VwGH vom 15.03.2011, 2010/05/0165

VwGH vom 15.03.2011, 2010/05/0165

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des AB (vormals: RB) in I, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 4/II, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IKD(BauR)-020475/4-2009-Be/Wm, betreffend Kostenvorauszahlung und Anordnung der Ersatzvornahme, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde B vom wurde dem Beschwerdeführer eine Reihe von baupolizeilichen Aufträgen erteilt.

Mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde B vom wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet zurückgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass die Berufung keinen begründeten Berufungsantrag enthalten habe und einem Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG innerhalb offener Frist nicht nachgekommen worden sei.

Mit Verfahrensanordnung der Bezirkshauptmannschaft B vom wurde dem Beschwerdeführer die Ersatzvornahme angedroht.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom erfolgten die Anordnung der Ersatzvornahme und der Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten in Höhe von EUR 54.050,--.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom erfolgten neuerlich die Anordnung der Ersatzvornahme und der Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten in Höhe von EUR 54.050,--.

Gegen den Bescheid vom erhob der Beschwerdeführer Berufung, die mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde abgewiesen wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift die Rechtzeitigkeit der Beschwerde in Zweifel zieht, ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer unter Bezeichnung des in Beschwerde gezogenen Bescheides nach Datum und Geschäftszahl bereits mit beim Verwaltungsgerichtshof am eingelangten Telefax Verfahrenshilfe beantragt hat. Die belangte Behörde geht davon aus, dass dem Beschwerdeführer der in Beschwerde gezogene Bescheid am zugestellt worden sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf die genannte Eingabe des Beschwerdeführers vom die Datumsangabe korrekt erfolgt ist, die Beschwerde erweist sich auch auf der Grundlage des Vorbringens der belangten Behörde jedenfalls als rechtzeitig.

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass kein rechtskräftiger Titelbescheid vorliege. Der Bescheid vom , mit dem seine Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde B vom zurückgewiesen worden sei, sei ihm nie rechtswirksam zugestellt worden. Erst mit dieser Zustellung wäre ihm gegenüber die Rechtskraft des Titelbescheides eingetreten.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass ihm der Bescheid vom rechtswirksam zugestellt worden ist. Dies geht auch aus dem im Akt befindlichen Rückschein hervor. Auf diesem, vom Beschwerdeführer unterfertigten Rückschein ist die Zustelladresse G.-Straße 27, I, genannt. Die belangte Behörde hat dazu zwar festgestellt, dass es sich um eine persönliche Aushändigung am , dem am Rückschein vermerkten Datum, gehandelt habe. Nichtsdestotrotz war dem Beschwerdeführer damit jedenfalls bekannt, dass diese Adresse als seine Abgabestelle angesehen wird.

An dieser Stelle ist auf § 8 Zustellgesetz hinzuweisen, wonach eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen hat (§ 8 Abs. 1 Zustellgesetz). Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nichts anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (§ 8 Abs. 2 Zustellgesetz). Die Heranziehung des § 8 Zustellgesetz setzt nicht voraus, dass in dem konkreten Verfahren bereits eine Zustellung an der betreffenden Abgabestelle tatsächlich erfolgt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/09/0018, und Raschauer/Sander/Wessely , Österreichisches Zustellrecht, S. 66 f, mwN).

Zwar wird in der Beschwerde behauptet, dass der Beschwerdeführer in der G.-Straße 27, wiewohl mit Hauptwohnsitz gemeldet, seit 2004 nicht mehr gewohnt, dort also keine Abgabestelle gehabt habe. Dazu ist aber festzuhalten, dass nach dem von der belangten Behörde in ihrer Bescheidbegründung herangezogenen Bericht des (oftmals) um Zustellung ersuchten Magistrates I vom der Beschwerdeführer an der genannten Adresse wohnhaft war und auch am dort angetroffen wurde, weiters, dass er am dort ein Schriftstück (den Auftrag zur Verbesserung gemäß § 13 Abs. 3 AVG) laut Rückschein "nicht angenommen" hat und dass am der Berufungsbescheid vom postalisch retourniert wurde, da der Beschwerdeführer "verreist" war.

Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass er nach dem eine Meldung gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz hinsichtlich der Abgabestelle in der G.-Straße 27 erstattet hätte. Eine solche befindet sich auch nicht im Akt.

Aus den Feststellungen der belangten Behörde und der Aktenlage ergibt sich, dass der Berufungsbescheid des Gemeinderates der Stadt B vom an der Abgabestelle G.-Straße 27 am hinterlegt wurde. Schon im Hinblick auf § 8 Zustellgesetz bestehen nach den obigen Ausführungen keine Bedenken, dass damit jedenfalls eine rechtswirksame Zustellung des Berufungsbescheides vom erfolgt ist.

Bemerkt wird der Vollständigkeit halber, dass dem in der Berufung gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf Verfahrenshilfe keine Relevanz zukommt, weil in Verfahren nach dem AVG Verfahrenshilfe nicht in Betracht kommt (vgl. Fasching/Schwartz , Verwaltungsverfahrensrecht im Überblick, 4. Auflage, S. 79). Bemerkt wird ferner, dass auch einer allfälligen Vorstellung gegen den Berufungsbescheid gemäß § 102 Abs. 3 Oö Gemeindeordnung nicht ex lege aufschiebende Wirkung zugekommen wäre.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, dass der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom "durch nicht erfolgte Zustellung - insoweit ist dem angefochtenen Bescheid Recht zu geben - nicht aus der Welt geschafft ist." Solange aber über eine Sache bereits bescheidmäßig entschieden sei, könne nicht neuerlich über sie entschieden werden. Die Erlassung des Bescheides vom sei wegen (wenn auch nicht rechtskräftig) entschiedener Sache unrechtmäßig erfolgt.

In der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides ist hinsichtlich der Zustellung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft B vom festgehalten, dass nach einem erfolglosen postalischen Zustellversuch die Vollstreckungsbehörde erster Instanz mit Schreiben vom den Magistrat der Stadt I ersucht habe, diesen Bescheid dem Beschwerdeführer persönlich zuzustellen. Mit Bericht des Magistrates der Stadt I vom sei der Vollstreckungsbehörde erster Instanz mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer seit in der G.-Straße Nr. 27 in I behördlich gemeldet und auch laut Auskunft der Nachbarn dort wohnhaft sei, wobei er mehreren Vorladungen nicht Folge geleistet habe und auch nicht habe persönlich angetroffen werden können. Weitere Ermittlungen hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer als Arbeiter bei der H. in M. geringfügig beschäftigt sei, wobei auch habe in Erfahrung gebracht werden können, dass behördliche Schriftstücke dem Zustellbevollmächtigten Dr. G. zugestellt werden könnten. Nach dem Inhalt des Berichtes sei am versucht worden, den Bescheid vom nachweislich dem Beschwerdeführer zu Handen des Dr. G. zuzustellen. Dagegen habe sich eine am (und damit jedenfalls rechtzeitig) zur Post gegebene Mitteilung und (für den Fall, dass der bekämpfte Bescheid als zugestellt gelte) Berufung gerichtet, welche sich gegen den gesamten Inhalt des Bescheides gewendet habe und im Wesentlichen damit begründet worden sei, dass der baupolizeiliche Auftrag vom dem Beschwerdeführer nie rechtsgültig zugestellt worden sei. Daneben habe die Berufung noch weitere Vorbringen gegen den Bescheid vom enthalten. "Im Sinne der Mitteilung des Berufungswerbers" sei von der Berufungsbehörde festgestellt worden (Anmerkung: nach der Aktenlage mit einem formlosen behördeninternen Schreiben vom ), dass der Bescheid nicht rechtswirksam zugestellt worden sei, weshalb der Verfahrensakt der Vollstreckungsbehörde erster Instanz mit dem Ersuchen um neuerliche Zustellung und Fortführung des Vollstreckungsverfahrens übermittelt worden sei. Der Zustellversuch hinsichtlich des Bescheides der Vollstreckungsbehörde erster Instanz vom zu Handen des Dr. G. sei erfolglos geblieben, da eine Zustellbevollmächtigung nur dann wirksam zustande komme, wenn die Partei als Vollmachtgeber ausdrücklich eine andere natürliche Person gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtige, was hier nicht geschehen sei. Daher sei der Bescheid vom nicht wirksam zugestellt worden, weshalb, auch der Erklärung des Beschwerdeführers in seinem Schriftsatz vom entsprechend, keine Berufung wirksam eingebracht worden sei, über die zu entscheiden gewesen wäre. Vielmehr habe die belangte Behörde den Verfahrensakt zur Weiterführung des Vollstreckungsverfahrens an die Vollstreckungsbehörde erster Instanz zurückgeleitet. Die Berufung gegen den Bescheid vom sei im Übrigen auch deshalb unzulässig gewesen, da sie mit einer Bedingung verknüpft gewesen sei, nämlich dahingehend, dass sie nur dann als erhoben gelten solle, wenn der Bescheid vom zugestellt worden sein sollte. Berufungen unter Bedingungen seien aber unwirksam. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass zunächst über diese Berufung zu entscheiden gewesen wäre, gehe daher ins Leere. Mangels Erfüllung des baupolizeilichen Auftrages sei der Bescheid vom zu Recht ergangen, womit die Ersatzvornahme angeordnet und die Kostenvorauszahlung aufgetragen worden seien.

Die Erhebung einer unzulässigen Berufung hindert den Eintritt der Rechtskraft nicht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 951/79, vom , Zl. 87/05/0147, vom , Zl. 86/07/0191, vom , Zl. 92/04/0230, vom , Zl. 99/03/0422, und vom , Zl. 2002/05/0483). Die belangte Behörde geht - zutreffend (vgl. zur Unwirksamkeit von Berufungen unter Bedingungen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/06/0208) - von der Unzulässigkeit der bedingten Berufung gegen den Bescheid vom aus. Dass es sich um keine bedingte Berufung gehandelt habe, wie in der Beschwerde behauptet, sondern nur um eine "Vorbeugung" einer vorzeitigen Berufung, ist nach der Aktenlage schon im Hinblick auf die Zustellvorgänge betreffend den Bescheid vom von der belangten Behörde richtigerweise nicht angenommen worden.

Es ist daher zu prüfen, ob der Bescheid vom , wie die belangte Behörde angenommen hat, dem Beschwerdeführer nicht wirksam zugestellt worden ist. Wäre dieser Bescheid wirksam zugestellt worden, hätte der (gleichlautende) Bescheid vom im Hinblick auf die dann (wegen der Unzulässigkeit der Berufung) gegebene Rechtskraft des Bescheides vom nicht erlassen werden dürfen, was von der belangten Behörde aufzugreifen gewesen wäre (vgl. zur Unwiederholbarkeit eines Bescheides die Ausführungen bei Hengstschläger/Leeb , AVG IV, S. 1164 f, Rz 20 ff, mwN).

Zwar wird in der Berufung gegen den Bescheid vom ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer gesundheitsbedingt dauerhaft nicht an seiner Adresse aufgehalten habe und diese daher keine Abgabestelle gewesen sei. Eine persönliche Zustellung sei nicht erfolgt, und eine Hinterlegung wäre rechtsungültig gewesen. Zu prüfen ist aber unbeschadet dessen, ob nicht eine Zustellung des Bescheides vom im Sinne des § 7 Zustellgesetz gegeben ist. Gemäß § 7 Zustellgesetz (in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 5/2008) gilt dann, wenn im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen, die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Wenn der Bescheid an den Beschwerdeführer zu Handen des Dr. G. adressiert worden ist (was nach dem im Akt befindlichen Rückschein der Fall war), dann ist davon auszugehen, dass der Bescheid auch für den Beschwerdeführer und nicht nur für Dr. G. bestimmt war. Kommt ein solcher Bescheid dem Beschwerdeführer tatsächlich zu und hat er nicht bloß Kenntnis von seinem Inhalt erlangt, dann wird ein allfälliger Zustellmangel saniert (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/16/0115, mwN).

Abgesehen davon, dass die Zustellung im Wege des Dr. G. somit durch das Zukommen des Bescheides vom an den Beschwerdeführe saniert wäre, ist im vorliegenden Fall auch festzuhalten, dass ebenso eine Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer persönlich in die Wege geleitet worden ist, wenngleich diese zur Zurücksendung mit dem postalischen Vermerk "unbekannt" geführt hat. Das tatsächliche Zukommen des Bescheides an den Beschwerdeführer hätte auch im Hinblick auf diesen Zustellversuch jedenfalls Rechtswirksamkeit der Zustellung bewirkt.

Nach der Aktenlage hat der Beschwerdeführer durch die Rechtsanwälte Dr. P., Dr. O. (den Beschwerdevertreter) und Mag. H. gegen den Bescheid vom eine (bedingte) Berufung erhoben. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Rechtsanwälte ohne Kenntnis bzw. ohne Bevollmächtigung des Beschwerdeführers eingeschritten sind, hätte sich die belangte Behörde jedenfalls mit der Frage auseinandersetzen und entsprechende Ermittlungen durchführen müssen, ob nicht der Bescheid vom dem Beschwerdeführer tatsächlich zugekommen ist, zumal in der Berufung gegen den Bescheid vom dieser nicht nur mit dem richtigen Datum, sondern auch mit der korrekten Geschäftszahl bezeichnet worden ist. Außerdem hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den Bescheid vom ausdrücklich (zutreffend) ausgeführt, dass der Bescheid vom ein diesem "gleichlautender" Bescheid gewesen sei. Auch diese Textierung hätte die belangte Behörde bei der Frage, ob dem Beschwerdeführer der Bescheid vom tatsächlich zugekommen und insofern rechtswirksam zugestellt worden ist, entsprechend zu würdigen gehabt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die gewährte Verfahrenshilfe hinsichtlich der Eingabegebühr abzuweisen.

Wien, am