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VwGH vom 20.12.2007, 2007/16/0175

VwGH vom 20.12.2007, 2007/16/0175

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der P Ltd. Company in L, Vereinigtes Königreich, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. RV/0020-I/07, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom verkaufte Roman C an die Beschwerdeführerin eine Liegenschaft in der Katastralgemeinde F. Der Kaufvertrag nannte die Beschwerdeführerin "in Österreich vertreten durch Managing Director Hr. Hannes C".

Die Beschwerdeführerin erstattete am an das Finanzamt Innsbruck eine Abgabenerklärung gemäß § 10 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987.

In einer Eingabe vom nahm die Beschwerdeführerin gegenüber der Abgabenbehörde erster Instanz - offenbar zu fernmündlich aufgeworfenen Fragen - Stellung. Die Eingabe endete mit dem Postskriptum: "Der Einfachheit halber bitte die Korrespondenz direkt an Tweg 26 in A F".

Mit zwei Bescheiden vom setzte die Abgabenbehörde erster Instanz gegenüber der Beschwerdeführerin - unter der Anschrift Tweg 5 F - Grunderwerbsteuer mit dem Betrag von EUR 1.365,-- und Schenkungssteuer mit dem Betrag von EUR 13.491,57 fest. Diese Bescheide wurden ohne Zustellnachweis im Wege der Post zugestellt.

Gegen den Schenkungssteuerbescheid erhob die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom , am rekommandiert zur Post gegeben, Berufung, die die Abgabenbehörde erster Instanz mit Berufungsvorentscheidung vom - adressiert an die Beschwerdeführerin unter der Anschrift Tweg 26 F - als unbegründet abwies. In einer weiteren Eingabe vom erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid "Berufung".

Mit Erledigung vom , gerichtet an die Beschwerdeführerin "zu Hden. Herrn Hannes C Tweg 26 F", ersuchte die belangte Behörde um schriftliche Stellungnahme bis längstens : Der bekämpfte Schenkungssteuerbescheid sei am erlassen worden. Die dagegen erhobene Berufung sei am zur Post gegeben und am 22. d.M. beim Finanzamt eingelangt. Nach weiterer Wiedergabe aus den §§ 245 Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BAO und § 26 Abs. 2 ZustG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 führt die belangte Behörde weiter aus, zufolge "obiger gesetzlicher Vermutung" gelte die Zustellung des Schenkungssteuerbescheides vom Freitag, , spätestens als am bewirkt; damit habe die einmonatige Berufungsfrist am Freitag, , geendet. Die Postaufgabe der Berufung sei nachweislich erst am erfolgt, weshalb die belangte Behörde von einer verspäteten Berufung ausgehe und beabsichtige, die Berufung aus diesem Grund zurückweisen. Es werde daher gebeten, allenfalls vorhandene, für eine rechtzeitige Einbringung der Berufung sprechende Umstände dazutun und zum Nachweis des diesbezüglichen Vorbringens geeignete Unterlagen vorzulegen. Im Schreiben vom sei um Zustellung der Korrespondenz "direkt an Tweg 26 in F" gebeten worden. Nach Zustellung der Berufungsvorentscheidungen an die Beschwerdeführerin unter dieser Anschrift habe die Beschwerdeführerin im Vorlageantrag ausgeführt, dieser Bescheid hätte sie auf Umwegen erreicht, der "an die falsche Person gerichtet" wäre. Es werde daher um Mitteilung gebeten, an wen und unter welcher Zustelladresse Zustellungen zu erfolgen hätten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid vom als verspätet zurück und hob die Berufungsvorentscheidung vom auf. Begründend führte die belangte Behörde im Rahmen der Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, laut Auszug aus dem Zentralen Melderegister sei der inländische Vertreter der Beschwerdeführerin, Hannes C, mit Hauptwohnsitz an der Adresse Tweg 26 in F gemeldet; er scheine unter dieser Adresse auch im Telefonbuch (Herold.at) auf. Im Zuge der Überprüfung der Rechtzeitigkeit der Berufung durch die belangte Behörde sei die Beschwerdeführerin mit Vorhaltschreiben vom (zu Handen des Vertreters an die genannte Adresse) davon in Kenntnis gesetzt worden, dass im Hinblick auf die einmonatige Berufungsfrist und die Postaufgabe der Berufung am deren Einbringung als verspätet zu betrachten wäre. Das Vorhaltschreiben mit der Fristsetzung bis längstens , nachweislich zugestellt am , sei bis dato unbeantwortet geblieben. Es sei auch keinerlei (eventuell telefonisches) Ansuchen um etwaige Fristverlängerung gestellt worden.

In rechtlicher Hinsicht erwog die belangte Behörde - unter anderem unter Wiedergabe des § 26 Abs. 2 ZustG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 -, im vorliegenden Fall bedeute dies, dass nach der gesetzlichen Vermutung der Schenkungssteuerbescheid vom spätestens am 15. d.M. als zugestellt gelte. Mit diesem Tag habe die Frist zur Stellung einer Berufung begonnen und die einmonatige Berufungsfrist am Freitag, , geendet. Ein dem widersprechendes Vorbringen samt Nachweis sei trotz Aufforderung von der Beschwerdeführerin nicht erstattet worden. Das Vorhaltschreiben vom sei unbeantwortet geblieben. Die gegenständliche Berufung wäre sohin nur dann fristgerecht gewesen, wenn sie spätestens am letzten Tag der Berufungsfrist eingebracht worden wäre. Dem gegenüber sei die Postaufgabe jedoch nachweislich erst am und der Eingang der Berufung beim Finanzamt erst am 22. d.M. und damit verspätet erfolgt. Gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO habe die Abgabenbehörde eine Berufung, die nicht fristgerecht eingebracht worden sei, (zwingend) durch Bescheid zurückzuweisen. Abschließend begründet die belangte Behörde die Aufhebung der Berufungsvorentscheidung.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin u.a. in ihrem Recht auf eine Sachentscheidung über ihre Berufung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zusammengefasst darin, die belangte Behörde gehe zu Unrecht nach § 26 Abs. 2 ZustG davon aus, dass der Erstbescheid als am zugestellt gälte. Die Beschwerdeführerin habe von vornherein bestritten, dass ihr der Bescheid zugestellt worden wäre. Die belangte Behörde hätte "im Zweifel" die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen feststellen müssen. Diesbezüglich habe die belangte Behörde lediglich ein Vorhaltschreiben an die Beschwerdeführerin verschickt. Erhebungen beim Zusteller seien keine veranlasst worden. Die Beschwerdeführerin habe sich am mittels eingeschriebener Briefsendung zum Vorhalt der belangte Behörde gerechtfertigt und auf Grund eines Telefonates mit der belangten Behörde, wonach dieses Schreiben nicht beim Finanzamt eingelangt wäre, die Stellungnahme am neuerlich übermittelt. Die belangte Behörde hätte Erhebungen darüber pflegen müssen, an wen und ob überhaupt zugestellt worden sei.

Nach § 26 Abs. 2 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998, wurde vermutet, dass die Zustellung am dritten Werktag nach der Übergabe vorgenommen wurde, wenn das Schriftstück der Gemeinde oder dem behördlichen Zusteller übergeben worden war. Im Zweifel hatte die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung galt als nicht bewirkt, wenn sich ergab, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wurde die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Durch die Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 erhielt § 26 über die Zustellung ohne Zustellnachweis eine Neufassung. Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Den ErläutRV zur Neufassung des § 26 ZustG durch die Novelle BGBl. I Nr. 10/2004, 252 BlgNR XXII. GP 16, zufolge werden die Regelungen über die Zustellung ohne Zustellnachweis im Bereich der "postalischen" Zustellung nunmehr zusammenfassend im neuen § 26 getroffen (- bisher § 2a Abs. 2 und § 26).

Der Verwaltungsgerichtshof vertrat in ständiger Rechtsprechung zu § 26 Abs. 2 ZustG in der Fassung vor der Novellierung durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004 die Ansicht, bei Zustellungen ohne Zustellnachweis müsse die Behörde die Folgen dafür auf sich nehmen, dass der Behauptung der Partei, sie hätte ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegen getreten werden könne. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis habe die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall müsse - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgen Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelinge dies nicht, müsse die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/13/0302, sowie vom , Zl. 2004/08/0087, jeweils betreffend § 26 Abs. 2 ZustG idF BGBl. I Nr. 158/1998, mwN).

Den wiedergegebenen ErläutRV zufolge sollte durch die Neufassung des § 26 ZustG nur eine Zusammenfassung von Regelungen erfolgen; Anhaltspunke dafür, dass der Gesetzgeber darüber hinausgehend die bisher in § 26 Abs. 2 ZustG getroffene Regelung über den Beweis der Zustellung ändern wollte, sind nicht zu erkennen. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass § 26 Abs. 2 erster Satz ZustG, wonach die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt "gilt", eine Vermutung der Zustellung vorsieht (vgl. Walter/Thienel, MSA Verwaltungsverfahrensgesetze16 (2004), Anm. 3 zu § 26 ZustG), und zwar deshalb, weil andernfalls die vom Gesetzt für den Zweifelsfall angeordnete Pflicht der Behörde, das tatsächliche Zustelldatum festzustellen, sinnlos wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof geht weiters davon aus, dass in Anbetracht der Vergleichbarkeit der Regelung des § 26 Abs. 2 ZustG in der Fassung vor und in der Fassung seit der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 seine oben wiedergegebene Rechtsprechung zu dieser Bestimmung weiterhin maßgeblich ist.

Die belangte Behörde erkannte zutreffend, dass die Beschwerdeführerin eine Zustellung des Erstbescheides vom mehr als einen Monat vor dem bestritten hat. Nach dem Gesagten hatte daher die belangte Behörde angesichts des vorliegenden Zweifelsfalles die Tatsache der Zustellung nachzuweisen und musste den Beweis der erfolgten Zustellung erbringen.

Die belangte Behörde traf im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen über die Zustellung des Erstbescheides vom an die Beschwerdeführerin, d.h. in welchem Zeitpunkt diese Sendung entweder einem organschaftlichen Vertreter der Beschwerdeführerin - offenbar einer Gesellschaft englischen Rechts - oder einem zur Empfangnahme solcher Sendungen Bevollmächtigten tatsächlich zugekommen wäre, sondern beließ es in Ansehung dessen, dass das Vorhaltschreiben vom unbeantwortet geblieben sei, bei der Vermutung des § 26 Abs. 2 erster Satz ZustG. Dieser Vermutung war jedoch durch die erfolgte Bestreitung der Beschwerdeführerin die Grundlage entzogen.

Schon damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war; in der Gegenschrift dazu nachgetragene Überlegungen der belangten Behörde vermögen an dem Feststellungsmangel nichts zu ändern.

Der Spruch über den Aufwandersatz sowie die Abweisung des Mehrbegehrens an solchem gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, die insbesondere einen Ersatz von Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand nicht vorsehen.

Wien, am