VwGH vom 30.04.2013, 2012/05/0114
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Senatspräsidenten Dr. Waldstätten sowie die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des MD in W, vertreten durch Dr. Daniel Charim, Mag. Wolfgang Steiner und Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Wasagasse 4, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-602/11, betreffend baupolizeilichen Auftrag (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, erteilte mit Bescheid vom gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien (BO) dem Beschwerdeführer als Eigentümer der Liegenschaft in Wien 13., M. Straße 8, den Auftrag, binnen eines Tages nach Rechtskraft des Bescheides die ohne Bewilligung erfolgende, vorschriftswidrige Verwendung der Fläche zwischen Gehsteig und Gebäude (gewidmeter Vorgartenbereich) als Stellplätze für Kraftfahrzeuge aufzulassen.
In der dagegen erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer nicht, dass auf der gegenständlichen Fläche im Zeitpunkt der Erhebungen der Magistratsabteilung 37 am und Kraftfahrzeuge abgestellt worden seien, jedoch seien dies nicht Kraftfahrzeuge des Beschwerdeführers, sondern solche dritter Personen. Gemäß § 129 Abs. 1 BO sei der Eigentümer für die bewilligungsgemäße Benützung des Bauwerks verantwortlich. Im Falle der Benützung durch einen anderen gehe die Haftung auf diesen über, wenn er vom Eigentümer über die bewilligte Benützungsart in Kenntnis gesetzt worden sei. Den im Zuge der Erhebungen aufgenommenen Fotos könne entnommen werden, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Bereich deutlich sichtbare Schilder an der Hauswand angebracht habe, auf denen darauf hingewiesen werde, dass das Abstellen von Kraftfahrzeugen im Vorgartenbereich des Hauses nicht gestattet sei. Der Beschwerdeführer habe daher alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen, um Dritte über die Unzulässigkeit des Abstellens von Kraftfahrzeugen auf der gegenständlichen Fläche in Kenntnis zu setzen, sodass er für eine allenfalls dennoch erfolgende bewilligungswidrige Verwendung durch Dritte gemäß § 129 Abs. 1 BO nicht verantwortlich sei und der Bescheid nicht gegen ihn hätte erlassen werden dürfen.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit einer geringfügigen Änderung des Wortlautes im Spruch bestätigt.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das Einstellen von Kraftfahrzeugen auf der im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan als Vorgarten ausgewiesenen - jedoch zur Gänze mit einer Asphaltschicht versiegelten - Fläche sei gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 Wiener Garagengesetz 2008 (WGG) bewilligungspflichtig. Unbestritten sei jedoch bislang keine Bewilligung zum Einstellen der Kraftfahrzeuge im Vorgarten erwirkt worden. Gemäß § 129 Abs. 10 BO sei ein Auftrag zur Behebung von Abweichungen von den Bauvorschriften an den Eigentümer des Bauwerkes zu richten. Wohl nenne das Gesetz den Grundeigentümer nicht ausdrücklich als Adressaten eines Bauauftrages. Im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 WGG müsse auch die Fläche, die dem Einstellen eines Kraftfahrzeuges diene, als Anlage gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 WGG und demnach als Bauwerk iSd § 129 Abs. 10 BO angesehen werden. Der auf § 129 Abs. 10 BO gestützte Auftrag sei daher an den Grundeigentümer - unbestritten der Beschwerdeführer - als Eigentümer der zum Einstellen der Kraftfahrzeuge verwendeten Fläche zu richten, unabhängig davon, ob er oder sein Rechtsvorgänger oder aber ein Dritter den konsenswidrigen Zustand herbeigeführt hätten. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 129 Abs. 1 BO beziehe sich die Bestimmung allein auf die Benützung von Räumen. Gemäß § 60 Abs. 1 lit. a dritter Satz BO liege ein Raum vor, wenn eine Fläche zumindest zur Hälfte ihres Umfanges von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen sei. Über dem Vorgarten sei jedoch eine Deckfläche nicht vorhanden, weshalb ein Raum iSd § 60 Abs. 1 lit. a BO nicht vorliege und eine bewilligungswidrige Benützung eines Raumes nicht gegeben sei. Daher habe die Baubehörde erster Instanz richtigerweise keinen Auftrag zum Auflassen der widmungswidrigen Benützung des Vorgartens nach § 129 Abs. 1 BO erteilt, sondern das Auflassen der vorschriftswidrigen Verwendung der Vorgartenfläche als Stellplätze für Kraftfahrzeuge gemäß § 129 Abs. 10 BO aufgetragen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, die ausschließlich am Wortlaut orientierte Auslegung der Bauordnung durch die belangte Behörde werde weder dem Sinn des Gesetzes noch der Intention des Gesetzgebers gerecht. Zweifellos solle die Regelung des § 129 Abs. 1 zweiter Satz BO gerade Fälle wie den gegenständlichen erfassen, in denen der Liegenschaftseigentümer alles Erforderliche und Zumutbare unternommen habe, um Dritte über die vorschrifts- bzw. bewilligungsgemäße Art der Benützung in Kenntnis zu setzen, um eine verwaltungsrechtliche Haftung für eine allenfalls dennoch erfolgende bewilligungs- bzw. vorschriftswidrige Verwendung durch Dritte auszuschließen. Eine unterschiedliche Anwendung dieser Regelung auf Räume und sonstige, den Regelungen der Bauordnung unterliegende Flächen, insbesondere die hier gegenständliche Vorgartenfläche, sei weder nach dem Sinn des Gesetzes noch auf der Grundlage der Intention des Gesetzgebers nachzuvollziehen oder zu argumentieren. Gerade bei Freiflächen wie der gegenständlichen Vorgartenfläche habe der Liegenschaftseigentümer noch wesentlich weniger Möglichkeiten als bei geschlossenen Räumen, eine allfällige bewilligungs- bzw. vorschriftswidrige Verwendung durch Dritte hintanzuhalten oder auch nur zu beeinflussen. Die Überlegung des Gesetzgebers und der Sinn des Gesetzes, den Liegenschaftseigentümer von einer verwaltungsrechtlichen Haftung dann freizustellen, wenn er erforderliche und zumutbare Maßnahmen gesetzt habe, um Dritte über die vorschrifts- bzw. bewilligungsgemäße Art der Benützung in Kenntnis zu setzen, treffe hier - schon angesichts der weit geringeren Einflussmöglichkeiten -
noch viel eher zu. Die Ausnahmeregelung des § 129 Abs. 1 zweiter Satz BO sei daher schon bei einer sinngemäßen bzw. an der Intention des Gesetzgebers orientierten Auslegung unmittelbar, jedenfalls aber analog aufgrund des Vorliegens einer planwidrigen Unvollständigkeit auf den gegenständlichen Sachverhalt anzuwenden.
Im Beschwerdefall ist die Bauordnung für Wien (BO) in der Fassung LGBl. Nr. 46/2010 anzuwenden. § 60 BO lautet auszugsweise:
"Ansuchen um Baubewilligung
§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:
a) Neu-, Zu- und Umbauten. Unter Neubau ist die Errichtung neuer Gebäude zu verstehen; ein solcher liegt auch vor, wenn nach Abtragung bestehender Bauwerke die Fundamente oder Kellermauern ganz oder teilweise wieder benützt werden. Ein einzelnes Gebäude ist ein raumbildendes Bauwerk, das in seiner Bausubstanz eine körperliche Einheit bildet und nicht durch Grenzen eines Bauplatzes oder Bauloses oder durch Eigentumsgrenzen geteilt ist, ausgenommen die zulässige Bebauung von Teilen des öffentlichen Gutes. Der Bezeichnung als ein einzelnes Gebäude steht nicht entgegen, dass in ihm Brandmauern enthalten sind oder es auf Grundflächen von verschiedener Widmung, verschiedener Bauklasse oder verschiedener Bauweise errichtet ist. Ein Raum liegt vor, wenn eine Fläche zumindest zur Hälfte ihres Umfanges von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen ist; ein Aufenthaltsraum muss allseits umschlossen sein. …".
Gemäß § 129 Abs. 1 BO ist für die bewilligungsgemäße Benützung der Räume der Eigentümer (jeder Miteigentümer) des Bauwerkes verantwortlich. Im Falle der Benützung der Räume durch einen anderen geht die Haftung auf diesen über, wenn er vom Eigentümer über die bewilligte Benützungsart in Kenntnis gesetzt worden ist.
Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriges Bauwerk, für das eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Bauwerkes zu richten.
Das Wiener Garagengesetz 2008 (kurz: WGG), LGBl. Nr. 34/2009 in der Fassung LGBl. Nr. 46/2010, lautet auszugsweise:
"Anwendungsbereich
§ 1. (1) Unter die Bestimmungen dieses Gesetzes fallen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. | Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen, |
2. | kraftbetriebene Parkeinrichtungen, |
3. | Tankstellen und |
4. | Abstellplätze für Fahrräder. |
(2) Soweit dieses Gesetz keine abweichenden Vorschriften enthält, gelten für die in Abs. 1 bezeichneten Bauwerke und Anlagen die Bestimmungen der Bauordnung für Wien.
…
§ 2. ...
(2) Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen sind Stellplätze und überdachte Stellplätze, Parkdecks, Garagen sowie Garagengebäude.
(3) Stellplatz heißt jene Fläche, die dem Abstellen des einzelnen Kraftfahrzeuges dient.
...
Bewilligungspflicht
§ 3. (1) Sofern nicht § 62 oder § 62a der Bauordnung für Wien zur Anwendung kommt, bedürfen einer baubehördlichen Bewilligung im Sinne der §§ 60 und 70, 70a, 71 oder 73 der Bauordnung für Wien:
1. Neu- und Zubauten von Bauwerken zum Einstellen von Kraftfahrzeugen;
2. die Verwendung von Flächen oder Räumen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen, ohne dass eine Bauführung erfolgt, soweit hiefür eine baubehördliche Bewilligung noch nicht vorliegt;
…"
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Bewilligungspflicht der Verwendung der gegenständlichen Fläche als Stellplätze zum Abstellen von Kraftfahrzeugen gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 WGG. Eine Bewilligung wurde unbestritten nicht erteilt.
Auch bei einer Verletzung der Bestimmungen über die baubehördliche Bewilligungspflicht nach dem WGG sind die Bestimmungen des § 129 Abs. 10 BO über die Beseitigung vorschriftswidriger Zustände - so auch auf die vorschriftswidrige, bloße Verwendung von Flächen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen ohne Bauführung - anzuwenden, weil nach § 1 Abs. 2 WGG die Bestimmungen der BO gelten, soweit das WGG keine abweichenden Vorschriften enthält (vgl. das zwar zur Rechtslage vor dem WGG 2008 ergangene, angesichts der im Wesentlichen unveränderten Rechtslage aber auch hier heranziehbare hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/05/0168, und die bei Geuder/Hauer , Wiener Bauvorschriften, 5. Auflage, S. 1049 unter Z 9 ff zitierte hg. Judikatur).
Zur geltend gemachten Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung des § 129 Abs. 1 zweiter Satz BO ist auszuführen, dass § 129 Abs. 1 BO nach seinem eindeutigen Wortlaut ausschließlich auf Räume Anwendung findet (vgl. auch Moritz , Bauordnung für Wien,
4. Auflage, S. 304, und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 617/55, betreffend die Einstellung von Autobussen in einem ehemaligen Tanzsaal). Ein Raum im Sinne der Legaldefinition des § 60 Abs. 1 lit. a BO liegt hier unbestritten nicht vor, weshalb
§ 129 Abs. 1 BO auch nicht angewendet werden kann. Auf Grund des eindeutigen Wortlautes des § 129 Abs. 1 BO scheidet auch eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf sonstige Flächen aus.
§ 129 Abs. 10 BO nennt zwar nicht den Grundeigentümer als Adressaten eines Bauauftrages; im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 WGG muss aber auch die Fläche, die (ohne erforderliche Bewilligung) dem Einstellen von Kraftfahrzeugen dient (§ 2 Abs. 2 und 3 WGG), als Anlage gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit., demnach wie ein Bauwerk iSd
§ 129 Abs. 10 BO angesehen werden (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom ). Und ein Beseitigungsauftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO ist stets an den Eigentümer des Bauwerkes zu richten, dies unabhängig davon, ob er oder seine Rechtsvorgänger oder aber ein Dritter den konsenswidrigen Zustand herbeigeführt hat (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom , mwN).
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am