VwGH vom 16.12.2010, 2007/16/0188

VwGH vom 16.12.2010, 2007/16/0188

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Büsser, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Zollamtes Feldkirch Wolfurt gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Zoll-Senat 2, vom , GZ. ZRV/0029- Z 2L/06 (miterledigt ZRV/126-Z2L/06), betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens und Erstattung von Eingangsabgaben (mitbeteiligte Partei: Ing. M in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit an das beschwerdeführende Zollamt (in der Folge: Zollamt) gerichtetem Schriftsatz vom stellte die mitbeteiligte Partei einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens "gemäß §§ 303 ff BAO" sowie einen Antrag auf "endgültige Nachsicht gemäß §§ 235 ff BAO". Dabei führte sie aus, sie habe in den Jahren 1987 bis 1996 Oldtimer (Sammlungsstücke von historischem Wert) aus außereuropäischen Ländern sowie aus der EU eingeführt, verzollt und die bescheidmäßig vorgeschriebenen "Zollabgaben" entrichtet, obwohl keine Zölle hätten vorgeschrieben werden dürfen. Die Zollbehörden hätten die Fahrzeuge als Gebrauchtfahrzeuge eingestuft, für die Zoll zu entrichten gewesen sei. Im Zuge eines Finanzstrafverfahrens beim Landesgericht W gegen die mitbeteiligte Partei habe sich nämlich herausgestellt, dass eine Einstufung als "Oldtimer" stattfinden und die Vorschreibung von Zoll hätte unterbleiben müssen. Daher sei die mitbeteiligte Partei am in sämtlichen Anklagepunkten freigesprochen worden. Die Ermittlungen der mitbeteiligten Partei hätten in der Folge ergeben, dass sie von 1987 bis 1996 (unter Berücksichtigung einer 25 %igen Konkursquote) zu Unrecht EUR 138.629,14 an Zoll entrichtet hätte. In dieser Summe sei das "Guthaben" für 1994 noch nicht enthalten, weil sich die diesbezüglichen Unterlagen wegen einer Betriebsprüfung beim Finanzamt Gmunden befänden. Die Einreihung bzw. Feststellung eines Fahrzeuges als Gebrauchtfahrzeug oder "Oldtimer" sei eine Tatsachenfrage. Diese Vorfrage sei nunmehr bindend für sämtliche Beteiligte durch das Landesgericht W gelöst worden. Der Wiederaufnahmeantrag sei rechtzeitig eingebracht, weil die mitbeteiligte Partei durch das Urteil vom Kenntnis von den Wiederaufnahmegründen erlangt habe und die Rechtzeitigkeit durch Übermittlung einer Urteilsabschrift nachweisen könne. Überdies unterliege die Angelegenheit auch der amtswegigen Wiederaufnahme. Das gerichtliche Verfahren in W habe einschließlich der Vorerhebungen und Voruntersuchungen von 1995 bis 2005 angedauert, sodass die Verjährung noch nicht abgelaufen sein könne. Es werde daher beantragt, sämtliche anhängige Verfahren betreffend die Vorschreibung von Zöllen und dergleichen wieder aufzunehmen, sämtliche ergangenen rechtskräftigen Zollbescheide aufzuheben bzw. von der Vorschreibung von Zöllen im Sinne des § 236 BAO abzusehen bzw. die Vorschreibung von Zöllen nachzusehen und die zu Unrecht bezahlten Zölle im Ausmaß von EUR 138.629,14 zuzüglich des Guthabens für 1994 wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex 1976 zu refundieren.

Mit Schreiben vom teilte das Zollamt der mitbeteiligten Partei mit, die Zollämter Linz, Salzburg und Wels, an welche die mitbeteiligte Partei gleich lautende Anträge gerichtet habe, hätten ihre Zuständigkeit in dieser Sache aus Gründen der Zweckmäßigkeit gemäß § 71 BAO an das beschwerdeführende Zollamt delegiert. Das Zollamt benötige nun konkrete Angaben, welche Verfahren vom Antrag der mitbeteiligten Partei umfasst seien. Die mitbeteiligte Partei solle daher bis zum dem Zollamt die Daten der betreffenden Verfahren (Geschäftszahlen bzw. WE-Nummern) der Abgabenbescheide im Sinne des § 303a Abs. 1 lit. a BAO bekannt geben. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist gelte der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303a Abs. 2 BAO als zurückgenommen.

Mit Erledigung vom bestätigte das Zollamt der mitbeteiligten Partei, dass die Frist zur Bekanntgabe der konkreten Fälle, deren Wiederaufnahme beantragt werde, bis zum verlängert worden sei.

Mit Schriftsatz vom übermittelte die mitbeteiligte Partei Angaben hinsichtlich der Verfahren in Listenform und führte dazu aus, dass diese (in der 1. Spalte) die WE-Nummern der Abgabenbescheide und (in der 2. Spalte) - sofern bekannt - das Datum sowie (in der 3. Spalte) die betreffenden Fahrzeuge enthielten.

In einem weiteren Schriftsatz vom übermittelte die mitbeteiligte Partei weitere Angaben in Form einer Liste nach dem obigen Muster.

Mit Bescheid vom wies das Zollamt die Anträge auf

"I. Wiederaufnahme von diversen, im Schreiben des

( rechtsfreundlichen Vertreters der mitbeteiligten Partei ) vom , Zeichen ..., näher konkretisierten Abgabenverfahren (siehe Anlage 1), gemäß §§ 303 ff BAO, sowie auf

II. endgültige Nachsicht der Abgaben gemäß §§ 235 ff BAO zu diversen, in den Schreiben des ( rechtsfreundlichen Vertreters der mitbeteiligten Partei ) vom und , Zeichen ..., jeweils näher konkretisierten Abgabenverfahren (siehe Anlagen 1 und 2)"

als unzulässig zurück.

Begründend führte das Zollamt zu Spruchpunkt I. aus, bezüglich der Zulässigkeit der Anträge auf Wiederaufnahme gemäß §§ 303 ff BAO müsse entschieden werden, ob die Abgabenbescheide vor oder nach dem Beitritt Österreichs zur EU ergangen seien. Für Verfahren vor diesem Zeitpunkt seien die Bestimmungen der BAO über die Wiederaufnahme des Verfahrens anwendbar. Für sämtliche Verfahren vor dem sei jedoch die zulässige Frist für einen Antrag auf Wiederaufnahme spätestens am abgelaufen. Die verfahrensgegenständlichen Anträge seien aber am und somit verspätet eingebracht worden.

Für die Verfahren nach dem gelte das gemeinschaftliche Zollrecht. Da dieses die Möglichkeit zur Nacherhebung bzw. zu Erstattung/Erlass von Abgaben ohne Rücksicht auf die eingetretene Rechtskraft von Abgabenbescheiden innerhalb gesetzlich festgelegter Fristen für zulässig erklärt habe, seien im Rahmen des Geltungsbereiches dieser Bestimmungen die in der BAO enthaltenen Rechtsinstrumente, darunter auch § 303 BAO, auf zollrechtliche Abgabenbescheide nicht mehr anwendbar. Inhaltlich seien die gegenständlichen Anträge auf Erstattung von Abgaben wegen nicht bestehender Zollschuld gerichtet. Derartige Fälle behandle (nunmehr) Art. 236 ZK. Eine Erstattung gemäß dieser Bestimmung sei allerdings nur innerhalb von drei Jahren nach Mitteilung der Zollschuld möglich. Die jüngsten Verfahren, deren Wiederaufnahme beantragt werde, stammten aus dem Jahr 1995. Die Frist für eine Erstattung (auf Antrag oder von Amts wegen) sei daher spätestens 1998 abgelaufen. Eine Verlängerung dieser Frist sei nur möglich, wenn der Beteiligte nachweise, dass er infolge eines unvorhergesehenen Ereignisses oder höherer Gewalt gehindert gewesen sei, den Antrag fristgerecht zu stellen. Da ein Gerichtsurteil weder ein unvorhersehbares Ereignis noch höhere Gewalt darstelle, komme im Beschwerdefall eine Fristverlängerung nicht in Betracht. Auch wenn das Zollamt die (für Verfahren im Geltungsbereich des gemeinschaftlichen Zollrechts unzulässigen) Anträge gemäß § 303 BAO in Anträge nach Art. 236 ZK umdeute, seien diese jedenfalls auch verspätet eingebracht.

Zu Spruchpunkt II. führte das Zollamt aus, auch bezüglich der Anträge auf Nachsicht gemäß § 235 ff BAO sei zwischen den Fällen vor und nach dem zu unterscheiden.

Auf die Fälle vor dem seien die Bestimmungen des ZollG 1988 anzuwenden. Dieses enthalte im § 183 Bestimmungen über den Zollerlass aus Billigkeitsgründen, welche als speziellere Regelungen denen des § 236 BAO vorangingen. Das Zollamt werte daher die Anträge auf Nachsicht gemäß § 236 BAO als solche auf Zollerlass aus Billigkeitsgründen nach § 183 ZollG 1988.

Gemäß § 122 Abs. 2 ZollR-DG gelte ab dem Beitritt das Zollrecht (§ 2 ZollR-DG) für Erlassmaßnahmen nach den Bestimmungen des ZollG 1988 (nur) hinsichtlich der Fristen. Das bedeute für die hier zu behandelnden Fälle, dass die Antragsfrist des für Billigkeitsmaßnahmen einschlägigen Art. 239 ZK zu beachten sei. Demnach müssten derartige Anträge innerhalb von 12 Monaten nach Mitteilung der Abgaben gestellt werden. Eine Verlängerung dieser Frist sei nur in begründeten Ausnahmefällen möglich. Dass die Versäumung der Frist auf Umstände zurückzuführen sei, die eine Fristverlängerung rechtfertigen würden, sei für das Zollamt aus den Angaben der mitbeteiligten Partei nicht ersichtlich. Ein laufendes Finanzstrafverfahren könne keinesfalls als solcher Umstand angesehen werden. Es ergebe sich also, dass die Anträge verspätet und daher unzulässig seien.

Auf die Fälle aus dem Jahr 1995 seien, wie bereits in der Begründung zu Spruchpunkt I. dargestellt, die Bescheidberichtigungsinstrumente der BAO nicht anwendbar. Inhaltlich seien die Anträge auf Nachsicht der Abgaben gemäß § 236 BAO auf Erstattung von Abgaben aus Billigkeitsgründen gerichtet und stellten daher Fälle des Art. 239 ZK dar. Allerdings sei auch in diesen Fällen die Antragsfrist von 12 Monaten (siehe oben) bereits 1996 abgelaufen, sodass sich auch bei Umdeutung der Anträge die Unzulässigkeit derselben ergebe.

Die in den Spruchpunkten I. und II. des Zurückweisungsbescheides genannten Anlagen 1 und 2 bestehen aus den Kopien der Schriftsätze der mitbeteiligten Partei vom und .

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die mitbeteiligte Partei vor, dass während des finanzstrafgerichtlichen Verfahrens die Verjährung nicht abgelaufen sein könne, weil ein Gericht über eine Vorfrage, nämlich ob es sich bei den eingeführten Fahrzeugen um Oldtimer handle, entschieden habe. Die Einstufung durch die Zollbehörden sei somit unrichtig gewesen. Auch nach Art. 236 ZK sei eine Erstattung zu gewähren. Um zu klären, ob auch der Zollkodex das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme des Verfahrens vorsehe, werde ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH angeregt. Außerdem sei eine Fristverlängerung gerechtfertigt, weil die mitbeteiligte Partei erst durch das Urteil des Landesgerichtes W von der falschen Tarifierung Kenntnis erlangt habe.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Zollamt die Berufung als unbegründet ab. Begründend führte es aus, entgegen der Ansicht der mitbeteiligten Partei habe das laufende Gerichtsverfahren die Verjährung der Abgabenverfahren nicht hemmen oder verlängern können, weil das Finanzstrafverfahren nicht auch auf die Geltendmachung von Abgabenansprüchen abgezielt habe. Im Hinblick auf die Möglichkeit zur Erstattung von Abgaben auch nach Eintritt der Rechtskraft von Abgabenbescheiden (Art. 235 ff ZK) sei im Fehlen einer den §§ 303 ff BAO entsprechenden Bestimmung im Zollkodex keine ungewollte Rechtslücke zu erblicken.

Die mitbeteiligte Partei habe vorgebracht, erst am auf Grund des Urteils des Landesgerichtes W davon Kenntnis erlangt zu haben, dass die damalige Einstufung der importierten Fahrzeuge als Gebrauchtfahrzeuge falsch gewesen sei. Dies stehe allerdings im Widerspruch zur in den Entscheidungsgründen des Urteils getroffenen Feststellung, dass die mitbeteiligte Partei von Beginn des Verfahrens an immer wieder darauf hingewiesen habe, dass es sich bei den Fahrzeugen jeweils um Oldtimer mit einer geringeren Zollbelastung gehandelt habe. Es stehe daher fest, dass die mitbeteiligte Partei spätestens seit Beginn des finanzstrafbehördlichen Gerichtsverfahrens davon Kenntnis gehabt habe, dass auf Grund eines Erkenntnisses des EuGH die Kriterien für die Beurteilung von "historischen Kraftfahrzeugen" als Sammlungsstücke ("Oldtimer") im Sinne der Warennummer 9705 des Zolltarifs neu definiert worden seien. Diesbezügliche Ausführungen fänden sich auch im Gutachten des Sachverständigen, welches über Auftrag des Landesgerichtes W erstellt worden sei und auch der mitbeteiligten Partei bekannt gewesen sei. Die mitbeteiligte Partei hätte die Anträge gemäß Art. 236 ZK (bzw. 239 ZK) spätestens zum damaligen Zeitpunkt einbringen müssen, um die Fristen der entsprechenden Bestimmungen, allenfalls bei Vorliegen der Voraussetzungen unter Nachsicht der Fristversäumnis, zu wahren. Die Anträge vom seien somit jedenfalls verspätet.

Die mitbeteiligte Partei erhob dagegen Administrativbeschwerde ("Vorlageantrag"), in welcher sie zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen ausführte, viele der vom Strafverfahren umfassten Abgabenschulden aus der Zeit vor dem seien Teil des Wiederaufnahmebegehrens. Auch hinsichtlich der anderen Abgabenverfahren sei ein impliziter Zusammenhang mit dem Finanzstrafverfahren gegeben. Zu den Abgabenschuldigkeiten, die nach dem entstanden seien, werde auf näher genannte Literaturmeinungen verwiesen, wonach die Gerichte auf bewährte nationale Regelungen für belastende Entscheidungen zurückzugreifen hätten, soweit diese vorhanden seien. Es sei daher den Zollbehörden möglich, die rechtswidrigen Abgabenbescheide amtswegig zu widerrufen oder zurückzunehmen. Sie seien sogar dazu verpflichtet, ihre Fehler wieder gutzumachen und die zu Unrecht erhobenen Abgaben zu erstatten. Es werde wieder ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH angeregt.

Zu Spruchpunkt II. führte die mitbeteiligte Partei aus, sie habe unmittelbar ab Kenntnis des freisprechenden Urteils des Landesgerichtes W die Anträge auf Wiederaufnahme und Nachsicht und somit fristgerecht, gestellt. Es seien auch die sonstigen Voraussetzungen des Art. 239 ZK erfüllt, weil es ihr als Laien auf Grund der Komplexität der zollrechtlichen Bestimmungen nicht möglich gewesen sei, die unrichtige Einstufung der Fahrzeuge durch die Zollbehörden zu erkennen. Das Versagen der Nachsicht wäre unbillig, gesetz- und verfassungswidrig.

Überdies sei die Nichtberücksichtigung der im Schriftsatz von angeführten Fälle bei der Wiederaufnahme des Verfahrens unzulässig gewesen. Dieser Schriftsatz sei zwar um einen Tag verspätet eingebracht worden, aber das Zollamt hätte auf Grund der äußerst schwierigen Recherchen der mitbeteiligten Partei Kulanz üben müssen. Im Übrigen stelle der genannte Schriftsatz einen neuen Antrag auf Wiederaufnahme dar, der im Sinne der Verfahrenskonzentration mitzubehandeln gewesen wäre.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufungsvorentscheidung des Zollamts gemäß § 289 Abs. 1 BAO unter Zurückweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dem Beschwerdevorbringen lägen über 100 Einfuhrvorgänge zu Grunde, die sich auf jeweils mehrere Anträge bezögen. Diese Anträge seien durch das Zollamt in einem Bescheid (I. und II.) zusammengefasst worden. Das Zollamt habe auf die Anlagen 1 und 2 verwiesen und damit mehrere Anbringen der mitbeteiligten Partei gemeint. Aus dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides als auch aus der Berufungsvorentscheidung komme jedoch nicht deutlich hervor, welche Bescheide von welchen Anträgen erfasst seien. Teilweise seien Streichungen in den Anhängen mit einem Namenszeichen vorgenommen worden. Teilweise seien WE-Nummern ohne Datum angeführt, teilweise seien unvollständige GZ angeführt, die durch den Bezug auf die Listen als Spruchbestandteil des angefochtenen Bescheides gelten würden. Für die belangte Behörde sei es nicht ausreichend klar, welche konkreten Abgabenbescheide von welchen konkreten Anträgen erfasst seien. Es sei außerdem unklar, wann welcher Einfuhrvorgang rechtskräftig entschieden worden sei. Das Zollamt habe es unterlassen, den Sachverhalt so zu ermitteln und zu würdigen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides auch dem jeweiligen Verfahren zugeordnet werden könne. Das Zollamt stütze sich in seiner Entscheidung lediglich auf die Feststellung, dass die Anträge "bezüglich diverser zollrechtlicher Abgabenverfahren als verspätet eingebracht zurückgewiesen werden", ohne anzugeben, wann welche Frist bezüglich welchen Verfahrens abgelaufen sei. Auch in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides habe das Zollamt lediglich ausgeführt, dass die "zulässige Frist für einen Wiederaufnahmeantrag spätestens am abgelaufen sei", die Frist für eine Erstattung nach Art. 236 ZK "spätestens im Jahr 1998 abgelaufen sei" und Anträge nach § 183 ZollG ebenfalls verspätet gestellt worden seien. Das Zollamt habe es unterlassen, die konkreten Zeitpunkte zu nennen, wann Fristen abgelaufen seien. Auch aus dem Akteninhalt sei nicht ersichtlich, dass das Zollamt diese Zeitpunkte ermittelt habe. Der bloß pauschale Hinweis auf ein Kalenderjahr sei jedenfalls nicht ausreichend, der Pflicht zur Sachverhaltsermittlung und daraus folgend der Begründungspflicht nachzukommen, vor allem dann nicht, wenn zumindest in einem Fall die formelle Rechtskraft nicht eingetreten sei, da dem erstinstanzlichen Abgabenbescheid keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt worden sei (WE-Nummer 525/000/802648/23/5 bezüglich ein Stück Ferrari). Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei der belangten Behörde zwar vom Zollamt eine Liste vorgelegt worden, die belegen solle, wann welches Verfahren rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Allerdings sei auch diese Liste unvollständig, weil sämtliche Verfahren vor 1990 nicht erfasst seien und überdies Angaben fehlten. Der Liste sei auch nicht zu entnehmen, wie die damaligen Berufungsbehörden entschieden hätten.

Teilweise habe das Zollamt im Verfahren - offenbar bezogen auf Spruchpunkt I. - auch ein als "Mängelbehebungsauftrag" bezeichnetes Schreiben erlassen (vom ). Diesem "Mängelbehebungsauftrag" sei verspätet nachgekommen worden, sodass das Zollamt im erstinstanzlichen Bescheid in einem "Hinweis" ausgeführt habe, dass diese Anträge als zurückgenommen gelten würden. Auch wenn dieser Teil des Bescheides als "Hinweis" bezeichnet gewesen sei, lasse sich aus dem Text erschließen, dass ein Zusatz zur Begründung gemeint gewesen sei, weil mit diesem Hinweis Rechtsfolgen verbunden gewesen seien, nämlich der Ausspruch über die Zurücknahme des Wiederaufnahmeantrags von "diversen" Fällen, wie das Zollamt selbst ausgeführt habe.

Nach § 303a Abs. 2 BAO sei ein Mängelbehebungsauftrag aber mit dem Hinweis zu versehen, dass der Antrag nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gelte. Dies sei unterlassen worden, weil der Hinweis auf die Rechtsfolgen gefehlt habe. Eine Feststellung, dass die Anträge deswegen als "zurückgenommen gelten", sei rechtswidrig. Das Zollamt habe am - trotz Vorliegens eines Mangels im Sinne des § 303a Abs. 2 BAO - einen Bescheid erlassen, dessen Spruch durch die angefochtene Berufungsvorentscheidung übernommen worden sei, ohne dass sie dazu befugt gewesen sei. Die Erlassung eines Mängelbehebungsauftrages liege nicht im Ermessen der Abgabenbehörde; gegebenenfalls habe die Behörde dem Berufungswerber die Behebung der inhaltlichen Mängel aufzutragen. Es sei nämlich nicht ausreichend, dass ein Schreiben als "Mängelbehebungsauftrag" bezeichnet werde, ohne auf die Rechtsfolgen zu verweisen, die eine nicht fristgerechte Behebung des Mangels zur Folge habe, wie das Zollamt offenbar vermeine. Ein ordnungsgemäßer Mängelbehebungsauftrag sei nicht erlassen worden.

Völlig unklar bleibe der Behördenwille sowohl nach Spruchpunkt I. als auch Spruchpunkt II., wenn ausgeführt werde, dass "diverse Fälle so unzureichend bezeichnet seien, dass sie als nicht beurteilbar von den Listen gestrichen werden". Auch diesfalls hätte das Ermittlungsverfahren in Form eines Mängelbehebungsverfahrens zur Folge haben müssen, dass - nach Androhung - der Antrag möglicherweise als zurückgenommen gelten könne. Wenn die GZ ungenau bezeichnet seien, führe dies zu einer Zurücknahme, nicht jedoch zu einer - verfahrensrechtlich nicht vorgesehenen - "Streichung". Das Zollamt hätte auch bezüglich dieser Verfahren sowohl unter Spruchpunkt I. als auch II. die Pflicht gehabt, die verfahrensrechtlichen Instrumente zu nützen, um den zu beurteilenden Sachverhalt zu ermitteln und zu würdigen.

Die pauschale Feststellung des Zollamtes, dass sämtliche Fälle vor dem - offenbar die sonstigen Fälle, die nicht laut Hinweis "gestrichen" oder als "zurückgenommen gelten" - spätestens mit abgelaufen seien, sei überdies zu wenig differenziert. Ein bloßer Hinweis auf die Verfristung, weil die Anträge nach Art. 236 ZK (bzw. Art. 239 ZK) zum "damaligen Zeitpunkt" hätten eingebracht werden müssen, sei nicht determiniert.

Es sei zwar möglich, mehrere Verfahren in einem Bescheid zusammenzufassen, allerdings müsse im Spruch des Bescheides bzw. in der Begründung ausgeführt werden, welche Rechtsfolge für welches Verfahren eintrete. Der Hinweis auf eine Liste des Antragstellers, ohne dazugehörige konkrete Feststellungen und die Außerachtlassung des Art. 236 und 239 ZK sowie § 138 ZollG im Spruch, verbunden mit den oben ausgeführten Hinweisen führe dazu, dass der Behördenwille des Zollamtes nicht ausreichend substanziiert zum Ausdruck komme.

Es stehe somit fest, dass der Sachverhalt durch das Zollamt nicht ausreichend ermittelt worden sei, der Wille der Behörde - bezogen auf den Einzelfall - unter Spruchpunkt I. als auch unter Spruchpunkt II., wegen mangelnder Sachverhaltsermittlungen nur teilweise erkennbar sei und der Bescheid deswegen unter Begründungsmängeln leide. Die Berufungsvorentscheidung sei durch die Übernahme des Spruchs des erstinstanzlichen Bescheides mit Mängeln behaftet, weil im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens kein ordnungsgemäßer Mängelbehebungsauftrag ergangen sei und "Streichungen" vorgenommen worden seien. Der belangten Behörde verschließe sich überdies die Erkenntnis, welcher verfahrensrechtliche und durch Gesetz determinierte Wille sich hinter diesen "Streichungen" verbergen solle.

Enthalte ein Bescheid aber schon die zur Beurteilung notwendigen Sachverhaltsdarstellungen nicht, sei er schon aus diesem Grunde rechtswidrig und einer Aufhebung und Zurückverweisung nach § 289 BAO zugänglich. Von welchem konkreten zusammenhängenden Sachverhalt bei welchem jeweiligen Verfahren die Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung ausgehe, bleibe für die belangte Behörde unklar. Die belangte Behörde verschließe sich nicht der Erkenntnis, dass in den überwiegenden Fällen die gestellten Anträge verspätet sein könnten. Allerdings sei nicht auszuschließen, dass bei Durchführung der unterlassenen Ermittlungen ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können. Es sei nicht auszuschließen, dass - neben dem oben angeführten Verfahren - auch bei anderen Einfuhrvorgängen die Frist für die Inanspruchnahme eines Rechtsschutzes noch nicht abgelaufen sein könnte. Die Unterlassung dahingehender Ermittlungen sei aus objektiver Sicht deswegen wesentlich gewesen, weil eine fristgerechte Einbringung - möglicherweise auch nur in wenigen Fällen - nicht ausgeschlossen werden könne. Dies würde aber eine teilweise Stattgabe in der Berufungsvorentscheidung zur Folge haben.

Da die gegenständliche Administrativbeschwerde weder zurückzuweisen noch als zurückgenommen oder gegenstandslos zu erklären gewesen sei, habe für die belangte Behörde die Berechtigung bestanden, die Beschwerde durch Aufhebung der Berufungsvorentscheidung unter Zurückweisung (gemeint wohl: Zurückverweisung) der Sache an die Rechtsbehelfsbehörde erster Instanz zu erledigen.

Im Rahmen der Ermessensübung hätten einerseits auf Grund des Umfangs der vorzunehmenden Ermittlungen sich ergebende verwaltungsökonomische Überlegungen einerseits und andererseits folgende rechtliche Erwägungen für die im Beschwerdefall gewählte Vorgehensweise gesprochen:

Es sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich die Pflicht zur Sachverhaltsermittlung vorrangig der (jeweils zuständigen) Abgabenbehörde erster Instanz bzw. Berufungsbehörde erster Stufe auferlegt habe, wohingegen dem unabhängigen Finanzsenat als Rechtsbehelfsbehörde zweiter Instanz hauptsächlich die Rolle eines unabhängigen Dritten zukomme, sodass sich dieser, um seiner Rolle als solcher gerecht zu werden, im Wesentlichen auf die Funktion eines Kontroll- und Rechtsschutzorgans beschränken solle, wie es überhaupt grundsätzlich nicht Aufgabe des unabhängigen Finanzsenates sei, an Stelle der Abgabenbehörde erster Instanz erstmals den relevanten Sachverhalt zu ermitteln und zu würdigen, wenn jene dies nur sehr pauschal in einem "Sammelbescheid" vorgenommen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher das Zollamt Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Strittig ist im Beschwerdefall, ob die belangte Behörde zu Recht die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes vom unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben hat.

Für die Einbringung der Administrativbeschwerde nach § 85c ZollR-DG, das Verfahren des unabhängigen Finanzsenates sowie dessen Entscheidungen gelten nach § 85c Abs. 8 ZollR-DG die diesbezüglichen Bestimmungen der BAO, soweit die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Regelungen nicht entgegenstehen, sinngemäß.

Ist die Berufung weder zurückzuweisen (§ 273) noch als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1, § 275) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 274) zu erklären, so kann die Abgabenbehörde zweiter Instanz nach § 289 Abs. 1 BAO (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 20/2009) die Berufung durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Berufungsvorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Im weiteren Verfahren sind die Behörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im Aufhebungsbescheid dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

Die belangte Behörde begründete ihre aufhebende und zurückverweisende Entscheidung zunächst damit, es sei weder aus dem erstinstanzlichen Bescheid noch aus der Berufungsvorentscheidung ersichtlich, welche konkreten zollrechtlichen Verfahren jeweils von den Spruchpunkten I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides erfasst und wann diese Verfahren rechtskräftig abgeschlossen worden seien.

Dagegen wendet sich das Zollamt mit dem Vorbringen, durch den Verweis auf die Anlage 1 und 2 in den genannten Spruchpunkten ergebe sich "klar", auf welche Verzollungen sich der jeweilige Spruch beziehe. Die gestrichenen Positionen seien offensichtlich davon nicht erfasst. In diesen Fällen sei nämlich der Mängelbehebungsauftrag nicht erfüllt worden, sodass darüber im gegenständlichen Bescheid nicht habe abgesprochen werden können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es zulässig, im Spruch eines Bescheides auf außerhalb des Bescheides gelegene Schriftstücke oder Pläne Bezug zu nehmen, deren Aussagen und Darstellungen rechtlich in den normativen Bescheid zu integrieren und solcherart zum Inhalt des rechtserzeugenden oder rechtsfeststellenden Bescheides zu machen, sofern der Bescheidspruch den Integrationsakt unzweifelhaft klargestellt hat und die im Spruch genannten Unterlagen, Beilagen, Pläne, Befundausführungen oder Erklärungen in Verhandlungsschriften ihrerseits das für den jeweiligen Abspruch nötige Bestimmtheitserfordernis erfüllen (vgl. die zu § 59 AVG ergangenen, aber auch im Beschwerdefall anzuwendenden hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2002/07/0141, mwN, und vom , Zl. 2000/04/0022).

Es ist daher für das Verständnis des Bescheidinhalts geboten, auf die im Spruch des Zurückweisungsbescheides bezogenen "Anlagen", nämlich "Anlage 1" und "Anlagen 1 und 2" zurückzugreifen, um ein abschließendes Bild über den Umfang der von der Zurückweisung betroffenen Verfahren erlangen zu können.

Die Anlagen 1 und 2 bestehen aus Ablichtungen der Schreiben der mitbeteiligten Partei vom und vom . Diese wiederum enthalten Listen, bestehend jeweils aus drei Spalten, welche nach dem Schreiben der mitbeteiligten Partei vom folgenden Inhalt haben:

"WE-Nummern der Abgabenbescheide", "Datum" sowie die "betreffenden Fahrzeuge".

Daraus ergibt sich zunächst, dass der Umfang der bescheidmäßigen Erledigung durch die in den Anlagen 1 und 2 aufgelisteten Verfahren begrenzt wird. Andere als in den genannten Anlagen aufgezählten Abgabenverfahren sind nicht Gegenstand der behördlichen Entscheidung.

Allerdings weist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht darauf hin, dass die als Anlage 1 und 2 geführten Listen in einzelnen Zeilen handschriftliche Streichungen, versehen mit Handzeichen, aufweisen. Sie vertritt dazu die Auffassung, dass diesen Streichungen keine eindeutige Aussage zukomme.

Tatsächlich enthält der erstinstanzliche Bescheid keinen Verweis auf die Streichungen. Ein solcher findet sich lediglich in einem Schriftstück (in der Folge: "Beiblatt"), welches der - in den vorgelegten Verwaltungsakten einliegenden - Bescheidausfertigung beigeheftet und mit "Hinweise" überschrieben ist. Im Zurückweisungsbescheid gibt es keinen Hinweis auf dieses Beiblatt. Das Beiblatt selbst gibt keinen Aufschluss über Verfasser und Adressaten. Des Weiteren ist dieses Schriftstück weder unterfertigt noch weist es einen Beglaubigungsvermerk oder eine Rechtsmittelbelehrung auf. Lediglich die Beiheftung zum Zurückweisungsbescheid sowie der Inhalt - es handelt sich im Wesentlichen um Erläuterungen zum erstinstanzlichen Bescheid sowie die Feststellung, dass bezüglich der mit Schreiben vom angeführten Fälle der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303a Abs. 2 BAO als zurückgenommen gilt, weil diese Fälle nicht innerhalb der gesetzlichen Frist bekannt gegeben worden seien - lassen erkennen, dass es offensichtlich vom Zollamt verfasst wurde. Es ist somit davon auszugehen, dass dieses Beiblatt kein eigenständiger Bescheid ist. Es ist aber auch insofern kein Bestandteil des Zurückweisungsbescheides, weil im Spruch desselben nicht auf dieses Beiblatt verwiesen wird. Der Aussage im Beiblatt, dass bezüglich der mit Schreiben vom angeführten Fälle der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303a Abs. 2 BAO als zurückgenommen gelte, weil diese Fälle nicht innerhalb der gesetzlichen Frist bekannt gegeben worden seien, kommt somit keine normative Bedeutung zu.

Die Bestimmung der "Sache" hat im Verfahren zur Erlassung eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes zunächst an Hand des Antrags zu erfolgen. Es ist aber durchaus möglich, dass die Behörde entgegen ihrer Entscheidungspflicht nicht oder nicht vollständig über einen Antrag abspricht. Die Beurteilung, ob und inwieweit eine Behörde über einen Antrag abgesprochen hat, hat auf Grund des Inhalts des Bescheides zu erfolgen, wobei davon auszugehen ist, dass der Bescheidwille nicht allein aus dem Spruch oder einem "Vorspruch" zum Bescheidspruch abzuleiten ist, sondern sich aus dem Gesamtzusammenhang ergeben kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/17/0232, mwN).

Aus dem Gesamtzusammenhang - wozu auch das Beiblatt gehört -

ergibt sich im Beschwerdefall nunmehr Folgendes: Das Zollamt hat

in den Spruchpunkten I. und II. ausdrücklich darauf verwiesen,

dass sich diese auf die "im Schreiben des ( rechtsfreundlichen

Vertreters der mitbeteiligten Partei ) vom ... näher

konkretisierten Abgabenverfahren (siehe Anlage 1)"

(Spruchpunkt I.) und die "in den Schreiben des

( rechtsfreundlichen Vertreters der mitbeteiligten Partei )

vom und ... jeweils näher konkretisierten

Abgabenverfahren" (Spruchpunkt II.) beziehen. Im Beiblatt hat es darauf hingewiesen, dass "diverse Fälle unzureichend bezeichnet seien", sodass das Zollamt sie nicht identifizieren könne und sie daher als "nicht beurteilbar von den Listen gestrichen wurden (siehe Anlagen 1 + 2)".

Daraus ergibt sich aber, dass über die handschriftlich gestrichenen Erstattungsanträge im vorliegenden Zurückweisungsbescheid nicht abgesprochen wurde. Ob - allenfalls nach Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages nach § 85 Abs. 2 BAO - eine Entscheidung über die "gestrichenen" Abgabenverfahren erfolgt ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.

Dasselbe gilt auch für den Umstand, dass der Spruchpunkt I. lediglich über den Wiederaufnahmeantrag betreffend die in der Anlage 1 angeführten und nicht von einer Streichung betroffenen Verfahren abspricht. Ob über die beantragte Wiederaufnahme der in der Anlage 2 genannten Verfahren ein eigener Abspruch (etwa in Form eines Zurücknahmebescheides) erfolgt ist, ist ebenfalls nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.

Die belangte Behörde stützt ihre Ansicht, dass der Behördenwille im erstinstanzlichen Bescheid auch wegen der "Außerachtlassung des Art. 236 und Art. 239 ZK sowie § 183 ZollG im Spruch" nicht ausreichend substantiiert zum Ausdruck komme. Dabei ist sie aber darauf hinzuweisen, dass die Unterlassung der Anführung von (auch maßgeblichen) Gesetzesbestimmungen im Spruch eines Abgabenbescheides keinen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt, wenn mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit des Gegenstandes keine Zweifel darüber bestehen, welche gesetzlichen Vorschriften die Grundlagen des Bescheides gebildet haben (vgl. Ritz , BAO3, Rz 9 zu § 93). Im Beschwerdefall ergibt sich aber aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides mit ausreichender Deutlichkeit, welche Bestimmungen das Zollamt bei seiner Entscheidung angewendet hat.

Die belangte Behörde rügt überdies, das Zollamt habe seine zurückweisende Entscheidung damit begründet, dass die Anträge verspätet eingebracht worden seien, ohne aber Feststellungen darüber zu treffen, "wann welche Frist bzgl. welches Verfahren abgelaufen" sei.

Der belangten Behörde ist dahingehend zuzustimmen, dass den Bescheiden des Zollamtes die genannten Feststellungen nicht zu entnehmen sind. Zur Beurteilung, ob diese Unterlassung die belangte Behörde zur Aufhebung der vor ihr bekämpften Berufungsvorentscheidung berechtigt hat, muss zwischen der Entscheidung über die beantragte Wiederaufnahme (Spruchpunkt I. des Zurückweisungsbescheides) und jener über den Antrag auf "endgültige Nachsicht gemäß §§ 235 ff BAO" (Spruchpunkt II. des Zurückweisungsbescheides) unterschieden werden. Des Weiteren muss eine Unterscheidung dahingehend getroffen werden, ob die betreffende Eingangsabgabenschuld vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft (Europäischen Union) entstanden ist oder erst danach.

Zu Spruchpunkt I. des Zurückweisungsbescheides ("Wiederaufnahme"):

Hinsichtlich des Antrags auf Wiederaufnahme von Verfahren, die Eingangsabgabenvorschreibungen betreffen, die bereits vor dem Beitritt im Rahmen einer Abfertigung oder wegen einer Zollschuldentstehung kraft Gesetzes erfolgt sind, sind die §§ 303 ff BAO anzuwenden.

Nach § 304 BAO ist nach Eintritt der Verjährung eine

Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein

a) innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die

Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer

Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs. 2) von sieben Jahren

zulässig wäre, oder

b) vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach

Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides

eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 zu Grunde liegt.

Die Siebenjahresfrist des § 304 lit. a BAO kann unterbrochen (ab 2005 verlängert) und gehemmt werden. Die absolute Verjährungsfrist begrenzt auch die Frist des § 304 lit. a leg. cit. ( Ritz , BAO3, Tz 5 zu § 304).

Bei der Fünfjahresfrist des § 304 lit. b BAO ist unter Rechtskraft die formelle Rechtskraft zu verstehen. Diese Frist ist vor allem bedeutsam, wenn die Frist des § 304 lit. a BAO im Zeitpunkt der Stellung des Wiederaufnahmsantrags bereits abgelaufen ist (somit insbesondere für nach Ablauf der sog. absoluten Verjährungsfrist des § 209 Abs. 3 BAO gestellte Wiederaufnahmsanträge; vgl. Ritz , a.a.O.).

Nach § 304 BAO kann somit der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens - unabhängig von dem Vorliegen der Voraussetzungen für die amtswegige Wiederaufnahme - auch nach Eintritt der Verjährung gestellt werden, sofern er vor dem Ablauf von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft gestellt wird.

Das Zollamt hat nach Zitierung des § 304 BAO festgestellt, dass "für sämtliche Verfahren vor dem " die zulässige Frist für einen Antrag auf Wiederaufnahme spätestens am abgelaufen sei. Diese Aussage wurde aber von der mitbeteiligten Partei nur dahingehend in Zweifel gezogen, als sie vorgebracht hat, dass ihr Strafverfahren vor dem Landesgericht W eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährungsfrist zur Folge gehabt hätte. Da dieses Finanzstrafverfahren aber nicht der Geltendmachung eines hier in Rede stehenden Abgabenanspruches diente, sondern der Verfolgung eines (zu Recht oder Unrecht geltend gemachten) Strafanspruches, konnte es die von der mitbeteiligten Partei behauptete Wirkung nicht entfalten. Da die mitbeteiligte Partei den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist nicht in Abrede gestellt hat, war das Zollamt auch nicht gehalten, in ihrer Berufungsvorentscheidung dazu weitere Feststellungen zu treffen.

Dasselbe gilt im Übrigen auch für die von der belangten Behörde als wesentlich erachteten, vom Zollamt aber unterlassenen Feststellungen über den Eintritt der Rechtskraft in den einzelnen Abgabenverfahren. Die mitbeteiligte Partei hat nach der Aktenlage weder im Verfahren vor dem Zollamt noch in ihrer an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde behauptet, dass ihr die entsprechenden Bescheide oder Mitteilungen über die buchmäßige Erfassung nicht zugestellt worden seien. Sie hat auch nicht vorgebracht, dass die Abgabenbescheide keine Rechtsmittelbelehrung aufgewiesen hätten oder dass die Rechtsmittelfrist aus einem anderen Grunde nicht abgelaufen gewesen sei. Die im Ermessen der Berufungsbehörde zweiter Stufe stehende Aufhebung nach § 289 Abs. 1 BAO erweist sich somit in diesem Zusammenhang als rechtswidrig, weil die von der belangten Behörde vermissten Feststellungen einen Sachverhalt betreffen, der zwischen den Parteien des Verfahrens vor der belangten Behörde unstrittig gewesen ist. Damit entspricht nämlich die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung jedenfalls nicht den für die Ermessensübung maßgeblichen Kriterien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit (§ 20 BAO).

Hinsichtlich des Antrags auf Wiederaufnahme von Verfahren, die Eingangsabgabenvorschreibungen betreffen, die erst nach dem Beitritt Österreichs entstanden sind, ist das Zollrecht der Union anzuwenden.

Nach Art. 235 ZK gilt als Erstattung die Rückzahlung der Gesamtheit oder eines Teils der entrichteten Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben.

Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben werden nach Art. 236 Abs. 1 ZK insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Art. 220 Abs. 2 buchmäßig erfasst worden ist. Eine Erstattung wird nicht gewährt, wenn die Zahlung oder buchmäßige Erfassung eines gesetzlich nicht geschuldeten Betrags auf ein betrügerisches Vorgehen des Beteiligten zurückzuführen ist.

Die Erstattung der Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben erfolgt nach Art. 236 Abs. 2 ZK auf Antrag; der Antrag ist vor Ablauf einer Frist von drei Jahren nach Mitteilung der betreffenden Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen. Diese Frist wird verlängert, wenn der Beteiligte nachweist, dass er infolge eines unvorhersehbaren Ereignisses oder höherer Gewalt gehindert war, den Antrag fristgerecht zu stellen. Die Zollbehörden nehmen die Erstattung von Amts wegen vor, wenn sie innerhalb dieser Frist selbst feststellen, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Artikel 220 Absatz 2 buchmäßig erfasst worden ist.

Nach Art. 221 Abs. 1 ZK ist der Abgabenbetrag dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.

Ist der zu entrichtende Abgabenbetrag in der Zollanmeldung als Hinweis vermerkt worden, so können die Zollbehörden nach Art. 221 Abs. 2 ZK vorsehen, dass die Mitteilung nach Abs. 1 nur erfolgt, wenn der angegebene Abgabenbetrag nicht mit dem von ihnen ermittelten Betrag übereinstimmt. Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, so gilt (unbeschadet des Artikels 218 Absatz 1 zweiter Unterabsatz) die Überlassung der Waren durch die Zollbehörden als Mitteilung des buchmäßig erfassten Abgabenbetrags an den Zollschuldner.

Das Zollamt hat im erstinstanzlichen Bescheid die Feststellung getroffen, dass die jüngsten Verfahren, für die eine Erstattung beantragt worden sei, aus dem Jahr 1995 stammten und daraus den Schluss gezogen, dass die Frist für eine Erstattung spätestens 1998 abgelaufen ist.

Der Beginn dieses Fristenlaufes in den jeweiligen Verfahren wurde aber von der mitbeteiligten Partei ebenfalls nicht in Zweifel gezogen. Das Zollamt ging auch zu Recht davon aus, dass das von der mitbeteiligten Partei geltend gemachte gerichtliche Finanzstrafverfahren nicht als unvorhersehbares Ereignis oder höhere Gewalt anzusehen ist, welche die mitbeteiligte Partei gehindert hätte, den Antrag fristgerecht zu stellen, sodass eine Fristverlängerung aus diesem Grunde nicht in Frage kam. Für den Beginn und den Lauf dieser Frist sind die von der belangten Behörde vermissten Feststellungen, insbesondere jene über die Rechtskraft der Verfahren, unerheblich, sodass die belangte Behörde nicht berechtigt war, dem Zollamt solche Feststellungen aufzutragen.

Zu Spruchpunkt II. des Zurückweisungsbescheides ("Nachsicht"):

Gemäß Anhang VI Z 10 des Beitrittsvertrages zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Republik Österreich, BGBl. Nr. 45/1995, nimmt Österreich die Erstattung und den Erlass der Abgaben nach seinen Vorschriften und zu seinen Lasten vor, wenn sich die Abgaben, deren Erstattung oder Erlass beantragt wird, auf eine vor dem Zeitpunkt des Beitritts (am ) entstandene Zollschuld beziehen.

Nach § 122 Abs. 2 ZollR-DG gilt u.a. für Erlass-, Erstattungs- , Vergütungs- oder Nichterhebungsmaßnahmen nach den Bestimmungen des ZollG 1988 einer vor dem Beitritt entstandenen Zollschuld ab dem Beitritt das (Unions )Zollrecht (§ 2). Dies allerdings nur hinsichtlich der Fristen. Daraus folgt, dass im Beschwerdefall der Antrag der mitbeteiligten Partei auf "endgültige Nachsicht gemäß §§ 235ff BAO" von Eingangsabgabenschulden, die bereits vor dem Beitritt entstanden sind, als ein Antrag auf Zollerlass aus Billigkeitsgründen nach § 183 ZollG 1988 zu deuten war, wobei zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit seiner Einbringung die Frist nach Art. 239 Abs. 2 ZK anzuwenden ist. Nach Art. 239 Abs. 2 ZK ist der Antrag innerhalb von zwölf Monaten nach der Mitteilung der Abgaben an den Zollschuldner zu stellen, wobei in begründeten Ausnahmefällen die Zollbehörden diese Frist verlängern können.

Auch in diesem Zusammenhang wurde der Beginn des Fristenlaufes der jeweiligen Verfahren von der mitbeteiligten Partei nicht in Zweifel gezogen. Das Zollamt konnte auch zu Recht davon ausgehen, dass das Finanzstrafverfahren, das nach Angaben der mitbeteiligten Partei "einschließlich der Vorerhebungen und Voruntersuchungen" von 1995 bis 2005 gedauert habe, kein Umstand sei, welcher die mitbeteiligte Partei an der rechtzeitigen Antragstellung gehindert hätte, sodass es nicht als rechtswidrig erachtet werden kann, wenn es die Zwölfmonatsfrist nicht verlängert hat. Da für den Beginn und den Lauf dieser Frist die von der belangten Behörde vermissten Feststellungen, insbesondere jene über die rechtskräftige Beendigung der Verfahren, unerheblich sind, war die belangte Behörde auch hinsichtlich des Nachsichtsansuchens betreffend Eingangsabgabenschulden aus der Zeit vor dem Beitritt nicht berechtigt, dem Zollamt solche Feststellungen aufzutragen.

Hinsichtlich des Antrags auf Erlass von Eingangsabgabenschulden, die nach dem Beitritt entstanden sind, ist das gemeinschaftliche Zollrecht anzuwenden. Es kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob der Antrag der mitbeteiligten Partei auf "endgültige Nachsicht gemäß §§ 235ff BAO" als ein Antrag auf Erstattung iSd Art. 236 ZK oder iSd des Art. 239 ZK zu deuten gewesen wäre, weil in jedem der beiden Fälle die belangte Behörde nicht berechtigt war, dem Zollamt die von ihr als fehlend erachteten Feststellungen aufzutragen.

Somit ergibt sich hinsichtlich der von der belangten Behörde vermissten Feststellungen zusammenfassend, dass diese entweder einen Sachverhalt betreffen, der zwischen den Parteien des Verfahrens vor der belangten Behörde unstrittig gewesen ist, oder zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Anträge der mitbeteiligten Partei nicht erheblich gewesen sind. Im Unterlassen dieser Feststellungen kann daher keine taugliche Begründung für die im Ermessen stehende Aufhebung der Berufungsvorentscheidung und Zurückverweisung an die Abgabenbehörde erster Instanz erblickt werden.

Insgesamt ist daher festzuhalten, dass der Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach der Behördenwille des Zollamtes durch die Berufungsvorentscheidung (im Zusammenhalt mit dem erstinstanzlichen Bescheid) nicht ausreichend deutlich zum Ausdruck komme, sowie, dass Feststellungen unterblieben seien, die die belangte Behörde zur Aufhebung der Berufungsvorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Zollamt berechtigt hätten, nicht gefolgt werden kann.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am