VwGH vom 28.06.2016, Ra 2016/17/0067

VwGH vom 28.06.2016, Ra 2016/17/0067

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Dr. Leonhartsberger als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Bürgermeisters der Stadt Graz in 8011 Graz, Keesgasse 6, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 30.9-3331/2015-2, betreffend Übertretung des Steiermärkischen Parkgebührengesetzes 2006 (mitbeteiligte Partei: W B in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Partei vom wurde über die mitbeteiligte Partei wegen einer Übertretung des § 12 Abs 5 des Steiermärkischen Parkgebührengesetzes 2006 eine Geldstrafe verhängt, weil der Mitbeteiligte dem Lenkererhebungsschreiben der revisionswerbenden Partei vom nicht Rechnung getragen habe, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre.

2 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss hob das Landesverwaltungsgericht Steiermark dieses Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG ein. Dazu führte das Landesverwaltungsgericht aus, das gegenständliche Schriftstück vom sei unbestrittenermaßen zwar mit einem Auslandsrückschein, aber ohne den Vermerk "eigenhändig" an die mitbeteiligte Partei versendet und offensichtlich von einem Angestellten am übernommen worden. Selbst wenn - wovon die revisionswerbende Partei aufgrund eines handschriftlichen Vermerks des Mitbeteiligten (gemeint: seine handschriftlichen Einspruchsausführungen gegen die Strafverfügung) ausgehe - das Lenkerauskunftsbegehren diesem am zugekommen sei, entspreche schon dessen Versendung nicht den Anforderungen des Art 10 des Vertrages der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe, weil der zwingend erforderliche Vermerk "eigenhändig" fehle und eine Ersatzzustellung im gegenständlichen Fall grundsätzlich nicht zulässig sei.

3 Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Bürgermeisters der Stadt Graz als belangte Behörde im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark. In der Revision wird die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, eventualiter wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu die Entscheidung in der Sache selbst beantragt.

4 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein, in dessen Rahmen der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Nach Art 133 Abs 4 iVm Abs 9 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Die vorliegende Revision ist hinsichtlich der Frage der Heilung allfälliger Zustellmängel einer im Ausland erfolgten Zustellung nach § 7 Zustellgesetz zulässig.

7 Gemäß § 11 Abs 1 ZustG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

8 § 7 des Zustellgesetzes regelt unter der Überschrift "Heilung von Zustellmängeln", dass, wenn im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen, die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt gilt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

9 Art 10 Abs 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen (im Folgenden kurz: Rechtshilfevertrag) normiert, dass Schriftstücke in näher bezeichneten öffentlichrechtlichen Verfahren unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt werden. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "eigenhändig" und "Rückschein" zu versenden.

10 Das Verwaltungsgericht nimmt einen Verstoß gegen Art 10 Abs 1 des Rechtshilfevertrages an, weil das fragliche Lenkerauskunftsbegehren vom zwar mit einem Auslandsrückschein, jedoch ohne den Vermerk "eigenhändig" an die mitbeteiligte Partei versendet worden sei. Selbst wenn der mitbeteiligten Partei das Lenkerauskunftsbegehren tatsächlich zugegangen sei, entspreche schon die Versendung der maßgeblichen Lenkerauskunft nicht den Anforderungen des Art 10 des Rechtshilfevertrages. Das Landesverwaltungsgericht ging damit offenkundig davon aus, dass der nachträgliche Zugang des zuzustellenden Dokumentes die als rechtswidrig erachtete Zustellanordnung nicht sanieren könne.

11 Das Landesverwaltungsgericht ist nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, soweit es annahm, dass angesichts der Anordnung der Zustellung mit Zustellnachweis gemäß Art 10 Abs 1 des Rechtshilfevertrages das Dokument als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "eigenhändig" und "Rückschein" hätte versendet werden müssen, was jedoch hinsichtlich des Vermerks "eigenhändig" unterlassen wurde. Eine Ersatzzustellung wäre in diesem Fall grundsätzlich nicht zulässig (vgl etwa , vom , 2004/03/0160, und vom , 2006/03/0152). Dem steht auch die in der Revision zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2008/02/0405, nicht entgegen, weil darin keine Auseinandersetzung mit einer "eigenhändigen" Zustellanordnung erfolgte.

12 Allerdings irrt das Verwaltungsgericht, wenn es davon ausgeht, dass im Fall des vorliegenden Mangels in der Zustellverfügung die tatsächliche Übernahme des Schriftstücks durch den Adressaten unbeachtlich wäre. Es entspricht nämlich der hg Judikatur, dass für die Frage der Heilung von Mängeln einer im Ausland erfolgten Zustellung grundsätzlich § 7 ZustellG maßgeblich ist, es sei denn, aus einem internationalen Abkommen ergäbe sich ausdrücklich oder von seiner Zwecksetzung her Gegenteiliges (vgl , unter Hinweis auf ). Das hier maßgebliche Rechtshilfeabkommen sieht nichts Gegenteiliges vor; auch aus anderen Abkommen ist - soweit ersichtlich - nichts Anderes erkennbar und wird im Revisionsverfahren auch nicht dargetan.

13 Nach der hg Judikatur ist die Nichteinhaltung von Zustellvorschriften immer dann unschädlich, wenn der Zweck der Zustellung trotz aufgetretener Zustellmängel, mögen sie auch in einer Verletzung des Gesetzes begründet sein, auf welchem Weg auch immer, erreicht worden ist (vgl Walter/Thienel , Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 7 ZustG Rz 5, vgl auch Raschauer/Riesz in Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely , Österreichisches Zustellrecht2, § 7 Rz 2). In diesem Sinne ist auch eine formfehlerhafte Zustellung - wie hier: die fehlerhafte Nichtanordnung der eigenhändigen Zustellung - grundsätzlich einer Heilung zugänglich (vgl die bei Walter/Thienel , Verwaltungsverfahrensgesetze I2 zu § 7 ZustG, Pkt 1., insbesondere E 4, zitierte hg Judikatur, weiters Hengstschläger/Leeb , AVG § 22 Rz 4, vgl auch Raschauer/Riesz in Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely , Österreichisches Zustellrecht2, § 7 Rz 3f, sowie ).

14 Indem das Verwaltungsgericht rechtsirrig davon ausging, die Heilung eines Zustellmangels käme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, hat es sich nicht mit dem in den Akten enthaltenen Hinweis darauf, dass das Lenkerauskunftsbegehren vom der mitbeteiligten Partei am zugekommen sei, auseinandergesetzt.

15 Dadurch belastete das Verwaltungsgericht den angefochtenen Beschluss mit Rechtswidrigkeit des Inhalts, weshalb er gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am