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VwGH vom 22.12.2004, 2004/15/0126

VwGH vom 22.12.2004, 2004/15/0126

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des Dipl.- Ing. Dr. M in B, vertreten durch Mag. Dr. Hans Winter, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 8010 Graz, Maygasse 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , GZ. RV/0205-G/03, betreffend Unterbleiben der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften für 1995 bis 1999, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist der Rechtsnachfolger von CI.

Mit Eingabe vom wurde das Finanzamt um Vergabe einer Steuernummer für die Mitunternehmerschaft "H-GmbH & atypisch stille Gesellschaft" ersucht. Zugleich wurde der Gesellschaftsvertrag vom über die Gründung einer atypischen stillen Gesellschaft vorgelegt, nach welchem die H-GmbH Geschäftsherrin und die natürlichen Personen CI und HW stille Gesellschafter mit einer Einlage von 6 Mio S (CI) und 60.000 S (HW) seien. Am Gewinn und Verlust der Gesellschaft seien CI mit 91% und HW mit 1% (sowie die H-GmbH mit 8%) beteiligt. Die Nominaleinlagen der stillen Gesellschafter seien auf fixen Kapitalkonten, die Gewinn- und Verlustanteile sowie Ausschüttungen auf variablen Verrechnungskonten zu erfassen. Die stille Gesellschaft sei auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. Die H-GmbH könne jedoch ebenso wie jeder der stillen Gesellschafter das Gesellschaftsverhältnis mit einjähriger Kündigungsfrist (frühestens aber nach Ablauf von fünf Jahren) kündigen. Im Fall des Ausscheidens erhalte ein stiller Gesellschafter den Buchwert seiner Beteiligung, welcher sich aus dem Saldo aus dem fixen Kapitalkonto und dem Verrechnungskonto ergebe. Ein allfälliger Firmenwert habe außer Ansatz zu bleiben.

In der Folge erließ das Finanzamt für die Jahre 1995 bis 1999 - erklärungsgemäß - Gewinnfeststellungsbescheide nach § 188 BAO. Die Einkünfte wurden als solche aus Gewerbebetrieb festgestellt und den stillen Gesellschaftern sowie der H-GmbH zugewiesen.

Anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung gelangte der Prüfer zur Auffassung, es liege keine atypische stille Gesellschaft vor, da die stillen Gesellschafter nicht an den stillen Reserven und am Firmenwert beteiligt seien. Die stillen Gesellschafter erzielten daher Einkünfte aus Kapitalvermögen. Das Finanzamt nahm die Gewinnfeststellungsverfahren gemäß § 303 Abs 4 BAO wieder auf und schloss sich der Ansicht des Prüfers an. In der Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide wurde eingewendet, der relevante Sachverhalt sei dem Finanzamt von Anfang an bekannt gewesen. Es seien sohin keine Tatsachen neu hervorgekommen. Das Finanzamt gab der Berufung mit Berufungsvorentscheidung statt.

In der Folge erließ das Finanzamt gemäß § 293b BAO berichtigte Feststellungsbescheide, in denen der festzustellende Gewinn und die Gewinnanteile mit Null Schilling ausgewiesen sind.

CI legte gegen die berichtigten Bescheide Berufung ein. Diese wurde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen und ausdrücklich ausgesprochen, dass die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 188 BAO für die Jahre 1995 bis 1999 unterbleibe. Der Ansicht der Beschwerdeführerin, wonach die Voraussetzungen für das Vorliegen einer steuerlichen Mitunternehmerschaft nicht klar geregelt seien, weshalb nicht von einer offenkundigen Unrichtigkeit iSd § 293b BAO gesprochen werden könne, trete die belangte Behörde nicht bei. Wenn auf Seiten des Finanzamtes bei entsprechender Prüfung von vornherein die Gewissheit bestehe, dass die in den Abgabenerklärungen vertretene Rechtsansicht unrichtig sei, so liege eine offenkundige Unrichtigkeit vor. Im gegenständlichen Fall hätte das Finanzamt bei Prüfung des Gesellschaftsvertrages - dieser gehöre als Dauerbeleg zum Akt des Finanzamtes - zum Schluss gelangen müssen, dass eine Mitunternehmerschaft nicht vorliege, weshalb die eingereichten Erklärungen unrichtig seien. Wenn das Finanzamt erklärungsgemäße Feststellungsbescheide erlasse, ohne eine Mitberücksichtigung des im Akt befindlichen Gesellschaftsvertrages vorzunehmen, und damit ungeprüft einer rechtswidrigen, den Abgabenerklärungen zugrunde liegenden Rechtsauffassung folge, liege ein Berichtigungsfall nach § 293b BAO vor.

Innengesellschaften kämen nur dann als Mitunternehmerschaften in Betracht, wenn die nach außen hin nicht in Erscheinung tretenden Gesellschafter am Betriebsvermögen einschließlich der stillen Reserven und des Firmenwertes beteiligt seien. Im gegenständlichen Fall fehle es an der Beteiligung an den stillen Reserven, weil das Abschichtungsguthaben der stillen Gesellschafter mit dem Buchwert festgelegt sei. Zudem fehle es an der Beteiligung an den stillen Reserven; diese sei ausdrücklich ausgeschlossen. Es lägen auch keine anderen Umstände vor, die auf eine Mitunternehmerschaft schließen ließen. Das Nichtvorliegen einer Mitunternehmerschaft sei demnach offenkundig. Mangels Bestehen einer Mitunternehmerschaft hätte ein Feststellungsbescheid nach § 188 BAO nicht ergehen dürfen. Die Feststellung der Einkünfte mit Null Schilling entspreche inhaltlich einem Bescheid, mit dem das Unterbleiben einer Feststellung iSd § 190 Abs 1 BAO ausgesprochen werde und entfalte dieselben rechtlichen Wirkungen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 293b BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.

§ 293b BAO setzt voraus, dass die Abgabenbehörde den Inhalt einer Abgabenerklärung übernimmt, wobei diesem Inhalt eine offensichtliche Unrichtigkeit zu Grunde liegt. Dies wird dann zu bejahen sein, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen. Die Unrichtigkeit kann sowohl in einer unzutreffenden Rechtsauffassung als auch in einer in sich widersprüchlichen oder eindeutig gegen menschliches Erfahrungsgut sprechenden Sachverhaltsdarstellung zum Ausdruck kommen (vgl das hg Erkenntnis vom , 2003/15/0110).

Ob eine offensichtliche Unrichtigkeit im Hinblick auf die übernommene Rechtsauffassung vorliegt, ist anhand des Gesetzes und vor allem auch der dazu entwickelten Rechtsprechung zu beurteilen. Bestünde behördlicherseits bei entsprechender Prüfung von vornherein die Gewissheit, dass die in der Abgabenerklärung vertretene Rechtsansicht unrichtig ist, so liegt aus der Sicht der Abgabenbehörde eine offensichtliche Unrichtigkeit vor (vgl das hg Erkenntnis vom , 2004/15/0043).

Eine offensichtliche Unrichtigkeit kann auch vorliegen, wenn Abgabenerklärungen mit aktenkundigen Umständen unvereinbar sind. Unrichtigkeiten, die erst im Wege eines über die Bedachtnahme auf die Aktenlage hinausreichenden Ermittlungsverfahrens erkennbar sind, sind hingegen einer Berichtigung gemäß § 293b BAO nicht zugänglich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2002/13/0071).

Die Beschwerde stützt sich darauf, dass anhand von verschiedenen Kriterien zu beurteilen sei, ob eine stille Gesellschaft eine Mitunternehmerschaft darstelle. Im gegenständlichen Fall könne die Beurteilung nicht eindeutig vorgenommen werden. Punkt "neuntens" des Gesellschaftsvertrages vom halte fest, dass die Gesellschaft dann bei Ausübung der Geschäftsführertätigkeit an allfällige Weisungen der Gesellschaftermehrheit gebunden sei, wenn die Gesellschaft durch mehr als zwei Jahre Verluste erwirtschafte, die nicht nur aufgrund von steuerlichen oder sonstigen bilanztechnischen Möglichkeiten entstanden seien. Bei der Abstimmung erhalte die H-GmbH 500 Stimmen und die stillen Gesellschafter pro 1000 S Kapitaleinlage eine Stimme. CI hätte somit 6.000 Stimmen, der zweite stille Gesellschafter 60 Stimmen und die H-GmbH 500 Stimmen gehabt. Da CI über 91% der Stimmen verfügt habe und die Gesellschaft durch mehr als zwei Jahre Verluste erwirtschaftet habe, habe CI über das uneingeschränkte Weisungsrecht und damit über wesentlichen Einfluss verfügt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes sei für die Abgrenzung zwischen stiller Mitunternehmerschaft und echter stiller Gesellschaft die Risikotragung und die Einflussnahme auf die Geschäftsführung und nicht mehr die Beteiligung am Firmenwert wesentlich. Die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, im starken Maß auf den Betrieb Einfluss zu nehmen, entspreche der Unternehmerinitiative und begründe eine Mitunternehmerschaft. Solcherart könne die Beurteilung, ob eine stille Mitunternehmerschaft oder eine echte stille Gesellschaft vorliege, erst nach eingehender Sachverhaltsermittlung sowie nach rechtlicher Würdigung der genannten Aspekte vorgenommen werden. Es liege keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, weil ohne weitergehende Ermittlungen im Tatsachenbereich im Rechtsbereich eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht möglich sei. Es gebe zwei oder mehrere vertretbare Rechtauffassungen. Zu beachten wäre auch gewesen, dass CI aufgrund ihrer mehr als 91%-igen Beteiligung das Unternehmerrisiko der Gesellschaft beinahe zur Gänze getragen habe.

Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.

Eine unechte stille Gesellschaft liegt vor, wenn der stille Gesellschafter gesellschaftsrechtlich so gestellt wird, als wäre er Kommanditist. Es muss also im Innenverhältnis insbesondere vereinbart sein, dass der stille Gesellschafter an den stillen Reserven und am Firmenwert beteiligt ist (vgl Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 23 Tz 26); diese Beteiligung muss jedenfalls für den Fall der Auflösung der Gesellschaft bestehen (vgl das hg Erkenntnis vom , 96/15/0062). Für die Besteuerung soll es keinen Unterschied machen, ob - etwa im Rahmen einer KEG - Gesellschaftsvermögen vorhanden ist oder ob es um die Bewirtschaftung des Vermögens eines Beteiligten geht, welches im Innenverhältnis wie Gesellschaftsvermögen behandelt wird (vgl nochmals das hg Erkenntnis 96/15/0062). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom , 98/15/0158, festgestellt, der Grund, warum eine atypisch stille Gesellschaft - ungeachtet der gesellschaftsrechtlichen Gegebenheiten - ertragsteuerrechtlich als Mitunternehmerschaft beurteilt wird, liege darin, dass der atypisch stille Gesellschafter voraussetzungsgemäß an den stillen Reserven und am Firmenwert des Geschäftsherrn teilnimmt, und es steuerlich keinen Unterschied machen soll, ob Gesellschaftsvermögen vorhanden ist oder das Geschäftsvermögen eines der Beteiligten im Innenverhältnis für die Beteiligung am Gewinn und Verlust und für die Auseinandersetzung wie ein Vermögen zur gesamten Hand zu behandeln ist.

Im gegenständlichen Fall war dem Finanzamt bei Prüfung der Abgabenerklärungen in Zusammenhang mit der Aktenlage (Gesellschaftsvertrag) ersichtlich, dass die stillen Gesellschafter im Falle ihres Ausscheidens nicht an den stillen Reserven samt dem Firmenwert beteiligt sind. Da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der abzugehen kein Anlass besteht, die stillen Gesellschafter nur dann als Mitunternehmer anzusehen sind, wenn sie an den stillen Reserven samt dem Firmenwert beteiligt sind, hat für das Finanzamt im Zuge der Erlassung der Feststellungsbescheide von vornherein die Gewissheit bestehen müssen, dass die in der Abgabenerklärung vertretene Rechtsansicht unrichtig ist. Solcherart ist im Beschwerdefall eine offensichtliche Unrichtigkeit vorgelegen, die zur Bescheidberichtigung nach § 293b BAO berechtigt hat.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am