VwGH vom 27.04.2017, Ra 2016/15/0047
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofrätin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des S P in B, vertreten durch die BKS Steuerberatung GmbH & Co KG in 3150 Wilhelmsburg an der Traisen, Untere Hauptstraße 10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/4100297/2013, betreffend "Haftung für Abzugsteuer gemäß § 70 Abs. 2 Z 2 iVm § 82 EStG 1988" für die Jahre 2004 bis 2010 sowie für Jänner bis April 2011, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die revisionswerbende Partei ist ein Sportverein. 2 Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung betreffend
u. a. Umsatzsteuer und Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988 für die Jahre 2004 bis 2010 sowie für den Nachschauzeitraum Jänner bis April 2011 wurde u.a. ausgeführt, es würden aufgrund der im Zuge der Betriebsprüfung neu vorgelegten und der Behörde zuvor nicht bekannten Unterlagen Feststellungen getroffen. Durch das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung sei eine Sicherstellung von Buchhaltungsunterlagen erfolgt. Aus den Unterlagen gehe hervor, dass eine Aufteilung der an die Spieler ausbezahlten Beträge erfolgt sei. Teilweise seien Spielergehälter offiziell und teilweise über ein Sparbuch ausbezahlt worden. Der Verein sei im Jahr 2009 im Wege einer GPLA-Prüfung geprüft worden; das Sparbuch sei damals dem Prüfer nicht vorgelegt worden; der Prüfer habe auch von der Aufteilung von Spielergehältern keine Kenntnis gehabt. Der Kassier des Revisionswerbers habe angegeben, nummerierte Belege seien dem Amt der Landesregierung für Zwecke der Vereinsförderung vorgelegt worden; alle anderen Belege seien in keiner Einnahmen-Ausgaben-Buchhaltung geführt worden. In einer Selbstanzeige sei bekannt gegeben worden, dass von Jänner 2006 bis für beim Verein tätige ausländische Spieler und Trainer die Abzugsteuer und der Dienstgeberbeitrag nicht vollständig einbehalten und abgeführt worden seien. Der sich aus der Selbstanzeige ergebende Betrag sei im Mai 2011 beglichen worden. In Österreich bezogene Einkünfte von Sportlern, die weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hätten, unterlägen der beschränkten Steuerpflicht. Die Steuer des ausländischen Sportlers habe der österreichische Leistungsempfänger einzubehalten und als Abzugsteuer an das Finanzamt abzuführen. Der Leistungsempfänger hafte für die Einbehaltung der Abzugsteuer gegenüber dem Fiskus. Ergänzend wurde im Prüfungsbericht ausgeführt, es seien keine Feststellungen getroffen worden, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO erforderlich machen würden.
3 Das Finanzamt erließ - unter Verwendung des Formulars L20 - an den Revisionswerber gerichtete "Haftungs- und Abgabenbescheid(e)" für die Jahre 2004 bis 2010 sowie für den Zeitraum Jänner bis April 2011. Deren Spruch lautete - nach Streichung von im Formular vorgesehenem Text - jeweils:
"Gemäß § 82 Einkommensteuergesetz 1988 werden Sie als Arbeitgeber für die Einhaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn zu entrichtenden
offene Abzugsteuer gem. § 99 EStG
Bemessungsgrundlage: (...)
Somit verbleiben zur Nachzahlung (...)".
4 Begründend verwies das Finanzamt jeweils auf den "Bericht
zur durchgeführten Betriebsprüfung".
5 Der Revisionswerber erhob u.a. gegen diese Bescheide Berufung. 6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde teilweise Folge (für das Jahr 2005 erfolgte eine Abänderung zum Nachteil des Revisionswerbers) und setzte die Haftung für die zu erhebende Abzugsteuer für die jeweiligen Zeiträume neu fest. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
7 Begründend führte das Bundesfinanzgericht - nach Wiedergabe des Verfahrensganges - im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe in den Streitzeiträumen ausländische Sportler als Arbeitnehmer beschäftigt, bei welchen die Anknüpfungsmerkmale der unbeschränkten Steuerpflicht nicht vorgelegen seien. Der Revisionswerber habe auch an grenzübergreifenden Bewerben teilgenommen. Die vom Revisionswerber in Österreich benutzte Sporthalle habe ab August 2007 nicht mehr den Anforderungen des Sport-Reglements entsprochen, sodass im Zeitraum August 2007 bis April 2011 Heimspiele des Revisionswerbers in einer ausländischen Sporthalle stattgefunden hätten. Auch diese Tätigkeit sei unmittelbar im Inland volkswirtschaftlich verwertet worden.
8 Der Revisionswerber hätte als steuerabzugsverpflichteter Arbeitgeber die Abzugsbesteuerung iSd § 70 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 für die bei ihm als beschränkt lohnsteuerpflichtig tätigen Sportler (Tätigkeit iSd § 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988) mittels Selbstbemessung von den ausbezahlten Bruttolohnbezügen vorzunehmen gehabt. Er hafte daher gemäß § 82 EStG 1988 auch für die ordnungsgemäße Einbehaltung und Abfuhr der Abzugsteuerbeträge.
9 Nach den anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommen stehe Österreich ein Besteuerungsanspruch nur soweit zu, als die Tätigkeit im Inland ausgeübt worden sei; auf eine "Verwertung" komme es demnach nicht an. Der Revisionswerber sei daher ab August 2007 bis April 2011 lediglich im Ausmaß der Bezüge für die Inlandstätigkeiten betreffend die Abzugsteuer zur Haftung heranzuziehen. Die genaue Berechnung der Bemessungsgrundlagen ergäbe sich aus beiliegenden Berechnungsblättern.
10 Eine (ordentliche) Revision sei nicht zulässig, weil sich die Entscheidung im Wesentlichen auf Tatsachenfeststellungen gründe. Der Abzugsbesteuerungsanspruch ergebe sich unmittelbar aus bilateralem DBA-Recht. Der im Beschwerdefall aufgeworfenen Rechtsfrage bezüglich des "Verwertungstatbestands" komme keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu, da die Doppelbesteuerungsabkommen die Besteuerung der Sportlereinkünfte auf den "Ausübungstatbestand" einschränken.
11 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht. Beide Parteien haben eine Vielzahl weiterer Schriftsätze erstattet, in denen der Revisionswerber insbesondere darauf verwies, dass die für ihn handelnden Personen mit Urteil des Landesgerichtes X vom gemäß § 214 FinStrG freigesprochen worden seien und der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung einer Verbandgeldbuße über den Revisionswerber abgewiesen worden sei.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
13 Die Revision ist zulässig und auch begründet. 14 Der Revisionswerber macht u.a. geltend, eine Festsetzung
mittels Haftungsbescheid habe nach § 202 Abs. 1 BAO iVm § 201 Abs. 2 BAO zur Voraussetzung, dass kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden.
15 § 201 BAO erfordert zwar nicht, dass im Spruch des Bescheides zum Ausdruck gebracht wird, auf welchen Tatbestand des § 201 BAO der Bescheid gestützt wird (vgl. ). Dies muss aber (zumindest) aus der Begründung hervorgehen. Eine allenfalls mangelhafte Begründung kann vom Bundesfinanzgericht ergänzt werden (vgl. hiezu , mwN). Das angefochtene Erkenntnis enthält aber - wie die Revision zutreffend aufzeigt - hiezu keinerlei Darlegungen.
16 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon aus diesem Grund zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
17 Von der vom Revisionswerber beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz ergibt sich aus den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am