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VwGH vom 14.12.2016, Ra 2016/19/0016

VwGH vom 14.12.2016, Ra 2016/19/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision des S M in W, vertreten durch Dr. Ilse Korenjak, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Gusshausstraße 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W171 2007884-1/8E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem Asylgesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz. Gegen die Abweisung dieses Antrages hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom erhob der Revisionswerber Beschwerde. Mit Schreiben vom wurde der Revisionswerber vom Bundesverwaltungsgericht zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung geladen und ihm außerdem mitgeteilt, dass er, sollte eine Teilnahme seines Rechtsberaters an der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewünscht sein, mit diesem ehestmöglich Kontakt aufnehmen solle. Zu der mündlichen Verhandlung am erschien der Revisionswerber gemeinsam mit einer Mitarbeiterin des Vereins Menschenrechte Österreich, die aber den Revisionswerber nur "begleitete" und nicht vertrat und auch über keine Vollmacht verfügte. Dies ergibt sich aus dem im Akt befindlichen Verhandlungsprotokoll, in welchem der Ausdruck "vertreten" durchgestrichen und durch "begleitet" ersetzt wurde.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dem Revisionswerber sei es nicht gelungen, asylrelevante Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft darzutun. Diese Schlussfolgerung in Bezug auf seine Fluchtgründe ergebe sich aus einer Gesamtschau seiner Angaben im Verfahren, insbesondere aber auch auf Grund des Verlaufes und des Eindrucks in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am .

3 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision nach Vorlage derselben sowie der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht und nach Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

4 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit vor, es bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob in einer Beschwerdeverhandlung betreffend Anträge auf internationalen Schutz ein Rechtsanspruch auf eine Vertretung durch einen Rechtsberater in der mündlichen Verhandlung bestehe. Die Rechtsberaterin habe im gegenständlichen Fall an der Verhandlung nur als Zuschauerin teilgenommen. Bei unionsrechtskonformer Interpretation normiere § 52 Abs. 2 letzter Satz BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) ein Recht auf Vertretung in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die rein physische Anwesenheit einer wenn auch rechtskundigen Person in der ohnehin öffentlichen Verhandlung sei für sich genommen nämlich nicht geeignet, in irgendeiner Form das Verfahren zu beeinflussen.

5 Die Revision erweist sich als zulässig, sie ist aus den nachstehenden Gründen jedoch nicht berechtigt.

6 Vorauszuschicken ist, dass § 52 Abs. 2 BFA-VG - nach teilweiser Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 447-449/2015, - durch BGBl. I Nr. 24/2016 novelliert wurde und die Änderungen mit in Kraft getreten sind. Im vorliegenden Fall kommt allerdings noch § 52 BFA-VG in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015 zur Anwendung; dieser lautet auszugsweise wie folgt:

" Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht § 52. (1) Das Bundesamt hat den Fremden oder

Asylwerber bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung, Erlassung einer Entscheidung gemäß § 2 Abs. 4 bis 5 oder § 3 GVG-B 2005, der Anordnung zur Außerlandesbringung, der Anordnung der Schubhaft sowie bei zurück- oder abweisenden Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz mittels Verfahrensanordnung darüber zu informieren, dass ihm kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird. Zugleich hat das Bundesamt den bestellten Rechtsberater oder die betraute juristische Person davon in Kenntnis zu setzen.

(2) Rechtsberater unterstützen und beraten Fremde oder Asylwerber beim Einbringen einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren gemäß Abs. 1 vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben Fremde in einem Beschwerdeverfahren gegen eine Rückkehrentscheidung, eine Entscheidung gemäß § 2 Abs. 4 bis 5 oder § 3 GVG-B 2005 oder eine Anordnung zur Außerlandesbringung auf deren Ersuchen auch zu vertreten. Rechtsberater haben den Beratenen jedenfalls die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen. In Verfahren über internationalen Schutz sowie über die Anordnung von Schubhaft haben Rechtsberater auf Ersuchen des Fremden an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.

(3) (...)"

7 Unionsrechtlicher Hintergrund dieser Bestimmung ist Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU vom zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie), demzufolge die Mitgliedstaaten im Rechtsmittelverfahren sicherzustellen haben, dass einem Asylwerber auf Antrag unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung gewährt wird, welche zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung vor einem erstinstanzlichen Gericht im Namen des Antragstellers umfasst.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Ro 2016/18/0001, ausgesprochen, dass dem Asylwerber im Rechtsmittelverfahren ein Rechtsanspruch auf Teilnahme des Rechtsberater an der mündlichen Verhandlung zukommt, sofern er diesen darum ersucht hat. Auf Grund der aus dem rechtsstaatlichen Prinzip und den einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften resultierenden Verfahrensgarantien ist es auch Sache des Verwaltungsgerichts dafür Sorge zu tragen, dass das einem Asylwerber zustehende Recht auf einen Rechtsberater tatsächlich in Anspruch genommen werden kann (vgl. dazu auch VfSlg. 19.490/2011). Das Verwaltungsgericht hat daher bei unentschuldigtem Fernbleiben des Rechtsberaters von der Möglichkeit des § 19 Abs. 1 AVG, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 17 VwGVG sinngemäß anzuwenden ist, Gebrauch zu machen und das Erscheinen des Rechtsberaters durch förmliche Ladung zu erwirken (vgl. das hg. Erkenntnis Ro 2016/18/0001).

9 Die gesetzlich vorgesehene Unterstützung durch den Rechtsberater führt allerdings nicht dazu, dass dem Asylwerber ein - vor dem Verwaltungsgerichtshof durchsetzbares - Recht auf ein zweckentsprechendes Verhalten des Rechtsberaters während der mündlichen Verhandlung zukommt. § 52 Abs. 2 BFA-VG stellt nämlich - vom Erscheinen des Rechtsberaters zur mündlichen Verhandlung abgesehen - keine Verfahrensvorschrift dar, deren Einhaltung vom Verwaltungsgericht eingefordert werden kann, zumal es in einem kontradiktorischen Verfahren nicht Aufgabe des Gerichts ist, in der mündlichen Verhandlung auf ein bestimmtes, dem Anliegen des Asylwerbers dienendes Verhalten des Rechtsberaters hinzuwirken.

10 Im vorliegenden Fall geht aus den Akten nicht hervor, dass vom Revisionswerber um Vertretung in der Verhandlung ersucht worden wäre. Dass ein Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt oder der Rechtsberaterin Vollmacht erteilt worden wäre, wird nicht einmal behauptet.

11 Die Revision erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

12 Von der Durchführung der beantragen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am