VwGH vom 22.11.2006, 2004/15/0143
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde der Elzbieta B in P, vertreten durch die ECOVIS Austria Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1060 Wien, Schmalzhofgasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0735-W/04, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 1998 bis 2002, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Jahre 2000 bis 2002 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im Übrigen - also hinsichtlich der Jahre 1998 und 1999 - wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine diplomierte Krankenschwester, erzielte in den Streitjahren auf Grund ihrer Tätigkeit in der Ordination ihres Ehemannes Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In ihren im September 2003 eingereichten Erklärungen zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Streitjahre beantragte sie die Anerkennung ihrer Aufwendungen für die Ausbildung zur Psychotherapeutin als Werbungskosten.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde diesen Aufwendungen die Anerkennung als Werbungskosten versagt. Die Tätigkeit als Psychotherapeutin liege nicht im Rahmen des Berufsfeldes "Krankenschwester". Psychotherapeutin sei ein eigenständiger Beruf, der dann in verschiedenen Berufsfeldern ausgeübt werden könne. Die Ausbildung erfolge nach dem Psychotherapiegesetz. Das Berufsbild der Krankenschwester werde im § 11 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz umschrieben. Die Tätigkeit als Psychotherapeutin stehe in keinem Zusammenhang mit der Tätigkeit als Krankenschwester. Eine Berufsidentität des Berufes der diplomierten Krankenschwester mit dem Beruf der Psychotherapeutin bestehe nicht. Es lägen daher keine Fortbildungskosten vor. Vielmehr handle es sich um Kosten zur Erlangung eines neuen Berufsbildes und Tätigkeitsbereiches.
In den Streitjahren 1998 und 1999 seien die Aufwendungen zur Ausbildung als Psychotherapeutin nicht als Werbungskosten abzugsfähig, sondern stellten sie sich als nicht abzugsfähige Aufwendungen für die Lebensführung im Sinne des § 20 EStG 1988 dar.
Ab der Veranlagung 2000 seien auch Ausbildungskosten im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit Werbungskosten. Ausbildungskosten seien Aufwendungen zur Erlangung von Kenntnissen, die eine Berufsausübung ermöglichen. Ob eine Tätigkeit mit der ausgeübten Tätigkeit artverwandt sei, bestimme sich nach der Verkehrsauffassung. Von einer verwandten Tätigkeit sei auszugehen, wenn die Tätigkeiten üblicherweise gemeinsam am Markt angeboten werden oder die Tätigkeiten im Wesentlichen gleich gelagerte Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordern. Beide Voraussetzungen seien nicht gegeben. Die Tätigkeit einer diplomierten Krankenschwester und einer Psychotherapeutin würden üblicherweise nicht gemeinsam am Markt angeboten. Üblicherweise eröffneten Psychotherapeuten eine selbständige Praxis, während Krankenschwestern in Krankenhäusern arbeiten und dort nicht die psychotherapeutische Betreuung der Patienten übernehmen. Die Tätigkeiten erforderten auch nicht im Wesentlichen gleich gelagerte Kenntnisse oder Fähigkeiten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung zählten bis einschließlich der am endenden Lohnzahlungszeiträume Aufwendungen für die Berufsausbildung zu den nicht abziehbaren Ausgaben für die Lebensführung, solche für die Berufsfortbildung zu den Werbungskosten. Ausbildungskosten sind Aufwendungen zur Erlernung eines Berufes. Hingegen sind Fortbildungskosten, die durch die Weiterbildung im erlernten Beruf erwachsen, als Werbungskosten abzugsfähig. Um eine berufliche Fortbildung handelte es sich aber nur dann, wenn der Steuerpflichtige seine bisherigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten verbessert, um seinen Beruf besser ausüben zu können. Entscheidend für die Unterscheidung zwischen Berufsausbildung und Berufsfortbildung ist die Beantwortung der Frage, ob bereits ein Beruf ausgeübt wird und ob die Bildungsmaßnahmen der Erlangung eines anderen Berufes dienen oder der Verbesserung von Fähigkeiten und Kenntnissen in der Ausübung des bisherigen Berufes, sei es auch in einer qualifizierteren Stellung (z.B. Geselle - Meister im selben Handwerk; Rechtsanwaltsanwärter - Rechtsanwalt, Universitätsassistent - Universitätsdozent) dienten. Für die Klärung der damit wesentlichen Frage nach der Berufsidentität ist unter Bedachtnahme auf Berufszulassungsregeln und Berufsgepflogenheiten das Berufsbild maßgebend, wie es sich nach der Verkehrsauffassung auf Grund des Leistungsprofils des betreffenden Berufes darstellt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 89/14/0227, und vom , 2004/15/0118, m.w.N.).
Nach dem, erstmalig für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem enden (§ 124b Z. 43 EStG 1988), anzuwendenden, mit dem Steuerreformgesetz 2000, BGBl. I Nr. 106/1999, eingefügten § 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 stellen Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit Werbungskosten dar.
Der Begriff der "verwandten" Tätigkeit ist im Gesetz nicht definiert. Ob eine Tätigkeit mit der ausgeübten Tätigkeitsart verwandt ist, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung. Für eine verwandte Tätigkeit spricht, wenn diese Tätigkeiten (Berufe) üblicherweise gemeinsam am Markt angeboten werden oder die Tätigkeiten im Wesentlichen gleich gelagerte Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordern (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2003/15/0064, m.w.N. und Wiedergabe der Erläuterungen zur Regierungsvorlage). Ob die Tätigkeiten im Wesentlichen gleich gelagerte Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern, ist an Hand des Berufsbildes bzw. des Inhaltes der Ausbildungsmaßnahmen zu diesen Berufen zu beurteilen. Ein Indiz für eine artverwandte Tätigkeit liegt in der wechselseitigen Anrechnung von Ausbildungszeiten. Ein Zusammenhang mit der ausgeübten oder artverwandten Tätigkeit ist jedenfalls anzunehmen, wenn die erworbenen Kenntnisse im Rahmen der ausgeübten beruflichen Tätigkeit verwertet werden können. Darüber hinaus reicht aber jeder Veranlassungszusammenhang mit der ausgeübten (verwandten) Tätigkeit aus (Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 16 Abs. 1 Z. 10 Tz 2).
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die belangte Behörde habe die gesetzlich geregelten bzw. vom Bundesverband für Psychotherapie oder dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen anerkannten Zusammenhänge zwischen der Tätigkeit einer diplomierten Krankenschwester und einer Psychotherapeutin nicht entsprechend gewürdigt. Das Berufsbild der diplomierten Krankenschwester umfasse gemäß § 11 Abs. 2 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz die Pflege und Betreuung von Menschen aller Altersstufen bei körperlichen und psychischen Erkrankungen. Die Ausbildung im Krankenpflegefachdienst werde als "Quellenberuf" für die Ausbildung zum Psychotherapeuten anerkannt. Gemäß § 12 Psychotherapiegesetz werde unter der Voraussetzung der Gleichwertigkeit auf die für die Ausbildung vom Psychotherapeuten vorgesehene Dauer des psychotherapeutischen Propädeutikums und des psychotherapeutischen Fachspezifikums vom Bundeskanzler auch die Aus- und Fortbildungszeit gemäß den Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend die Regelung des Krankenpflegefachdienstes angerechnet.
Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde hinsichtlich der Streitjahre 2000 bis 2002 zum Erfolg. Die Beschwerdeführerin hat bereits im Verwaltungsverfahren Unterlagen vorgelegt, die auf die Anrechnung der Ausbildungszeit und den Umstand hingewiesen haben, dass ihre Ausbildung zur diplomierten Krankenschwester eine - alternative - Voraussetzung für die Ausbildung zur Psychotherapeutin ist. Abgesehen davon sind Werbungskosten grundsätzlich von Amts wegen zu berücksichtigen, wenngleich der Abgabepflichtige sie über Verlangen der Abgabenbehörde nach Art und Umfang nachzuweisen oder wenigstens glaubhaft zu machen hat (vgl. Hofstätter/Reichel, a.a.O., § 16 allgemein, Tz 4). Der angefochtene Bescheid enthält dazu nur die lapidare Behauptung, die Tätigkeiten erforderten auch nicht im Wesentlichen gleich gelagerte Kenntnisse oder Fähigkeiten. Feststellungen und Erwägungen über Art und Ausmaß der anrechenbaren Ausbildungszeiten bzw. Berufsvoraussetzungen fehlen. Damit hat die belangte Behörde aber den Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Für die Streitjahre 1998 und 1999 ist entscheidend, ob die Aufwendungen für die Ausbildung zur Psychotherapeutin Ausbildungskosten oder Fortbildungskosten darstellen. Entscheidend dafür ist die Beantwortung der Frage, ob die Maßnahmen der Erlangung eines anderen Berufes oder der Verbesserung von Fähigkeiten und Kenntnissen in der Ausübung des bisherigen Berufes, sei es auch in einer qualifizierteren Stellung, dienten.
Die Beschwerdeführerin hat die Ausbildung zur Psychotherapeutin geltend gemacht und im Verfahren auch ausgeführt, dass sie diese Funktion bereits seit November 2003 ausübe.
Wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass das Berufsbild einer diplomierten Krankenschwester und einer Psychotherapeutin im Hinblick auf ihr Leistungsprofil nach der Verkehrsauffassung nicht ident ist, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Nach der im § 1 Psychotherapiegesetz enthaltenen Berufsumschreibung ist die Ausübung der Psychotherapie im Sinne dieses Gesetzes die nach einer allgemeinen und besonderen Ausbildung erlernte, umfassende, bewusste und geplante Behandlung von psychosozial oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen mit wissenschaftlichpsychotherapeutischen Methoden in einer Interaktion zwischen einem oder mehreren Behandelten und einem oder mehreren Psychotherapeuten mit dem Ziel, bestehende Symptome zu mildern oder zu beseitigen, gestörte Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern und die Reifung, Entwicklung und Gesundheit des Behandelten zu fördern. Die selbständige Ausübung der Psychotherapie besteht in der eigenverantwortlichen Ausführung dieser umschriebenen Tätigkeiten. Im Vergleich dazu bildet der pflegerische Teil der gesundheitsfördernden, präventiven, diagnostischen, therapeutischen und rehabilitativen Maßnahmen zur Erhaltung oder Erweiterung der Gesundheit und zur Verhütung von Krankheiten das typische Berufsbild des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege (§ 11 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes). Dieses Berufsbild umfasst die Pflege und Betreuung von Menschen aller Altersstufen bei körperlichen und psychischen Erkrankungen, die Pflege und Betreuung behinderter Menschen, Schwerkranker und Sterbender sowie die pflegerische Mitwirkung an der Rehabilitation, der primären Gesundheitsversorgung, der Förderung der Gesundheit und der Verhütung von Krankheiten im intra- und extramuralen Bereich (§ 11 Abs. 2 leg. cit).
Diese Umschreibung der Berufsbilder zeigt, dass das Leistungsprofil der beiden Berufe verschiedene Ziele verfolgt. Das Leistungsprofil der Psychotherapeutin ist von einer diplomierten Krankenschwester auch nicht nach Absolvierung einer Sonderausbildung nach § 65 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes zu erbringen. Die Ausbildung zur Psychotherapeutin stellt daher nicht eine Fortbildungsmaßnahme einer Krankenschwester, sondern eine Ausbildung in einem neuen Betätigungsfeld dar. Wenn die belangte Behörde die Aufwendungen für die Ausbildung als Psychotherapeutin als Kosten einer Berufsausbildung beurteilt hat, ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Beschwerde ist insoweit nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der Streitjahre 2000 bis 2002 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben; im Übrigen - hinsichtlich der Streitjahre 1998 und 1999 - war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Ein über die Pauschalsätze der Verordnung hinausgehender Ersatz ist nicht zulässig.
Wien, am