VwGH 15.10.2014, 2012/08/0220
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | ASVG §68 Abs1; |
RS 1 | Bei unzureichender Führung von Aufzeichnungen wird billigend in Kauf genommen, nicht den in den Sozialversicherungsgesetzen normierten Meldeverpflichtungen nachzukommen. Die Dienstgeberin kann sich schon auf Grund der erfolgten Meldepflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Tatsache nicht ordnungsgemäß geführter Lohnverrechnungen und entsprechenden Aufzeichnungen nicht mit Erfolg darauf berufen, sie hätte allfällige Meldepflichtverletzungen nicht erkennen können. |
Normen | |
RS 2 | Unter einer zu unterbrechenden Verjährung des Feststellrechts geeigneten Maßnahme ist jede nach außen hin in Erscheinung tretende und den Beitragsschuldner zur Kenntnis gebrachte Tätigkeit des Versicherungsträgers zu verstehen, die der rechtswirksamen Feststellung der Beitragsschuld dient. Eine solche Maßnahme stellt nicht erst die Erlassung des Bescheides des Versicherungsträgers, mit dem eine Zahlungsverpflichtung festgestellt wird, an den Beitragsschuldner, sondern schon eine durch ausgewiesene Bedienstete des Versicherungsträgers gemäß § 42 ASVG beim Beitragsschuldner vorgenommene Beitragsprüfung dar, da gerade sie in erster Linie der Feststellung dienen soll, ob die Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß entrichtet worden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2012/08/0287). Eine solche Beitragsprüfung zählt somit zu den verjährungsunterbrechenden Maßnahmen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , 94/08/0095). |
Normen | |
RS 3 | Die zweijährige Frist der Einforderungsverjährung gemäß § 68 Abs. 2 ASVG beginnt mit der Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung, wobei die "Verständigung vom Ergebnis der Feststellung" zum Beispiel auch in der Verständigung vom Ergebnis einer Beitragsprüfung bestehen kann. Im Streitfall kann hingegen ohne Erlassung eines Bescheides von "festgestellten Beitragsschulden" im Sinn des § 68 Abs. 2 ASVG nicht gesprochen werden. Die Einforderungsverjährungsfrist beginnt dann frühestens mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bescheides über die strittige Beitragsschuld zu laufen; für den Fall, dass der Bescheid mit Beschwerde an den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof bekämpft wird, ist der Streit jedoch auch während des gerichtlichen Verfahrens noch nicht als beendet anzusehen. Daraus folgt, dass die Feststellungsverjährungsfrist nach der ausdrücklichen Anordnung des § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG während des Verfahrens vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts (u.a.) über die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen gehemmt ist. Von einer festgestellten Beitragsschuld als Voraussetzung für den Beginn des Laufes der Einforderungsverjährungsfrist kann daher in dieser Phase des Rechtsstreits noch nicht gesprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2013/08/0036, mwN). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der M W in B, vertreten durch die ALLINGER LUDWIGER Rechtsanwälte GesbR in 2700 Wiener Neustadt, Herrengasse 25, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS5-A-1534/203-2012, betreffend Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei:
Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse unter Beachtung der §§ 42, 44, 49, 51, 54 und 58 ASVG, 2 und 5 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes (AMPFG) aus, dass die in der beiliegenden "Aufstellung über nicht oder unrichtig gemeldete Beitragsgrundlagen" zur Nachtragsrechnung und zur Gutschriftsanzeige vom für die darin angeführten Dienstnehmer jeweils in der Spalte "BGAL/SZ" ausgewiesenen Differenzbeitragsgrundlagen als zutreffend festgestellt werden. Die angeführte Nachtragsrechnung sowie die Gutschriftsanzeige als Bestandteile dieses Bescheides bestünden daher zu Recht. Die Beschwerdeführerin sei auf Grund dieser Feststellung in ihrer Eigenschaft als Dienstgeberin zur Zahlung von Beiträgen in Höhe von EUR 44.424,91 zuzüglich der hierauf anfallenden Verzugszinsen in Höhe von EUR 7.898,94 verpflichtet.
Begründend wurde ausgeführt, dass durch ein Prüforgan der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse bei der Dienstgeberin am eine GPLA (Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben) begonnen und am abgeschlossen worden sei. Die Sozialversicherungsprüfung habe sich auf den Zeitraum bis bezogen. Unstrittig sei, dass auf die Dienstverhältnisse zur Dienstgeberin als Mitgliedsbetrieb der Bundesinnung der Bäcker der Kollektivvertrag "Bäcker Arbeiter" zur Anwendung komme. Der Dienstgeberin seien während des Prüfzeitraumes die zu zahlenden Beiträge im Sinn des § 58 Abs. 4 ASVG vorgeschrieben worden. Im Zuge der Sozialversicherungsprüfung seien zahlreiche Abrechnungsdifferenzen aus verschiedenen Bereichen hervorgekommen, insbesondere seien Lohnänderungsmeldungen und Sonderzahlungsmeldungen nicht erstattet, die Krankenscheingebühr und später das Serviceentgelt für die E-Card seien weder gemeldet noch abgeführt worden. Darüber hinaus seien Beiträge zur betrieblichen Mitarbeitervorsorge nicht bezahlt worden. Auch seien den Dienstnehmern zustehende Nachtarbeitszuschläge vorenthalten sowie die Entlohnung nicht an der tatsächlich erbrachten Arbeitszeit bemessen worden. Die vorgelegte Lohnverrechnung habe nicht den tatsächlichen Lohnzahlungen entsprochen. Es seien Arbeitsleistungen entlohnt worden, ohne dass diese Entgelte in der Lohnverrechnung ersichtlich gewesen seien. Von den gegenständlichen Nachforderungen seien sechs Dienstnehmer betroffen. Erschwerend für die zu treffenden Feststellungen trete hinzu, dass für die Jahre 2003 bis 2005 nicht einmal annähernd eine vollständige Lohnverrechnung von der Dienstgeberin geführt worden sei. Ab dem Jahr 2006 sei die Lohnverrechnung "extern" (von einer Lohnverrechnerin) durchgeführt worden, was zu einer Verbesserung der Situation beigetragen habe. Dennoch gäbe es für den gegenständlichen Prüfzeitraum keine Arbeitszeitaufzeichnungen, keine Aufzeichnungen über den von den Dienstnehmern konsumierten Urlaub und keine Unterlagen darüber, wann welche Dienstnehmer auf Grund von Krankheit oder anderen Gründen nicht zur Arbeit erschienen seien. Aus diesem Grund sei im Zuge der Sozialversicherungsprüfung die bisherige Beitragsabrechnung für den Prüfzeitraum komplett beseitigt und durch das Prüforgan neu erstellt worden. Da keine vollständigen und den Tatsachen entsprechenden Unterlagen vorhanden gewesen seien, seien die Beitragsgrundlagen der Dienstnehmer durch eine Schätzung festgestellt worden.
In der rechtlichen Beurteilung führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu den Schätzungsgrundlagen aus:
"Die Dienstnehmer haben jedenfalls die kollektivvertragliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden geleistet. Daher stehe deren Kollektivvertrag für die jeweilige Lohngruppe festgelegten Monatslohn jedenfalls zu.
Im Betrieb wird an sechs Tagen (Montag bis Samstag) gearbeitet. Betriebsbeginn ist um 2.00 Uhr.
Lehrlinge arbeiten an fünf Tagen, alle anderen Dienstnehmer an sechs Tagen.
Lehrlinge beginnen um 4.00 Uhr, alle anderen Dienstnehmer um 2.00 Uhr. Die Dienstnehmerin S. P. hat vor dem Jahr 2006 um 3.00 Uhr zu arbeiten begonnen. Ab dem Jahr 2006 beginnt auch sie um 2.00 Uhr.
Lehrlinge haben während des Besuchs der Berufsschule keinen Anspruch auf Nachtzuschläge.
Allfällig geleistete Überstunden werden mangels Aufzeichnung nicht bei der Ermittlung des Anspruchslohnes berücksichtigt."
Weiters führte die Gebietskrankenkasse aus, dass im gegenständlichen Fall der Monatsgrundlohn laut Kollektivvertrag sowie Nachtzuschläge, deren Ausmaß im Einvernehmen mit der Dienstgeberin festgelegt worden sei, herangezogen worden seien. Durch die Nichtberücksichtigung allfällig geleisteter Mehr- oder Überstunden könne davon ausgegangen werden, dass der tatsächliche Entgeltanspruch höher sei als der durch die Schätzung festgelegte.
In der Folge erläuterte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse an Hand der Dienstnehmerin S. P. und des Lehrlings P. H. - unter Zugrundelegung der zuvor dargelegten Schätzungsmethode - die jeweiligen Berechnungen der anzunehmenden Beitragsgrundlagen.
Zu S. P. führte sie aus, sie habe auf Grund ihrer Tätigkeit im Jahr 2006 einen Anspruchslohn von EUR 23.550,48 sowie einen Anspruch auf Sonderzahlungen in Höhe von EUR 2.838,75. Dieser setze sich wie folgt zusammen:
In den Monaten Jänner 2006 bis September 2006 habe ihr ein kollektivvertraglicher Monatslohn von je EUR 1.406,--, in den Monaten Oktober 2006 bis Dezember 2006 ein Monatslohn von je EUR 1.432,75 (vgl. Lohntafel Verwendungsgruppe zweiter Kollektivvertrag "Bäcker Arbeiter") gebührt. Darüber hinaus seien an Sonderzahlungen der Urlaubszuschuss in Höhe von EUR 1.406,-- (ein Monatsgrundlohn) und die Weihnachtsremuneration in Höhe von EUR 1.432,75 (ein Monatsgrundlohn) zugestanden. Daraus ergebe sich eine Sonderbeitragsgrundlage für das Jahr 2006 von EUR 2.838,75. Addiere man die Monatslöhne komme man auf EUR 16.652,25. Dieser Betrag sei um die Nachtarbeitszuschläge (EUR 6.898,23) zu erhöhen.
Unter Heranziehung der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen im Bäckereiarbeiter/innengesetzes führte die Gebietskrankenkasse aus, dass die dort normierten Nachtarbeitszuschläge von der Dienstgeberin nicht ausbezahlt worden seien, obwohl die Dienstnehmer Arbeitsleistungen in der "begünstigten Nachtzeit" erbracht hätten. Im Jahr 2006 habe die Dienstnehmerin täglich bereits ab 2.00 Uhr morgens gearbeitet. Es gebühre ihr daher pro Arbeitstag ein Zuschlag von zweimal 75 % (2.00 Uhr bis 4.00 Uhr) eines Stundenlohnes sowie zweimal 50 % (4.00 Uhr bis 6.00 Uhr) eines Stundenlohnes an Nachtzuschlägen. Der Stundenlohn laut Kollektivvertrag habe daher gerundet 8,42 ( bis ) bzw. EUR 8,58 ( bis ) betragen. Man erhalte rechnerisch den Stundenlohn, wenn man den kollektivvertraglichen Monatslohn durch die monatliche Normalarbeitszeit von 167 Stunden teile. Daraus würden sich im Zeitraum Jänner bis September 2006 monatlich Nachtzuschläge in Höhe von EUR 547,25 und im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2006 in Höhe von EUR 557,65 ergeben. In der Folge stellte die Gebietskrankenkasse die Beitragsgrundlagen aufgesplittet nach Monatslohn und Nachtzuschläge für die Dienstnehmerin P. für 2006 tabellarisch an, ebenso zum Vergleich die aus der "Aufstellung über nicht oder unrichtig gemeldete Beitragsgrundlagen" ersichtlichen "BGAL/SZ".
Hinsichtlich des Lehrlings P. H. wurde eine ebenso detaillierte Berechnung angestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Einspruch, wandte ausdrücklich Verjährung ein und machte einen Begründungsmangel dahingehend geltend, dass die den Bescheid angeschlossene Aufstellung für die Einspruchswerberin nicht nachvollziehbar sei. Es handle sich um einen Computerausdruck, wobei die einzelnen Beträge keinesfalls begründet seien. Es fänden sich in der Begründung keinerlei Berechnungen über den nunmehr vorgeschriebenen Betrag.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge. In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, das Vorbringen, wonach die "Aufstellung über nicht oder unrichtig gemeldete Beitragsgrundlagen" nicht nachvollziehbar sei, könne nicht überzeugen, zumal es sich dabei um die Zusammenfassung des ausgiebig besprochenen Ergebnisses der im Jahr 2008 durchgeführten GPLA-Prüfung handle. Anlässlich der Besprechung habe die Beschwerdeführerin lediglich den Beginn der Arbeitszeit von S. P. moniert, was zu ihren Gunsten letztlich auch berücksichtigt worden sei, sowie die Zuschläge während der Berufsschule. Die Richtigkeit der errechneten Nachtzuschläge für die Jahre 2006 und 2007 sei von ihr ausdrücklich bestätigt worden. Die dem Bescheid angeschlossene Aufstellung sei nachvollziehbar. Wenn die Beschwerdeführerin darauf hinweise, dass lediglich beispielhafte Berechnungen bei zwei Mitarbeitern vorlägen, entspreche dies den Grundsätzen des § 39 Abs. 2 AVG. Schon im Hinblick auf diese Verfahrensgrundsätze sei es ausreichend gewesen, an Hand der angeführten Beispiele darzulegen, nach welcher Methodik auch die Berechnung bei den übrigen Mitarbeitern durchgeführt worden sei.
Hinsichtlich der eingewendeten Verjährung führte die belangte Behörde nach Zitierung des § 68 Abs. 1 ASVG aus, dass ausgehend davon, dass die Beschwerdeführerin keine vollständige Lohnverrechnung durchgeführt habe und Änderungsmeldungen und Sonderzahlungsmeldungen zu einem großen Teil nicht erstattet bzw. ein zu niedriges Entgelt gemeldet worden seien, die Kasse zu Recht von einer fünfjährigen Verjährungsfrist ausgegangen sei. Das Recht auf Feststellung zur Zahlung der Beiträge für den Beitragszeitraum Jänner 2003 sei erst am verjährt gewesen. Der Prüfungsbeginn sei vor diesen Zeitpunkt erfolgt, weshalb auf Grund dieser Unterbrechungswirkung keine Verjährung eingetreten sei. Auch das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden nach § 68 Abs. 2 ASVG sei nicht verjährt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1.1. Die Beschwerde behauptet, dass zum Zeitpunkt des Beginns der GPLA-Prüfung bereits die Beiträge für die Jahre 2003, 2004 und teilweise 2005 verjährt gewesen seien. Eine Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 68 Abs. 1 ASVG setze als subjektive Komponente voraus, dass der Dienstgeber die Angaben, die unterlassen habe, bei gehöriger Sorgfalt als notwendig hätte erkennen können. Diesbezüglich fänden sich keinerlei Feststellungen zu einer allfälligen Verlängerung der Verjährung. Gemäß § 68 Abs. 2 ASVG sei auch das Recht auf Einforderung der Beiträge verjährt, weil sich aus der dem Bescheid angeschlossenen Nachrechnung vom ergebe, dass die mit dieser Nachtragsrechnung vorgeschriebenen Beiträge bereits fällig gewesen seien. Seit dieser Nachtragsrechnung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides habe es keine Reaktionen der Behörde gegeben.
1.2. Gemäß § 68 Abs. 1 ASVG verjährt das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge; diese Frist verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonst meldepflichtige Person keine oder unrichtige Angaben über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinn des § 49 Abs. 2 ASVG) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Gemäß § 68 Abs. 1 dritter Satz ASVG wird die Verjährung des Feststellungsrechts durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, indem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Sie ist gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist.
1.3. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass im vorliegenden Fall die fünfjährige Verjährungsfrist anzuwenden ist.
Ausgehend von den Feststellungen hat es die Beschwerdeführerin über mehrere Jahre unterlassen, eine vollständige Lohnverrechnung zu führen sowie Änderungsmeldungen oder Sonderzahlungsmeldungen zu erstatten. Teilweise wurde dabei ein zu niedriges Entgelt gemeldet.
Dass bei unzureichender Führung von Aufzeichnungen billigend in Kauf genommen wird, nicht den in den Sozialversicherungsgesetzen normierten Meldeverpflichtungen nachzukommen, ist evident. Die Beschwerdeführerin kann sich schon auf Grund der erfolgten Meldepflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Tatsache nicht ordnungsgemäß geführter Lohnverrechnungen und entsprechenden Aufzeichnungen nicht mit Erfolg darauf berufen, sie hätte allfällige Meldepflichtverletzungen nicht erkennen können.
Die belangte Behörde ist somit zu Recht von einer fünfjährigen Verjährungsfrist ausgegangen.
1.4. Unter einer zu unterbrechenden Verjährung des Feststellrechts geeigneten Maßnahme ist jede nach außen hin in Erscheinung tretende und den Beitragsschuldner zur Kenntnis gebrachte Tätigkeit des Versicherungsträgers zu verstehen, die der rechtswirksamen Feststellung der Beitragsschuld dient. Eine solche Maßnahme stellt nicht erst die Erlassung des Bescheides des Versicherungsträgers, mit dem eine Zahlungsverpflichtung festgestellt wird, an den Beitragsschuldner, sondern schon eine durch ausgewiesene Bedienstete des Versicherungsträgers gemäß § 42 ASVG beim Beitragsschuldner vorgenommene Beitragsprüfung dar, da gerade sie in erster Linie der Feststellung dienen soll, ob die Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß entrichtet worden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2012/08/0287). Eine solche Beitragsprüfung zählt somit zu den verjährungsunterbrechenden Maßnahmen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , 94/08/0095).
Angewendet auf den vorliegenden Fall ist im Zeitpunkt der Unterbrechung der Verjährungsfrist durch die im Jänner 2008 begonnene Beitragsprüfung (aktenkundig fand am eine Prüfung in den Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin statt) hinsichtlich der ab Jänner 2003 zu entrichtenden Beiträge, die ab fällig wurden (§ 58 Abs. 1 erster Halbsatz ASVG), noch keine Feststellungsverjährung eingetreten.
Frühestens mit dem Ende der Beitragsprüfung am begann die Verjährungsfrist neuerlich zu laufen und wurde spätestens durch den erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Krankenkasse vom , aber jedenfalls noch vor ihrem Ablauf, wieder unterbrochen bzw. in der Folge durch das anhängige Verwaltungsverfahren bzw. verwaltungsgerichtlichen Verfahren gehemmt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2012/08/0093).
1.5. Die zweijährige Frist der Einforderungsverjährung gemäß § 68 Abs. 2 ASVG beginnt mit der Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung, wobei die "Verständigung vom Ergebnis der Feststellung" zum Beispiel auch in der Verständigung vom Ergebnis einer Beitragsprüfung bestehen kann. Im Streitfall kann hingegen ohne Erlassung eines Bescheides von "festgestellten Beitragsschulden" im Sinn des § 68 Abs. 2 ASVG nicht gesprochen werden. Die Einforderungsverjährungsfrist beginnt dann frühestens mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bescheides über die strittige Beitragsschuld zu laufen; für den Fall, dass der Bescheid mit Beschwerde an den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof bekämpft wird, ist der Streit jedoch auch während des gerichtlichen Verfahrens noch nicht als beendet anzusehen. Daraus folgt, dass die Feststellungsverjährungsfrist nach der ausdrücklichen Anordnung des § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG während des Verfahrens vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts (u.a.) über die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen gehemmt ist. Von einer festgestellten Beitragsschuld als Voraussetzung für den Beginn des Laufes der Einforderungsverjährungsfrist kann daher in dieser Phase des Rechtsstreits noch nicht gesprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2013/08/0036, mwN).
Der Verjährungseinwand der Beschwerdeführerin ist daher nicht berechtigt.
2. Die Beschwerde macht unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, dass im erstinstanzlichen Bescheid auf eine angeschlossene Aufstellung verwiesen werde, die für die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar sei. Es handle sich um einen Computerausdruck, wobei die einzelnen Beträge keinesfalls begründet seien. Es fänden sich im erstinstanzlichen Bescheid in der Begründung auch keinerlei Berechnungen über den zur Vorschreibung gelangten Betrag. Es seien lediglich beispielsweise zwei Mitarbeiter angeführt worden. Die belangte Behörde vermeine, dass diese Begründung auf Grund des § 39 Abs. 2 AVG sowie der wegen der stattgefundenen Besprechungen mit der Beschwerdeführerin vernachlässigt werden könnten, was jedoch rechtsunrichtig sei.
Schon im erstinstanzlichen Bescheid wurde dargelegt, wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zur Annahme der Beitragsgrundlagen bzw. der sich daraus ergebenden Beitragsnachzahlungen gelangt ist. Die belangte Behörde hat ihrerseits ihrer Begründungspflicht dadurch Genüge getan, dass sie im Wesentlichen auf die Gründe im Bescheid der Vorinstanz verwiesen hat, weil sie sowohl die Feststellungen als auch die rechtliche Beurteilung der Behörde erster Instanz geteilt hat. Inwieweit die Begründung des angefochtenen Bescheids - der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse war vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu überprüfen - dennoch mangelhaft war, legt die Beschwerdeführerin nicht dar. Es ist auch nicht ersichtlich, inwieweit die Beschwerdeführerin an der Verfolgung ihrer Rechte durch die genannte Verweisung gehindert gewesen sein könnte. Nähere Ausführungen hierzu enthält die Beschwerde nämlich nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 97/08/0600 mwN).
Aus den Berechnungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, die von der belangten Behörde übernommen wurden, ist die Schätzungsmethode, die der Schätzung zu Grunde gelegten Sachverhaltsannahmen (Arbeitszeit, kollektivvertragliche Bestimmungen) und die Ableitung der Schätzungsergebnisse dargelegt. Das die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vorgestellte Schätzungsmethode für alle Dienstnehmer zu gelten hat, ist aus dem Bescheid ableitbar. An Hand der beiden durchaus detailliert erläuterten Beispiele der Dienstnehmerin S. P. und des Lehrlings P. H. wäre es der Beschwerdeführerin möglich gewesen, die zu Grunde gelegte Parameter zu bestreiten, wenn sie von der Behörde tatsächlich falsch angenommen wären. Ein derartiges Vorbringen hat sie aber weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde erstattet.
3. Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2014:2012080220.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAE-71556