VwGH vom 17.10.2017, Ra 2016/15/0027
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des M T in Z, vertreten durch Mag. Kurt Jelinek, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1a, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/6100722/2010, betreffend Einkommensteuer 2005 und 2006, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Beginnend mit Sommer 2005 hat der Revisionswerber - nach den unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen des Bundesfinanzgerichts - ein bis zu diesem Zeitpunkt landwirtschaftlich genutztes Grundstück auf Grundlage eines Übereinkommens vom der ASFINAG GmbH (in der Folge: ASFINAG) zur Nutzung als Deponie im Rahmen von Autobahnarbeiten überlassen (Ablagerung des Aushubmaterials Tauerntunnel sowie Befahrung durch Baumaschinen). Im Übereinkommen wurde eine grundsätzliche Laufzeit von 5 Jahren vereinbart. Gleichzeitig hat der Revisionswerber im Übereinkommen der ASFINAG die Möglichkeit eingeräumt, gegen Bezahlung eines festgelegten Betrages die Laufzeit einseitig zu verlängern, was in der Folge auch mehrfach genutzt wurde.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das Bundesfinanzgericht im Instanzenzug die Einkommensteuer für 2005 und 2006 fest, wobei es die Entschädigungszahlungen der ASFINAG zur Gänze der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zuordnete und außerhalb der pauschalierten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft steuerlich erfasste. Begründend führte es insbesondere aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs führe die nichtbetriebliche Nutzung von Grundstücken eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes nur dann weiterhin zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, wenn es sich um eine bloß vorübergehende Maßnahme handle, das überlassene Grundstück weiterhin dem Hauptzweck des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes entsprechend, wirtschaftlich ins Gewicht fallend genutzt werden könne oder die überlassene Fläche nur zeitweise und zwar außerhalb der Vegetationszeiten anderweitig genutzt werde. Werde daher die Nutzung eines Grundstückes als land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen durch eine anderweitige Nutzung nicht wesentlich beeinträchtigt, sodass nach der Verkehrsauffassung nach wie vor davon auszugehen sei, dass das Grundstück einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zugehöre, seien die aus der Überlassung erzielten Einkünfte solche aus Land- und Forstwirtschaft (Hinweise auf ; sowie , 92/15/0009).
3 Im Revisionsfall werde das Grundstück - aufgrund der mehrfachen zwischenzeitigen Verlängerungen - seit insgesamt mehr als 10 Jahren als Deponie genutzt. Eine gleichbleibende Nutzung bis zumindest Ende 2017 sei im Zusatz-Übereinkommen vom vereinbart worden. Eine darüber hinausgehende einseitige Verlängerungsmöglichkeit für den Nutzer sei ebenfalls vereinbart. Bei einer bisher tatsächlichen Nutzungsüberlassung von 10 Jahren, einer Mindestlaufzeit von 12 Jahren und einer darüber hinausgehenden möglichen Verlängerung der Nutzung des Grundstücks als Deponie liege keine bloß vorübergehende Maßnahme bzw. anderweitige Nutzung vor. Aufgrund der durchgehenden Nutzung als Deponie (= 75 % der Grundstücksfläche) und der rechtlichen bzw. tatsächlichen Beeinträchtigung der 2010 renaturierten Teilfläche (= 25 % der Grundstücksfläche) sei keine wirtschaftlich ins Gewicht fallende Nutzung des Grundstücks entsprechend dem Hauptzweck des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes möglich. Die nichtlandwirtschaftliche Nutzung des überlassenen Grundstücks erfolge durchgehend und damit auch in den Vegetationszeiten.
4 Die Überlassung eines Grundstücks für Deponiezwecke sei weder als Haupt- noch als Nebenbetrieb des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, noch als land- und forstwirtschaftliche Nebentätigkeit zu beurteilen. Aufgrund der Art und des Umfanges der Beeinträchtigung der Nutzung des Grundstücks gehöre dieses nicht mehr dem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen an. Demzufolge werde das Grundstück mit der Nutzungsüberlassung als Deponie aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen entnommen.
5 Die Nutzungsüberlassung des Grundstücks als Deponie für einen Zeitraum von zumindest 12 Jahren stelle keine bloß vorübergehende Maßnahme dar. Zudem sei in diesem Zeitraum auch keine eingeschränkte oder unterjährige bzw. zwischenzeitliche (wie dies etwa bei Verpachtung von Flächen außerhalb der Vegetationszeit für Schipisten der Fall wäre) landwirtschaftliche Nutzung der Flächen durch den Revisionswerber möglich gewesen.
6 Die ASFINAG habe als Bestandnehmerin die Grundstücksflächen nicht für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. Die Nutzungsüberlassung könne daher nicht als Hilfs- und Nebengeschäft der Land- und Forstwirtschaft des Revisionswerbers qualifiziert werden, weil sie mit dem Betrieb in keinem engen Zusammenhang gestanden sei und weder diesem gedient bzw. diesen ergänzt habe noch als ein im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes liegender Vorgang angesehen werden könne.
7 Die strittigen Grundstücksflächen könnten daher nicht mehr dem Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes des Revisionswerbers zugerechnet werden, weil bei der gegenständlichen Überlassung wirtschaftlich gesehen die Vermögensverwaltung im Vordergrund stehe. Die Einnahmen aus der Nutzungsüberlassung führten somit nicht zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft.
8 Da somit weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft noch - mangels über den Kapitaleinsatz hinausgehender Zusatzleistungen -
solche aus Gewerbebetrieb vorlägen, seien die aus der Überlassung des Grundstücks erzielten Einkünfte unter jene aus Vermietung und Verpachtung zu subsumieren.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Zur Zulässigkeit bringt diese zusammengefasst vor, es stellten sich die grundsätzlichen Rechtsfragen, ob bzw. ab welchem Zeitpunkt nur vorübergehend als Deponie genutzte landwirtschaftliche Flächen aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auszuscheiden seien, ob diesbezügliche Entschädigungszahlungen nicht mehr in die land- und forstwirtschaftliche Pauschalierung fielen, sondern Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung darstellten und inwieweit insbesondere Entschädigungen für Bodenwertminderung als solche steuerpflichtig seien. Das Bundesfinanzgericht habe unter Missachtung des vom Revisionswerber vorgelegten Gutachtens die gesamte Entschädigungszahlung als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erfasst. Die Entschädigungszahlungen für Bodenwertminderung, Zaunablöse und notwendige Nachentsteinungsmaßnahmen seien Schadenersatzzahlungen am Grundstücksobjekt und unterlägen nicht der Einkommensteuer. Dies werde auch dadurch dokumentiert, dass die Entschädigungszahlung als bloße Miete fremdunüblich hoch und nie bezahlt worden wäre.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Die Revision ist zulässig und begründet.
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs erfolgt eine Nutzungsüberlassung von Teilen eines zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grundstückes im Rahmen dieses land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, wenn es sich entweder um eine bloß vorübergehende Maßnahme handelt oder wenn der Nutzungsüberlasser auf der überlassenen Fläche weiterhin eine dem Hauptzweck des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes entsprechende, wirtschaftlich ins Gewicht fallende Tätigkeit entfaltet. Wird dagegen eine zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörende Grundstücksfläche oder ein Teil derselben auf Dauer nicht mehr landwirtschaftlich genutzt, gehört sie auch nicht mehr zum Betriebsvermögen. Hingegen verbleibt die Grundstücksfläche weiterhin Betriebsvermögen, wenn sie nur zeitweise und zwar außerhalb der Vegetationszeit anderweitig genutzt wird, beispielsweise als Schipiste. Wird daher die Nutzung eines Grundstückes als land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen durch eine anderweitige Nutzung nicht wesentlich beeinträchtigt, sodass nach der Verkehrsauffassung nach wie vor davon auszugehen ist, dass das Grundstück einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zugehört, sind die aus der Überlassung erzielten Einkünfte solche aus Land- und Forstwirtschaft (vgl. mwN).
13 Zwar hat die Nutzungsüberlassung im Revisionsfall durch wiederholte Verlängerung der Vereinbarung infolge längerer Dauer der Bauarbeiten - wie auch die Revisionsbeantwortung des Finanzamts hervorstreicht - im Jahr 2017 bereits 12 Jahre erreicht. Das Bundesfinanzgericht hat aber festgestellt, dass der Revisionswerber grundsätzlich mit einer Gesamtlaufzeit der Nutzungsüberlassung von 5 Jahren gerechnet habe. Ein solcher Zeitraum kann noch als "vorübergehend" iSd angeführten Rechtsprechung angesehen werden, zumal im Revisionsfall auch völlig unstrittig war, dass das Grundstück nach Ende der Nutzungsüberlassung wieder der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden soll und eine vorübergehende Nutzungsüberlassung im Revisionsfall auch behördlich erzwingbar gewesen wäre.
14 Es besteht daher kein Anhaltspunkt dafür, dass nach der Verkehrsauffassung nicht mehr davon auszugehen war, dass das Grundstück in den beiden Streitjahren noch einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zugehörte und es mit der vorübergehenden Nutzungsüberlassung an die ASFINAG aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen entnommen worden wäre. Vielmehr blieb das Grundstück in dieser Zeit vom Revisionswerber weiterhin für land- und forstwirtschaftliche Zwecke gewidmet.
15 Die aus der Überlassung von landwirtschaftlichem Betriebsvermögen erzielten Einkünfte sind - wie bereits ausgeführt - solche aus Land- und Forstwirtschaft. Für die Frage der Steuerpflicht im Revisionsfall ist allerdings entscheidend, wofür das Entgelt geleistet wurde. So waren insbesondere Wertänderungen von Grund und Boden im Anlagevermögen im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 EStG 1988 und entsprechenden Pauschalierungen bis zum 1. StabG 2012 (BGBl. I Nr. 22/2012) unbeachtlich (vgl. Doralt, EStG17 § 4 Rz 99 sowie ), weshalb Zahlungen für eine Bodenwertminderung einkommensteuerlich nicht zu erfassen sind.
16 Nach dem - in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten einliegenden - Gutachten des "Grundsachverständigen", das dem Übereinkommen des Revisionswerbers mit der ASFINAG zugrunde lag, setzte sich die vereinbarte "Gesamtentschädigung" aus Beträgen für die vorübergehende Beanspruchung des Grundstücks, für die "Abwertung der beanspruchten Fläche", für die "Nachentsteinung nach der Übergabe" und für die "Ablöse von Zäunen" sowie aus einem "Akzeptanzzuschlag" zusammen.
17 Indem das Bundesfinanzgericht sich in Verkennung der Rechtslage nicht näher mit der getroffenen Vereinbarung, dem dazu vorgelegten Gutachten und den jeweiligen Kausalzusammenhängen der einzelnen Komponenten der Entschädigungszahlung auseinander gesetzt hat, hat es sein Erkenntnis mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit behaftet. Vielmehr hätte das Bundesfinanzgericht von Amts wegen Feststellungen treffen müssen, in welcher Höhe mit der Entschädigung die Nutzungsüberlassung abgegolten wird und ob und gegebenenfalls in welcher Höhe in der Entschädigung ein nicht steuerbarer Ersatz für die Bodenwertminderung enthalten ist (vgl. auch ).
18 Hinsichtlich der Frage der Erfassung der "Ablöse für Zäune und Nachentsteinung" im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen Pauschalierung (vgl. dazu eingehend Doralt, EStG19 § 21 Rz 136 ff, 145) ist darauf zu verweisen, dass nach der Rechtsprechung des VwGH grundsätzlich Entschädigungen für Wirtschaftserschwernisse im Rahmen der Vollpauschalierung abgegolten sind (vgl. ), während Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens von der Pauschalierung nicht erfasst sind ().
19 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich somit als mit (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
20 Der Kostenzuspruch gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Da die revisionswerbende Partei aufgrund der bewilligten Verfahrenshilfe keine Gebühr nach § 24a Z 1 VwGG leisten muss, war das diesbezügliche Kostenmehrbegehren der Revision abzuweisen.
Wien, am