VwGH vom 23.05.2012, 2009/22/0328
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 132.647/23-III/4/09, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den am gestellten Antrag des Beschwerdeführers, eines pakistanischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Z 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer bezwecke die Familienzusammenführung mit seinem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Vater. Er sei aufgefordert worden, bekannt zu geben, ob er vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen habe oder mit ihm im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt und Unterhalt bezogen habe, und weiters entsprechende Belege zu übermitteln.
In seiner Stellungnahme habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass sein Vater seit der Geburt des Beschwerdeführers laufend Unterhalt bezahle. Bis zum Jahr 1991 habe er mit dem Vater im gemeinsamen Haushalt gelebt.
"Ein Nachweis (beispielsweise Überweisungsbelege, Zeugenaussagen) dafür, dass Sie tatsächlich von Ihrem Vater im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben oder tatsächlich mit ihm im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und von ihm Unterhalt bezogen haben, wurde jedoch nicht vorgelegt."
Der Beschwerdeführer erfülle somit nicht die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 47 Abs. 3 Z 3 NAG. Beim Fehlen besonderer Erteilungsvoraussetzungen sei auf familiäre und private Interessen nicht Bedacht zu nehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
§ 47 NAG lautet (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 99/2006) auszugsweise:
"§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt.
(2) Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden im Sinne des Abs. 1 sind, ist ein Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen. Dieser Aufenthaltstitel ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des 1. Teiles einmal um den Zeitraum von zwölf Monaten, danach jeweils um 24 Monate zu verlängern.
3) Angehörigen von Zusammenführenden im Sinne des Abs. 1 kann auf Antrag eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - Angehöriger' erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
1. Verwandte des Zusammenführenden oder seines Ehegatten in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird;
2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird; oder
3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,
a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben;
b) die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und Unterhalt bezogen haben oder
c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.
Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende
jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben.
(4)…
…"
Die Beschwerde wiederholt, dass der Vater des Beschwerdeführers laufend Unterhalt an den Beschwerdeführer bezahlt habe. Der in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrüge kommt Berechtigung zu.
Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer mit Note vom aufgefordert, ua. bekannt zu geben, ob der Beschwerdeführer im Sinn des § 47 Abs. 3 NAG bereits im Herkunftsstaat vom Zusammenführenden Unterhalt bezogen oder im Herkunftsstaat (mit ihm) in häuslicher Gemeinschaft gelebt und (von ihm) Unterhalt bezogen habe. "Gegebenenfalls" seien entsprechende Belege zu übermitteln.
In der Stellungnahme vom brachte der Beschwerdeführer vor, dass er "laufend von meinem Vater bis dato Unterhalt bezogen" habe und sohin sein Vater als Zusammenführender im Sinn des § 47 NAG zu betrachten sei.
Die belangte Behörde wies den gegenständlichen Antrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass der Beschwerdeführer einen Nachweis für den Unterhaltsbezug nicht vorgelegt habe.
Dazu ist vorerst auszuführen, dass nicht nur Schriftstücke (wie dies die belangte Behörde offenkundig meint), so etwa Kontoauszüge, eine tatsächliche Unterhaltsleistung nachweisen können, sondern es in solchen Fällen der Behörde auch frei steht, den Zusammenführenden als Zeugen zu befragen oder befragen zu lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0281).
Weiters hat die Behörde gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz AVG bei der Durchführung des Ermittlungsverfahrens von Amts wegen vorzugehen. Der dort ausgesprochene Grundsatz der Amtswegigkeit beherrscht das Ermittlungsverfahren. Die Behörde hat von sich aus den vollständigen und wahren entscheidungsrelevanten Sachverhalt durch Aufnahme aller nötigen Beweise festzustellen, ohne in tatsächlicher Hinsicht an das Parteienvorbringen gebunden zu sein. Sie hat daher von Amts wegen zu bestimmen, welche Tatsachen zu beweisen sind und, sofern die Beteiligten nicht entsprechende Beweisanträge stellen oder Beweise vorlegen, aus eigenem Antrieb die Erbringung der erforderlichen Beweise anzuordnen (vgl. Hengstschläger/Leeb , AVG § 39 Rz. 7).
Angesichts dieses Grundsatzes wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, von Amts wegen zu ermitteln, ob die entscheidungsrelevante Behauptung des Beschwerdeführers richtig ist, dass er von seinem Vater laufend Unterhalt bezieht. Bei dieser Frage ist sie nicht an Beweisanträge des Beschwerdeführers gebunden, sondern sie hätte - wie oben dargelegt - etwa die Vernehmung des Vaters des Beschwerdeführers veranlassen können. Somit handelt es sich nicht um ein Beweisthema, von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen könnte und sie auf entsprechende Beweisanträge der Partei angewiesen wäre (vgl. auch dazu Hengstschläger/Leeb a.a.O. Rz. 10; weiters zu solchen Fällen etwa das hg. Erkenntnis vom , 98/21/0145). Für einen Vorwurf, die Partei hätte entgegen § 29 Abs. 1 NAG nicht am Verfahren mitgewirkt, verbleibt in den angesprochenen Konstellationen, in denen schriftliche Beweisstücke allenfalls nicht vorhanden sind, kein Raum.
Da die belangte Behörde somit ihren Bescheid mit einem relevanten Verfahrensmangel belastet hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am