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VwGH vom 23.05.2018, Ra 2016/05/0094

VwGH vom 23.05.2018, Ra 2016/05/0094

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der Mag. M H in W, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 14, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , Zl. VGW-111/077/7202/2015-29, VGW- 111/077/7203/2015, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörden vor dem Verwaltungsgericht: 1. Magistrat der Stadt Wien und 2. Bauausschuss der Bezirksvertretung für den

17. Bezirk; weitere Partei: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: D GmbH in W, vertreten durch die Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 Mit Eingabe vom suchte die mitbeteiligte Partei (im Folgenden: Bauwerberin) beim Magistrat der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die "Revitalisierung des Etablissements G..., Um- und Zubau" auf zwei näher bezeichneten, in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken mit den Adressen G.-Gasse 38 und G.- Gasse 40 an. Im für diese Grundstücke geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan (Plandokument 7426) ist die Widmung "Wohngebiet" ausgewiesen und für den nördlichen Teil des Grundstücks mit der Adresse G.-Gasse 40 eine gärtnerisch zu gestaltende Grundstücksfläche festgesetzt, unter der keine unterirdischen Bauten errichtet werden dürfen. Ferner befinden sich die genannten Grundstücke in einer Schutzzone.

2 Die Revisionswerberin ist Eigentümerin des an die beiden Grundstücke nördlich unmittelbar angrenzenden Grundstücks mit der Adresse H.-Straße 43.

3 Mit Schreiben vom erhob die Revisionswerberin Einwendungen gegen das Bauvorhaben, die sich im Wesentlichen auf die Überschreitung der Gebäudehöhe und der Baufluchtlinie, die Verpflichtung zur gärtnerischen Ausgestaltung und die unterirdische Bebauung bezogen.

4 Mit Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 17. Bezirk (im Folgenden: Bauausschuss) vom wurden gemäß § 69 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) für das Bauvorhaben Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplanes dahingehend für zulässig erklärt, dass durch die Errichtung des hofseitigen Zubaues auf einer Länge von 18,66 m die festgesetzte Fluchtlinie um 2,50 m im 1. Obergeschoss überschritten, durch den unterirdischen Zubau im 1. Kellergeschoss im Ausmaß von ca. 268 m2 vom Verbot der unterirdischen Bebauung unter der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche abgewichen sowie durch die Errichtung der hofseitigen Zubauten die zulässige Gebäudehöhe von 6,00 m auf einer Länge von 2,60 m an der rechten Grundgrenze und auf einer Länge von 13,30 m sowie von 18,66 m an der linken Grundgrenze um 1,50 m überschritten werden dürfe.

5 Mit Bescheid des Magistrates vom wurde der Bauwerberin unter Bezugnahme auf den Bescheid des Bauausschusses vom unter Vorschreibung von Auflagen die beantragte Baubewilligung erteilt.

6 Auf Grund der von der Revisionswerberin dagegen erhobenen Berufung wurden mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien (im Folgenden: Bauoberbehörde) vom gemäß § 66 Abs. 2 AVG die beiden Bescheide aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheide an die Behörden erster Instanz zurückverwiesen.

7 Dazu führte die Bauoberbehörde im Wesentlichen aus, dass zur Frage, ob die Zielrichtung des geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes durch das gegenständliche Bauvorhaben unterlaufen werde, - so hinsichtlich der Überschreitung der Gebäudehöhe, der Ausgestaltung des Bauvorhabens in der Schutzzone, der Immissionen und der im gegenständlichen Fall zu beachtenden Immissionsbeschränkungen im Zusammenhang mit der Betriebstypentheorie - keine ausreichenden Amtssachverständigengutachten eingeholt worden seien. Es bestehe auch eine Divergenz zwischen dem gegenständlichen Bauprojekt und den Grundlagen der lärmtechnischen Sachverständigenaussagen (Privatgutachten der Bauwerberin und die darauf aufbauende Stellungnahme des lärmtechnischen Amtssachverständigen vom ), weshalb diese nicht nachvollziehbar seien. Der erhobene Sachverhalt sei in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig, und im fortzusetzenden Verfahren sei das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen des § 69 BO mittels ausführlich begründeter sachverständiger Stellungnahmen zu prüfen sowie unter Heranziehung von lärmtechnischen und medizinischen Sachverständigen die typenmäßige Zulässigkeit des Projekts neuerlich zu beurteilen, wobei Gutachten bestehend aus Befund und Gutachten im engeren Sinn einzuholen seien.

8 Im fortgesetzten Verfahren holte der Magistrat gutachterliche Stellungnahmen von Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 19, Architektur und Stadtgestaltung (Stellungnahme vom ), der Magistratsabteilung 15, Gesundheitsdienst der Stadt Wien (Stellungnahme vom ), der Magistratsabteilung 21, Stadtteilplanung und Flächennutzung (Stellungnahme vom ), und der Magistratsabteilung 22, Wiener Umweltschutzabteilung (Stellungnahme vom ), ein und führte am eine mündliche Verhandlung durch, in der die Revisionswerberin ihre Einwendungen aufrecht erhielt und sich auch gegen die vom geplanten Bauwerk ausgehenden Emissionen wendete. Der Magistrat holte in der Folge die weitere gutachterliche Stellungnahme des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 22, Wiener Umweltschutzabteilung, vom zu den von der Bauwerberin vorgelegten schalltechnischen Stellungnahmen vom , und ein.

9 Mit Bescheid vom erklärte der Bauausschuss (neuerlich) die Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplanes für das gegenständliche Bauvorhaben gemäß § 69 BO dahingehend für zulässig, dass durch die Errichtung des hofseitigen Zubaues auf einer Länge von 18,66 m die festgesetzte Fluchtlinie um 2,50 m im 1. Obergeschoss überschritten, durch den unterirdischen Zubau im 1. Kellergeschoss im Ausmaß von ca. 268 m2 vom Verbot der unterirdischen Bebauung unter der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche abgewichen sowie durch die Errichtung der hofseitigen Zubauten die zulässige Gebäudehöhe von 6,00 m auf einer Länge von 2,60 m an der rechten Grundgrenze und auf einer Länge von 13,30 m sowie von 18,66 m an der linken Grundgrenze um 1,50 m überschritten werden dürfe.

10 Dazu führte der Bauausschuss zusammenfassend im Wesentlichen aus, die Zielrichtung des Bebauungsplanes werde durch die Überschreitung der Gebäudehöhe nicht unterlaufen. Der oberste Abschluss der Gebäudefront befinde sich noch innerhalb des durch den Bebauungsplan möglichen Umrisses gemäß § 81 Abs. 4 BO, und die Belichtungsverhältnisse würden nicht beeinträchtigt. Durch die Überschreitung der hinteren Baufluchtlinie werde die bebaubare Fläche zwar in diesem Bereich vermehrt, jedoch werde der nördlich bebaubare Bereich (der näher zur Grundgrenze der Liegenschaft der Revisionswerberin liege) nicht voll ausgenützt, sodass die Vergrößerung der bebaubaren Fläche gegenüber den Bestimmungen des Bebauungsplanes rund 2 % betrage. Diese Überschreitung sei als geringfügig anzusehen, weshalb kein Widerspruch zu der vom Bebauungsplan verfolgten Bebauungsstruktur bestehe. Die Widmung Wohngebiet lasse auch Bauten, die kulturellen oder sozialen Zwecken dienten, zu. Im Hinblick auf die unterirdische Bebauung sei kein Nachbarrecht betroffen. Durch das Verbot der Errichtung unterirdischer Bauten sollten entsprechende Grün- und Freiflächen sichergestellt und vor allem der hochwertige Vegetationsbestand geschützt werden. Der Baumbestand entlang der nördlichen Grundgrenze erscheine als durch die Errichtung des Kellers nicht gefährdet, und die Freihaltung ausreichender Flächen von unterirdischer Bebauung sei gegeben, weshalb der durch den Bebauungsplan verfolgten Zielsetzung entsprochen werde. Die Erschließung der Liegenschaft werde grundsätzlich nicht verändert. Aus stadtgestalterischer Sicht überwiege gemäß § 69 Abs. 3 BO das öffentliche Interesse an der Situierung und Ausbildung von hofseitigen Zubauten durch die Verlagerung von straßenseitigem Volumen sowie die Beibehaltung der bestehenden Gebäudehöhe an der Straßenfront zur Gestaltung des örtlichen Stadtbildes. Das für den Bauplatz zulässige Volumen werde durch das gegenständliche Bauvorhaben nicht erreicht.

11 Mit Bescheid vom erteilte der Magistrat der Bauwerberin unter Bezugnahme auf den Bescheid des Bauausschusses vom und unter Vorschreibung von Auflagen die Baubewilligung für die beantragten Zu- und Umbauten, Teilabbrüche und sonstigen baulichen Maßnahmen.

12 Begründend führte der Magistrat (u.a.) aus, dass laut Gutachten der Magistratsabteilung 22 bei der Umsetzung der im Gutachten beschriebenen Schallschutzmaßnahmen mit keiner Lärmbelästigung zu rechnen sei. Die Lautstärke der musikalischen Darbietungen werde durch Auflagen in den jeweiligen Genehmigungsverfahren nach der Gewerbeordnung und dem Veranstaltungsgesetz beschränkt, wobei die Vorschreibung eines Grenzwertes für die Lautstärke der Musik aber erst nach Vorliegen der endgültigen Werte für die Standard-Schallpegeldifferenz und den Standard-Trittschallpegel erfolgen könne. Bezüglich der Abweichungen von den Bebauungsvorschriften gemäß § 69 BO obliege die Entscheidung dem Bauausschuss, der mit Bescheid vom die Bewilligung von Abweichungen erteilt habe. Über Einsprüche gegen diese Abweichungen sei im Bescheid des Bauausschusses entschieden worden.

13 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide des Bauausschusses und des Magistrates Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht).

14 Dieses führte (am , und ) eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines schalltechnischen, einer medizinischen und von bautechnischen Amtssachverständigen sowie der von der Bauwerberin herangezogenen Privatsachverständigen durch.

15 Mit Eingabe vom erklärte die Bauwerberin gegenüber dem Verwaltungsgericht, eine Projekteinschränkung hinsichtlich der hofseitigen Auskragung des Bauprojekts vorzunehmen, und legte dementsprechend überarbeitete Einreichpläne vor. Ferner listete sie die beabsichtigten Nutzungen des Bauprojektes (Lesungen, Tanzaufführungen, Tanzschulen, Theatervorführungen, Ausstellungen, Konzerte, Kinderveranstaltungen, Feste, Podiumsdiskussionen, Chormusik, (Kultur-)Vereine) jeweils mit näheren Erläuterungen detailliert auf.

16 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Verwaltungsgericht unter Spruchpunkt I. den Spruch des Bescheides des Bauausschusses vom dahin ab, dass der Satz betreffend die Zulässigkeit der Überschreitung der festgesetzten Fluchtlinie durch die Errichtung des hofseitigen Zubaus auf einer Länge von 18,66 m um 2,50 m im I. Obergeschoss zu entfallen habe. Unter Spruchpunkt II. ergänzte es den Bescheid des Magistrats vom durch eine Beschreibung, welche kulturellen und sozialen Aktivitäten die Nutzung des Palais G... im Einzelnen umfasse. Darüber hinaus wurde unter diesem Spruchpunkt festgehalten, dass im Zuge des Beschwerdeverfahrens eine Projekteinschränkung mit einem Planwechsel stattgefunden habe, die insbesondere eine Verschmälerung des hofseitig überkragenden Bereiches um 130 cm umfasse, wobei die geänderten Einreichpläne einen Bestandteil dieses Erkenntnisses bildeten, und im Übrigen die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt.

17 Dazu führte das Verwaltungsgericht (u.a.) aus, es treffe zwar zu, dass die tragenden Gründe des behebenden Bescheides der Bauoberbehörde vom in Rechtskraft erwachsen seien. Die Rechtslage, vor deren Hintergrund dieser Bescheid ergangen sei, sei jedoch - im Gegensatz zur geltenden, durch § 27 VwGVG geprägten Rechtslage - dadurch gekennzeichnet, dass die Berufungsbehörde berechtigt gewesen sei, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid in jede Richtung abzuändern (§ 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG in der damals geltenden Fassung). Wenn daher die Bauoberbehörde in ihrem Berufungsbescheid ausführe, dass im fortzusetzenden Verfahren bestimmte Verfahrensschritte, wie zum Beispiel die Einholung bestimmter Befunde und Gutachten von Sachverständigen für bestimmte Fachgebiete, erforderlich seien, so sage dies nicht notwendigerweise etwas darüber aus, ob die Einholung derartiger Sachverständigenbefunde und -gutachten auch für die Wahrung von subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten notwendig sei. Es habe vielmehr der damaligen Rechtslage entsprochen, dass die Berufungsbehörde die Berufung eines Nachbarn auch zum Anlass habe nehmen können, von Amts wegen Rechtswidrigkeiten und Verfahrensmängel aufzugreifen und aus diesen Gründen einen Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG zu beheben. Tatsächlich fänden sich in den tragenden Gründen des behebenden Berufungsbescheides keinerlei Hinweise, dass die Revisionswerberin als Eigentümerin einer angrenzenden Liegenschaft einen subjektiv-öffentlichen Rechtsanspruch auf Durchführung der Verfahrensschritte habe, welche die Bauoberbehörde für erforderlich erachtet habe. Die Revisionswerberin könne aus dem genannten Bescheid der Bauoberbehörde keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte ableiten, sondern müsse diese aus § 134a Abs. 1 BO in Verbindung mit der rechtzeitigen Erhebung von Einwendungen begründen.

18 Vor diesem Hintergrund sei zunächst darauf einzugehen, dass die Revisionswerberin bis zur ersten Bauverhandlung keine Einwendungen wegen Emissionen oder Immissionen durch die Gastronomie oder Veranstaltungen, insbesondere auch nicht wegen Lärm, erhoben habe. Sie habe allerdings anlässlich der neuerlichen mündlichen Verhandlung in erster Instanz entsprechende Einwendungen, insbesondere wegen Lärmimmissionen, und im Bauverfahren auch wegen Überschreitung der Gebäudehöhe sowie der hofseitigen Baufluchtlinie erhoben und im Zuge dessen insoweit Parteistellung erlangt.

19 Hinsichtlich der Einwendungen der Revisionswerberin betreffend die beabsichtigte unterirdische Verbauung sei auszuführen, dass dadurch ihre subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte nicht verletzt werden könnten. Dem Nachbarn stehe gemäß § 134a BO ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der gärtnerischen Ausgestaltung nicht zu. Dem Beschwerdevorbringen, dass eine Versiegelung von Bodenflächen auf Grund der vorgesehenen unterirdischen Bebauung mit der in den Bebauungsbestimmungen vorgesehenen gärtnerischen Ausgestaltung von betroffenen Flächen nicht vereinbar wäre, stehe somit kein Nachbarrecht gegenüber.

20 Die Einwendungen der Revisionswerberin betreffend die Gebäudehöhe und die innere Baufluchtlinie beträfen bewilligte Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplanes, und sie habe einen Anspruch darauf, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausnahmebewilligung eingehalten würden.

21 Die Bebaubarkeit der Grundfläche der Revisionswerberin werde durch das gegenständliche Bauvorhaben nicht vermindert, weshalb die Voraussetzung des § 69 Abs. 1 Z 1 BO erfüllt sei.

22 In § 69 Abs. 1 Z 2 BO werde auf die Flächenwidmung und damit auf die Betriebstypentheorie verwiesen. Das Baugrundstück befinde sich im Wohngebiet. Die in § 6 Abs. 6 zweiter Satz BO festgelegte Immissionsbeschränkung gelte nicht für Bauten im Sinne des § 6 Abs. 6 erster Satz BO, sodass letztere im Wohngebiet jedenfalls zulässig seien und kein Nachbarrecht gemäß § 134a Abs. 1 lit. e BO verletzen könnten. Gegenständlich sei zunächst die Frage entscheidend, ob der Betrieb kulturellen und allenfalls sozialen Zwecken im Sinne des § 6 Abs. 6 erster Satz BO diene oder aber eine Gast-, Versammlungs- oder Vergnügungsstätte im Sinne des § 6 Abs. 6 zweiter Satz BO darstelle. Eine solche Zuordnung habe auf Grund einer Gesamtbetrachtung des Betriebes zu erfolgen, wobei darauf abzustellen sei, welche Zwecke überwögen. Die Bauwerberin habe die Betriebsabläufe in ausreichender Weise soweit konkretisiert, dass von einem Überwiegen der kulturellen und sozialen Zwecke ausgegangen werden könne. Wenn die beiden inkludierten Gastgewerbebetriebe nicht unmittelbar kulturellen Zwecken dienten, sondern nur im Gesamtkonzept indirekt die kulturellen Zielsetzungen unterstützten, so stehe dies - ähnlich einem Theater mit Kantine - dem kulturellen Zweck des Gesamtbetriebes nicht entgegen. Das Gleiche gelte für den Fall, dass einzelne Veranstaltungen bloß Unterhaltungszwecken dienen sollten, zumal ein Theater, wenn es gegebenenfalls auch einzelne Veranstaltungen ohne kulturelle Zielsetzung durchführen sollte, bei der gebotenen Gesamtbetrachtung seine Eigenschaft als Theater nicht verlöre. Schließlich seien im Wohngebiet u.a. Gaststätten, Restaurationsbetriebe und Kaffeehäuser zulässig, weshalb die im Gesamtbetrieb inkludierten beiden Gastgewerbebetriebe - ein Restaurant und ein Kaffeehaus - von ihrer widmungsgemäßen Zulässigkeit im Wohngebiet aus nicht zu beanstanden seien, zumal diese nicht das Ausmaß von im Wohngebiet üblichen Restaurations- und Kaffeehausbetrieben überschritten. Im Ergebnis seien die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Z 2 BO erfüllt.

23 Wenn gemäß § 69 Abs. 1 Z 3 BO das vom Flächenwidmungs- und Bebauungsplan beabsichtigte örtliche Stadtbild nicht störend beeinflusst werden dürfe, so umfasse dies die architektonische Seite, nicht hingegen die beabsichtigte Nutzung zu kulturellen und sozialen Zwecken. Der Amtssachverständige der Magistratsabteilung 19 habe in der mündlichen Verhandlung schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass das Bauwerk in der Zeit seiner Nutzung als kulturelles und gesellschaftliches Zentrum auch als Bauwerk kulturhistorische Bedeutung erlangt habe, es sich nunmehr in einem Zustand des fortschreitenden Verfalls befinde und an einer Renovierung und Wiederherstellung des Bauwerks im Sinne seiner erworbenen kulturhistorischen Bedeutung ein stadtgestalterisches Interesse bestehe. Es liege im stadtgestalterischen Interesse, die baurechtlich mögliche Kubatur an der Straßenfront nicht auszunutzen, um die Straßenfront in ihrem wesentlichen Bestand zu erhalten bzw. zu renovieren, und stattdessen einen Teil der baurechtlich möglichen Kubatur zum Innenhof hin zu verlagern. Die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Z 3 BO seien daher erfüllt.

24 Auch die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Z 4 BO, wonach die beabsichtigte Flächennutzung sowie Aufschließung nicht grundlegend anders werden dürften, lägen vor. Die Revisionswerberin stelle hier einen Vergleich des Bauvorhabens mit dem gegenwärtigen Zustand des Gebäudes als aufgelassene "Radiofabrik" und als Lager dar. Dem sei entgegenzuhalten, dass es nach dem eindeutigen Wortlaut des § 60 Abs. 1 Z 4 leg. cit. nicht auf die tatsächliche gegenwärtige, sondern auf die vom Flächenwidmungs- und Bebauungsplan beabsichtigte Flächennutzung und Aufschließung ankomme. Gegenständlich liege ein Bauwerk von kulturhistorischer Bedeutung vor, das sich nach Letztnutzungen als Radiofabrik und als Lager in einem nicht renovierten und zunehmend verfallenden Zustand befinde. Ein solcher Zustand eines Bauwerkes von kulturhistorischer Bedeutung entspreche nicht der beabsichtigten Flächennutzung und Aufschließung.

25 Ebenso seien die Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Z 3 BO erfüllt. Die Amtssachverständigen der Magistratsabteilungen 19 und 21 hätten im Behördenverfahren nachvollziehbar herausgearbeitet, dass die Wiederherstellung des kulturellen Betriebes des Palais G... anstatt seiner derzeitigen Verwendung als aufgelassene Radiofabrik und Lager der Herbeiführung eines den zeitgemäßen Vorstellungen entsprechenden örtlichen Stadtbildes diene. Das gegenständliche Bauwerk befinde sich in einem nicht renovierten und insofern in einem den zeitgemäßen Vorstellungen des örtlichen Stadtbildes nicht entsprechenden Zustand des fortschreitenden Verfalls und würde durch das Bauvorhaben in einen renovierten, seiner kulturhistorischen Bedeutung entsprechenden und den zeitgemäßen Vorstellungen des örtlichen Stadtbildes entsprechenden Zustand versetzt werden.

26 Das Bauvorhaben befinde sich in einer Schutzzone. Was die Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 BO anlange, so sei die barrierefreie und zeitgemäße Erschließung des Gebäudes untrennbarer Teil des Gesamtprojektes. Am Gesamtprojekt bestehe auf Grund der kulturhistorischen Bedeutung des Etablissements G... und der Bedeutung der Wiederherstellung seiner ursprünglichen Nutzung ein gewichtiges öffentliches Interesse. Die im Verfahren hervorgekommenen gegenläufigen Interessen reichten an das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung der ursprünglichen Nutzung des Palais nicht heran. Durch die Verlagerung eines Teiles der möglichen Kubatur von der Straßenfront zum Innenhof werde die Gebäudehöhe an der der Revisionswerberin zugewandten Front um 1,50 m (sowohl an der rechten Grundgrenze auf einer Länge von 2,60 m als auch an der linken Grundgrenze auf einer Länge von 13,30 m) überschritten. In Anbetracht der hohen kulturhistorischen Bedeutung des Bauwerkes bestehe ein großes öffentliches Interesse daran, dass die Straßenfront in ihrer ursprünglichen Bedeutung erhalten bzw. renoviert und wiederhergestellt werde. Die Wiederherstellung der kulturhistorischen Bedeutung des Bauwerkes sei im Zusammenhang mit der Wiederherstellung der Verwendung des Bauwerkes als kulturelles und gesellschaftliches Zentrum zu sehen, wozu entsprechende Kubatur benötigt werde. Es bestehe daher ein gewichtiges öffentliches Interesse daran, dass die benötigte und vom Bauplatz her zulässige Kubatur an der Straßenfront nicht ausgeschöpft und stattdessen zur Hoffront verlagert werde. Genau das sehe das gegenständliche Bauvorhaben vor. Hingegen gehe das Interesse der Revisionswerberin, dass die vorgesehene hofseitige Überschreitung der Gebäudehöhe um 1,50 m an einzelnen Stellen unterbleibe, nicht wesentlich über ihr allgemeines Interesse an der Einhaltung der Gebäudehöhe hinaus, und es wiege insoweit geringer als das stadtgestalterische öffentliche Interesse an der Wiederherstellung des Gebäudes. Daher überwögen auch die öffentlichen Interessen an der Schaffung der benötigten Kubatur im Hofbereich gegenüber dem Interesse der Revisionswerberin, dass die Gebäudehöhe nicht in dem vorgesehenen Ausmaß überschritten werde. Die erste Voraussetzung des § 69 Abs. 3 BO sei daher erfüllt.

27 Was die zweite Voraussetzung des § 69 Abs. 3 BO, wonach durch Bauvorhaben in Schutzzonen die zulässige Ausnützbarkeit des Bauplatzes nicht überschritten werden dürfe, anlange, so stelle diese Ausnützbarkeit nur auf die oberirdische Bebauung ab, was sich teleologisch aus dem in § 69 Abs. 3 BO hergestellten Zusammenhang mit Schutzzonen ergebe. Daraus folge, dass die im Bauvorhaben vorgesehene unterirdische Verbauung (Verbauung unterhalb der gärtnerisch auszugestaltenden Flächen) für die Gebäudehöhe nicht über den Umweg des § 69 Abs. 3 BO relevant sei. Es habe sich hinsichtlich der Überschreitung der Ausnützbarkeit des Bauplatzes (durch die oberirdische Verbauung) auch die Frage gestellt, ob nur auf die volumenbezogene Ausnützbarkeit oder auch auf die flächenmäßige Ausnützbarkeit abzustellen sei. Daraufhin habe die Bauwerberin ihr Bauvorhaben so eingeschränkt, dass die zunächst beabsichtigte Überschreitung der flächenmäßigen Ausnützbarkeit des Bauplatzes nicht mehr vorgesehen sei und die geplante oberirdische Verbauung die Ausnützbarkeit des Bauplatzes weder volumsmäßig noch flächenmäßig überschreite. Es liege daher auch die zweite Voraussetzung des § 69 Abs. 3 BO vor.

28 Durch die Projekteinschränkung handle es sich bei der Auskragung im 1. Obergeschoss nunmehr um einen Erker in einem nach § 84 Abs. 2 lit. a BO zulässigen Umfang. Als solcher dürfe er nach dieser Gesetzesbestimmung über Baufluchtlinien und damit über die gegenständliche hofseitige Baufluchtlinie vorragen, ohne dass dafür eine Ausnahmebewilligung nach § 69 BO erforderlich wäre. Die von der Revisionswerberin in der Beschwerde bekämpfte diesbezügliche Ausnahme im Bescheid des Bauausschusses vom ("durch die Errichtung des hofseitigen Zubaus darf auf einer Länge von 18,66 m die festgesetzte Fluchtlinie um 2,50 m im 1. Obergeschoss überschritten werden.") sei daher nach dem eingeschränkten Bauvorhaben nicht mehr erforderlich und aufzuheben.

29 Wenn die Revisionswerberin im fortgesetzten Bauverfahren die Unzulässigkeit von Immissionen eingewendet habe, so würden Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung des Bauwerkes ergeben könnten, zum Inhalt hätten, gegenständlich nicht verletzt. Bei Bauten, die religiösen, kulturellen oder sozialen Zwecken dienten, sei gemäß § 6 Abs. 6 BO nicht auf das Ausmaß der Immissionen abzustellen. Das Bauvorhaben diene kulturellen und sozialen Zwecken, weshalb die durch seinen projektgemäßen Betrieb entstehenden Immissionen ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht nach § 134a Abs. 1 lit. e BO nicht begründeten.

30 Betrachte man die im Gesamtbetrieb eingebetteten drei Gewerbebetriebe - Restaurant, Kaffeehaus und Greißlerei - isoliert, so entsprächen diese in ihrer Betriebstype, Größe und Betriebsweise nach der gebotenen abstrakten Beurteilung dem im Wohngebiet Üblichen und Zulässigen. Es werde daher auch durch diese drei Gewerbebetriebe ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht der Revisionswerberin nach § 134a Abs. 1 lit. e BO nicht verletzt.

31 Die Bestimmung des § 7 BO über Schutzzonen diene ebenso nicht dem Schutz der Nachbarn vor Immissionen.

32 Wenn die Revisionswerberin geltend mache, die Zielrichtung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes bestünde unter anderem darin, keine versiegelten Bodenflächen zu erzeugen, sondern Anpflanzungen auch größerer Bäume zu ermöglichen, und durch die vorgesehene unterirdische Verbauung sei mangels ausreichenden Erdreiches über der Verbauung eine nennenswerte Bepflanzung nicht möglich, so sei auszuführen, dass der Revisionswerberin ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht auf Unterbleiben der unterirdischen Verbauung nicht zukomme. Im Falle der Vorschreibung einer gärtnerischen Ausgestaltung komme dem Nachbarn lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf Freihaltung der diesbezüglichen Grundfläche zu, nicht aber ein weitergehender Anspruch etwa hinsichtlich der Art der Ausgestaltung. Selbst dann, wenn die Bauwerberin die gärtnerisch auszugestaltende Fläche mit Betonplatten versiegeln würde, wäre die Revisionswerberin dadurch nicht in einem subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht verletzt. Mit ihrem Vorbringen, dass es durch die unterirdische Verbauung und die Auskragung im 1. Obergeschoss unmöglich sei, auf der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche Bäume und Sträucher zu pflanzen, und für eine nennenswerte Bepflanzung zu wenig Erdreich bzw. unterhalb der Auskragung zu wenig Luftraum verbleibe, zeige die Revisionswerberin keine Verletzung eines Nachbarrechts auf. Die Überschreitung der Gebäudehöhe erfordere zwar eine Genehmigung nach § 69 BO, dies stehe jedoch in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der unterirdischen Verbauung.

33 Dem Vorbringen der Revisionswerberin, dass Aufträgen der Bauoberbehörde nicht nachgekommen worden sei, sei

entgegenzuhalten, dass ihr kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung von Aufträgen der Bauoberbehörde in einem behebenden Bescheid zukomme. Sie sei insoweit auf die Geltendmachung der subjektiv-öffentlichen Rechte beschränkt, die ihr die BO einräume. Es sei daher nicht Gegenstand der Prüfung durch das Verwaltungsgericht, ob die belangte Behörde den Aufträgen der Bauoberbehörde vollständig nachgekommen sei.

34 Was das Vorbringen der Revisionswerberin hinsichtlich der Gästezahl und des Ausmaßes der Emissionen, wobei das Ausmaß an Schallemissionen im Vordergrund stehe, anlange, so habe die Bauwerberin schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die Gesamtzahl der Gäste geringer sei als die Summe der Gäste in den einzelnen Bereichen, weil nicht vorgesehen sei, die Maximalzahlen an Gästen in den einzelnen Bereichen gleichzeitig auszuschöpfen. Die Summe der Maximalzahlen der einzelnen Teilbereiche, von denen die Revisionswerberin ausgehe, sei damit nicht projektgegenständlich. Das Thema der Gästezahlen beträfe darüber hinaus nur dann ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht der Revisionswerberin, wenn ein Betriebstypenvergleich erforderlich wäre, was gerade nicht der Fall sei.

35 Die Bauwerberin habe im Beschwerdeverfahren ein umfangreiches Gutachten vorgelegt, das auch den Schallschutz behandle. Zu diesem Gutachten habe der schalltechnische Amtssachverständige in der mündlichen Verhandlung am vor dem Verwaltungsgericht Stellung bezogen und Ausführungen getätigt (im Erkenntnis näher ausgeführt). Die Aussagen seien schlüssig und nachvollziehbar, weshalb das Verwaltungsgericht davon ausgehe, dass dieser schalltechnische Sachverhalt zutreffe. In rechtlicher Hinsicht sei jedoch auszuführen, dass diese schalltechnischen Feststellungen einen wesentlichen Aspekt der Sachverhaltsgrundlagen für einen Betriebstypenvergleich darstellen würden. Da ein Betriebstypenvergleich aber gerade nicht erforderlich sei, seien diese Sachverhaltsfeststellungen in rechtlicher Hinsicht überschießend.

36 Dem Vorbringen der Revisionswerberin, die Zielrichtung der besonderen Bestimmungen der Flächenwidmung hinsichtlich des Verbotes der unterirdischen Verbauung, die die Magistratsabteilung 19 darstelle, sei überhaupt nicht nachvollziehbar, sei entgegenzuhalten, dass der Revisionswerberin diesbezüglich kein Nachbarrecht zukomme, weshalb vom Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes nicht umfasst sei, ob die Zielrichtung dieser besonderen Bestimmungen nachvollziehbar sei oder nicht.

37 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

38 Der Magistrat erstattete eine Revisionsbeantwortung. Mit

Schriftsatz vom replizierte die Revisionswerberin darauf.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

39 Die Revision erweist sich in Anbetracht ihrer Ausführungen zur Notwendigkeit einer Überprüfung der vom geplanten Bauprojekt ausgehenden Immissionen als zulässig. Ihr kommt im Ergebnis auch Berechtigung zu.

40 Die Revision bringt mit näheren Ausführungen vor, dass die Revisionswerberin in ihrem Recht auf Nichtüberschreitung der zulässigen Ausnützbarkeit des Bauplatzes gemäß § 69 Abs. 3 BO verletzt sei, weil in dieser Bestimmung sowohl die oberirdische als auch die unterirdische Bebauung gemeint und durch den unterirdischen Zubau im 1. Kellergeschoss im Ausmaß von ca. 268,00 m2 daher vom Verbot der unterirdischen Bebauung unter einer gärtnerisch auszugestaltenden Fläche abgewichen worden sei.

41 Ferner werde die Revisionswerberin in ihrem subjektiven Recht gemäß § 69 Abs. 1 BO verletzt, wonach durch die Abweichungen die Zielrichtung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes nicht unterlaufen werden dürfe, weil ein Teil der baurechtlich möglichen Kubatur zum Innenhof hin durch Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe von 6,00 m auf einer Länge von 2,60 m an der rechten Grundgrenze und einer Länge von 13,30 m sowie 18,66 m an der linken Grundgrenze um 1,50 m verlagert werde. Das Verwaltungsgericht habe lediglich auf die Stellungnahme des Amtssachverständigen verwiesen, ohne zu erläutern, weshalb die geplante Renovierung und Wiederherstellung nicht die Zielrichtung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes unterlaufe, und es sei nicht ersichtlich, weshalb bei einer bloßen Renovierung bzw. Wiederherstellung solch eine Verlagerung der Kubatur notwendig sei. Mangels einer rechtfertigenden Begründung für die Verlagerung der Kubatur zum Innenhof hin hätte die Abweichung nicht gemäß § 69 Abs. 1 BO bewilligt werden dürfen.

42 Darüber hinaus werde die Revisionswerberin in ihrem subjektiven Recht, dass gemäß § 6 Abs. 6 BO in Wohngebieten nur Bauwerke, die religiösen, kulturellen oder sozialen Zwecken dienten, errichtet werden dürften, verletzt. Entgegen § 6 Abs. 6 Satz 2 BO sei keine Überprüfung und Auseinandersetzung mit den vom Bauwerk zu erwartenden Immissionen bzw. Emissionen durchgeführt worden. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes seien die zu erwartenden Immissionen durch die geplanten Gastronomiebetriebe - Gasthaus und Kaffeehaus - sehr wohl beachtlich, und es sei daher eine Betriebstypenprüfung durchzuführen. Mit ihrem Schreiben vom sei die Revisionswerberin dem vom Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom erteilten Auftrag, im Detail darzulegen, warum der Gesamtbetrieb kulturellen und sozialen Zwecken diene sowie dass der kulturelle Betrieb im Vergleich zur Gastronomie überwiege (genaue Darstellung der Betriebsabläufe und von aussagekräftige Daten, dass sich die beiden inkludierten Gastronomiebetriebe im Rahmen des an sich in Wohngebieten zulässigen Ausmaßes bewegten), nicht ausreichend nachgekommen, weil sie lediglich sehr oberflächlich eine Reihe aller denkmöglichen Veranstaltungen aufgelistet habe, ohne konkret auf deren Ablauf oder deren Zusammenspiel mit den Gastronomiebetrieben einzugehen. Dabei bleibe offen, ob die aufgezählten Veranstaltungen nicht doch überwiegend im Rahmen der Gastronomiebetriebe abgehalten werden sollten, zumal die Bauwerberin selbst davon spreche, dass die beabsichtigten Tätigkeiten in eine traditionelle Wiener Wirtshauskultur eingebettet werden sollten. Im Hinblick darauf könne nicht von einem gänzlich den kulturellen bzw. sozialen Zwecken dienenden Bauvorhaben gesprochen werden. Das Verwaltungsgericht habe daher eine Betriebstypenprüfung mittels Sachverständigen durchzuführen, und es könne auch das von der Bauwerberin vorgelegte Privatgutachten betreffend Schallimmissionen nicht als Grundlage herangezogen werden.

43 Im Übrigen habe der schalltechnische Amtssachverständige laut seinen Angaben in der Verhandlung vom das von der Bauwerberin vorgelegte Gutachten nicht nachgerechnet, sondern nur auf die Schlüssigkeit hin geprüft, sowie die Schallwerte den Tabellen im Privatgutachten entnommen, sodass sein Gutachten, weil er sich darin auf die Feststellungen eines Privatgutachtens gestützt habe, mangelhaft sei. Mit der unreflektierten Heranziehung der Stellungnahmen von Amtssachverständigen liege eine unzureichende Begründung des angefochtenen Erkenntnisses vor, welcher Begründungsmangel auch wesentlich sei.

44 Das Verwaltungsgericht hatte seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zugrunde zu legen (vgl. etwa , mwN).

45 Die §§ 6, 69, 134 und 134a BO, LGBl. Nr. 11/1930, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 46/2013 (vgl. in diesem Zusammenhang die Übergangsbestimmungen des Art. IV Abs. 1 Bauordnungsnovelle 2014, LGBl. Nr. 25, und des Art. II Abs. 2 des LGBl. Nr. 21/2016, wonach für alle zur Zeit des Inkrafttretens dieser Novellen anhängigen Verfahren die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen gelten) lauten auszugsweise wie folgt:

"Zulässige Nutzungen

§ 6. ...

(6) In Wohngebieten dürfen nur Wohngebäude und Bauwerke, die religiösen, kulturellen oder sozialen Zwecken oder der öffentlichen Verwaltung dienen, errichtet werden. Die Errichtung von Gast-, Beherbergungs-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, von Büro- und Geschäftsbauwerken sowie die Unterbringung von Lagerräumen, Werkstätten oder Pferdestallungen kleineren Umfanges und von Büro- und Geschäftsräumen in Wohngebäuden ist dann zulässig, wenn sichergestellt ist, daß sie nicht durch Rauch, Ruß, Staub, schädliche oder üble Dünste, Niederschläge aus Dämpfen oder Abgasen, Geräusche, Wärme, Erschütterungen oder sonstige Einwirkungen, Gefahren oder den Wohnzweck beeinträchtigende Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen geeignet sind.

..."

"Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes

§ 69. (1) Für einzelne Bauvorhaben hat die Behörde

über die Zulässigkeit von Abweichungen von den Vorschriften des

Bebauungsplanes zu entscheiden. Diese Abweichungen dürfen die

Zielrichtung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes

nicht unterlaufen. Darüber hinaus darf

1. die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen ohne

nachgewiesene Zustimmung des betroffenen Nachbarn nicht vermindert

werden,

2. an Emissionen nicht mehr zu erwarten sein, als bei einer

der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entsteht,

3. das vom Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan

beabsichtigte örtliche Stadtbild nicht störend beeinflusst werden und

4. die beabsichtigte Flächennutzung sowie Aufschließung

nicht grundlegend anders werden.

(2) Abweichungen, die die Voraussetzungen des Abs. 1

erfüllen, sind weiters nur zulässig, wenn sie nachvollziehbar

1. eine zweckmäßigere Flächennutzung bewirken,

2. eine zweckmäßigere oder zeitgemäße Nutzung von

Bauwerken, insbesondere des konsensgemäßen Baubestandes, bewirken,

3. der Herbeiführung eines den zeitgemäßen Vorstellungen

entsprechenden örtlichen Stadtbildes dienen oder

4. der Erhaltung schützenswerten Baumbestandes dienen.

(3) Für Bauvorhaben in Schutzzonen dürfen Abweichungen nach Abs. 1 nur bewilligt werden, wenn das öffentliche Interesse an einer besonderen Situierung und Ausbildung des Baukörpers zur Gestaltung des örtlichen Stadtbildes überwiegt und die zulässige Ausnützbarkeit des Bauplatzes nicht überschritten wird.

(4) Die Gründe, die für die Abweichung sprechen, sind mit den Gründen, die dagegen sprechen, abzuwägen. Insbesondere ist auf den konsensgemäßen Baubestand der betroffenen Liegenschaft und der Nachbarliegenschaften sowie auf den Umstand, dass die Ausnahmebewilligung nur für die Bestanddauer des Baues gilt, Bedacht zu nehmen. Vom Bauwerber geltend gemachte Verpflichtungen aus Bundes- oder anderen Landesgesetzen sind zu berücksichtigen, desgleichen, ob die Abweichung der besseren barrierefreien Benützbarkeit des konsensgemäßen Baubestandes oder des geplanten Baues dienlich ist.

..."

"Parteien

§ 134. ...

(3) Im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes sind außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer

(Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien. ... Die Eigentümer

(Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften sind dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134 a erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134 a gegen die geplante Bauführung erheben; das Recht auf Akteneinsicht (§ 17 AVG) steht Nachbarn bereits ab Einreichung des Bauvorhabens bei der Behörde zu. ...

..."

"Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte

§ 134 a. (1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:

a) Bestimmungen über den Abstand eines Bauwerkes zu den

Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der

Erdoberfläche;

b) Bestimmungen über die Gebäudehöhe;

c) Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von

Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;

d) Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der

Fluchtlinien;

e) Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die sich

aus der widmungsgemäßen Benützung eines Bauwerkes ergeben können, zum Inhalt haben. Die Beeinträchtigung durch Immissionen, die sich aus der Benützung eines Bauwerkes zu Wohnzwecken oder für Stellplätze im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergibt, kann jedoch nicht geltend gemacht werden;

f) Bestimmungen, die den Nachbarn zu Emissionen berechtigen.

..."

46 Die Revisionswerberin ist unstrittig Nachbar im Sinne des § 134 Abs. 3 BO.

47 Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. etwa , 0058, mwN).

48 Nachbarn, die rechtzeitig entsprechende Einwendungen im Sinne des § 134a BO erhoben haben, kommt Parteistellung sowohl im Verfahren gemäß § 69 BO zur Bewilligung von Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplanes als auch im Baubewilligungsverfahren zu. Soweit eine Ausnahmebewilligung von den Bauvorschriften gemäß § 69 BO erteilt wurde, kann der Nachbar in dieser Hinsicht in einem ihm allenfalls zustehenden Recht nicht mehr verletzt sein; es liegt allerdings dann eine Verletzung von Nachbarrechten vor, wenn die Ausnahme gewährt wird, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind (vgl. etwa , 0109, mwN).

Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa , 0063, mwN) sind im Fall eines gemäß § 66 Abs. 2 AVG rechtskräftig ergangenen aufhebenden Bescheides die Verwaltungsbehörden wie auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts an die die Aufhebung tragenden Gründe und die für die Behebung maßgebliche Rechtsansicht - sofern nicht eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist - gebunden. Auch die Verwaltungsgerichte sind an die die Aufhebung tragenden Gründe eines solchen Bescheides gebunden (vgl. und 0104). Selbst eine in einem solchen aufhebenden Bescheid vertretene unrichtige Rechtsansicht ist nach der hg. Rechtsprechung für das weitere Verfahren bindend (vgl. etwa , mwN).

49 Der Umstand, dass eine Behörde - wie mit Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, die Bauoberbehörde - aufgelöst wurde, ändert nichts an der genannten Bindungswirkung eines von ihr gemäß § 66 Abs. 2 AVG erlassenen, in Rechtskraft erwachsenen Bescheides und stellt für sich keine wesentliche Änderung des Sachverhalts oder der Rechtslage dar, die ein Abgehen von dieser Bindungswirkung rechtfertigen könnte (vgl. in diesem Zusammenhang auch zur Frage der Bindungswirkung eines aufhebenden Vorstellungsbescheides das Erkenntnis , Rn. 63, 65).

50 Wie oben (I.) dargestellt, hat die Bauoberbehörde die im ersten Rechtsgang erlassenen Bescheide des Magistrats und des Bauausschusses auf Grund der Berufung der Revisionswerberin mit Berufungsbescheid vom gemäß § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung von neuerlichen Bescheiden zurückverwiesen. Tragende Aufhebungsgründe des Berufungsbescheides waren, dass keine ausreichenden Amtssachverständigengutachten hinsichtlich der Überschreitung der Gebäudehöhe, der Ausgestaltung des Bauvorhabens in der Schutzzone, der Immissionen und der im gegenständlichen Fall zu beachtenden Immissionsbeschränkungen im Zusammenhang mit der Betriebstypentheorie eingeholt worden waren. Die Bauoberbehörde ging davon aus, dass das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen des § 69 BO mittels ausführlich begründeter sachverständiger Stellungnahmen zu prüfen und die typenmäßige Zulässigkeit des Projekts neuerlich zu beurteilen sei. Eine Präklusion der Revisionswerberin hinsichtlich der Einwendung betreffend die Immissionen hat sie hingegen nicht angenommen. Dieser Bescheid der Bauoberbehörde ist in Rechtskraft erwachsen.

51 Im nunmehr angefochtenen Erkenntnis ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es an die Entscheidung der Bauoberbehörde nicht gebunden sei und keine Betriebstypenprüfung durchzuführen habe. Dies wäre nach dem oben Ausgeführten jedoch nur der Fall, wenn eine wesentliche Änderung des Sachverhalts oder der Rechtslage erfolgt wäre. Eine solche Änderung hat das Verwaltungsgericht aber nicht ausreichend dargetan und ist auch nicht ersichtlich.

52 Die Begründung des Verwaltungsgerichtes, dass es an die tragenden Gründe des behebenden Bescheides der Bauoberbehörde vom nicht gebunden sei, erscheint darüber hinaus als nicht nachvollziehbar. Denn auch nach der hg. Judikatur zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 war und ist die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde (und auch der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) im Falle des Rechtsmittels einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf Nachbarn nach der BO im Baubewilligungsverfahren zutrifft, auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich derer dieses Mitspracherecht als subjektivöffentliches Recht besteht und soweit rechtzeitig im Verfahren diesbezügliche Einwendungen erhoben wurden (vgl. etwa , mwN). Dies gilt - nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 - in gleicher Weise für die Verwaltungsgerichte (vgl. etwa ). In dieser Hinsicht ist eine Änderung der Rechtslage daher nicht zu erkennen.

53 Ferner sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes im angefochtenen Erkenntnis, dass das Restaurant, das Kaffeehaus und die Greißlerei isoliert betrachtet nach ihrer Betriebstype, Größe und Betriebsweise im Wohngebiet zulässig und üblich seien, sowie der von ihm darin getroffene Hinweis auf das "überschießende" Privatsachverständigengutachten und die Stellungnahmen des Amtssachverständigen hiezu nicht ausreichend, um die Zulässigkeit der von der Revisionswerberin eingewendeten Immissionen darzutun. Diese Ausführungen stellen auch keine Betriebstypenprüfung dar.

54 Da somit das Verwaltungsgericht der mit dem genannten Berufungsbescheid vom überbundenen Rechtsansicht nicht entsprochen und die Notwendigkeit der Durchführung einer Betriebstypenprüfung und der Prüfung der vom Bauprojekt ausgehenden Immissionen verneint hat, war bereits deshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

55 Im Übrigen ist nochmals festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht an die im genannten Bescheid der Bauoberbehörde dargelegten, die Aufhebung tragenden Gründe gebunden ist, selbst wenn diese Aufhebung auf Einwendungen der Revisionswerberin beruhen sollte, hinsichtlich derer an sich kein subjektivöffentliches Recht geltend gemacht werden durfte. Das Verwaltungsgericht hat sich daher auch mit diesen Einwendungen auseinanderzusetzen.

56 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016050094.L00
Schlagworte:
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

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