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VwGH vom 10.04.2012, 2012/06/0021

VwGH vom 10.04.2012, 2012/06/0021

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2012/06/0023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerden 1.) der Stadtgemeinde S, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6 (Beschwerde Zl. 2012/06/0021) sowie 2.) der I A in S, vertreten durch Mag. Wolfgang Leitner, Rechtsanwalt in 8160 Weiz, Schulgasse 1, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA13B- 12.10-S433/2011-3, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Partei in beiden Beschwerdeverfahren: M M in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 und der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am bei der beschwerdeführenden Gemeinde eingebrachten Baugesuch vom kam die Zweitbeschwerdeführerin um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit fünf Wohneinheiten inklusive Nebengebäude (nach Abbruch eines bestehenden Hauses) auf einem Grundstück im Gemeindegebiet ein. Ein Bebauungsplan besteht nicht.

Die mitbeteiligte Partei ist Miteigentümerin eines unmittelbar angrenzenden Grundstückes und erhob rechtzeitig Einwendungen gegen das Vorhaben; soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, sprach sie sich gegen die vorgesehenen Balkone an der ihrem Grundstück zugewandten Gebäudefront aus.

Der Bürgermeister erteilte mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom die angestrebte Baubewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen und erachtete (in der Begründung des Bescheides) die Einwendungen der Mitbeteiligten als unbegründet. Zur Begründung heißt es dazu nach Hinweis auf § 13 (Abs. 2) und § 4 Z 29 Stmk. BauG, dass als Grenzabstand nicht der Abstand zur Vorderkante eines Balkones, sondern der zur jeweiligen Gebäudefront gelte. Bei der Breite zur Festlegung der Balkone "werde jedoch dann, wenn die Gebäudefront bereits an den Mindestgrenzabstand zum Nachbarn heranreiche, § 12 Stmk. BauG angewendet, der nähere Bestimmungen zur Zulässigkeit von Bauteilen vor der Straßenflucht-, Bauflucht- oder Baugrenzlinie enthalte. Entsprechend § 12 Abs. 1 Z 2 leg. cit. dürften Balkone u. dgl. bis 1,50 m diese Linien überragen. Daraus ergebe sich, dass der Balkon über dem Erdgeschoß mit 1,50 m den Mindestabstand von 3 m überragen dürfe, und der Balkon über dem ersten Obergeschoß den Mindestabstand von 4,0 m ebenfalls um 1,50 m. Das Vorhaben entspreche dem.

Die Mitbeteiligte erhob Berufung, in der sie geltend machte, die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides übergehe die Terrasse des Dachgeschoßes. Diese reiche zu nahe an ihre Grundgrenze.

Mit Berufungsbescheid des Gemeinderates vom wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Zusammengefasst schloß sich die Berufungsbehörde der Beurteilung der Behörde erster Instanz an.

Die Mitbeteiligte erhob Vorstellung, in der sie geltend machte, dass auch im Berufungsbescheid die Dachterrasse nicht erwähnt werde, die den erforderlichen Grenzabstand zu ihrem Grundstück nicht einhalte.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung Folge gegeben, den Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde verwiesen.

Nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen heißt es zur Begründung, nach den Planunterlagen weise das projektierte dreigeschossige Gebäude, bezogen auf seine Außenwände (ohne vorspringende Bauteile), folgende Grenzabstände zur Grundgrenze zum Grundstück der Mitbeteiligten auf: im Erdgeschoß und im 1. Obergeschoß 4 m, im zweiten Obergeschoß 6 m.

Die erforderlichen Grenzabstände würden durch herausragende Bauteile, nämlich durch den Dachvorsprung und den Balkon im zweiten Obergeschoß, unterschritten. Der Dachvorsprung erstrecke sich auf die volle Gebäudebreite und weise eine Auskragung von 2 m auf. Der Balkon im zweiten Obergeschoß weise an dieser Gebäudeseite eine Länge von rund 9,5 m, einen Vorsprung von 1,5 m und eine Brüstungshöhe inklusive Balkonplatte von 1,7 m auf. Die beurteilungsrelevante Gebäudeseite sei im zweiten Obergeschoß 8,6 m breit.

Zur Beurteilung der Frage, ob der erforderliche Grenzabstand eingehalten werde, sei die Frage erheblich, ob diese Auskragungen bzw. Vorsprünge "das gewöhnliche Ausmaß" im Sinne des § 4 Z 29 Stmk. BauG einhielten oder überschritten.

Dachvorsprünge dienten typischerweise als Witterungsschutz für die Fassade eines Gebäudes und wiesen im Allgemeinen Auskragungen im Bereich zwischen 60 cm und 100 cm auf. Im konkreten Fall diene der sich auf die volle Gebäudebreite erstreckende Dachvorsprung mit einer Auskragung von 200 cm dagegen ausschließlich als Überdachung für die im 2. Obergeschoß befindliche Balkonanlage (im Plan als Terrasse bezeichnet). Dem Dachvorsprung komme folglich der Charakter eines Vordaches zu. Vordächer hingegen dienten typischerweise der Überdachung eines Eingangs oder dergleichen und wiesen daher im Allgemeinen eine sehr beschränkte Ausdehnung entlang einer Gebäudefassade auf. Da das Vordach im gegenständlichen Fall über die gesamte Gebäudebreite reiche, sei davon auszugehen, dass die betrachtungsrelevante 2-m-Auskragung das gewöhnliche Ausmaß eines Vordachs überschreite und somit die Vertikalebene entlang des Dachrandes (Dachvorsprunges) als Gebäudefront heranzuziehen sei. Davon ausgehend betrage der im Plan dargestellte Grenzabstand des 2. Obergeschosses (Dachgeschosses) 4 m. Entsprechend der Abstandsbestimmung des § 13 Abs. 2 Stmk. BauG habe der erforderliche Grenzabstand für dieses Geschoß jedoch 5 m zu betragen.

Der Balkon selbst sei länger als die eigentliche beurteilungsrelevante Gebäudeseite und weise zudem in der Ansicht eine Höhe von rund 60 % der Geschoßhöhe auf. Typischerweise seien Balkone merklich kürzer als das Gebäude selbst. Die Länge des Balkons überschreite daher das gewöhnliche Ausmaß. Hinzu komme, dass die Ansichtshöhe des Balkons (Brüstungshöhe inklusive Balkonplatte) mit 1,70 m (= 60 cm der Geschoßhöhe) das Maß einer typischen Ansichtshöhe (beispielsweise 1,0 m Höhe für die Absturzsicherung + 0,1 m Spalt zwischen der Absturzsicherung und Balkonplatte + 0,20 m für die Balkonplatte selbst = 1,30 m) erheblich überschreite. Es sei daher auch im Fall der Ansichtshöhe von einer deutlichen Überschreitung des gewöhnlichen Ausmaßes auszugehen. Es ergebe sich daher, dass die Gebäudefront in der Ebene der Balkonvorderkante anzusetzen sei. Davon ausgehend betrage der im Plan dargestellte Grenzabstand des 2. Obergeschosses 2,5 m, der gesetzliche Mindestabstand für dieses Geschoß habe allerdings, wie bereits dargelegt, 5 m zu betragen.

Zusammenfassend ergebe sich somit, dass sowohl der Dachvorsprung als auch der Balkon des 2. Obergeschoßes das gewöhnliche Ausmaß eines Vordaches bzw. Balkons überschritten, die Gebäudefront folglich entlang des Dachvorsprunges bzw. in der Ebene der Balkonvorderkante anzusetzen sei und der Grenzabstand im Bereich des 2. Obergeschosses lediglich 2,5 m betrage. Damit werde der erforderliche Grenzabstand unterschritten, sodass Rechte der Vorstellungswerberin verletzt worden seien.

Dagegen richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in (gesonderten) Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 49/2010 anzuwenden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 27 Stmk. BauG die Parteistellung behalten hat.

Gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan und einem Bebauungsplan, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;


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2.
die Abstände (§ 13);
3.
den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);
4.
die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);
5.
die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);
6.
die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."
§ 4 Stmk. BauG enthält Begriffsbestimmungen; danach bedeutet
"7.
Baufluchtlinie: Linie, in die eine Hauptflucht oder eine Kante eines Bauwerkes straßenseitig zu stellen ist;
9.
Baugrenzlinie: Linie, die durch oberirdische Teile von Gebäuden nicht überschritten werden darf; für Nebengebäude können Ausnahmen festgelegt werden;
29.
Gebäudefront: Außenwandfläche eines Gebäudes ohne vorspringende Bauteile, wie z.B. Balkone, Erker, Vordächer jeweils in gewöhnlichen Ausmaßen; an Gebäudeseiten ohne Außenwände gilt die Vertikalebene entlang des Dachrandes als Gebäudefront;
55.
Straßenfluchtlinie: die Grenze der bestehenden oder künftigen öffentlichen Verkehrsfläche;"
Die §§ 12 und 13 Stmk. BauG lauten auszugsweise:
"§ 12
Bauteile vor der Straßenflucht-, Bauflucht- oder Baugrenzlinie

(1) Sofern ein Bebauungsplan nichts anderes bestimmt, dürfen folgende Bauteile über die Straßenflucht- oder Baugrenzlinie vortreten:

1. Zierglieder, Gebäudesockel, Schaufenster u.dgl. bis 20 cm, bei Gehsteigen über 2,0 m Breite bis 40 cm;

2. Hauptgesimse, Dachvorsprünge, nach außen öffenbare Fensterflügel, Gitter, Beleuchtungskörper, Werbeeinrichtungen u. dgl. bis 1,0 m, Balkone, Erker, Schutzdächer, Markisen u.dgl. bis 1,5 m; sie müssen jedoch mindestens 4,5 m über der Verkehrsfläche liegen; über Gehsteigen mit einer Breite von über 2,0 m genügt eine Mindesthöhe von 3,0 m;

3. Luftschächte, Lichteinfallsöffnungen, Kellereinwurföffnungen, Putzschächte u.dgl. bis 1,0 m.

(2) Für Bauteile untergeordneten Ausmaßes sind Überschreitungen zulässig.

(3) An Bauten, die zum Zeitpunkt der Festlegung der Baufluchtlinie schon bestehen und ganz oder teilweise vor der Baufluchtlinie liegen, dürfen an den vor der Baufluchtlinie liegenden Teilen nur Instandsetzungsarbeiten und innere Umbauten vorgenommen werden."

"§ 13

Abstände

(1) Gebäude sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muß ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt (Gebäudeabstand).

(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muß von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).

(3) …"

Im Beschwerdefall ist strittig, ob das projektierte Gebäude an der dem Grundstück der Mitbeteiligten zugewendeten Seite den erforderlichen Grenzabstand einhält; die belangte Behörde hat dies wegen der Dimensionen des Dachvorsprunges sowie des Balkons im zweiten Obergeschoß verneint. Maßgebliche Rechtsgrundlagen hiezu sind § 13 Abs. 2 iVm § 4 Z 29 Stmk. BauG. Diesbezüglich kommt der Mitbeteiligten als Nachbarin nach dem Katalog des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG ein Mitspracherecht zu.

Die Gemeindebehörden haben sich bei ihrer Beurteilung allerdings auch entscheidend auf § 12 Stmk. BauG gestützt. Dazu ist festzuhalten, dass solche Baulinien weder verordnet noch (etwa in einem Grundlagenbescheid gemäß § 18 leg.cit.) festgelegt wurden. Der Argumentation im erstinstanzlichen Bescheid (die auch im Berufungsbescheid übernommen wurde) ist zunächst entgegenzuhalten, dass sich § 12 Abs. 1 Stmk. BauG (betreffend die Zulässigkeit des Vortretens bestimmter Bauteile) nur auf Straßenflucht- und Baugrenzlinien bezieht, nicht auch auf Baufluchtlinien (wie in den gemeindebehördlichen Bescheiden angenommen). Wäre zum Grundstück der Beschwerdeführerin eine Baugrenzlinie festgelegt worden, bedeutete dies nur, dass diese durch oberirdische Teile von Gebäuden nicht überschritten werden dürfte (soweit nicht die Ausnahmen des § 12 zum Tragen kommen), nicht aber, dass ohne Rücksicht auf die Abstandsbestimmungen des § 13 leg. cit. jedenfalls an diese Linie herangebaut werden dürfte; vielmehr sind auch bei der Festlegung einer Baugrenzlinie die Abstandsbestimmungen des § 13 leg. cit. einzuhalten. Anzumerken ist schließlich, dass dem Nachbarn mangels Aufzählung im Katalog des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kein Mitspracherecht hinsichtlich der Einhaltung der Bestimmungen des § 12 leg. cit. zukommt (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/06/0051).

Zu § 4 Z 29 leg. cit. hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/06/0059, vom , Zl. 2007/06/0005, oder auch vom , Zl. 2008/06/0149), dass diese Bestimmung keine absoluten Maße (wie etwa im § 12 leg. cit.) normiert, mit welchen solche Bauteile in den Grenzabstand ragen dürfen, noch auch konkrete relative Maße (beispielsweise die Abmessung solcher Bauteile im Verhältnis zu einer Höhe oder Länge der Gebäudefront). Unzulässig sind "vorspringende Bauteile", die so ausgeformt sind, dass sie gleichsam als "vorgeschobene Gebäudefront" in Erscheinung treten. Weiters ist zu bedenken, dass es sich dabei um eine Ausnahmebestimmung handelt, die im Allgemeinen restriktiv auszulegen ist. Dabei darf auch nicht übersehen werden, dass es sich bei den Abstandsbestimmungen um Schutzvorschriften handelt, die eine gehörige Belichtung und Belüftung der Gebäude sicherstellen sollen. Ob ein Bauteil als "vorspringender Bauteile im gewöhnlichen Ausmaß" als abstandsrelevant anzusehen ist oder nicht, ist vor diesem Hintergrund nach den Umständen des Falles nicht nach seiner Bezeichnung durch die Baubehörden oder die Parteien des Verfahrens zu beurteilen, sondern nach seiner Erscheinung und insbesondere seinen Dimensionen und deren Relation zur Gebäudefront. Es kommt dabei auch nicht darauf an, ob solche Bauteile im Prinzip ortsüblich sind, weil davon die Frage zu unterscheiden ist, ob solche Bauteile in den Grenzabstand ragen dürfen (siehe dazu das bereits genannte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/06/0059). Aus § 13 Abs. 2 iVm § 4 Z 29 Stmk. BauG ergibt sich auch, dass Bauteile, die nach dem allgemeinen Verständnis nicht als "Gebäudefront" anzusehen sind, für die Abstandsvorschriften wie eine Gebäudefront zu qualifizieren sind, nämlich, wenn es sich um vorspringende Bauteile handelt, auf die die Negativvoraussetzung des "gewöhnlichen Ausmaßes" nicht zutrifft (Vordächer, Balkone etc.; vgl. auch § 4 Z 29 letzter Halbsatz leg. cit. - an Gebäudeseiten ohne Außenwänden die Vertikalebene entlang des Dachrandes).

Hinsichtlich des Dachvorsprunges ist aus der Argumentation der Beschwerdeführer, Vorsprünge dieses Ausmaßes seien ortsüblich (was allerdings von der Mitbeteiligten in ihrer Gegenschrift bestritten wird), nichts zu gewinnen, weil § 4 Z 29 Stmk. BauG beim Kriterium "im gewöhnlichen Ausmaß" nicht auf spezielle lokale Gegebenheiten abstellt. Sie machen aber zutreffend weiters geltend, dass die (eigentliche) Gebäudefront des zweiten Obergeschosses einen Grenzabstand von 6 m einhält, aber nach der Regel des § 13 Abs. 1 Stmk. BauG - ließe man vorspringende Bauteile außer Betracht - einen solchen von bloß 5 m einzuhalten hätte. Der Dachvorsprung rage demnach nicht 2 m, sondern bloß 1 m in den Abstandsbereich, und Letzteres sei ein Maß, das die belangte Behörde ohnedies als üblich ansehe. Diese Argumentation ist jedenfalls vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles zutreffend. Ganz abgesehen davon, dass sich die Mitbeteiligte im zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren nicht gegen diesen Dachvorsprung ausgesprochen hat, ist sie projektgemäß nicht schlechter gestellt, als wenn das zweite Obergeschoß einen Grenzabstand von 5 m aufwiese (was sie hinzunehmen hätte) und das Dach um 1 m vorspränge, was die belangte Behörde selbst als nicht ungewöhnlich bezeichnet hat.

Das zweite Obergeschoß springt an dieser Front gegenüber dem ersten Obergeschoß um 2 m zurück, auch seitlich ist ein Rücksprung gegeben. Die Fläche des Rücksprunges ist teils als Flachdach, teils als Terrasse projektiert, die sich entlang des weit überwiegenden Teiles dieser Front und auch um die Ecke entlang des größten Teiles einer Längsseite erstreckt. Diese Terrasse wird - auch entlang der Längsseite - durch einen vorgelagerten Balkon erweitert, der - bezogen auf die hier relevante Front - um 1,5 m über die Front des unteren Geschoßes vorspringt (und damit einen Grenzabstand von bloß 2,5 m einhält). Die belangte Behörde ist diesbezüglich mit ihrer Qualifikation im Recht, dass dieser Balkon auf Grund seiner Dimensionierung (seiner Mächtigkeit) abstandsrelevant im Sinne des § 4 Z 29 Stmk. BauG ist. Das Beschwerdeargument in diesem Zusammenhang, der Balkon trete deshalb so hoch in Erscheinung (nach den Plänen 1,70 m), weil sich unterhalb der Balkonplatte eine Balkonschürze befinde (dies als Schutz vor Witterungseinflüssen), verfängt nicht, weil die Frage, ob eine bautechnische Maßnahme sinnvoll erscheint oder nicht, von der Frage des einzuhaltenden Grenzabstandes zu unterscheiden ist. Es geht dabei um die Dimensionierung (Mächtigkeit) insgesamt und nicht um einzelne Teilkomponenten. Betrachtete man bloß isoliert die Tiefe des Bauteiles und meinte man, wie die Gemeindebehörden, dass ein Balkon um 1,50 m in den Abstandsbereich ragen dürfte (was dahingestellt bleiben soll), bedeutete dies im Übrigen im Beschwerdefall, dass dieser Balkon, der dem zweiten Obergeschoß zuzuordnen ist, das einen Grenzabstand von 5 m einzuhalten hat, einen Grenzabstand von 3,5 m einhalten müsste.

Die tragenden Gründe eines aufhebenden Vorstellungsbescheides entfalten für das fortgesetzte Verfahren Bindungswirkung. Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid auf zwei solcherart tragende Aufhebungsgründe gestützt, nämlich hinsichtlich des Dachvorsprunges einerseits und des Balkons andererseits. Letzteres ist, wie dargelegt, zutreffend, ersteres unzutreffend. Da der angefochtene Bescheid unteilbar ist, musste er nach dem Gesagten zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am