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VwGH vom 24.06.2015, 2012/10/0093

VwGH vom 24.06.2015, 2012/10/0093

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl, die Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Rigler als Richterinnen und Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der M H in Salzburg, vertreten durch Dr. Anita Weich, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1A, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 20301-SHB/235/2- 2012, betreffend Mindestsicherung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bürgermeister der Stadt Salzburg (die Behörde erster Instanz) gewährte der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom , Zl. 3/01-658-H3902/1-2012, Geldleistungen in der Höhe von EUR 752,92 als Mietanteile für die Monate September bis Dezember 2011 und EUR 386,62 für die Monate Jänner und Februar 2012.

Den Antrag auf Kostenübernahme für Miete von September 2010 bis August 2011 wies die erstinstanzliche Behörde ab. Begründend führte die Behörde dazu u.a. aus, dass der Wohnaufwand erst ab dem Zeitpunkt der nachweislichen Vergebührung des Mietvertrages zwischen der Beschwerdeführerin als Mieterin und deren Schwester als Vermieterin anerkannt werden könne, weil schriftliche Mietverträge der Gebührenpflicht unterlägen, der Bestandsvertrag nachweislich erst ab September 2011 beim Finanzamt vergebührt worden sei und für den Zeitraum von September 2010 bis August 2011 keine Vergebührung nachgewiesen worden sei. Für Februar bis April 2011 seien zwar Kassaeingangsbelege vorgelegt worden, die die Bezahlung der Miete an die Schwester der Beschwerdeführerin beweisen sollten, es sei jedoch keine nachweisbare Überweisung z. B. auf ein Konto erfolgt. Die Kassaeingangsbelege seien daher nicht als Beweise der Einzahlung anzusehen. Außerdem sei die Bezahlung von EUR 450,-- für Miete bei einem Einkommen von EUR 564,71 monatlich nicht glaubwürdig. Für die Monate zwischen September 2010 und August 2011 seien keine Beweise über eine erfolgte Mietzahlung erbracht worden. Im Rahmen des Berufungsverfahrens habe die Beschwerdeführerin nachträglich weitere Belege über monatliche Zahlungen von je EUR 450,-- für den Zeitraum September 2010 bis August 2011, datiert mit , vorgelegt.

Die belangte Behörde wies die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung im Wesentlichen aus dem Grund ab, dass das Bestehen eines Mietvertrages erst ab der nachweislichen Vergebührung mit September 2011 anzunehmen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass gemäß dem letzten Satz des § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren - soweit (wie für den vorliegenden "Altfall") durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen lauten:

Salzburger Mindestsicherungsgesetz - MSG, LGBl. Nr. 63/2010:

"§ 1

...

(2) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung hat allen Personen, die sich im Land Salzburg aufhalten und zum dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind, die Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs sowie den Erhalt der bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung erforderlichen Leistungen zu gewährleisten.

...

§ 2

(1) Auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung besteht ein Rechtsanspruch, soweit im 3. Abschnitt nicht Anderes bestimmt ist; auf die Zusatzleistungen nach dem 4. Abschnitt besteht kein solcher Anspruch.

...

§ 5

(1) Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind nur soweit zu erbringen, als der Bedarf der Hilfe suchenden Personen für den Lebensunterhalt, den Wohnbedarf und den Bedarf bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht durch Geld- oder Sachleistungen Dritter gedeckt ist. Dabei haben freiwillige Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen, die von Dritten ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, außer Betracht zu bleiben, es sei denn, sie sind nach Abs. 2 anzurechnen oder erreichen ein Ausmaß oder eine Dauer, dass keine Leistungen nach diesem Gesetz mehr erforderlich sind.

...

§ 10

(1) Der monatliche Mindeststandard für die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs beträgt:

...

2. für Ehegatten, eingetragene Partner, in Lebensgemeinschaft lebende Personen oder volljährige Personen, die mit anderen Volljährigen im gemeinsamen Haushalt leben, je Person: 75 % des Betrages gemäß Z 1;

..."

§ 33 Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 idF BGBl. I

Nr. 17/2012:

"Tarifpost 5

Bestandverträge

(1) Bestandverträge (§§ 1090 ff. ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
im allgemeinen 1 v.H.;
2.
beim Jagdpachtvertrag 2 v.H.
...

(5)

1. Die Hundertsatzgebühr ist vom Bestandgeber, der im Inland einen Wohnsitz, den gewöhnlichen Aufenthalt, seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz hat oder eine inländische Betriebsstätte unterhält, selbst zu berechnen und bis zum 15. Tag (Fälligkeitstag) des dem Entstehen der Gebührenschuld zweitfolgenden Monats an das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zu entrichten."

Der angefochtene Bescheid ist von der Auffassung getragen, dass ein schriftlicher Mietvertrag erst ab dem Zeitpunkt der Vergebührung mit September 2011 "anzuerkennen" sei.

Die Beschwerde wendet dagegen ein, dass die Gültigkeit des Mietvertrages durch die ordnungsgemäße Gebührenentrichtung nicht berührt werde und ein rechtswirksamer Mietvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Schwester als Vermieterin bereits mit September 2010 zustande gekommen sei.

Mit ihrem Vorbringen, dass die Gebührenentrichtung auf das Zustandekommen eines Mietvertrages keinen Einfluss hat, ist die Beschwerdeführerin im Recht.

Ein Mietvertrag kommt bereits mit der Einigung über die Bestandsache und den Preis der Gebrauchsüberlassung zustande (vgl. Würth in Rummel, ABGB3, Rz 3 zu § 1092 bis 1094 ABGB). Weder ist die Schriftform für die Gültigkeit eines Mietvertrages erforderlich (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/03/0097), noch die Vergebührung des Vertrages gemäß § 33 TP 5 Gebührengesetz 1957 - GebG.

Bereits aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. I Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am