VwGH vom 21.12.2007, 2007/17/0204
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des WM in Wien, vertreten durch Dr. Christoph Wildmoser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger Platz 5, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom , Zl. ABK - 446/06, betreffend Haftung nach §§ 7 Abs. 1 und 54 Abs. 1 WAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug als ehemaliger handelsrechtlicher Geschäftsführer der E PersonenbeförderungsgmbH in Liquidation gemäß § 7 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 WAO für die im Zeitraum bis aushaftende Parkometerabgabe im Betrag von EUR 230,23 zuzüglich Nebengebühren im Betrag von EUR 20,32 haftbar gemacht und zur Zahlung des Gesamtbetrages von EUR 250,55 herangezogen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei im Haftungszeitraum Geschäftsführer der Primärschuldnerin E PersonenbeförderungsgmbH gewesen. Fest stehe, dass der Konkurs über deren Vermögen mangels Masse abgewiesen und die Primärschuldnerin in weiterer Folge aufgelöst worden sei. Die Abgabenrückstände seien daher bei dieser nicht oder zumindest nur erschwert einbringlich. Der Beschwerdeführer habe sein Verschulden an der Pflichtverletzung bestritten und dazu ausgeführt, er sei lediglich "Angestellter Gf" und kein Gesellschafter gewesen, weswegen ihm kein bestimmender Einfluss auf die Gesellschaft zugekommen sei. Das Verfahren der Staatsanwaltschaft Wien gemäß §§ 146, 147 StGB und § 114 ASVG sei rechtskräftig eingestellt worden, was auch die Verwaltungsbehörden binde. Es sei ihm keinerlei Einfluss auf die finanzielle Gebarung der Gesellschaft zugekommen. Er sei zwar an der Geschäftsführung der Gesellschaft nicht gehindert gewesen, doch sei zum gegenständlichen Zeitpunkt kein Betriebsvermögen vorhanden gewesen, welches zur Zahlung der Abgaben hätte herangezogen werden können.
Die Tatsache, dass keine gerichtlich strafbare Handlung (schwerer Betrug durch Nichtbezahlen von Dienstgeberbeiträgen) gesetzt worden sei, sei keine Bedingung für das Bestehen einer Pflichtverletzung. Auch der Umstand, dass das Verfahren des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 15, hinsichtlich der Beitragshaftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zur Aufhebung der Haftung des Beschwerdeführers geführt habe, lasse keine Rückschlüsse auf eine etwaige Pflichtverletzung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer zu, zumal in jenem Verfahren die Verneinung der Haftung des Beschwerdeführers durch die Begleichung der ausständigen Beträge durch den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds begründet gewesen war. Der Geschäftsführer hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden seien. Der Beschwerdeführer habe den Nachweis einer solchen anteiligen Begleichung der Verbindlichkeiten nicht erbracht, obwohl er von der Erstbehörde sogar aufgefordert worden sei, eine Liquiditätsaufstellung für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum vorzulegen. Er hafte daher für den ausständigen Abgabenbetrag zur Gänze.
Bei Abstandnahme von der Haftung würde der Abgabengläubiger seines Anspruches verlustig gehen. Es sei auch nicht unbillig, dass ein Geschäftsführer, der seine abgabenrechtlichen Pflichten verletze, zur Haftung herangezogen werde, andernfalls jene Abgabepflichtigen und ihre Vertreter, die ihre Pflichten erfüllten, im wirtschaftlichen Wettbewerb benachteiligt würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 WAO (idF LGBl. Nr. 40/1992) haften die in den §§ 54 ff bezeichneten Vertreter und sonstigen Verpflichteten neben den Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern und sonstigen Verpflichteten auferlegten Pflichten, sei es abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten, bei den Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.
Nach § 54 Abs. 1 WAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Reichen die zur Verfügung stehenden Mittel nicht aus, so muss der Vertreter die ihm zur Verfügung stehenden Mittel anteilig für die Begleichung aller fälligen Verbindlichkeiten verwenden. Der Abgabengläubiger darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/16/0575, mwN). Er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz).
Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel zur Verfügung hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/16/0601).
Eine schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten ist anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe darlegen kann, auf Grund derer ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich gewesen ist. Nur der Vertreter wird nämlich regelmäßig jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht. Daher hat er für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen. Diese qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters entbindet die Behörde nicht von jeglicher Ermittlungspflicht. Eine solche besteht etwa, wenn sich aus dem Akteninhalt deutliche Anzeichen für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung ergeben. Entspricht der Vertreter seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptungen und Beweisanboten zu seiner Entlastung darzutun, so liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Vertreter abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (vgl. die bei Ritz, BAO3, Tz 22 zu § 9, zitierte hg. Rechtsprechung).
Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer für die ordnungsgemäße Entrichtung der für den Zeitraum bis aushaftenden Parkometerabgaben zu sorgen gehabt hätte. Strittig ist ausschließlich, ob die Haftung des Beschwerdeführers insofern eine Einschränkung erfährt, als der Abgabenbetrag auch bei gleichmäßiger Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich gewesen wäre.
Entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erstreckt sich im Falle der Benachteiligung des Abgabengläubigers die Haftung des Vertreters nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung der Verbindlichkeiten die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Dies setzt allerdings voraus, dass der Geschäftsführer im Verfahren die Grundlagen für die behördlichen Feststellungen des zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zur Bezahlung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Anteils an liquiden Mitteln beigebracht hat (vgl. zur BAO das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/15/0081, mwN).
Eine solche, ziffernmäßig konkretisierte Behauptung hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren unstrittig nicht vorgebracht. In seiner Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof beschränkt er sich vielmehr auf das unsubstantiierte Vorbringen, wonach "der Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich gewesen wäre". Damit geht er aber selbst davon aus, dass die Befriedigung der Gläubiger nicht gleichmäßig erfolgt ist. Dass die Primärschuldnerin zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten über gar keine liquiden Mittel verfügt hätte, wird in der Beschwerde nicht behauptet.
Wenn in der Beschwerde allgemein gerügt wird, die belangte Behörde habe es unterlassen, Feststellungen "über die vom Beschwerdeführer gebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen", so zeigt sie damit noch nicht auf, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers hätte kommen können. Auch dem Vorbringen, die belangte Behörde hätte in den Liquidations- bzw. Konkursakt Einsicht nehmen müssen, um Feststellungen über die Höhe der fälligen Verbindlichkeiten zu treffen bzw. hätte ihn "anleiten müssen, selbst die erforderliche Akteneinsicht zu nehmen und dadurch die erforderlichen Präzisierungen und Beweise vom Beschwerdeführer abzufordern", kann eine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht entnommen werden. Weshalb es ihm selbst nicht möglich gewesen wäre, selbst Einsicht in die genannten Akten zu nehmen, legt der Beschwerdeführer nicht dar.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am