Suchen Hilfe
VwGH 30.04.2013, 2012/05/0018

VwGH 30.04.2013, 2012/05/0018

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
VwRallg;
RS 1
Bei der Frage, ob § 134 Abs. 3 vorletzter Satz oder letzter Satz Wr BauO heranzuziehen ist, ist ausschließlich die Widmung jener Fläche entscheidend, auf der das Bauvorhaben realisiert werden soll (Hinweis E vom , 95/05/0181, und E vom , 97/05/0054). Ein anderes Verständnis, das sich im Übrigen keineswegs aus dem Wortlaut des Gesetzestextes ergibt, würde auch zu unsachlichen und gleichheitswidrigen Ergebnissen führen, wenn es nämlich bei ein und demselben Bauvorhaben bei der Beurteilung des Kreises der relevanten Nachbargrundstücke darauf ankäme, welche konkreten Widmungen im Umgebungsbereich des Baugrundstückes vorhanden sind. Bei ein und demselben Bauvorhaben erführen Nachbarn dann gegebenenfalls einen jeweils verschiedenen Schutz von Nachbarrechten. Auch ein Abstellen auf das Überwiegen hätte unsachliche Konsequenzen, weil damit Nachbarn, deren Liegenschaften im Bauland liegen, gegenüber anderen Nachbarn je nach Lage des Falles entweder bevorzugt oder benachteiligt wären.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Senatspräsidenten Dr. Waldstätten, die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. des Dr. WD und 2. der MD, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Peter Wagner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 34/3, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 516/11, betreffend Parteistellung in einem Bauverfahren (weitere Partei:

Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: g GmbH in Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom wurde der mitbeteiligten Bauwerberin gemäß § 71 der Bauordnung für Wien (BO) die Baubewilligung, befristet auf drei Jahre, erteilt, auf der Liegenschaft R-Gasse 11 im Park, 21 m hinter der Hoffront des Palais, eine versenk- und ausklappbare LED-Bildwand mit zugehöriger Hubvorrichtung und Schacht zu errichten. Die Betriebszeiten wurden mit maximal zwei Stunden an Arbeitstagen festgesetzt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurden die dagegen u. a. von den Beschwerdeführern erhobenen Berufungen mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die zu bebauende Liegenschaft sei zur Gänze als Grünland-Parkschutzgebiet gewidmet. Das Bauvorhaben liege in der Mitte der Liegenschaft, mit Abständen von mehr als 40 m sowohl von der hinteren als auch von den beiden seitlichen Grundgrenzen entfernt. Vom Grundstück Nr. 1180/1, auf dem das Gebäude stehe, in dem die Beschwerdeführer Wohnungseigentümer seien, sei das geplante Bauwerk ca. 80 m weit entfernt. Da gemäß § 134 Abs. 3 letzter Satz BO bei in Parkschutzgebieten geplanten Bauvorhaben nur jene Liegenschaften als benachbart gälten, die in einer Entfernung von höchstens 20 m vom geplanten Bauwerk lägen, komme den Beschwerdeführern keine Parteistellung und damit auch kein Berufungsrecht zu. Unabhängig davon werde darauf hingewiesen, dass bei einem Abstand von mehr als 80 m zwischen dem Grundstück der Beschwerdeführer und dem Bauvorhaben (zumal das Palais zwischen dem projektierten Bauwerk und dem Grundstück der Beschwerdeführer situiert sei) ein Eingriff in subjektive Rechte der Beschwerdeführer nicht erkannt werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, die belangte Behörde habe § 134 Abs. 3 BO falsch interpretiert. Das Gesetz stelle nicht auf das zu bebauende Grundstück als Beurteilungskriterium ab. Adressat der Norm seien vielmehr die benachbarten Liegenschaften, Schutzsubjekt deren Eigentümer. Entscheidend für die richtige Auslegung und Anwendung der Gesetzesstelle sei somit die Widmung der benachbarten Liegenschaft, bei extensiver Interpretation allenfalls die überwiegende Widmung der an das zu bebauende Grundstück angrenzenden Liegenschaften. Folglich wäre von der belangten Behörde auf das Berufungsvorbringen in der Sache einzugehen gewesen.

§ 134 BO idF LGBl. Nr. 25/2009 lautet auszugsweise:

"Parteien

§ 134. …

(3) Im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes sind außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind wie Eigentümer der Liegenschaften zu behandeln. Die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften sind dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134 a erschöpfend festgelegten subjektivöffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134 a gegen die geplante Bauführung erheben; das Recht auf Akteneinsicht (§ 17 AVG) steht Nachbarn bereits ab Einreichung des Bauvorhabens bei der Behörde zu. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 AVG). Benachbarte Liegenschaften sind im Bauland jene, die mit der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft eine gemeinsame Grenze haben oder bis zu einer Breite von 6 m durch Fahnen oder diesen gleichzuhaltende Grundstreifen oder eine höchstens 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von dieser Liegenschaft getrennt sind und im Falle einer Trennung durch eine öffentliche Verkehrsfläche der zu bebauenden Liegenschaft gegenüberliegen. In allen übrigen Widmungsgebieten sowie bei Flächen des öffentlichen Gutes sind jene Liegenschaften benachbart, die in einer Entfernung von höchstens 20 m vom geplanten Bauwerk liegen.

…"

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist bei der Frage, ob § 134 Abs. 3 vorletzter Satz oder letzter Satz BO heranzuziehen ist, ausschließlich die Widmung jener Fläche entscheidend, auf der das Bauvorhaben realisiert werden soll (vgl. in diese Richtung bereits die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zitierten hg. Erkenntnisse vom , Zl. 95/05/0181, und vom , Zl. 97/05/0054). Ein anderes Verständnis, das sich im Übrigen keineswegs aus dem Wortlaut des Gesetzestextes ergibt, würde auch zu unsachlichen und gleichheitswidrigen Ergebnissen führen, wenn es nämlich bei ein und demselben Bauvorhaben bei der Beurteilung des Kreises der relevanten Nachbargrundstücke darauf ankäme, welche konkreten Widmungen im Umgebungsbereich des Baugrundstückes vorhanden sind. Bei ein und demselben Bauvorhaben erführen Nachbarn dann gegebenenfalls einen jeweils verschiedenen Schutz von Nachbarrechten. Auch ein Abstellen auf das Überwiegen, wie es den Beschwerdeführern vorschwebt, hätte unsachliche Konsequenzen, weil damit Nachbarn, deren Liegenschaften im Bauland liegen, gegenüber anderen Nachbarn je nach Lage des Falles entweder bevorzugt oder benachteiligt wären.

Den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde über die Abstände tritt die Beschwerde nicht entgegen.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs.  1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
VwRallg;
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut
des Gesetzes VwRallg3/2/1
Baurecht Nachbar
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2013:2012050018.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAE-68993