VwGH vom 28.02.2012, 2012/05/0017
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. des WB und 2. der RB, beide in Wien und vertreten durch Dr. Hans Kulka, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 13/8, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-561/11, betreffend Verlängerung der Erfüllungsfrist eines baupolizeilichen Auftrages (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Mit Ansuchen vom stellten die Beschwerdeführer den Antrag auf Verlängerung der Erfüllungsfrist bezüglich des im Bescheid der belangten Behörde vom gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien erteilten Auftrages zur Beseitigung näher bezeichneter Zubauten (siehe zum gegenständlichen Bauauftrag das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/05/0105).
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass der Bauauftrag vom in Rechtkraft erwachsen ist. Sie bringen im Wesentlichen vor, dass die Behörde auch im Fall des § 68 Abs. 2 AVG nach ihrem Ermessen zu handeln und dabei die öffentlichen Interessen und diejenigen der Partei abzuwägen habe. Eine solche Interessenabwägung habe die belangte Behörde nicht vorgenommen. Sie hätte prüfen müssen, ob öffentliche Interessen gegen eine Verlängerung der Frist sprächen. Solche öffentliche Interessen seien nicht ersichtlich, da von den beiden konsenslos errichteten "Pawlatschen" überhaupt keine Gefährdung ausgehe. Die belangte Behörde habe sich zudem nicht damit auseinandergesetzt, dass der Erstbeschwerdeführer schwer erkrankt sei, was im Vorverfahren ausreichend belegt worden sei, und von der Zweitbeschwerdeführerin gepflegt werden müsse. Weiters habe sie nicht berücksichtigt, dass die Beschwerdeführer die Arbeiten aus finanziellen Gründen selbst mit Hilfe von Familienangehörigen durchführen müssten, wofür die kalte Jahreszeit ein besonderes Hindernis darstelle.
Gemäß § 68 Abs. 2 AVG können von Amts wegen Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde oder vom unabhängigen Verwaltungssenat, die oder der den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden. Gemäß Abs. 7 dieser Gesetzesstelle steht auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts niemandem ein Anspruch zu.
Aus dieser Gesetzeslage ergibt sich, dass der Partei kein Rechtsanspruch auf die Ausübung des behördlichen Aufsichtsrechtes zusteht. Die Ausübung des Aufsichtsrechtes kann zwar angeregt, nicht aber erzwungen werden. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass auf die Erstreckung der Erfüllungsfrist eines in Rechtskraft erwachsenen Auftrages niemandem ein Rechtsanspruch zusteht. Der Antrag der Beschwerdeführer ist daher von der belangten Behörde mit Recht zurückgewiesen worden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0263, mwN).
Soweit die Beschwerdeführer die sich aus der gesetzlichen Regelung des § 68 Abs. 7 AVG ergebenden Konsequenzen insofern kritisieren, als es "im Gefüge der Österreichischen Rechtsordnung nicht sein" könne, dass eine Behörde nicht nach freiem Ermessen, sondern nach "Belieben" handle und es solche Kategorien des Verwaltungshandeln nicht gebe, ist ihnen zunächst entgegen zu halten, dass nach dem Konzept des AVG Bescheide - gegen die ein ordentliches Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zu Verfügung steht - rechtskräftig werden, was insbesondere bedeutet, dass sie nicht mehr ohne weiteres aufgehoben oder abgeändert werden dürfen. Dies dient der Rechtssicherheit und gewährleistet einen gewissen Vertrauensschutz für die Parteien. Andererseits kann es aber überwiegende öffentliche Interessen geben, einen rechtskräftigen Bescheid nachträglich aufzuheben oder abzuändern, etwa weil er an einem besonders schweren Fehler leidet oder weil seine Auswirkungen den öffentlichen Interessen widerstreiten (vgl. Thienel/Schulev-Steindl , Verwaltungsverfahrensrecht5, S. 298.). Diese der Behörde nach § 68 Abs. 2 bis 4 AVG eingeräumte Befugnis, von einem bereits rechtskräftigen Bescheid wieder abzugehen, soll ihr im Interesse der Rechtssicherheit aber nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen zustehen. Die Wahrnehmung dieser Befugnisse steht daher nicht im "Belieben" der Behörde, sondern sie hat dabei Ermessen, wobei insbesondere zwischen der Schwere des Fehlers bzw. der Auswirkung des Bescheides einerseits und dem Prinzip der Rechtssicherheit andererseits abzuwägen ist (vgl. dazu Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger , Verwaltungsverfahrensrecht9 (2011) Rz 655). Demgemäß hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung vor allem betont, dass das Vorhandensein der Voraussetzungen für die Abänderung oder Behebung eines Bescheides nach den zitierten Bestimmungen, da es sich um Ausnahmen von der grundsätzlich bestehenden materiellen Rechtskraft handelt, immer streng geprüft werden müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/02/0105, mwN). Von einem "unkontrollierbaren Ermessen" der Behörde kann daher - entgegen dem Beschwerdevorbringen - keine Rede sein. Dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0266, auf das die Beschwerde verweist, lag im Übrigen kein Aufsichtsverfahren nach § 68 Abs. 2 bis 4 AVG zugrunde.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am