VwGH vom 22.02.2017, Ra 2016/13/0010

VwGH vom 22.02.2017, Ra 2016/13/0010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des Finanzamts Wien 1/23 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102050/2015, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , Zl. RV/7102050/2015, betreffend Einkommensteuer 2011 (mitbeteiligte Partei: S in H, vertreten durch die Ernst & Young Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft m.b.H. in 1220 Wien, Wagramer Straße 19), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte war von bis von seinem deutschen Arbeitgeber nach Österreich entsandt worden. Im Jahr 2011 übte der Mitbeteiligte, der in diesem Jahr keinen Wohnsitz mehr in Österreich hatte, Stock Options aus, welche ihm während seiner Entsendung nach Österreich gewährt worden waren.

2 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer des Mitbeteiligten für das Jahr 2011 fest.

3 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er machte im Wesentlichen geltend, der Vorteil aus der Ausübung der Stock Options stelle sonstige Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 dar und könne mit dem begünstigten Steuersatz von 6% besteuert werden. Zur Berechnung des österreichischen Jahressechstels seien die laufenden ausländischen Bezüge 2011 heranzuziehen.

4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Laufende Auslandsbezüge im Jahr 2011, für die nach § 98 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 kein Besteuerungsrecht bestehe, seien nicht in die Sechstelberechnung einzubeziehen.

5 Der Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht den Einkommensteuerbescheid 2011 ab. Es sprach aus, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

7 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, strittig sei, ob die Einkünfte aus den ausgeübten Stock Options sonstige Einkünfte im Sinne des § 67 EStG 1988 seien und mit dem begünstigten Steuersatz von 6% zu besteuern seien.

8 Der inländische Besteuerungsanspruch gründe sich auf die Entsendung des Mitbeteiligten nach Österreich von Dezember 2004 bis Oktober 2006. Der Besteuerungszeitpunkt liege im Jahr 2011. Erfordere § 67 EStG 1988, dass die sonstigen, insbesondere einmaligen Bezüge neben dem laufenden Arbeitslohn erhalten werden, sei auf Grund der Besonderheit des begrenzten Besteuerungsanspruches auf die Verhältnisse im Zeitraum Dezember 2004 bis Oktober 2006 abzustellen. Bezogen auf diesen Zeitraum bestehe aber kein Zweifel daran, dass die in Rede stehenden Bezüge vom Mitbeteiligten neben laufendem Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber erhalten worden seien.

9 Zu keinem anderen Ergebnis gelange man, wenn die Ansicht vertreten werde, im Jahr der Besteuerung - somit im Jahr 2011 - müssten die sonstigen, insbesondere einmaligen Bezüge neben dem laufenden Arbeitslohn erhalten werden. Der Mitbeteiligte habe im Jahr 2011 von demselben (deutschen) Arbeitgeber laufenden Arbeitslohn erzielt; dass dieser laufende Arbeitslohn in Österreich steuerpflichtig sei, werde vom Gesetzgeber nicht gefordert.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Finanzamtes. Der Mitbeteiligte hat eine "Gegenschrift" eingebracht.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 Das Finanzamt macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, zur Rechtsfrage, ob in Österreich nicht steuerbare und "somit für das inländische Einkommensteuerrecht nicht existente" laufende (Auslands-)Bezüge in die Berechnung des Jahressechstels gemäß § 67 Abs. 2 EStG 1988 miteinzubeziehen seien, bestehe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.

13 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision aufgezeigt. Sie ist aber nicht begründet.

14 Gemäß § 1 Abs. 3 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, beschränkt steuerpflichtig. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98 EStG 1988 aufgezählten Einkünfte.

15 Gemäß § 2 Abs. 1 EStG 1988 ist der Einkommensteuer das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.

16 Nach § 98 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 unterliegen der beschränkten Einkommensteuerpflicht u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25), die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist.

17 § 102 Abs. 2 EStG 1988 enthält Sonderbestimmungen für die Veranlagung von beschränkt Steuerpflichtigen; eine Einschränkung betreffend § 67 EStG 1988 sieht diese Bestimmung nicht vor.

18 Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen), so beträgt gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 (idF vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22/2012) die Lohnsteuer, soweit die sonstigen Bezüge innerhalb eines Kalenderjahres 620 Euro übersteigen, 6%.

19 Nach § 67 Abs. 11 EStG 1988 sind u.a. die Absätze 1 und 2 auch bei der Veranlagung von Arbeitnehmern anwendbar.

20 Soweit die sonstigen, insbesondere einmaligen Bezüge innerhalb eines Kalenderjahres ein Sechstel der bereits zugeflossenen, auf das Kalenderjahr umgerechneten laufenden Bezüge übersteigen, sind sie gemäß § 67 Abs. 2 EStG 1988 dem laufenden Bezug des Lohnzahlungszeitraumes zuzurechnen, in dem sie ausgezahlt werden. Nach dem letzten Satz dieses Absatzes, der mit der Reisekosten-Novelle 2007, BGBl. I Nr. 45/2007, angefügt wurde, erhöhen steuerfreie laufende Bezüge gemäß § 3, ausgenommen laufende Einkünfte gemäß § 3 Abs. 1 Z 10, 11 und 15 lit. a, nicht das Jahressechstel, steuerfreie sonstige Bezüge gemäß § 3, ausgenommen sonstige Einkünfte gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 und 11, werden auf das Jahressechstel nicht angerechnet.

21 In den Erläuterungen zum Initiativantrag zur Reisekosten-Novelle 2007 (220/A BlgNR 23. GP 7) wurde hiezu ausgeführt, die Bestimmung, wonach steuerfreie Bezüge keinen Einfluss auf die Sechstelregelung des § 67 Abs. 2 haben sollen, habe teilweise klarstellenden Charakter und entspreche im Wesentlichen der Verwaltungspraxis und den Aussagen in den Lohnsteuerrichtlinien 2002. Die Aufnahme von Tagesgeldern in den § 3 erfordere diese gesetzliche Klarstellung. Steuerfreie Einkünfte nach § 3 Abs. 1 Z 10, 11 und 15 lit. a sollten das Jahressechstel erhöhen, weil es sich hier um keine punktuelle Steuerbefreiung, sondern um die Steuerfreistellung des Gesamtentgeltes handle. Die auf derartige Einkünfte entfallenden sonstigen Bezüge blieben nach der derzeitigen Verwaltungspraxis dann steuerfrei, wenn sie während der Zeit der begünstigten Auslandstätigkeit zu zahlen seien. An dieser Verwaltungspraxis solle sich nichts ändern.

22 Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass es sich bei den im Jahr 2011 dem Mitbeteiligten zugeflossenen Einnahmen um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handelt, die im Inland ausgeübt worden ist (§ 98 Abs. 1 Z 4 EStG 1988). Auch ist unbestritten, dass die Besteuerung insoweit nicht durch das Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland eingeschränkt ist.

23 Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist nicht auf die Verhältnisse im Zeitraum vom Dezember 2004 bis Oktober 2006 abzustellen. Der Vorteil aus den Stock Options ist dem Mitbeteiligten - im Verfahren unbestritten - im Jahr 2011 zugeflossen (vgl. zum Zeitpunkt des Zuflusses das Erkenntnis vom , 2006/13/0136, VwSlg. 8498/F). § 67 Abs. 2 EStG 1988 setzt der begünstigten Behandlung sonstiger Bezüge eine Grenze dahin, dass sonstige Bezüge, soweit diese innerhalb des Kalenderjahres ein Sechstel der bereits zugeflossenen, auf das Kalenderjahr umgerechneten, laufenden Bezüge übersteigen, im Auszahlungsmonat nach dem Tarif zu versteuern sind (vgl. das Erkenntnis vom , 2011/15/0140, mwN). Es ist somit zu prüfen, welche laufenden Bezüge und welche sonstigen Bezüge dem Mitbeteiligten im Jahr 2011 zugeflossen sind. Daher kommt es insbesondere auch nicht darauf an, ob und welche sonstigen Bezüge dem Mitbeteiligten im Zeitraum Dezember 2004 bis Oktober 2006 zugekommen sind.

24 Im Kalenderjahr 2011 erhielt der Mitbeteiligte neben den in Österreich zu besteuernden Vorteilen aus den Stock Options laufende Bezüge von demselben Arbeitgeber, die allerdings nicht in Österreich zu besteuern waren.

25 § 67 EStG 1988 unterscheidet nicht zwischen inländischen und ausländischen Einkünften (vgl. das Erkenntnis vom , 2008/15/0243, VwSlg. 8521/F). Die Bestimmung ist daher auf Einkünfte gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 unabhängig davon anwendbar, ob es sich um inländische oder ausländische Einkünfte handelt, sofern diese die Voraussetzungen des § 67 EStG 1988 erfüllen. Dass es sich bei Vorteilen aus Stock Options - an sich - um Einkünfte nach § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 handelt, ist unbestritten (vgl. auch das Erkenntnis vom , Ro 2014/15/0029, mwN).

26 § 67 EStG 1988 sieht keine Einschränkung dahin vor, dass laufende Bezüge nur dann für die Ermittlung des Jahressechstels zu berücksichtigen wären, wenn diese in Österreich der Besteuerung unterliegen. Es entspricht also dem Wortlaut des Gesetzes, dass auch laufende Bezüge vom selben Arbeitgeber, die nicht der Besteuerung in Österreich unterliegen, für die Ermittlung des Jahressechstels zu berücksichtigen sind.

27 Eine gegenteilige Absicht des Gesetzgebers ist nicht erkennbar. In der Stammfassung enthielt das Gesetz im Hinblick auf die Ermittlung des Jahressechstels auch keine Einschränkung in Bezug auf steuerfreie Bezüge; lediglich Bezüge, die keine Entlohnung für geleistete Dienste sind, waren außer Ansatz zu lassen (vgl. etwa Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 67 Tz 18; vgl. auch das Erkenntnis vom , 90/13/0152, mwN, zu Aufwandersätzen, die gemäß § 26 EStG 1972 nicht unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit fielen). Mit der Reisekosten-Novelle 2007 wurde die Bestimmung angefügt, dass steuerfreie laufende Bezüge gemäß § 3 EStG 1988, mit Ausnahme jener gemäß § 3 Abs. 1 Z 10, 11 und 15 lit. a EStG 1988, das Jahressechstel nicht erhöhen. Aus den Gesetzesmaterialien erhellt die Absicht des Gesetzgebers, dass steuerfreie Einkünfte das Jahressechstel erhöhen sollen, wenn es sich um keine punktuelle Steuerbefreiung, sondern um die Steuerfreistellung des Gesamtentgeltes handelt. Dass insoweit für im Hinblick auf die beschränkte Steuerpflicht des Mitbeteiligten in Österreich nicht zu besteuernde Entgelte anderes gelten solle, ist nicht erkennbar. Auch diese laufenden Bezüge des Mitbeteiligten sind nicht "punktuell", sondern zur Gänze steuerfrei gestellt. Es entspricht dem Regelungskonzept des Gesetzgebers, dass sonstige Bezüge auch dann der begünstigenden Besteuerung nach § 67 EStG 1988 unterliegen können, wenn die vom selben Arbeitgeber stammenden laufenden Bezüge in Österreich nicht besteuert werden.

28 Das Finanzamt zeigt an sich zutreffend auf, dass eine progressionswirksame gemeinsame Besteuerung von "Sechstelüberhang" und laufendem Bezug gemäß § 67 Abs. 2 EStG 1988 in Österreich nicht eintreten kann, wenn - wie hier - die laufenden Bezüge des Mitbeteiligten zur Gänze in Österreich nicht zu besteuern sind. Dies widerspricht aber weder dem Gesetzeswortlaut noch der Absicht des Gesetzgebers, wonach die Steuerfreistellung des (laufenden) Gesamtentgeltes dennoch zur Erhöhung des Jahressechstels um dieses steuerfreie laufende Gesamtentgelt führt.

29 Es sind demnach auch die laufenden Bezüge von demselben (deutschen) Arbeitgeber zur Ermittlung des Jahressechstels zu berücksichtigen. Dass dem Mitbeteiligten abgesehen von dem Vorteil aus den Stock Options im Kalenderjahr weitere sonstige Bezüge im Sinne des § 67 Abs. 1 EStG 1988 zugekommen wären, die zu einer Überschreitung der Sechstelgrenze geführt hätten, wird auch in der Revision nicht behauptet.

30 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

31 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am