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VwGH vom 18.03.2015, 2012/10/0187

VwGH vom 18.03.2015, 2012/10/0187

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl, die Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richterinnen und Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des G H in L, vertreten durch Mag. Karl Heinz Fauland, Rechtsanwalt in 8430 Leibnitz, Kadagasse 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 47.10-59/2012-13, betreffend Aufwandersatz nach dem Stmk. Sozialhilfegesetz (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom verpflichtete der Bürgermeister der Stadt G. den nunmehrigen Beschwerdeführer dazu, ab einen monatlichen Aufwandersatz in Höhe von EUR 115,-- für seine in einem Pflegeheim befindliche Mutter zu leisten. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die der belangte Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) mit Bescheid vom mit der Maßgabe abwies, dass der Aufwandersatz auf die Dauer unveränderter Einkommensverhältnisse zu leisten sei. Begründend führte der belangte UVS im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 28 Z 2a des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes - SHG, LGBl. Nr. 29/1998 idF LGBl. Nr. 10/2012, iVm § 3 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung über die Höhe der Ersatzpflicht von Eltern und Kindern von Hilfeempfängern nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz (StSHG RegressVO), LGBl. Nr. 78/2011, sowie ab aufgrund § 6 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom , mit dem das Steiermärkische Sozialhilfegesetz durchgeführt wird (StSHG-DVO), LGBl. Nr. 18/2012, zum Ersatz des Aufwandes gegenüber dem Sozialhilfeträger verpflichtet sei. Der Beschwerdeführer sei seiner Mutter gegenüber gemäß § 143 Abs. 1 ABGB unterhaltspflichtig, ein Ausschluss dieser Unterhaltspflicht oder der Ersatzpflicht wegen erheblicher Härte gemäß § 30 Abs. 2 SHG liege nicht vor, da eine gröbliche Vernachlässigung der Unterhaltspflichten der Mutter gegenüber dem Beschwerdeführer ebenso wenig habe festgestellt werden können wie eine Verletzung von Sorgepflichten.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Mutter des Beschwerdeführers ihre Unterhaltspflicht ihm gegenüber gröblich vernachlässigt habe, seien unter Heranziehung der hg. Judikatur jeweils die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, wobei insbesondere auch die Dauer einer Pflichtverletzung, das bisherige Verhalten des zum Unterhalt Verpflichteten und die Gründe für die Nichterbringung von Unterhaltsleistungen abzuwägen seien (dies unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/11/0300). Zudem werde der Tatbestand der Nichterfüllung der Sorgepflichten gemäß § 30 Abs. 1 SHG nicht durch jedes vorwerfbare Verhalten verwirklicht, möge es auch die Entwicklung des nunmehr Ersatzpflichtigen und seine Beziehung zum Hilfeempfänger unter Umständen nachhaltig beeinträchtigt haben. Es müsse vielmehr eine anhaltende und allgemeine, typischerweise auf einer desinteressierten oder ablehnenden Einstellung gegenüber dem nunmehr Ersatzpflichtigen beruhende Vernachlässigung vorliegen (dies unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/08/0223).

Da § 143 Abs. 1 ABGB eine "gröbliche" Verletzung der Unterhaltspflicht erfordere, könne das fallweise Alleinelassen des Beschwerdeführers am Abend oder seine Fremdbetreuung in einer Krabbelstube oder bei der Großmutter nicht als gröbliche Vernachlässigung im Sinne des Gesetzes angesehen werden. Unter Berücksichtigung der Alkoholkrankheit der Mutter könne auch nicht von einer Verletzung ihrer Sorgepflichten im Sinne des § 30 Abs. 2 SHG gesprochen werden. Da die Mutter des Beschwerdeführers nicht selbsterhaltungsfähig sei, sich seit in einem Pflegeheim befinde und ihr Einkommen nicht ausreiche, um die gesamten Heil- und Pflegekosten zu decken, sei der Beschwerdeführer als ihr Kind gemäß § 143 Abs. 1 ABGB ihr gegenüber zum Unterhalt und somit gemäß § 28 Z 2a SHG gegenüber dem Sozialhilfeträger zum Ersatz des Aufwandes verpflichtet.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass gemäß dem letzten Satz des § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren - soweit (wie für den vorliegenden "Altfall") durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen lauten auszugsweise:

1. Gesetz über die Sozialhilfe (Steiermärkisches Sozialhilfegesetz - SHG), LGBl. Nr. 29/1998 idF LGBl. Nr. 10/2012

"5. Abschnitt

Ersatz für Aufwendungen der Sozialhilfe

§ 28

Ersatzpflichtige

Zum Ersatz des Aufwandes gegenüber dem Sozialhilfeträger sind

verpflichtet:

1. der Hilfeempfänger aus seinem Vermögen, soweit hierdurch das Ausmaß des Lebensbedarfes (§ 7) nicht unterschritten wird;

2. a) Eltern und Kinder, soweit diese nach Bürgerlichem Recht verpflichtet sind, für den Hilfeempfänger Unterhalt zu leisten, in der von der Landesregierung durch Verordnung kundzumachenden Höhe. Bei der Festsetzung der Ersatzpflicht ist auf das Einkommen (§ 5) und das Angehörigenverhältnis der ersatzpflichtigen Person Bedacht zu nehmen. Im Zeitraum der Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen geleisteter Unterhalt ist anzurechnen. Die Ersatzpflicht ist mit der Höhe der Unterhaltsverpflichtung begrenzt, wobei der Nachweis einer im Gegensatz zu dem in der Verordnung genannten Betrag niedrigeren Unterhaltsverpflichtung durch den Ersatzpflichtigen zu erbringen ist. Der Nachweis gilt nur durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung als erbracht;

...

§ 30

Härtefälle

(1) Von der Festsetzung eines Aufwandersatzes gemäß § 28 ist insoweit abzusehen, als die Heranziehung für den Ersatzpflichtigen oder seinen unterhaltsberechtigten Angehörigen eine erhebliche Härte bedeuten oder den Zielen dieses Gesetzes widersprechen würde.

(2) Eine erhebliche Härte bedeutet insbesondere:

- die Heranziehung von Angehörigen, denen gegenüber der Hilfeempfänger seine Sorgepflichten nicht erfüllt hat, oder

..."

2. ABGB

"§ 143. (1) Das Kind schuldet seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat."

Der angefochtene Bescheid beruht auf der Auffassung des belangten UVS, dass eine Unterhaltspflicht gemäß § 143 Abs. 1 ABGB vorliege, sowie, dass kein Härtefall im Sinne des § 30 Abs. 2 SHG anzunehmen sei.

Der Tatbestand der Nichterfüllung von Sorgepflichten in diesem Sinne wird nicht durch jedes vorwerfbare Verhalten verwirklicht, sondern es ist darunter vielmehr eine in Hinblick auf die Pflege und Erziehung des Kindes anhaltende und allgemeine, typischerweise auf einer desinteressierten oder ablehnenden Einstellung gegenüber dem nunmehr Ersatzpflichtigen beruhende Vernachlässigung zu verstehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/08/0223).

Davon ausgehend kann dem belangten UVS darin nicht entgegen getreten werden, dass er aus dem Umstand, dass die - zeitweilig berufstätige und gesundheitlich beeinträchtigte - Mutter das Kind in eine Krabbelstube, einen Kindergarten oder zu den Großeltern zur außerhäuslichen Betreuung gab, keine Verletzung der Unterhalts- bzw. Sorgepflichten abgeleitet hat. Es ist vielmehr aus den vom belangten UVS getroffenen Feststellungen schlüssig und nachvollziehbar abzuleiten, dass die überwiegend auch außerhäusliche Betreuung des Beschwerdeführers nicht auf ein nachhaltiges Desinteresse der Mutter schließen lasse (vgl. in diesem Sinne bei Unterbringung in einer Pflegefamilie ohne persönlichen Kontakt zur Mutter das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/10/0131). Gleiches gilt auch für den vom Beschwerdeführer erhobenen Vorwurf, dass seine Mutter ihm gegenüber ihre Sorgepflichten im Sinne des § 30 Abs. 2 SHG nicht erfüllt habe (vgl. in diesem Sinne bei Pflege und Erziehung durch eine Tante mit wenig Kontakt zur Mutter das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/10/0111).

Zusammenfassend ist die rechtliche Beurteilung des belangten UVS, die Mutter habe weder ihre Unterhaltspflicht noch ihre Sorgepflichten gegenüber dem Beschwerdeführer vernachlässigt, nicht zu beanstanden, mag dieser auch deren Umgang mit ihm anders empfunden haben. Dem belangten UVS kann zudem auch nicht entgegengetreten werden, wenn er vor dem genannten Hintergrund die finanzielle Ersatzleistung auch deshalb als zumutbar qualifiziert, weil die Aufwandersatzpflicht keine persönliche Zuwendung des Beschwerdeführers erfordere.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. I Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
TAAAE-72920