaut worden. Unter Hinweis auf den Bescheid vom führte die Berufungsbehörde aus, dass diesbezüglich zwar eine Benützungsbewilligung erteilt worden sei, aber bis zum heutigen Tage keine Bestätigung über die brandbeständige Verschließung der Fensteröffnungen vorliege.
Die in der Berufungsentscheidung genannte Bauanzeige stammt vom und betraf die "Erneuerung der Fenster - in gleicher Größe, Kunststofffenster weiß, Erneuerung der Fassade (gelbe Farbe)". Die in der Berufungsentscheidung genannten Fotos befinden sich im Bauakt in zwei Kuverts, beschriftet mit "Fotos vor der Sanierung" und "Fotos nach der Sanierung".
Die Firma O. richtete an die mitbeteiligte Stadtgemeinde ein Schreiben, welches dort am einlangte. Danach hätte dieses Unternehmen ab Sommer 1986 in mehreren Lieferungen je nach Sanierungsfortschritt weiße Kunststofffenster in verschiedenen Größen verkauft und auch eingebaut. Auftrags- und Lieferdetails seien nach fast 20 Jahren nicht mehr in der Ablage. Die Firma O. habe die Beschwerdeführer bei der Einreichung bei den Behörden und Erlangung von Fördermitteln unterstützt. Es habe sich um eine Komplett-Fenstersanierung des gesamten Hauses (Wohn- und Nebengebäude, außen und hofseitig) gehandelt. Eine Besonderheit bei den Einbauten sei gewesen, dass auf Grund des bestehenden Gewölbes bei den Fenstern der Nebengebäude keinerlei Vergrößerungen der Fensteröffnungen möglich gewesen wäre, da sonst das Gewölbe Schaden genommen hätte.
In ihrer gegen den Berufungsbescheid erhobenen Vorstellung brachten die Beschwerdeführer vor, gemäß § 92 der NÖ Bauordnung 1976 sei der vorgenommene Fenstertausch nicht bewilligungspflichtig gewesen. Die Brandsicherheit sei nicht nur nicht beeinträchtigt worden, sondern sogar verbessert worden. Bestritten werde auch, dass die Fensteröffnungen vergrößert worden seien. Von der Auflage im Bescheid vom seien nur zwei der neun Fenster betroffen gewesen; dem Erfordernis der brandbeständigen Verschließung seien die Beschwerdeführer dadurch nachgekommen, dass spezielles Glas verwendet worden sei und die Griffe der Fenster abgeschraubt worden seien. Dieser Zustand sei anlässlich der Benützungsbewilligung vorgefunden worden. Es sei auch zu bezweifeln, ob es sich bei der Außenwand zur Nachbarliegenschaft tatsächlich um eine Brandwand handle. Die Voraussetzungen nach § 10 Z. 3 NÖ Bautechnikverordnung 1997 lägen nicht vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Grundsätzlich handle es sich bei der Änderung von Fenstern bzw. der Vergrößerung von Fensteröffnungen um Abänderungen von Bauwerken, die geeignet seien, die Standsicherheit tragender Bauteile, den Brandschutz oder die hygienischen Verhältnisse zu beeinträchtigen und einen Widerspruch zum Ortsbild entstehen zu lassen oder Rechte nach § 6 NÖ BauO verletzen zu können. Ein solches Vorhaben sei daher nach § 14 Z. 4 NÖ BauO bewilligungspflichtig. Die Durchführung des Austausches der gegenständlichen neuen Fenster (Änderung der Materialart) und die Vergrößerung der Fensteröffnungen seien vom Amtssachverständigen im Rahmen der Überprüfungsverhandlung als eine solche bewilligungspflichtige Maßnahme angesehen worden. Verwiesen wurde auf die Berufungsentscheidung, wonach die Bauanzeige lediglich Fenster an der Hausfassade zur Straße erfasst habe. Die Fenster in der Brandwand seien erst ca. 10 Jahre nach der Sanierung der Hausfassade ausgetauscht worden. Wörtlich wurde im Bescheid der belangten Behörde ausgeführt:
"Aus den im Gemeindeakt befindlichen Fotos ist zu ersehen, dass die gegenständlichen Fenster im Vergleich zu den Aufnahmen, die im Rahmen der Verhandlung am gemacht wurden, wesentlich kleiner erscheinen. Bei dem einem Foto, wo ein Bagger bei der Aushebung einer Baugrube zu sehen ist, dürfte es sich um das Frühjahr 1989 handeln, da der Familie Klepp die Baubewilligung für den Abbruch und die Errichtung eines Neubaues am erteilt wurde. Laut Aussage des Herrn Neuhold, wurde der Neubau im darauf folgenden Frühjahr begonnen.
Ein weiteres Foto, welches auf der Rückseite mit 'Löwenbild von Hartlauer, Dezember 1993' abgestempelt ist, zeigt eben sieben der gegenständlichen Fenster in der Brandwand, welche ebenfalls wesentlich kleiner und teils auch unterschiedliche Größen aufweisen.
Für die Aufsichtsbehörde ist es daher offensichtlich, dass die Änderung der gegenständlichen Fenster erst nach dem Dezember 1993 durchgeführt wurde. Da die Fenstergrößen zum großen Teil vergrößert wurden, um eine einheitliche Fenstergröße für die Kunststofffenster zu schaffen, handelt es sich hiermit um genehmigungspflichtige Abänderungen im Sinne des § 14 Z.4 der NÖ Bauordnung 1996.
Den Angaben der Vorstellungswerber, dass diese Fenster im Jahre 1986 ausgetauscht wurden und dass es zu keinerlei Veränderungen an den Fenstern gekommen sei, kann daher nicht gefolgt werden."
Ein Baugebrechen im Sinne der Bestimmungen des § 33 NÖ BauO umfasse auch bewilligungsbedürftige, aber nicht bewilligte Abänderungen, wenn dadurch der Brandschutz oder die Sicherheit von Personen beeinträchtigt werden könne. Dass sich durch die Vergrößerung von Fensteröffnungen in Brandwänden Auswirkungen auf den Brandschutz für den Nachbarn ergeben könnten, dürfte nach Auffassung der belangten Behörde unbestritten sein. In der Benützungsbewilligung vom , betreffend den Heiz- und Öllagerraum, befinde sich kein Hinweis, dass die zwei Fenster brandbeständig verschlossen worden seien. Die Baubehörde habe sich damals mit diesen zwei Fenstern überhaupt nicht befasst.
Da für die Vergrößerung dieser neun Fensteröffnungen keine baubehördliche Bewilligung vorliege, sei die Bewilligungsfähigkeit nach der aktuellen Rechtslage zu beurteilen. Unter Hinweis auf § 10 NÖ Bautechnikverordnung 1997 stellte die belangte Behörde fest, dass sich die Außenwand nicht direkt an der Grundstücksgrenze befinde, sondern laut Plan um 42 cm zurückgesetzt sei. Sie grenze daher an eine Reiche bzw. sei gegen eine Reiche gerichtet, sodass § 10 Z. 2 NÖ Bautechnikverordnung erfüllt sei. Eine nachträgliche Baubewilligung für den Einbau dieser Fenster sei nicht möglich, weshalb die Baubehörde richtigerweise die Abmauerung vorgeschrieben habe.
In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Beseitigung eines in rechtswidriger Weise erlassenen baupolizeilichen Auftrages verletzt. Sie beantragen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer tragen vor, es läge kein Baugebrechen im Sinne des § 33 der NÖ BauO 1996 vor. Nach der vorgelegten Bestätigung der Firma O. könne die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Brandschutzes nicht ernstlich behauptet werden. Die gegenständliche Wand liege nicht direkt an der Grundstücksgrenze, vielmehr befinde sich zwischen Wand und Grundstück des Nachbarn ein Grünstreifen. An diesen Grünstreifen schließe nicht, wie von der belangten Behörde fälschlich vermeint, das Nachbarhaus, sondern der Garten der Liegenschaft Eggendorf am Walde Nr. 28 an. Die Außenwand grenze also nicht an eine Reiche und sei auch nicht gegen eine Reiche gerichtet. Damit sei diese Außenwand keine Brandwand. Dem Auftrag im Bescheid vom , die zwei Fenster des Heiz- und Tankraumes brandbeständig zu verschließen, seien die Beschwerdeführer nachgekommen. Im Benützungsbewilligungsbescheid sei eine ordnungsgemäße Ausführung bestätigt worden. Die Fenster wären erforderlich, weil bei einer Abmauerung der Fenster der Betrieb der genehmigten Heizungsanlage mangels Belüftung unmöglich wäre.
Im Rahmen der Verfahrensrüge machen die Beschwerdeführer geltend, dass eine Begründung, warum die Bauanzeige vom lediglich den Fenstertausch an der Straßenfassade zum Inhalt gehabt hätte, nicht vorliege. Eine Einsichtnahme in den von den Beschwerdeführern genannten Förderungsakt der belangten Behörde hätte erkennen lassen, dass sich die Bauanzeige auf sämtliche Fenster bezogen habe. Insbesondere werde bestritten, dass die Fensteröffnungen "zum großen Teil" vergrößert worden seien, um eine einheitliche Fenstergröße zu schaffen. Eine Vergrößerung der Fensteröffnungen wäre nur auf Grund von umständlichen und unwirtschaftlichen Stemmarbeiten möglich gewesen, da das Gebäude ja ein Deckengewölbe und Außenmauern in einer Stärke zwischen 70 cm und 1 m aufweise. Der Austausch der Fenster sei bis zum Jahr 1990 erfolgt, sodass beim Foto, welches auf der Rückseite den Ausarbeitungszeitpunkt Dezember 1993 aufweise, der Zeitpunkt der Aufnahme des Lichtbildes mit jenem der Entwicklung nicht übereinstimmen könne. Auch habe sich die belangte Behörde mit der Bestätigung der Firma O., wonach der Fenstertausch eine wesentliche Verbesserung des Brandschutzes erreiche, nicht auseinander gesetzt.
§ 33 NÖ BauO 1996 in der Fassung LGBl. 8.200-6 (BO) lautet:
"§ 33
Vermeidung und Behebung von Baugebrechen
(1) Der Eigentümer eines Bauwerks hat dafür zu sorgen, dass
dieses in einem der Bewilligung (§ 23) oder der Anzeige (§ 15)
entsprechenden Zustand ausgeführt und erhalten wird. Er hat
Baugebrechen, durch welche
( die Standsicherheit,
( die äußere Gestaltung,
( der Brandschutz,
( die Sicherheit von Personen und Sachen,
( beeinträchtigt werden oder
( die zu unzumutbaren Belästigungen (§ 48) führen können,
zu beheben.
(2) Kommt der Eigentümer eines Bauwerks seiner Verpflichtung nach Abs. 1 nicht nach, hat die Baubehörde nach Überprüfung des Bauwerks, unter Gewährung einer angemessenen Frist, die Behebung des Baugebrechens zu verfügen.
Die Baubehörde darf in diesem Fall
( die Überprüfung durch Sachverständige durchführen
lassen
( die Vornahme von Untersuchungen und
( die Vorlage von Gutachten anordnen.
(3) Den Organen der Baubehörde und den beauftragten Sachverständigen ist der Zutritt zu allen Teilen der Bauwerke an Werktagen zur Tageszeit, bei Gefahr im Verzug auch an Sonn- und Feiertagen sowie während der Nachtzeit zu gestatten. Wenn nötig, ist dem Eigentümer mit Bescheid diese Verpflichtung aufzutragen."
Ein Baugebrechen im Sinne dieses Gesetzes ist ein durch
a) Alter, Abnützung, Verwitterung oder Beschädigung
(Verschlechterung) oder
b) eine bewilligungsbedürftige, aber nicht bewilligte,
oder anzeigepflichtige, aber nicht angezeigte, Abänderung oder das
Fehlen eines unentbehrlichen Bauteils oder Zubehörs
(Konsenswidrigkeit)
verursachter Zustand eines Bauwerkes, der seine
Standfestigkeit, sein Aussehen, den Brandschutz oder die
Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt oder zu einer
örtlich unzumutbaren Belästigung der Nachbarschaft führen kann
(Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht7, 436).
Der hier erfolgte Austausch der früheren Holzfenster durch Kunststofffenster kann nicht als Verschlechterung angesehen werden, sodass allein zu fragen ist, ob hiedurch eine Konsenswidrigkeit gegeben ist.
Die Beschwerdeführer haben am eine Bauanzeige erstattet, betreffend die "Erneuerung der Fenster - in gleicher Größe, Kunststofffenster weiß, Erneuerung der Fassade (gelbe Farbe)". Die Ausführung dieser Arbeiten wurde von der Baubehörde nicht untersagt. Es kann dem angefochtenen Bescheid keine eindeutige Aussage dahingehend entnommen werden, ob auch die belangte Behörde der Auffassung ist, dass diese Bauanzeige bloß die Fenster an der Hauptfassade und nicht auch an der Seitenfassade betroffen hatte. Nach dem Wortlaut der Bauanzeige muss wohl davon ausgegangen werden, dass alle Fenster erfasst waren; für die von den Baubehörden hier vorgenommene Beschränkung hätte es einer weiteren Beweisaufnahme, etwa durch die Einsichtnahme in die von den Beschwerdeführern stets angesprochenen Förderungsakten, bedurft.
Bis zum Inkrafttreten der NÖ BauO 1996 am galt die NÖ BauO 1976; nach deren § 92 Abs. 1 Z. 4 war die Instandsetzung und die Abänderung von Bauwerken bewilligungspflichtig, wenn die Festigkeit tragender Bauteile, die Brandsicherheit, die sanitären Verhältnisse, das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt oder Rechte der Nachbarn verletzt werden konnten. Für ein derartiges Vorhaben sah § 94 Abs. 1 NÖ BauO 1976 dann, wenn es nach Ansicht des Bauherren keiner Bewilligung bedurfte, die Erstattung einer Bauanzeige vor, wobei zu beachten ist, dass nach § 103 NÖ BauO 1976 Ausführungsfristen nur für das Recht aus Bescheiden gemäß §§ 92 und 93 leg. cit. galten.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass der hier gegenständliche Fenstertausch "nach 1993" erfolgt sei. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob eine derartige Feststellung auf Grund von Fotos ungeklärter Herkunft mit einem Stempelaufdruck, der bloß den Zeitpunkt der Entwicklung attestiert, getroffen werden kann, weil jedenfalls auch nach dieser Feststellung der belangten Behörde denkbar ist, dass der Fenstertausch noch im Geltungsbereich der NÖ BauO 1976 erfolgt ist. Dies ist insofern beachtlich, weil nach § 35 Abs. 1 NÖ BauO 1976 nur Außenwände an Grundstücksgrenzen - und nicht etwa auch an Reichen - wie nach § 10 Z. 2 NÖ Bautechnikverordnung 1996 -
als äußere Brandwände ausgestaltet sein mussten. Sollte der hier gegenständliche Fenstertausch vor dem stattgefunden haben, dann kann ihm die Bewilligungspflicht nach § 92 Abs. 1 Z. 4 NÖ BauO 1976 wegen des Einflusses auf die Brandsicherheit nicht entgegen gehalten werden.
Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid, Seite 10, fest, dass die Vergrößerung der Fensteröffnungen vom Sachverständigen im Rahmen der Überprüfungsverhandlung als eine bewilligungspflichtige Maßnahme angesehen worden sei. Demgegenüber ergibt sich aus dem Protokoll vom , dass von niemandem, auch nicht vom Sachverständigen, eine Vergrößerung der Fensteröffnungen behauptet wurde. Der Sachverständige hat allein festgehalten, dass aus Gründen des Brandschutzes (Öffnungen in der Brandwand) eine Bewilligung nicht möglich sei und dass die Öffnungen in der Brandwand ein Baugebrechen darstellten und abzumauern seien. Dementsprechend wurde der Bauauftrag der Baubehörde erster Instanz ausschließlich darauf gestützt, dass hier Öffnungen in der Brandwand enthalten seien. Erstmals im Berufungsbescheid wird unter Bezugnahme auf die genannten Fotos dargelegt, dass die Fensteröffnungen vor dem Fenstertausch "deutlich kleiner" gewesen seien.
Feststellungen auf Grund einer derartigen Beweisaufnahme sind für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar. Wie schon angedeutet, geht aus dem Akt nicht hervor, wie diese Fotos zur Berufungsbehörde gelangt sind, von wem sie aufgenommen wurden und, vor allem, wann sie aufgenommen worden sind. Auch bieten die Fotos keine Gegenüberstellung sämtlicher neun hier gegenständlichen Fenster und ein Größenunterschied kann nur bei einzelnen, keinesfalls aber bei allen Fenstern entnommen werden.
Die belangte Behörde begnügt sich dazu mit dem Hinweis, es dürfte wohl unbestritten sein, dass sich durch die Vergrößerungen von Fensteröffnungen in Brandwänden Auswirkungen auf den Brandschutz für den Nachbarn ergeben könnten. Ob diese Aussage bei jeder, also noch so geringen Vergrößerung zutrifft, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu beurteilen; nicht auseinander gesetzt haben sich die Behörden ja auch mit der Behauptung der Beschwerdeführer, dass durch den Austausch der Holzfenster auf Kunststofffenster in Bezug auf den Brandschutz sogar Verbesserungen eingetreten wären. Jedenfalls wäre, wenn, wie von der Berufungsbehörde angenommen, auch eine Vergrößerung als Konsenswidrigkeit herangezogen wird, eine exakte Feststellung dieser Vergrößerung bei jedem der neun Fenster und eine Klärung durch den Sachverständigen erforderlich, inwieweit sich gerade diese Vergrößerung auf den Brandschutz auswirkt.
Zu den beiden Fenstern beim Heiz- und Öllagerraum enthält der vorgelegte Verwaltungsakt keinerlei Unterlagen, insbesondere weder die Baubewilligung vom noch das diesbezügliche Verhandlungsprotokoll noch die Benützungsbewilligung vom . Aus dem Akt ist auch nicht nachvollziehbar, um welche der neun gegenständlichen Fenster es sich dabei gehandelt hat, sodass der Verwaltungsgerichtshof nicht beurteilen kann, ob zwei Fenster jedenfalls zu verschließen seien bzw. ob wegen entschiedener Sache diese Fenster nicht hätten Gegenstand des Bauauftrages sein dürfen, weil sich der Bauauftrag nach seiner Begründung auf neun Fenster bezieht.
Zusammenfassend lässt sich nach dem bisher durchgeführten Beweisverfahren nicht beurteilen, inwieweit hier ein Baugebrechen in Form einer Konsenswidrigkeit vorliegt. Sollte eine Konsenswidrigkeit bei einem oder bei mehreren Fenstern gegeben sein, dann kommt entsprechend § 33 Abs. 2 BO nur die Behebung des "Gebrechens" in Form der Herstellung des dem Konsens entsprechenden Zustandes (§ 33 Abs. 1 BO) in Betracht. Anhaltspunkte dafür, dass eine öffnungslose Mauer dem Konsens entspräche, liegen aber nicht vor.
Jedenfalls hat die belangte Behörde dadurch, dass sie die Mängel des Verfahrens auf Gemeindeebene nicht wahrnahm, ihrerseits ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BauO NÖ 1996 §33 idF 8200-6; BauRallg; |
Sammlungsnummer | VwSlg 17341 A/2007 |
Schlagworte | Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2007:2005050177.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAE-72924