VwGH vom 18.10.2012, 2010/04/0120

VwGH vom 18.10.2012, 2010/04/0120

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X GmbH in Y, vertreten durch Brand Lang Wiederkehr Rechtsanwälte GmbH in 1020 Wien, Schüttelstraße 55, Carre Rotunde, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom , Zl. BMWA-33.430/0052-I/3/2008, betreffend Anerkennung gemäß § 76 WTBG (mitbeteiligte Partei: Kammer der Wirtschaftstreuhänder in 1120 Wien, Schönbrunner Straße 222-228), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom stellte die beschwerdeführende Gesellschaft einen Antrag auf Anerkennung gemäß den §§ 76 ff Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (WTBG). Diesen Antrag begründete sie im Wesentlichen damit, Gegenstand des Unternehmens sei die interdisziplinäre Zusammenarbeit iSd § 70 WTBG im Bereich der Steuerberatung und Unternehmensberatung. Als Gesellschafter wurden die Steuerberater Mag. T und Mag. (FH) S sowie die X GmbH genannt. Letztere sei Inhaberin einer Gewerbeberechtigung für Unternehmensberater.

Mit dem im Instanzenzug, nach einer Entscheidung des Landeshauptmannes von Tirol nach Devolution, ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dieses Ansuchen auf Anerkennung gemäß § 76 iVm § 74 Abs. 1 WTBG verweigert.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, für interdisziplinär zusammenarbeitende Gesellschaften seien nur die in § 71 Abs. 1 WTBG genannten Berufe zulässig. Zusätzlich müsse für diese Berufe die interdisziplinäre Zusammenarbeit nach inländischen berufsrechtlichen Vorschriften zulässig sein. Die berufsrechtlichen Vorschriften müssten jenen Anforderungen entsprechen, welche die inländischen Regelungen für Wirtschaftstreuhandberufe vorsehen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen habe der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend in einer gemäß § 71 Abs. 2 WTBG zu erlassenden Verordnung festzustellen. Da eine solche Verordnung nicht vorhanden sei, sei eine individuelle Beurteilung des Vorliegens dieser Voraussetzungen durch die Anerkennungsbehörden nicht zulässig.

Eine Anerkennung der beschwerdeführenden Gesellschaft als Wirtschaftstreuhandgesellschaft komme nicht in Betracht, da die X GmbH keine nach § 68 Abs. 1 Z. 3 WTBG für einen Beruf der Wirtschaftstreuhänder berechtigte Gesellschaft sei.

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 905/09-11, ab, in dem er ausführte, § 71 Abs. 2 WTBG, BGBl. I Nr. 58/1999 idF BGBl. I Nr. 161/2006, sei im Kontext mit § 71 Abs. 1 WTBG und mit den berufsrechtlichen Vorschriften für Wirtschaftstreuhänder (§§ 8 ff WTBG) hinreichend bestimmt, und zudem auf die Verordnung BGBl. II Nr. 110/2009 verwies. Mit Beschluss vom , B 905/09-13, trat der VfGH über nachträglichen Antrag die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.

Die Beschwerdeführerin ergänzte ihre Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Kostenersatz.

Die mitbeteiligte Kammer der Wirtschaftstreuhänder erstattete ebenso eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des WTBG lauten wie folgt:

" Interdisziplinäre Zusammenarbeit Voraussetzungen

§ 70. (1) Allgemeine Voraussetzungen für die Anerkennung einer Gesellschaft, die neben der Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes andere Tätigkeiten auszuüben beabsichtigt, sind:

1. die befugte Ausübung anderer zulässiger beruflicher Tätigkeiten gemäß § 71,

Andere berufliche Tätigkeiten

§ 71. (1) Gesellschaften, die einen Wirtschaftstreuhandberuf auszuüben beabsichtigen, sind auch berechtigt, Tätigkeiten anderer freier Berufe, der Bilanzbuchhalter und der Gewerbe der Unternehmensberater und der Technischen Büros auszuüben, wenn und insoweit dies nach den betreffenden inländischen berufsrechtlichen Vorschriften zulässig ist. Diese haben zumindest jenen Anforderungen zu entsprechen, welche die inländischen berufsrechtlichen Vorschriften von Ausübenden von Wirtschaftstreuhandberufen vorsehen.

(2) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat im Einvernehmen mit den jeweils zuständigen Bundesministern durch Verordnung festzustellen, ob die Voraussetzungen gemäß Abs. 1 vorliegen.

Anerkennungsverfahren

Antrag auf Anerkennung

§ 76. Gesellschaften, die einen Wirtschaftstreuhandberuf auszuüben beabsichtigen, haben einen schriftlichen Antrag auf Anerkennung unter Beibringung der erforderlichen Belege zum Nachweis der Erfüllung der Voraussetzungen für die Anerkennung zu stellen.

Versagung der Anerkennung

§ 79. (1) Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat die Anerkennung mit Bescheid zu versagen, wenn eine der Anerkennungsvoraussetzungen nicht erfüllt ist.

(2) Gegen diesen Bescheid steht das Rechtsmittel der Berufung zu. Über die Berufung hat der Landeshauptmann zu entscheiden."

Die Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 71 Abs. 1 des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes, BGBl. II Nr. 110/2009, lautet wie folgt:

"Auf Grund des § 71 Abs. 2 des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes, BGBl. I Nr. 58/1999, zuletzt geändert durch die Bundesgesetze BGBl. I Nr. 10/2008 und BGBl. I Nr. 3/2009, wird verordnet:

Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen gemäß § 71 Abs. 1 des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes, BGBl. I Nr. 58/1999, zuletzt geändert durch die Bundesgesetze BGBl. I Nr. 10/2008 und BGBl. I Nr. 3/2009, für interdisziplinäre Gesellschaften zwischen Bilanzbuchhaltern gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 des Bilanzbuchhaltungsgesetzes, BGBl. I Nr. 161/2006, zuletzt geändert durch die Bundesgesetze BGBl. I Nr. 11/2008 und BGBl. I Nr. 3/2009, und den Wirtschaftstreuhandberufen gemäß § 1 des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes vorliegen."

2. Im Beschwerdefall ergibt sich aus der Begründung ihres Antrages, dass die beschwerdeführende Gesellschaft die Anerkennung als Gesellschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit anstrebte.

Insoweit ist das Beschwerdevorbringen unzutreffend, die belangte Behörde hätte über diesen Antrag auf interdisziplinäre Zusammenarbeit nicht entschieden. Dem angefochtenen Bescheid ist nämlich zu entnehmen, dass die belangte Behörde diesen Antrag gestützt auf die § 74 und § 76 WTBG "verweigerte" (abwies), weil die für eine Anerkennung erforderliche Verordnung der belangten Behörde nach § 72 Abs. 2 WTBG "nicht vorhanden" (erlassen) worden sei.

3. Die Beschwerde zeigt nun zu Recht auf, dass diese rechtliche Begründung des angefochtenen Bescheides unzutreffend ist, da zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits die am kundgemachte Verordnung der belangten Behörde BGBl. II Nr. 110/2009 in Geltung stand.

Dennoch führt dieses Vorbringen die Beschwerde nicht zum Erfolg: Nach den Materialien zum WTBG in der Stammfassung BGBl. I Nr. 58/1999 sollen die §§ 70 bis 75 "in Hinkunft eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Berufsausübenden anderer freier Berufe und den Gewerben der Unternehmensberater und der Technischen Büros ermöglichen. Festzuhalten ist, daß die Zulässigkeit derartiger Gesellschaften sich nach den jeweiligen inländischen berufsrechtlichen Vorschriften zu richten hat, wobei diese den berufsrechtlichen Vorschriften für die Wirtschaftstreuhandberufe, insbesondere bezüglich deren Verschwiegenheitspflichten, entsprechen müssen" (RV 1273 BlgNR XX. GP, 73).

In diesem Sinne zählt § 71 Abs. 1 WTBG die in Frage kommenden Berufe, darunter das Gewerbe der Unternehmensberater, auf. Diese Berufe dürfen aber nicht per se im Rahmen einer Gesellschaft in einer interdisziplinären Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftstreuhandberuf ausgeübt werden. Vielmehr verlangt § 71 Abs. 1 WTBG zusätzlich, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit zunächst nach den (die angeführten Berufe) betreffenden inländischen berufsrechtlichen Vorschriften zulässig ist. Weiters haben "diese" (gemeint die berufsrechtlichen Vorschriften der anderen Berufe) zumindest jenen Anforderungen zu entsprechen, welche die inländischen berufsrechtlichen Vorschriften von Ausübenden von Wirtschaftstreuhandberufen vorsehen. Ob diese Voraussetzungen für einen der angeführten Berufe gegeben sind, hat gemäß § 71 Abs. 2 WTBG die belangte Behörde mit Verordnung festzustellen.

Eine - wie die Beschwerde es verlangt - darüber hinausgehende, individuelle Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 71 Abs. 1 WTBG durch die Anerkennungsbehörden (ähnlich etwa dem individuellen Befähigungsnachweis nach § 19 GewO 1994) sieht § 71 Abs. 1 WTBG nicht vor. Das Beschwerdeargument, eine solche wäre angesichts des Fehlens einer Verordnung nach § 71 Abs. 2 WTBG erforderlich, ist jedenfalls seit Erlassung der Verordnung BGBl. II Nr. 110/2009 nicht mehr tragfähig. Diese Verordnung normiert auf Grundlage der nach dem zitierten , ausreichend bestimmten Verordnungsermächtigung des § 71 Abs. 2 WTBG abschließend, für welche Berufe die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 WTBG für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit vorliegen. Darin ist der Beruf der Bilanzbuchhalter, nicht aber das Gewerbe der Unternehmensberater angeführt.

Daher muss nach Erlassung dieser Verordnung im Ergebnis mit der belangten Behörde davon ausgegangen werden, dass die in § 71 Abs. 1 WTBG angeführten Voraussetzungen für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit für das Gewerbe der Unternehmensberater derzeit nicht vorliegen. Die Abweisung des Antrages auf Anerkennung ist somit im Ergebnis nicht als rechtswidrig zu erkennen.

4. Da sich die Beschwerde nach diesen Erwägungen als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom , Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), vom , Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), und vom , Nr. 13.556/07 (Efferl/Österreich) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend technische Angelegenheiten sowie solchen, bei denen es rein um Rechtsfragen geht, auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte (vgl. zu allem die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/04/0096, und vom , Zl. 2012/09/0002).

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist im vorliegenden Fall geklärt. In der vorliegenden Beschwerde werden ausschließlich Rechtsfragen geltend gemacht, wobei die Rechtslage eindeutig ist, weshalb zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht geboten ist. Art. 6 EMRK steht im vorliegenden Fall somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Der Anregung auf Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 234 EGV (nunmehr Art. 267 AEUV) war nicht näher zu treten, da in der Beschwerde nicht einmal ansatzweise dargetan wird, welche Bestimmungen des Unionsrechts dem hier maßgeblichen nationalen Recht entgegen stehen könnten.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am