VwGH vom 21.09.2006, 2004/15/0103
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der T in G, vertreten durch Mag. Kurt Schick, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Bahnstraße 1A, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/1488-W/03, betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ab Februar 2003, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am geborene Sohn der Beschwerdeführerin war im Sommersemester 2003 in dem im Wintersemester 2002/2003 begonnenem Studium an der Universität Wien zur Fortsetzung gemeldet. Ab leistete er den Präsenzdienst (Grundwehrdienst) beim Österreichischen Bundesheer bis .
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde (und des Finanzamtes), dass ihr für diesen Sohn von Februar 2003 bis August 2003 wegen der Ableistung des Präsenzdienstes kein Anspruch auf Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages zusteht.
Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid nach einer umfassenden Darstellung des Verwaltungsgeschehens, auszugsweiser Wiedergabe von Bestimmungen des Wehrgesetzes 2001, des Heeresgebührengesetzes und des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (i.d.F. kurz: FLAG 1967) zur Begründung ihrer Rechtsauffassung aus, der Präsenzdienst (Zivildienst) schließe den Bezug von Familienbeihilfe bei Volljährigen aus, auch wenn nebenbei eine Berufsausbildung aufrecht erhalten werde. Dass der Gesetzgeber die Zeit des Präsenz- oder Zivildienstes als Ausschließungsgrund für den Bezug der Familienbeihilfe normiert habe, gehe klar und eindeutig aus den Tatbeständen des § 2 Abs. 1 lit. d, e, f und g FLAG 1967 hervor. Die Ableistung des Präsenzdienstes verlange den Wehrpflichtigen ihre volle Arbeitskraft ab; dementsprechend sehe der Gesetzgeber Befreiungs- und Aufschiebungsbestimmungen vor. Korrespondierend mit der Staatsbürgerpflicht der Soldaten, sich mit allen ihren Kräften der Erfüllung der Pflichten als Präsenzdiener zu widmen, bestimme das Gesetz, dass den Soldaten unter anderem die unentgeltliche Unterbringung, die unentgeltliche Verpflegung sowie eine monatliche Grundvergütung gebühre. Die von der Beschwerdeführerin hervorgehobene besonders gelagerte Situation, die es ihrem Sohn bei Ausübung seines Präsenzdienstes ermöglicht habe, in dieser Zeit Prüfungen im oben angegebenen Ausmaß (die belangte Behörde bezieht sich auf den in der Darstellung des Verwaltungsgeschehens wiedergegebenen Inhalt der Bestätigung des Studienerfolges im Studienjahr 2002/2003) erfolgreich ablegen zu können, sei nicht entscheidend. Diese offensichtlich vorhandenen Zeitreserven ihres Sohnes während seines Präsenzdienstes deuteten auf eine Sonderstellung hin.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht geltend, § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 umschreibe eindeutig den Begriff der Berufsausbildung an Universitäten. Durch die Ablegung von Prüfungen im ersten Studienjahr sei zweifelsfrei anzunehmen, dass ihr Sohn sich auch während der Ableistung des Präsenzdienstes in Berufsausbildung befunden habe. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde gehe aus § 2 Abs. 1 lit. e FLAG 1967 nicht hervor, dass der Präsenz(Zivil)dienst einen Ausschließungsgrund für den Bezug für Familienbeihilfe darstelle. Diese Bestimmung sei auf Personen, die sich während des Präsenzdienstes in einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b leg. cit. befinden, nicht anwendbar.
Nach einhelliger Auffassung der Literatur (Wittmann/Papacek, Kommentar zum Familienlastenausgleich, C, 10/9; Schredl, SWK 1992, Seite 189 ff; Wimmer, SWK 2001, 249), der Judikatur (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2002/15/0022) und auch der Verwaltungspraxis (Durchführungsrichtlinien zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967, Stand September 2005, Punkte 16.1., 20.6.), ist die Ableistung des Präsenz(Zivil)dienstes nicht als Ausbildung für einen Beruf iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen. Während der Leistung des Präsenz(Zivil)dienstes besteht sohin kein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967. Auf die in der Beschwerde zitierte Literaturstelle (Franz Urban, Familienlastenausgleichsgesetz, 3. Auflage, Seite 18), in der ein gegenteiliger Standpunkt eingenommen wurde, ist nicht einzugehen, weil dieser Autor in der 4. Auflage seines Werkes die von der herrschenden Meinung abweichende Auffassung nicht mehr vertritt. Darüber hinaus ist den Tatbeständen des § 2 Abs. 1 lit. d, e, f und g FLAG 1967 zu entnehmen, dass einerseits die Ableistung des Präsenz(Zivil)dienstes eine Unterbrechung der Ausbildung eines volljährigen Kindes darstellt und andererseits während der Dauer dieses Dienstes kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht. Diese Bestimmungen (in der anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 23/1999) lauten:
"§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
...
d) für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch
nicht vollendet haben, für die Dauer von drei Monaten nach
Abschluss der Berufsausbildung, sofern sie weder den Präsenz- oder
Ausbildungsdienst noch den Zivildienst leisten,
e) für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch
nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des
Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und den Beginn oder
der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung
zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- und
Zivildienstes begonnen oder fortgesetzt wird,
f) für volljährige Kinder, die das 21. Lebensjahr noch
nicht vollendet haben, wenn sie
aa) weder den Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch den
Zivildienst leisten und
bb) bei der regionalen Geschäftsstelle des
Arbeitsmarktservice als Arbeitsuchende vorgemerkt sind und weder einen Anspruch auf eine Leistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609, haben noch eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes durch das Arbeitsmarktservice erhalten; das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist durch eine Bestätigung des Arbeitsmarktservice nachzuweisen,
g) für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem
sie das 26. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor abgeleistet haben, dies längstens zur Vollendung des 27. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer, ..."
Nach dem klaren Wortlaut der zitierten lit. d besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die die Berufsausbildung vor Vollendung des 26. Lebensjahres abgeschlossen haben und nicht sofort eine Erwerbstätigkeit aufnehmen können für die Dauer von drei Monaten. Wird dagegen nach Abschluss der Berufsausbildung vor Vollendung des 26. Lebensjahres der Präsenz(Zivil)dienst geleistet, besteht kein Anspruch. Die Leistung des Präsenz(Zivil)dienstes innerhalb der 3-Monats-Frist hebt den Anspruch auf Familienbeihilfe auf. Die lit. e leg. cit. normiert für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz(Zivil)dienstes und den Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz(Zivil)dienstes begonnen oder fortgesetzt wird, den Anspruch auf Familienbeihilfe. Diese Regelung stellt klar, dass die Ableistung des Präsenzdienstes für den Gesetzgeber eine Unterbrechung der Ausbildung des Kindes darstellt. Andernfalls könnte nicht von einer "Fortsetzung der Berufsausbildung" die Rede sein. Nach der lit. f leg. cit. besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wenn sie arbeitslos gemeldet sind und keine Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten. Dieser Anspruch wird wiederum aufgehoben, wenn sie den Präsenz(Zivil)dienst leisten. Schließlich wird nach der lit. g leg. cit. der Anspruch für volljährige Kinder bis längstens zur Vollendung des 27. Lebensjahres erstreckt, wenn sie in dem Monat, in dem sie das 26. Lebensjahr vollenden, den Präsenz(Zivil)dienst leisten, sofern sie nach der Ableistung dieses Dienstes u.a. für einen Beruf ausgebildet werden; für Kinder, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der im § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorgesehenen Studiendauer. Gemeinsames Element dieser Bestimmungen ist, dass ein Anspruch normiert wird, der aber durch die Ableistung des Präsenz(Zivil)dienstes aufgehoben wird (lit. d, f) bzw. nach Ableistung des Präsenz(Zivil)dienstes - unter bestimmten weiteren Voraussetzungen - weiterbesteht. Aus diesem Regelungswerk des § 2 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich einerseits der Grundsatz, dass während der Ableistung des Präsenz(Zivil)dienstes kein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder besteht und andererseits die Ableistung dieses Dienstes eine Unterbrechung der Ausbildung des Kindes darstellt.
Im Beschwerdefall ist strittig, ob dieser beihilfenschädliche Tatbestand bei gleichzeitiger Erfüllung der hier in Rede stehenden Anspruchsvoraussetzungen der Berufsausbildung nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 diesen Anspruch beseitigt. Dies ist - wie die belangte Behörde zutreffend hervorhebt - zu bejahen:
Die Familienbeihilfe will den Unterhaltsbelasteten entlasten und den Mindestunterhalt des Kindes sichern (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 98/13/0067, und Mair, Österreichische Richterzeitung 2006, 162). Die belangte Behörde hat zutreffend hervorgehoben, dass der Präsenzdiener während dieser Zeit von der öffentlichen Hand ausreichend versorgt wird. Eine Belastung der Beschwerdeführerin mit Unterhaltsleistungen für ihren Sohn, während er den Präsenzdienst leistet, besteht daher nicht. Für die Zeit des Präsenzdienstes bestehen grundsätzlich auch keine Ansprüche nach den sozialrechtlichen Bestimmungen (vgl. , und JBl 1973, 539). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, von seiner in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass die Ableistung des Präsenzdienstes den Anspruch auf Familienbeihilfe für ein volljähriges Kind beseitigt, abzugehen (vgl. das Erkenntnis vom , 98/13/0067, mwN). Ob der Präsenz(Zivil)diener auf Grund einer besonders gelagerten Situation oder durch besonderen Fleiß während der Ableistung seines Dienstes seine Ausbildung an einer Universität auch durch Ablegung von Prüfungen und nicht nur durch die Meldung zur Fortsetzung weiterführt, ist für den Anspruch auf Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag) nicht entscheidend.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am