VwGH 08.04.2014, 2012/05/0116
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BauO Wr §6 Abs3; BauRallg; |
RS 1 | Ein Bauwerk mit einer Gesamtnutzfläche von 148,5 m2 (Schwimmbecken) ist kein Bau kleineren Umfanges im Sinne des § 6 Abs. 3 Wr BauO. Dies ergibt sich eindeutig auch daraus, dass der Gesetzgeber Beispiele wie Bienenhütten und Werkzeughütten ausdrücklich nennt, die typischerweise derartige Ausmaße und Gestaltungsformen nicht erreichen (Hinweis E vom , 2008/05/0176, und E vom , 2010/05/0224). |
Normen | BauO Wr §6 Abs3; BauRallg; |
RS 2 | Bei Beurteilung der Frage, ob ein Bau kleineren Umfanges iSd § 6 Abs. 3 Wr BauO vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob dieser (auch) oberirdisch oder (nur) unterirdisch in Erscheinung tritt, zumal der Wortlaut des § 6 Abs. 3 Wr BauO insofern keine Differenzierung vornimmt. Zudem wäre es sachlich nicht gerechtfertigt, es mit einer derartigen Argumentation zu ermöglichen, im Wald- und Wiesengürtel unterirdisch bauliche Anlagen zu errichten, die - zB durch Emissionen, zahlreiche Besucher etc. - den Sinn und Zweck der Widmung unterliefen (Hinweis E vom , 2008/05/0176). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2010/05/0224 E RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Sußner, über die Beschwerde der M GmbH in W, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 5, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-2/12, betreffend Versagung einer Baubewilligung (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom versagte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung (MA) 37/19, gemäß §§ 70 und 71 der Bauordnung für Wien (BO) die von der Beschwerdeführerin beantragte (nachträgliche) Baubewilligung zur Errichtung eines gemauerten Schwimmbeckens auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien.
Begründend legte die Behörde im Wesentlichen dar, dass das verfahrensgegenständliche Bauwerk - ein mit ca. 3,00 m hohen, betonierten Wänden versehenes Schwimmbecken, welches mittels Anschüttungen in das Gelände modelliert worden sei - den für das verfahrensgegenständliche Grundstück zulässigen Nutzungen "Wald- und Wiesengürtel" nach § 6 Abs. 3 BO widerspreche, weil es nicht zur Schaffung und Erhaltung von Grünflächen errichtet worden sei und es sich nicht um ein für die in freier Natur Erholung suchende Bevölkerung dienendes Bauwerk handle. Trotz Änderung der Einreichpläne dahingehend, dass die neben dem Schwimmbecken situierte Terrasse aus den Plänen entfernt und an der Stelle der massiven Betonplatte eine Folie mit einer Natursteinverkleidung eingetragen worden sei, könne auf Grund der überdimensionalen senkrechten Stützmauern alleine (Beckenwände) schon nicht mehr von einem naturnahen Biotop gesprochen werden. Auch könnten keine Gründe für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 71 BO erkannt werden.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, dass die Hauptfunktion der Mauern an den Rändern des Wasserbeckens in der Stabilisierung des Hanges bestehe und somit deren Weiterbestand erforderlich sei. Sie werde die Höhe der erforderlichen Stützmauern so weit reduzieren, dass diese das angrenzende Geländeniveau nicht mehr überragten und somit nicht mehr oberflächig in Erscheinung träten. Des Weiteren werde der Beckenboden durch Einbringen von geeignetem Material so weit angehoben, dass eine wesentlich seichtere Mulde entstehe, die mit Teichfolie ausgelegt tatsächlich der Ausführung eines Biotops entspreche. Die weiteren typischen Attribute eines Biotops, wie zB. Regenerationszone, würden, obwohl auch bereits im versagten Projekt enthalten, noch ausgeprägter gestaltet werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.
In ihrer Begründung führte sie aus, dass nach dem gültigen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 7770, für den hinteren, am H-steig gelegenen Teil der gegenständlichen Liegenschaft, in dem das gemauerte Schwimmbecken liege, die Widmung "Grünland - Schutzgebiet - Wald- und Wiesengürtel" (SWW) ausgewiesen sei. Eine besondere Bestimmung für eine etwaige Bebaubarkeit von Flächen auf diesem Teil der Liegenschaft sei nicht ausgewiesen, ebenso wenig seien Teilflächen der landwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten. Demgemäß dürften nach § 6 Abs. 3 BO auf dem Bezug habenden hinteren Teil der gegenständlichen Liegenschaft nur Bauten kleineren Umfanges errichtet werden, die land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienten. Das gegenständliche Bauwerk sei ein gemauertes Schwimmbecken mit festem Boden mit den maximalen Abmessungen von ca. 13,50 m × 11,00 m und einer Tiefe von ca. 3,00 m. Ein Bauwerk mit einer derartigen Gesamtfläche könne nicht mit jenen Vorstellungen in Einklang gebracht werden, welche dem Landesgesetzgeber unter einem Bauwerk kleineren Umfanges (Bienenhütte und Werkzeughütten) vorgeschwebt seien. Darüber hinaus diene ein Schwimmbecken schon allein von seiner Funktion her nicht land- und forstwirtschaftlichen Zwecken, weshalb das gemauerte Schwimmbecken auch den in § 6 Abs. 3 BO geforderten Voraussetzungen nicht entspreche.
Den in der Berufung erwähnten beabsichtigten Änderungen sei entgegen zu halten, dass ausschließlich das im Einreichplan dargestellte Bauvorhaben Gegenstand der Beurteilung der Baubehörde sei. Da die Beckenwand zum Teil über das anschließende Gelände rage, ergebe sich bereits aus diesem Umstand, dass die Beckenwand nicht als Stützmauer für das Gelände, sondern für das Wasser im Becken anzusehen sei. Es komme ihr daher keine geländestabilisierende Funktion zu, würde doch bei Entfernung der Wände und Verfüllung der Grube eine natürliche Hanglage mit verhältnismäßig flachem Neigungswinkel gegeben sein.
Ebenso bestehe keine Möglichkeit der Bewilligung nach § 71 BO, weil auf Grund der Bauart des Schwimmbeckens in Massivbauweise kein sachlicher Widerrufsgrund denkbar sei und von der Beschwerdeführerin auch keine Gründe, die eine Bewilligung nach § 71 BO sachlich rechtfertigten, geltend gemacht worden seien.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 713/12-4, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In ihrer vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde begehrt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin sieht zunächst einen Ermessensmissbrauch und Verfahrensmangel durch die belangte Behörde im Wesentlichen darin, dass sie nicht die in der Berufung geltend gemachten erheblichen Reduzierungen des Projekts berücksichtigt habe. Ebenso wenig habe die belangte Behörde beachtet, dass das Biotop streng geschützten Tierarten als natürlicher Lebensraum diene. Sie hätte daher auch zu überprüfen gehabt, ob die Bewilligung des verfahrensgegenständlichen Biotops im öffentlichen Interesse des Umwelt- und Artenschutzes stehe bzw. wäre für sie erkennbar gewesen, dass zumindest eine Bewilligung nach § 71 BO sachlich gerechtfertigt sei. Erst durch die amstwegige Überprüfung durch die Wiener Umweltschutzabteilung, MA 22, am sei der Beschwerdeführerin bekannt geworden, dass das gegenständliche Biotop tatsächlich von streng geschützten Tierarten im Sinne des § 9 Abs. 1 Z 1 Wiener Naturschutzgesetz als natürlicher Lebensraum genutzt wird. Zudem übersteige das gegenständliche Bauvorhaben den in § 6 Abs. 3 BO genannten kleineren Umfang nicht, weil (unter Verweis auf hg. Judikatur) nicht nur Baulichkeiten in der Größe von Bienen- und Werkzeughütten "Bauten kleineren Umfanges" seien, sondern auch solche im Ausmaß von Weingartenhäusern.
2. Gemäß § 6 Abs. 3 BO ist der Wald- und Wiesengürtel bestimmt für die Erhaltung und Schaffung von Grünflächen zur Wahrung der gesundheitlichen Interessen der Bewohner der Stadt und zu deren Erholung in freier Natur; die land- und forstwirtschaftliche Nutzung solcher Grünflächen ist zulässig. Es dürfen nur Bauwerke kleineren Umfanges errichtet werden, die land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen (Bienenhütten, Werkzeughütten u. ä.), ferner die für die in freier Natur Erholung suchende Bevölkerung oder für die widmungsgemäße Nutzung und Pflege notwendigen Bauwerke auf jenen Grundflächen, die für solche Zwecke im Bebauungsplan (§ 5 Abs. 4 lit. n) vorgesehen sind; alle diese Bauwerke dürfen keine Wohnräume enthalten, mit Ausnahme von Wohnräumen in Bauwerken für die forstwirtschaftliche Nutzung und Pflege, die nach dem Bebauungsplan zulässig sind.
3. Der maßgebliche Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 7770, weist für den mit dem verfahrensgegenständlichen Schwimmbecken bebauten Bereich der Liegenschaft der Beschwerdeführerin die Widmung "Grünland - Schutzgebiet - Wald- und Wiesengürtel" (SWW) auf. Eine besondere Bestimmung für eine etwaige Bebaubarkeit dieser Fläche der Liegenschaft ist nicht ausgewiesen.
3.1. Davon ausgehend hat die belangte Behörde rechtsrichtig ausgeführt, dass im vom Schwimmbecken in Anspruch genommenen Bereich der gegenständlichen Liegenschaft gemäß § 6 Abs. 3 BO nur Bauten kleineren Umfanges errichtet werden dürfen, die land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen, wie z.B. Bienenhütten oder Werkzeughütten. Der belangten Behörde kann auch nicht mit Erfolg entgegen getreten werden, wenn sie angenommen hat, dass ein Bauwerk mit einer Gesamtnutzfläche von 148,5 m2 kein Bau kleineren Umfanges im Sinne des § 6 Abs. 3 BO ist. Dies ergibt sich, wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, eindeutig auch daraus, dass der Gesetzgeber Beispiele wie Bienenhütten und Werkzeughütten ausdrücklich nennt, die typischerweise derartige Ausmaße und Gestaltungsformen nicht erreichen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/05/0176, und vom , Zl. 2010/05/0224).
3.2. Dabei ist insbesondere im Hinblick auf die projektierte Ausführung des Schwimmbeckens mit einer Tiefe von 3,00 m zu beachten, dass bei Beurteilung der Frage, ob ein Bau kleineren Umfanges im Sinne des § 6 Abs. 3 BO vorliegt, es nicht darauf ankommt, ob dieser (auch) oberirdisch oder (nur) unterirdisch in Erscheinung tritt, zumal der Wortlaut des § 6 Abs. 3 BO insofern keine Differenzierung vornimmt. Zudem wäre es sachlich nicht gerechtfertigt, es mit einer derartigen Argumentation zu ermöglichen, im Wald- und Wiesengürtel unterirdisch bauliche Anlagen zu errichten, die - z.B. durch Emissionen, zahlreiche Besucher etc. - den Sinn und Zweck der Widmung unterliefen (vgl. die beiden bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom und vom ).
3.3. Auch hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdeführerin zur Projektreduzierung ist für den Beschwerdestandpunkt nichts gewonnen, hat sie eine Änderung des Bauvorhabens in der Berufung doch bloß angekündigt, ohne entsprechende Einreichpläne im Rahmen des Berufungsverfahrens in Vorlage zu bringen. Vor dem Hintergrund der hg. Rechtsprechung zum Baubewilligungsverfahrens als Projektgenehmigungsverfahren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/05/0014, mwN) hat die belangte Behörde die Zulässigkeit somit zutreffend nur auf Grund des in den Einreichplänen und sonstigen Unterlagen dargestellten Projekts beurteilt.
3.4. Dass das verfahrensgegenständliche Bauwerk als Biotop streng geschützten Tierarten als natürlicher Lebensraum diene und somit im öffentlichen Interesse des Umwelt- und Artenschutzes stehe, wird von der Beschwerdeführerin erstmals in der Beschwerde behauptet. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen unterliegt demnach dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Neuerungsverbot und ist daher - auch im Hinblick auf § 71 BO - unbeachtlich. Abgesehen davon handelt es sich hiebei ohnehin um nicht im gegenständlichen baurechtlichen Bewilligungsverfahren zu berücksichtigende Gesichtspunkte, weshalb die belangte Behörde auch keine - von der Beschwerdeführerin behauptete - amtswegige Ermittlungspflicht traf.
4. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BauO Wr §6 Abs3; BauRallg; |
Schlagworte | Planung Widmung BauRallg3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2014:2012050116.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAE-69295