VwGH vom 29.03.2017, Ra 2016/15/0005

VwGH vom 29.03.2017, Ra 2016/15/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision der B Aktiengesellschaft in M, vertreten durch die Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100169/2012, betreffend Körperschaftsteuer 2007 und Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2008,

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird betreffend Körperschaftsteuer 2007 zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Im übrigen Umfang (Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2008) wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbende Aktiengesellschaft (sie betreibt ein Industrieunternehmen) weist ein abweichendes Wirtschaftsjahr auf (Bilanzstichtag jeweils 30. Juni).

2 Die Revisionswerberin schloss am mit der X Bank einen Rahmenvertrag für künftige Finanztermingeschäfte samt Anhängen für Options- und Devisengeschäfte. In der Folge schloss die Revisionswerberin mit der Bank eine Reihe von Finanztermingeschäften, bei denen es sich hauptsächlich um "Cross Currency Swaps" handelte.

3 So wurde etwa am eine (auch in der Revision näher dargelegte) Vereinbarung mit folgendem Inhalt geschlossen:

Anfangsdatum , Enddatum . Die Revisionswerberin verpflichtete sich, an die Bank pro Jahr 4,5% Zinsen auf den Betrag von 1 Mio EUR zu zahlen, die Bank verpflichtete sich hingegen, an die Revisionswerberin 8,5% Zinsen auf den Betrag von 95 Mio isländische Kronen (ISK) zu zahlen. Ein "Kapitaltausch" zu Swapbeginn erfolgte nicht. Die Revisionswerberin erhielt bei Abschluss der Vereinbarung von der Bank eine Zahlung von 30.000 EUR ("Up-Front-Payment"). Am Ende der Laufzeit war die Revisionswerberin verpflichtet, der Bank 1 Mio EUR zu zahlen, die Bank hatte an die Revisionswerberin 95 Mio ISK zu zahlen. Zur Währungsabsicherung schloss die Revisionswerberin mit der Bank ein "Kick-Out-At-The-End-Devisenoptionsgeschäft". Demnach war die Revisionswerberin berechtigt, am 1 Mio EUR gegen 95 Mio ISK zu kaufen; dieses Recht erlösche aber, wenn zum "Kick-Out-Zeitpunkt" () im Kassamarkt ein Kurs von EUR/ISK von 108,5 erreicht werde. Im Mai 2009 wurde diese Vereinbarung beendet; die Revisionswerberin verpflichtete sich zu einer Ausgleichszahlung an die Bank in Höhe von 575.000 EUR.

4 Der drohende Verlust aus diesem Geschäft zum wurde von der Revisionswerberin aus einer Mitteilung der X Bank mit ca. 240.000 EUR übernommen. Vergröbernd ermittelt ("händisch", ohne Berücksichtigung von Abzinsungen oder Zinseszinsen) ergab sich dieser Verlust aus einer Währungsdifferenz (Kurs EUR-ISK zum : 125,42, daher entsprächen 95 Mio ISK nunmehr 757.454,95 EUR, Differenz - als drohender Verlust - zu 1 Mio EUR daher 242.545,05 EUR); sowie aus einer Zinsdifferenz, die dadurch ermittelt wurde, dass den im Vertrag vereinbarten Zinssätzen jene Zinssätze gegenüber gestellt wurden, welche am marktüblich seien (betreffend EUR: 5,28%; betreffend ISK: 14,2%); diese Zinsdifferenzen wurden auf die restliche Laufzeit hochgerechnet. Schließlich wurde noch der Wert der zum Bilanzstichtag noch offenen Währungsoption ermittelt (mit

6.200 EUR; hiezu wurde in einem Schreiben der X Bank mitgeteilt, die Ermittlung erfolge nach dem "Black Scholes Ansatz" unter Verwendung einer Variante, die in der Literatur als "Breaking down the barriers" bekannt sei; in der Revision wird hiezu - ohne weitere Erläuterung - ausgeführt, mit "ausreichenden

mathematischen Kenntnissen kann dieser Wert ... nachvollzogen

werden").

5 Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung betreffend u. a. Körperschaftsteuer 2006 bis 2008 wurde u.a. festgestellt, die Revisionswerberin habe mit der X Bank eine Vielzahl von Finanztermingeschäften (Swap Verträgen) abgeschlossen. Im Rahmen dieser Verträge würden Zins- und Kapitalzahlungen in unterschiedlicher Währung ausgetauscht. Die Zinszahlungen erfolgten während der Laufzeit des Vertrages bis zum Enddatum, der Kapitaltausch sei zum Enddatum vorgesehen. Zwischen der Revisionswerberin und der Bank sei ein Rahmenvertrag abgeschlossen worden, der allen Einzelabschlüssen zugrunde gelegt werde. Alle Einzelabschlüsse bildeten mit diesem Rahmenvertrag einen einheitlichen Vertrag. Eine Teilkündigung einzelner und nicht aller Einzelabschlüsse sei ausgeschlossen. Zum Bilanzstichtag wie auch monatlich erfolge eine gesonderte Bewertung der einzelnen Finanztermingeschäfte. Ergebe sich bei der Berechnung ein negativer Marktwert für die Revisionswerberin, würden die errechneten negativen Werte zu den Einzelverträgen einer Rückstellung zugeführt. Teilweise seien Verträge mit negativem Marktwert vorzeitig aufgelöst worden. Dieser negative Marktwert habe von der Revisionswerberin in den meisten Fällen nicht bezahlt werden müssen, da bei Abschluss eines neuen Vertrages der negative Betrag von der Bank wieder gutgeschrieben worden sei. Daher hätten sich für die Revisionswerberin bisher kaum Aufwendungen aus der Auflösung einzelner Verträge ergeben. Die Revisionswerberin habe zum sowie zum jeweils Rückstellungen für noch nicht realisierte Verluste aus den Finanztermingeschäften gebildet. Im Hinblick auf den Rahmenvertrag seien sämtliche Einzelverträge zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen. Im Rahmen dieser Bewertungseinheit liege bisher ein positives Gesamtergebnis aus den abgeschlossenen Swap-Verträgen vor, sodass die Bildung einer Drohverlustrückstellung nicht zulässig sei. Zinsen- und Kursschwankungen seien Ausfluss des allgemeinen Geschäftsrisikos. Die Kursentwicklungen am Kapitalmarkt zeigten, dass Werte, die am Bilanzstichtag bestünden, Momentaufnahmen seien, die nicht langfristig einen Wertverlust bezogen auf den tatsächlichen Realisierungszeitpunkt dokumentieren könnten. Es handle sich um rechnerisch ermittelte Verlustbeträge, für die jedoch das Drohen der konkreten Inanspruchnahme fehle, da bis zur Realisierung (bis zum Vertragsablauf) die Kursentwicklung am Kapitalmarkt ständigen großen Schwankungen unterliege und im Rahmen der vorliegenden Bewertungseinheit bisher ein positives Gesamtergebnis aus den abgeschlossenen Swap-Verträgen vorliege.

6 Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Prüferin und erließ am im wieder aufgenommenen Verfahren einen Körperschaftsteuerbescheid 2007 und einen Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2008, in denen u.a. die von der Revisionswerberin gebildeten Rückstellungen für Drohverluste nicht berücksichtigt wurden.

7 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Berufung und beantragte die Berücksichtigung des Aufwandes aus der Bildung der Rückstellungen (die Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht zurückgezogen).

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die (nunmehrige) Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9 Das Bundesfinanzgericht führte aus, eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften könne gebildet werden, wenn am Bilanzstichtag der Wert der Leistungsverpflichtung aus einem Vertragsverhältnis den Wert der Gegenleistung übersteige.

10 Eine Bewertungseinheit sämtlicher von der Revisionswerberin mit der Bank vereinbarten Termingeschäfte liege nicht vor.

11 Die von der Revisionswerberin nicht bestrittene Berechnung der Drohverlustrückstellung zum sei von der Prüferin auf der Grundlage der von der Bank erteilten Auskünfte erstellt worden. Die Berechnung enthalte sowohl eine Kurs- als auch eine Zinsdifferenz.

12 Die Kursdifferenz errechne sich aus dem Währungskurs im Zeitpunkt des Abschlusses des Swap-Vertrages und dem Währungskurs zum Bilanzstichtag. Der am Ende der Laufzeit der einzelnen Swap-Verträge gültige Devisenkassakurs sei im Zeitpunkt der Berechnung der Rückstellung noch nicht bekannt gewesen. Die dem Geldmarkt inhärenten und nicht vorhersehbaren Schwankungen der Wechselkurse rechtfertigten aber keine Rückstellung. An den Bilanzstichtagen sei nicht konkret mit einem Verlust aus den erst Jahre später glatt zu stellenden Swaps zu rechnen gewesen. Die Bildung einer Rückstellung sei aber nur dann zulässig, wenn die Gewissheit bestehe, dass ein das abgelaufene Jahr betreffender Aufwand bestimmter Art ernsthaft drohe. Sei der Eintritt einer Verpflichtung oder eines Verlustes nur möglich, aber nicht ernsthaft vorhersehbar, fehle es an der Konkretisierung. Konkrete Umstände, die zu einer Drohverlustrückstellung berechtigten, seien von der Revisionswerberin nicht vorgebracht worden. Der Hinweis auf die im Jahr 2008 eingetretene Wirtschaftskrise sei kein zu einer Rückstellung berechtigender konkreter Umstand. Die Annahme, dass die Situation kurzfristig nicht besser werde, habe nur die Annahme erlaubt, dass in den Folgejahren möglicherweise Verluste eintreten würden. Dass mit den Verlusten ernsthaft habe gerechnet werden müssen, sei nicht erwiesen. Die Entwicklung der Zinsen und Wechselkurse sei nicht absehbar gewesen. Die Revisionswerberin habe daher nicht zwingend auf einen Verlust aus den Swap-Geschäften bei Vertragsablauf schließen können.

13 Die Rückstellung der Zinsdifferenz sei von der Revisionswerberin damit argumentiert worden, dass die Swaps durch die Vorwegzahlung von Zinsen ("Up-Front-Payments") der Bank durch einen erhöhten "Zinsspread" während ihrer Laufzeit belastet seien. Die Berechnung der Rückstellung sei jedoch durch Gegenüberstellung des Fixzinssatzes im Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsabschlusses mit jenem (marktüblichen) am Bilanzstichtag erfolgt. Auswirkungen von Zinsschwankungen seien Ausfluss des allgemeinen Geschäftsrisikos. Es könne daher nicht bereits mehrere Jahre vor Vertragsende von einem konkreten Verlust auf Basis der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Zins- und Kurswerte ausgegangen werden.

14 Eine Drohverlustrückstellung könne somit im vorliegenden Fall nicht gebildet werden.

15 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht zulässig, weil zu den Rechtsfragen (im angefochtenen Erkenntnis im Einzelnen zitierte) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vorliege und die Entscheidung das Ergebnis einer Sachverhaltsfeststellung im Einzelfall darstelle.

16 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht, zu der die Revisionswerberin eine Gegenäußerung erstattete.

17 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

18 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

19 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

20 Zur Zulässigkeit wird in der Revision insbesondere geltend gemacht, es bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur ertragsteuerlichen Berücksichtigung von Swap-Verträgen.

21 Das Bundesfinanzgericht hat u.a. ausgeführt, die Revisionswerberin habe im gesamten Verfahren eine genaue Berechnung der Rückstellung nicht vorgelegt. Dies wird zwar in der Revision als aktenwidrig und verfahrensfehlerhaft gerügt. Dieses Revisionsvorbringen bezieht sich allerdings ausschließlich auf den Bilanzstichtag . Für den Bilanzstichtag wird auch in der Revision nicht behauptet, dass eine konkrete Ermittlung der drohenden Verluste vorgelegt worden sei. Eine derartige Darlegung ist auch aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich; auch der in der Revision geschilderte E-Mail-Verkehr bezog sich nur auf den Stichtag . Die sowohl im angefochtenen Erkenntnis als auch in der Revision angesprochene Ermittlung der drohenden Verluste durch die Prüferin erfolgte zum und enthält den ausdrücklichen Vermerk, eine Berechnungsunterlage für die Rückstellung zum liege "noch nicht vor". Der in der Revision näher geschilderte Geschäftsfall wurde im Übrigen auch erst im Jänner 2008 abgeschlossen.

22 Der Abgabepflichtige hat bei einer Drohverlustrückstellung den drohenden Verpflichtungsüberhang nicht nur zu behaupten, sondern - nach § 9 Abs. 3 EStG 1988 - die konkreten Umstände auch nachzuweisen (vgl. ). Ein derartiger Nachweis von Umständen erfolgte aber für das Jahr 2007 nicht. Damit hängt die Revision betreffend Körperschaftsteuer 2007 von der geltend gemachten Rechtsfrage nicht ab.

23 Die Revision war daher in diesem Umfang in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

24 Soweit die Revision die Feststellung Gruppenmitglied 2008 betrifft, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

25 Die Revision ist in diesem Umfang zulässig, sie ist auch berechtigt.

26 Gemäß § 9 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 können Rückstellungen u. a. für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gebildet werden. Die Bildung von Rückstellungen ist nach § 9 Abs. 3 EStG 1988 nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden können, nach denen im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit (eines Verlustes) ernsthaft zu rechnen ist. Gemäß § 9 Abs. 5 EStG 1988 (in der hier anwendbaren Fassung vor BGBl. I Nr. 13/2014) sind Rückstellungen, deren Laufzeit am Bilanzstichtag zumindest zwölf Monate beträgt, mit 80% des Teilwertes anzusetzen.

27 Bei der - hier vorliegenden - Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG 1988 bewirkt die bei dieser Gewinnermittlungsart zu beachtende Maßgeblichkeit der unternehmensrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, dass innerhalb des von den steuerlichen Vorschriften vorgegebenen Rahmens eine Verpflichtung zur Rückstellungsbildung für die steuerliche Gewinnermittlung besteht, wenn eine solche Verpflichtung für die Unternehmensbilanz gegeben ist (vgl. zuletzt , mwN).

28 Gemäß § 198 Abs. 8 Z 1 UGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden, die am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber hinsichtlich ihrer Höhe oder des Zeitpunkts ihres Eintritts unbestimmt sind. Nach § 211 Abs. 1 zweiter Satz UGB (idF vor BGBl. I Nr. 22/2015) sind Rückstellungen in der Höhe anzusetzen, die nach vernünftiger unternehmerischer Beurteilung notwendig ist.

29 Übersteigt am Bilanzstichtag der Wert der Leistungsverpflichtung aus einem Vertragsverhältnis den Wert der Gegenleistung, droht also aus dem Geschäft ein Verlust, so kann dieser im Weg einer Rückstellung jener Periode zugewiesen werden, in welcher sich die Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung einstellt. Für die Beurteilung, ob eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in der Bilanz anzusetzen ist, sind jene Verhältnisse maßgeblich, die am Bilanzstichtag bestanden haben (vgl. , VwSlg. 8230/F).

30 Dem Bundesfinanzgericht ist nicht entgegenzutreten, wenn es - der Rechtsansicht der Revisionswerberin folgend - davon ausging, dass keine Bewertungseinheit sämtlicher von der Revisionswerberin mit der Bank abgeschlossenen Termingeschäfte vorliege. Im Allgemeinen ist jedes einzelne schwebende Geschäft für sich darauf zu prüfen, ob daraus ein Verlust droht (vgl. Doralt, EStG12, § 9 Tz 37). Eine Qualifizierung mehrerer Rechtsgeschäfte als einheitliches Rechtsgeschäft könnte zwar dann geboten sein, wenn ein unmittelbarer zeitlicher (und betraglicher) Zusammenhang zwischen den einzelnen Rechtsgeschäften besteht, sie in unmittelbarem Zusammenhang zueinander bereits im Vorhinein vereinbart wurden und somit hinsichtlich ihrer späteren Abwicklung keine weiteren Dispositionen möglich waren (vgl. ). Dass ein derartiger Zusammenhang zwischen den Termingeschäften bestehe, ergibt sich aus den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichtes nicht und ist insbesondere auch nicht aus einem zwischen der Revisionswerberin und der X Bank abgeschlossenen Rahmenvertrag ableitbar.

31 Einheitlich zu beurteilen sind freilich jene Geschäfte, die unmittelbar aufeinander bezogen abgeschlossen wurden. So sind insbesondere - wie auch von der Revisionswerberin nicht bestritten - die Vereinbarung über ein Swapgeschäft zusammen mit dem zur Währungsabsicherung dieses Geschäftes abgeschlossenen Optionsgeschäft zu beurteilen (vgl. näher zum "Saldierungsbereich" Mühlehner in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer,

58. Lfg, § 9 Tz 125 ff; vgl. auch - zu "Bewertungseinheiten" - Doralt/Mayr, EStG14, § 6 Tz 217; sowie Mayr, Rückstellungen in der Handels- und Steuerbilanz, 228 ff).

32 Das Bundesfinanzgericht stützte seine Entscheidung im Wesentlichen darauf, es sei nicht erwiesen, dass mit den Verlusten ernsthaft habe gerechnet werden müssen. Die Entwicklung der Zinsen und Wechselkurse sei nicht absehbar gewesen. Die Revisionswerberin habe daher nicht zwingend auf einen Verlust aus den Swap-Geschäften bei Vertragsablauf schließen können. Auswirkungen von Zinsschwankungen seien Ausfluss des allgemeinen Geschäftsrisikos (Hinweis auf , VwSlg. 6410/F).

33 Damit hat das Bundesfinanzgericht die Rechtslage verkannt. 34 Zunächst ist darauf zu verweisen, dass zwar vom

Abgabepflichtigen iSd § 9 Abs. 3 EStG 1988 konkrete Umstände nachzuweisen sind; diese Nachweispflicht betrifft den Sachverhalt. Ob aber im Hinblick auf diese Umstände mit dem Entstehen eines Verlustes ernsthaft zu rechnen ist, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung.

35 Drohverlustrückstellungen sind anzusetzen, wenn aus konkreten Geschäftsfällen ein Verpflichtungsüberhang droht. Ein allgemeines Geschäftsrisiko, das allenfalls aus Schwankungen des Zinsenniveaus auf dem Kapitalmarkt resultiert, kann nicht im Wege einer Rückstellungsbildung berücksichtigt werden (vgl. das eine Bausparkasse betreffende Erkenntnis vom , 88/14/0126, VwSlg. 6410/F; sowie Doralt, EStG12, § 9 Tz 41). Im vorliegenden Fall wird von der Revisionswerberin nicht ein allgemeines Geschäftsrisiko, sondern ein drohender Verlust aus konkreten Geschäftsfällen geltend gemacht.

36 Eine Rückstellung für drohende Verluste hat nach § 9 Abs. 3 EStG 1988 zur Voraussetzung, dass eine konkrete Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Risikofalles gegeben ist, der Verlust also ernsthaft droht; die bloß entfernte Möglichkeit eines Verlustes genügt für die Bildung einer Rückstellung nicht (vgl. , mwN; vgl. auch , VfSlg. 15040: nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag müssen mehr Gründe dafür als dagegen sprechen). Dass im Hinblick auf die nicht absehbare weitere Entwicklung der Zinsen und Wechselkurse nicht zwingend auf einen Verlust aus den Swap-Geschäften zu schließen war, steht sohin einer Rückstellungsbildung nicht entgegen.

37 Die mit einer Rückstellung zu berücksichtigenden Umstände müssen am Bilanzstichtag bereits vorliegen, es ist dabei aber im Sinne der "subjektiven Richtigkeit der Bilanz" stets auf den Kenntnisstand abzustellen, den der Unternehmer bei Bilanzerstellung hatte oder hätte haben müssen (vgl. , Tz 11). Der nachträgliche Eintritt von Umständen, die am Bilanzstichtag noch nicht vorhanden waren, bleibt hingegen bei der Bewertung am Bilanzstichtag außer Ansatz (vgl. , mwN). Soweit zum Bilanzstichtag Börsenkurse vorliegen, sind diese im Allgemeinen der Bewertung zu Grunde zu legen, da diese die informationsgestützte Einschätzung einer großen Zahl von Marktteilnehmern widerspiegeln (wenn nicht aufgrund konkreter und objektiv überprüfbarer Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass etwa Marktanomalien oder Insidergeschäfte vorliegen; vgl. hiezu Urteil des Bundesfinanzhofs vom , I R 89/10).

38 Bei einem schwebenden Geschäft besteht zunächst die Vermutung, dass Leistung und Gegenleistung ausgeglichen sind; schwebende Geschäfte sind demnach auch nicht zu bilanzieren. Wird aber im Einzelfall der Nachweis erbracht, dass ein Verpflichtungsüberhang besteht, kommt eine Verlustrückstellung in Betracht (vgl. Doralt/Mayr, EStG13, § 6 Tz 45). Es ist dabei in einer Stichtagsbetrachtung (Restlaufzeitbetrachtung) auf die am Bilanzstichtag noch nicht realisierten Erträge und Aufwendungen aus dem Geschäftsfall abzustellen (vgl. Mühlehner, aaO § 9 Tz 124).

39 Die Voraussetzungen für eine Drohverlustrückstellung können sich etwa aus allgemeinen Preisänderungen nach Vertragsabschluss ergeben (vgl. Mühlehner, aaO, § 9 Tz 122). Eine Verlustrückstellung ist anzusetzen, wenn am Bilanzstichtag der Wert der noch zu übernehmenden Vermögensgegenstände unter dem dafür vereinbarten Kaufpreis liegt (vgl. auch Konezny in Hirschler, Bilanzrecht, § 198 Abs. 8 UGB, Tz 150).

40 Die von der Revisionswerberin angesetzte Drohverlustrückstellung setzt sich im Wesentlichen aus einer Währungskomponente und einer Zinskomponente zusammen.

41 Im vorliegenden Fall verpflichtete sich die Revisionswerberin (im in der Revision näher geschilderten Fall) zur Zahlung von 1 Mio EUR gegen die Lieferung von 95 Mio ISK (bzw. Verschaffung einer Forderung auf diesen Betrag). Dieser Fremdwährungsbetrag (oder diese Fremdwährungsforderung) wäre - wäre er zum Bilanzstichtag bereits übergeben gewesen - mit dem Kurswert zum Bilanzstichtag zu bewerten und damit auf einen allenfalls niedrigeren Teilwert abzuschreiben gewesen (vgl. Doralt/Mayr, EStG14, § 6 Tz 216 und - zu Fremdwährungsverbindlichkeiten - Tz 279).

42 Das Bundesfinanzgericht stellt das Vorbringen der Revisionswerberin, der Kurs der ISK habe sich bis zum Bilanzstichtag für die Revisionswerberin nachteilig verändert, nicht in Frage. Damit wäre aber davon auszugehen, dass sich zum Bilanzstichtag ein Verpflichtungsüberhang aus dem Swapgeschäft ergeben würde. Im Zusammenhang mit diesem Swapgeschäft wurde von der Revisionswerberin aber auch ein Optionsgeschäft zur Währungsabsicherung abgeschlossen. Diese Option war zwar nach dem - ebenfalls vom Bundesfinanzgericht nicht in Frage gestellten - Vorbringen der Revisionswerberin am Fälligkeitstag (im Jänner 2010) erloschen. Damit, ob dieses Erlöschen der Option zum Bilanzstichtag aber bereits erkennbar und als wahrscheinlich anzunehmen war, hat sich das Bundesfinanzgericht nicht auseinandergesetzt.

43 Da das Bundesfinanzgericht von einer abweichenden Rechtsansicht ausging, war das angefochtene Erkenntnis betreffend Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2008 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

44 Von der von der Revisionswerberin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

45 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am