VwGH 26.06.2013, 2012/05/0115
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BauO Wr §60 Abs1 litc; BauO Wr §62 Abs1 Z4; |
RS 1 | Hinsichtlich der Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerkes ist festzuhalten, dass es jedenfalls nicht auf eine Sichtbarkeit bloß von der Straße aus ankommt, sondern auf die Änderung an der Außenhaut des Gebäudes (Hinweis E vom , 92/05/0110). Ferner ist hervorzuheben, dass es bei einer Änderung der äußeren Gestaltung eines Bauwerkes iSd § 62 Abs. 1 Z 4 bzw. § 60 Abs. 1 lit. c Wr BauO auf das Erscheinungsbild eines Gebäudes ankommt. |
Normen | BauO Wr §62 Abs1 Z4; BauRallg; |
RS 2 | Die Außenhaut des Gebäudes wird vor allem durch die Außenwände gebildet. Zur äußeren Gestaltung zählt es ebenso, wo sich welche Öffnungen in den Außenwänden befinden (Hinweis E vom , 2012/05/0072). Dort allerdings sind regelmäßig Bauteile wie Fenster oder Türen, die damit die äußere Gestaltung bilden. Im Bereich von Fenstern sind lediglich diese Bauteile für die äußere Gestaltung iSd § 62 Abs. 1 Z 4 Wr BauO maßgeblich und es kommt nicht darauf an, was sich hinter ihnen, wenn auch eventuell von außen durch sie hindurch sichtbar, befindet, seien dies etwa Vorhänge, Jalousien, Möbel oder auch Bauteile, wie gegenständlich eine Wand. Durch die Entfernung der Mauer hinter dem Fenster wird somit aber die äußere Gestaltung visuell nicht anders verändert, als wenn ein Vorhang oder eine Jalousie hinter dem Fenster montiert oder ebendort Möbel aufgestellt oder wieder entfernt werden. Insofern bewirkt die Entfernung der hinter dem verglasten Holzfenster befindlichen Mauer keine Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerkes iSd § 62 Abs. 1 Z 4 Wr BauO. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Senatspräsidenten Dr. Waldstätten sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des Dr. EA, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-177/12, betreffend Untersagung einer Bauführung (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Schreiben vom zeigte der Beschwerdeführer gemäß § 62 Bauordnung für Wien (BO) bauliche Änderungen in der Wohnung Tür Nr. 10 auf einer näher genannten Liegenschaft in Wien an.
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom wurde die angezeigte Bauführung gemäß § 62 Abs. 4 BO mit der Begründung untersagt, dass für die zur Anzeige gebrachten Baumaßnahmen eine Bauanzeige nicht genüge, sondern eine Baubewilligung erforderlich sei, da die Bauführung unter keine der unter § 62 Abs. 1 BO angeführten Baumaßnahmen falle. Durch die Bauführung werde entgegen der Bestimmung des § 62 Abs. 1 Z 4 BO die äußere Gestaltung des Bauwerks geändert.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, aus dem einen Bestandteil des angefochtenen Bescheides bildenden Plan sei ersichtlich, dass sämtliche Änderungen das Innere der Wohnung und überwiegend die Badezimmer und Küchen wegen Entlüftungen beträfen. Diese seien daher unter § 62 Abs. 1 Z 1 BO zu subsumieren, sodass eine Bauanzeige genüge. Lediglich eine Änderung in dem als "Zimmer, 16,8 m2" bezeichneten Raum betreffe die Entfernung der inneren Füllung einer Fensternische ohne Änderung der Fassade, in der das außen vorhandene, verglaste Holzkastenfenster unverändert belassen werde. Seit der Errichtung des Hauses im Jahr 1863 oder seit Errichtung des Verbindungsganges im Jahr 1910 habe eine ca. 15 cm tiefe Fensternische mit einem verglasten Holzkastenfenster, das mit den anderen hofseitigen Fenstern der Wohnung ident sei, bestanden, welches unverändert bleibe. Da somit keine Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerkes vorliege, sei gemäß § 62 Abs. 1 Z 4 BO eine Bauanzeige ausreichend.
Mit Schreiben vom teilte die Magistratsabteilung 37 der belangten Behörde mit, dass im Konsensplan aus dem Jahr 1906 kein Fenster an der gegenständlichen Stelle der Außenwand existiert habe, sondern lediglich als Bestand ein Blindfenster (eine Nische). Auch zwei Grundrisspläne der darunter liegenden Wohnung Nr. 8 würden an dieser Stelle keinen Hinweis auf eine Fensteröffnung ergeben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, gegenständlich seien - nach der Aktenlage, insbesondere dem der Bauanzeige zu Grunde liegenden Plan - eine Änderung der Raumeinteilungen und Raumwidmungen sowie die Herstellung einer Öffnung in der Außenwand in dem 16,80 m2 großen Zimmer. Die teilweise Entfernung (Öffnung) einer das Gebäude nach außen hin abschließenden Wand bewirke eine Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerks, wobei dies auch dann zutreffe, wenn - wie vom Beschwerdeführer dargestellt - an der Fassade ein "blindes" Fenster der Außenmauer vorgelagert sei. Da der visuelle Eindruck eines echten Fensters abweichend sei von jenem, welches lediglich einer durchgängigen Außenwand ohne Öffnung vorgelagert sei, gehe mit der projektgemäß vorgesehenen Öffnung dieser Außenwand eine Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerks einher. Zu bedenken sei auch, dass eine Öffnung der ein Gebäude nach außen hin abschließenden Wand von Einfluss auf die Feuersicherheit sei, was gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO Baubewilligungspflicht bewirke. Da es sich bei den gegenständlichen baulichen Maßnahmen somit um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben handle, sei die angezeigte Bauführung gemäß § 62 Abs. 4 BO zu untersagen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verwaltungsvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Beschwerdeführer hat repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid behaupte unrichtigerweise, dass die Vermauerung die Außenmauer bilde, obwohl sich in der Fassade eine 15 cm tiefe, nach außen hin weiß getünchte Fensternische mit einem Holzkastenfenster befinde, das den anderen Fenstern der Fassadenfront entspreche. Es könne entgegen der belangten Behörde nicht von einer durchgängigen Außenwand gesprochen werden, wenn darin eine mit den anderen Fenstern idente Fensteröffnung sei. Offenbar habe der Erbauer des Hauses den Effekt erzielen wollen, dass durch diese Form der Außengestaltung der Eindruck eines "echten Fensters" entstehen solle, welcher durch die nunmehrige Bauführung unverändert bleibe. Dieser sei auch dadurch erreicht worden, dass die Nische weiß wie eine Zimmerwand und nicht gelb wie die Fassade gestrichen gewesen sei. Der visuelle Eindruck - auf den die belangte Behörde abstelle - werde einerseits nicht verändert und die Bauordnung enthalte andererseits nicht den geringsten Hinweis dahingehend, dass es auf eine Sichtbarkeit ankomme. Die teilweise Entfernung der Vermauerung sei keine einer "abschließenden" Wand, eben weil sich davor ein unverändert belassenes Außenfenster befinde. Jedes Fenster bilde eine Öffnung in der Außenwand, welche vorliegend außen immer vorhanden gewesen sei, nicht jedoch innen. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass gemäß § 62 Abs. 1 Z 3 BO eine Bauanzeige sogar für den Austausch von Fenstern gegen solche anderen Erscheinungsbildes genüge, sodass das Argument des "visuellen Eindrucks" ex lege ad absurdum geführt werde. Die äußere Gestaltung des Gebäudes werde nicht verändert, sondern es erfolge lediglich eine Bauführung im Inneren der Wohnung, sodass eine Bauanzeige ausreiche. Eine Änderung von Raumwidmungen sei nicht vorgesehen; da für diese Wohnung kein Konsensplan bestehe, sei gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der vermutete Konsens anzuerkennen, zumal keine Unterlagen über eine Baubewilligung vorhanden seien und der Bau seit Jahrzehnten unbeanstandet existiere.
Im Beschwerdefall ist die Bauordnung für Wien (BO) in der Fassung LGBl. Nr. 46/2010 anzuwenden. Die hier maßgebenden Bestimmungen lauten auszugsweise:
"Ansuchen um Baubewilligung
§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:
(…)
c) Änderungen oder Instandsetzungen von Bauwerken, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektivöffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Bauwerks; (…)
Bauanzeige
§ 62. (1) Eine Bauanzeige genügt für
1. den Einbau oder die Abänderung von Badezimmern und Sanitäranlagen, auch unter Inanspruchnahme gemeinsamer Teile des Bauwerkes, soweit dies für eine ausreichende Be- und Entlüftung des Raumes und für die Herstellung einer Feuchtigkeitsisolierung erforderlich ist;
Loggienverglasungen;
den Austausch von Fenstern gegen solche anderen Erscheinungsbildes (Konstruktion, Teilung, Profilstärke, Farbe und dergleichen) sowie den Austausch von Fenstern in Schutzzonen;
4. alle sonstigen Bauführungen, die keine Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerkes bewirken, nicht die Umwidmung von Wohnungen betreffen und keine Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen auslösen.
(…)
(4) Ergibt die Prüfung der Angaben in Bauplänen, dass die zur Anzeige gebrachten Baumaßnahmen nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen oder einer Baubewilligung bedürfen, hat die Behörde binnen sechs Wochen ab tatsächlicher Vorlage der vollständigen Unterlagen die Bauführung mit schriftlichem Bescheid unter Anschluss einer Ausfertigung der Unterlagen zu untersagen. Maßgebend für die Beurteilung des Bauvorhabens ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage der vollständigen Unterlagen. Wird die Bauführung untersagt, ist sie einzustellen.
(…)"
Vorliegend ist strittig, ob die Entfernung der hinter dem verglasten Holzkastenfenster in einem Abstand von ca. 15 cm befindlichen Mauer als weiße Nische eine Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerkes bewirkt.
Zunächst ist festzuhalten, dass es jedenfalls nicht auf eine Sichtbarkeit bloß von der Straße aus ankommt, sondern auf die Änderung an der Außenhaut des Gebäudes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/05/0110). Ferner ist hervorzuheben, dass es bei einer Änderung der äußeren Gestaltung eines Bauwerkes iSd § 62 Abs. 1 Z 4 bzw. § 60 Abs. 1 lit. c BO auf das Erscheinungsbild eines Gebäudes ankommt (vgl. die bei Moritz, Bauordnung für Wien, 4. Auflage, S. 157 zitierte hg. Judikatur).
Zutreffend ist, dass die Außenhaut des Gebäudes vor allem durch die Außenwände gebildet wird. Zur äußeren Gestaltung zählt es ebenso, wo sich welche Öffnungen in den Außenwänden befinden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/05/0072). Dort allerdings sind regelmäßig Bauteile wie Fenster oder Türen, die damit die äußere Gestaltung bilden. Im Bereich von Fenstern sind lediglich diese Bauteile für die äußere Gestaltung iSd § 62 Abs. 1 Z 4 BO maßgeblich und es kommt nicht darauf an, was sich hinter ihnen, wenn auch eventuell von außen durch sie hindurch sichtbar, befindet, seien dies etwa Vorhänge, Jalousien, Möbel oder auch Bauteile, wie gegenständlich eine Wand. Durch die Entfernung der Mauer hinter dem Fenster wird somit aber die äußere Gestaltung visuell nicht anders verändert, als wenn ein Vorhang oder eine Jalousie hinter dem Fenster montiert oder ebendort Möbel aufgestellt oder wieder entfernt werden. Insofern bewirkt die Entfernung der hinter dem verglasten Holzfenster befindlichen Mauer keine Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerkes iSd § 62 Abs. 1 Z 4 BO.
Anzumerken ist, dass § 62 Abs. 1 Z 4 BO nicht auf den Brandschutz abstellt, sodass auch die diesbezügliche Argumentation der belangten Behörde nicht zu einer Bewilligungspflicht führt.
Im Übrigen hat sich die belangte Behörde nicht damit auseinandergesetzt, ob nicht in Bezug auf die anderen Baumaßnahmen Trennbarkeit gegeben ist und die Bauführung insoweit nicht hätte untersagt werden dürfen.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Dem Beschwerdeführer gebührt nur der Ersatz der entrichteten Gebühr, nicht auch der Ersatz für Schriftsatzaufwand, weil er nicht tatsächlich durch einen Rechtanwalt vertreten war (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/06/0088).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BauO Wr §60 Abs1 litc; BauO Wr §62 Abs1 Z4; BauRallg; |
Schlagworte | Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2012050115.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAE-69290