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VwGH vom 28.05.2013, 2012/05/0016

VwGH vom 28.05.2013, 2012/05/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Senatspräsidenten Dr. Waldstätten sowie die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der I GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Karl Klein, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Invalidenstraße 7/6, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 462 und 488/11, betreffend Untersagung einer Bauführung (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom erstattete die Beschwerdeführerin eine Bauanzeige gemäß § 62 der Bauordnung für Wien (BO) betreffend Widmungsänderungen im Haus V-Gasse 45.

Mit Bescheid vom untersagte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, gemäß § 62 Abs. 4 BO die angezeigte Bauführung, nämlich den Umbau in ein Kindertagesheim. Begründend wurde ausgeführt, für die Maßnahmen sei eine Baubewilligung erforderlich. Es liege nämlich ein Umbau gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO vor. Da mit einem Umbau baurechtliche Verpflichtungen für die Eigentümer des Gebäudes entstehen könnten (z.B. Gehsteigverpflichtung), sei ein Bauanzeigeverfahren, bei dem die Zustimmung der Grundeigentümer nicht nachzuweisen sei, nicht anwendbar.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die geplante Umgestaltung des Erdgeschoßes und von Teilen des ersten Stockes sei so umfangreich und weitreichend, dass diese Änderungen als Umbau zu qualifizieren seien. Das gesamte Erdgeschoß sei bisher als Büro genützt und gewidmet gewesen, nach dem vorliegenden Projekt sollten diese Räume als Kindertagesheim verwendet werden. Dadurch erfolge im gesamten Erdgeschoß eine wesentliche Änderung der Raumwidmung, sodass durch diese Nutzungsänderung dieses Geschoß und somit auch das Gebäude als ein anderes anzusehen sei. Bei objektiver Betrachtung sei eine wesentliche Änderung zu erkennen, weil das bisher der Büronutzung vorbehaltene Geschoß nunmehr zu einem Kindertagesheim umgestaltet werden solle. Mit dieser Nutzungsänderung sei eine wesentliche Änderung des Immissionsausmaßes verbunden. Somit sei das Bauvorhaben ein Umbau im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a BO. Eine andere Auffassung würde bedeuten, dass die BO den Liegenschaftseigentümern im Fall von Umbauten zwingende Verpflichtungen auferlegte, obwohl sie die angezeigte Bauführung nicht billigten, ja sogar zu bekämpfen versuchten. Obgleich in ihre Rechtsposition zu ihrem Nachteil eingegriffen werden könnte, hätten sie in diesem Verfahren weder Parteistellung noch die Möglichkeit, sich gegen den Bau zur Wehr zu setzen. Vielmehr hätte es ein beliebiger Dritter, dem regelmäßig nicht einmal Eigentumsrechte zustünden, in der Hand, Verpflichtungen der Liegenschaftseigentümer zu bewirken. Auch im Hinblick auf den Immissionsschutz sprächen triftige Gründe dafür, dass Umbauten nicht mit Bauanzeige vorgenommen werden könnten. Wenn man beispielsweise Umwidmungen in Beherbergungsstätten, Vergnügungsstätten oder Werkstätten durch Bauanzeige ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung und ohne Einbindung von Nachbarn zuließe, wären sowohl die Liegenschaftseigentümer als auch die Nachbarn gehindert, ihre ihnen nach der BO zustehenden Rechte geltend zu machen. Solcherart könnte man sämtliche Schutzbestimmungen der BO umgehen. Im Übrigen sei auch das mit äußerst kurzen Erledigungsfristen verbundene Bauanzeigeverfahren nicht geeignet, eine ausführliche Prüfung und Einschätzung derartiger, aus einer solchen Umwidmung resultierenden Immissionen zu ermöglichen.

Hinzu komme im vorliegenden Fall, dass ein Kindertagesheim eine Reihe gesetzlicher Vorgaben für die Betriebsführung, insbesondere Voraussetzungen zum Schutz der Kinder vor Verletzungen, erfüllen müsse. Die technischen Vorgaben für ein Kindertagesheim fänden sich in der Wiener Kindertagesheimverordnung. Da mit der Widmung Kindertagesheim eine Reihe von Schutzvorschriften für Kinder verbunden sei, die zugleich auch bauliche Abänderungen erfordern könnten, erscheine die bloße Eintragung der neuen Widmung als nicht ausreichend. Vielmehr sei in Absprache mit geeigneten Amtssachverständigen zu prüfen, welche konkreten baulichen Maßnahmen für die Einrichtung eines Kindertagesheimes erforderlich seien. Es zeige sich deutlich, dass die gesetzlichen Anforderungen an ein Büro wesentlich von den Erfordernissen abwichen, die an ein Kindertagesheim gestellt würden. Die Kenntnisnahme einer Bauanzeige ohne eine solche detaillierte Prüfung könne daher von der Baubehörde nicht verantwortet werden. Es werde zumindest im Fall eines Kindertagesheimes eine vertiefte Prüfung unter Beiziehung von Amtssachverständigen zum Schutz der Gesundheit der Kinder durchgeführt werden müssen, wofür die Bauanzeige mit den für die Behörde äußert kurzen Reaktionsfristen keine taugliche Verfahrensgrundlage abgeben könne. Die Umwidmung eines Büros in ein Kindertagesheim sei mit Bauanzeige nicht zulässig, sondern die weitreichenden Abänderungen müssten im Wege eines Baubewilligungsverfahrens mit mündlicher Verhandlung und Einbindung der Liegenschaftseigentümer und Nachbarn beurteilt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht sich in ihrem subjektivöffentlichen Recht auf Zulassung der Bauführung durch bloße Kenntnisnahme der Anzeige gemäß § 62 BO verletzt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorlägen. Die belangte Behörde setze unzulässigerweise ein Kindertagesheim mit einem Kindergarten gleich. Tatsächlich sei die Gründung und der Betrieb von zwei Kindergruppen geplant, die jeweils maximal 14 Kinder umfassen dürften. Dies hätte die belangte Behörde sachverhaltsmäßig ermitteln und feststellen müssen. Von einer wesentlichen Raumumwidmung könne damit nicht mehr gesprochen werden. Die tatsächlichen Büro- bzw. Geschäftsräumlichkeiten würden beibehalten, und es würde lediglich neben der Bürotätigkeit auch die Kinderbetreuung von Kindergruppen erfolgen. Auch kinderreiche Familien oder Tagesmütter bedürften für die Planung keiner baubehördlichen Bewilligung. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Umbau lägen nicht vor. Die bisherige Widmung der Betriebsfläche bleibe erhalten. Es erfolge nicht die Umwidmung einer Wohnfläche in eine Betriebsfläche. Lediglich zum Teil würden Räume anders genützt. Neben der Bürotätigkeit erfolge eine Kinderbetreuung. Durch die Umwidmung würden weder Liegenschaftseigentümer beeinträchtigt noch sonstige subjektivöffentliche Rechte. Es sei weder mit einer besonderen Personenanzahl, Lärmimmission oder Kundenfrequenz zu rechnen, die über den normalen, gewidmeten Geschäftsbetrieb hinausginge. Jede Kindergruppenbetreuung bedürfe einer Bürotätigkeit, jede Bürotätigkeit könne Kinderbeherbergung in Form von Kindergruppen umfassen. Eine Verpflichtung zur Gehsteigherstellung bestehe nicht. Mit Immissionen sei nicht zu rechnen. Die Kinderschutzvorschriften seien in anderen Gesetzen geregelt und somit Gegenstand allenfalls anderer Verwaltungsverfahren. Öffentliche Interessen würden nicht berührt, vielmehr liege es im Interesse der Öffentlichkeit, dass möglichst problemlos Kinderbetreuungsstätten eingerichtet werden könnten. Die vorhandenen Büroräumlichkeiten seien verwendet worden und es habe schon immer eine Kundenfrequenz gegeben, sodass Immissionen und Emissionen bereits in der gegebenen Form vorhanden gewesen seien oder auch nicht und somit eine Änderung der Nutzung insoweit nicht eintrete. Gleiches gelte für allfällige angedachte Schutzvorschriften. Die Eigentümer hätten in einem zivilrechtlichen Verfahren nach den Vorschriften des WEG ihre Zustimmung erteilen bzw. Ablehnung aussprechen können. Dieses Verfahren sei vom baubehördlichen Verfahren zu trennen. Es ändere sich weder am äußeren Erscheinungsbild des Gebäudes etwas noch liege eine gravierende Änderung der Raumnutzung vor. Die belangte Behörde begründe ihren Bescheid damit, dass eine Reihe von Schutzvorschriften für Kinder einzuhalten sei, ebenso Regelungen über allfälligen Immissionsschutz etc. Dabei handle es sich allerdings um Vorschriften für die Betriebsführung, die in einem gewerberechtlichen Verfahren bzw. bei der Beurteilung von Voraussetzungen der Kinderbetreuungseinrichtung nach dem Wiener Tagesbetreuungsgesetz zu beachten seien, wofür die belangte Behörde unzuständig sei.

Gegenstand des Verfahrens ist eine Bauanzeige nach der Bauordnung für Wien. Darüber hat die Behörde erster Instanz mit Bescheid vom entschieden. Nach § 136 Abs. 1 BO steht gegen Bescheide des Magistrates den Parteien das Recht der Berufung an die Bauoberbehörde zu, die endgültig entscheidet. Entgegen der Auffassung in der Beschwerde war die belangte Behörde somit zur Entscheidung zuständig. Zwar hat sie sich in der Bescheidbegründung auch auf die in der Beschwerde genannten Vorschriften berufen, dies ändert aber jedenfalls nichts an ihrer Zuständigkeit.

§ 60 der Bauordnung für Wien (BO) idF LGBl. Nr. 25/2009

lautet auszugsweise:

"Ansuchen um Baubewilligung

§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:

a) Neu-, Zu- und Umbauten. …Unter Umbau sind jene Änderungen des Gebäudes zu verstehen, durch welche die Raumeinteilung oder die Raumwidmungen so geändert werden, dass nach Durchführung der Änderungen das Gebäude als ein anderes anzusehen ist. Ein Umbau liegt auch dann vor, wenn solche Änderungen selbst nur ein einzelnes Geschoß betreffen. Der Einbau von Wohnungen oder Teilen davon in das Dachgeschoß gilt nicht als Umbau.

c) Änderungen oder Instandsetzungen von Bauwerken, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektivöffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Bauwerks;

…"

§ 62 BO idF LGBl. Nr. 25/2009 lautet auszugsweise:

"Bauanzeige

§ 62. (1) Eine Bauanzeige genügt für

1. den Einbau oder die Abänderung von Badezimmern und Sanitäranlagen, auch unter Inanspruchnahme gemeinsamer Teile des Bauwerkes, soweit dies für eine ausreichende Be- und Entlüftung des Raumes und für die Herstellung einer Feuchtigkeitsisolierung erforderlich ist;


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2.
Loggienverglasungen;
3.
den Austausch von Fenstern gegen solche anderen Erscheinungsbildes (Konstruktion, Teilung, Profilstärke, Farbe und dergleichen) sowie den Austausch von Fenstern in Schutzzonen;
4.
alle sonstigen Bauführungen, die keine Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerkes bewirken, nicht die Umwidmung von Wohnungen betreffen und keine Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen auslösen.

(4) Ergibt die Prüfung der Angaben in Bauplänen, dass die zur Anzeige gebrachten Baumaßnahmen nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen oder einer Baubewilligung bedürfen, hat die Behörde binnen sechs Wochen ab tatsächlicher Vorlage der vollständigen Unterlagen die Bauführung mit schriftlichem Bescheid unter Anschluss einer Ausfertigung der Unterlagen zu untersagen. Maßgebend für die Beurteilung des Bauvorhabens ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage der vollständigen Unterlagen. Wird die Bauführung untersagt, ist sie einzustellen.

(6) Erfolgt keine rechtskräftige Untersagung der Bauführung, gilt das Bauvorhaben hinsichtlich der Angaben in den Bauplänen als gemäß § 70 bewilligt. Ist das betreffende Gebäude gemäß § 71 bewilligt, so gilt das Bauvorhaben ebenfalls als gemäß § 71 bewilligt.

…"

Gemäß § 134 Abs. 5 BO ist in Verfahren gemäß § 62 BO der Bauwerber Partei.

§ 50 des Wiener Garagengesetzes 2008, LGBl. Nr. 34/2009 idF Nr. 46/2010 (WGG), lautet:

"§ 50. (1) Für jede Wohnung ist ein Stellplatz zu schaffen. Bei Gebäuden für Beherbergungsstätten ist für je 5 Zimmereinheiten oder Appartements ein Stellplatz oder für je 30 Zimmereinheiten oder Appartements ein Busstellplatz zu schaffen. Bei Heimen, bei welchen Wohneinheiten bestehen oder vorgesehen sind, ist für je 10 Wohneinheiten ein Stellplatz zu schaffen.

(2) Bei Industrie- und Betriebsbauwerken, Bürogebäuden, Amtsgebäuden, Schulen, Instituten, Krankenanstalten und dergleichen ist für je 80 m2 Aufenthaltsraum ein Stellplatz zu schaffen. Bei Geschäftsgebäuden und anderen, dem Verkehr mit Kunden, Gästen und anderen, vorwiegend nicht betriebsangehörigen Personen dienenden Räumlichkeiten ist für je 80 m2 Aufenthaltsraum ein Stellplatz zu schaffen. Bei Heimen, bei welchen keine Wohneinheiten bestehen oder vorgesehen sind, wie bei Heimen für Lehrlinge, jugendliche Arbeiterinnen und Arbeiter, Schülerinnen, Schüler und Studierende, ist für je 300 m2 Aufenthaltsraum ein Stellplatz zu schaffen.

(3) Bei Gebäuden für Veranstaltungen, Versammlungsräumen, Sportanlagen und dergleichen ist für je 50 Personen ein Stellplatz zu schaffen, wobei die behördlich zugelassene Besucherzahl als Bemessungsgrundlage dient.

(4) Bei Bädern ist für je 10 Kabinen oder 30 Kästchen ein Stellplatz zu schaffen. Für jede Wechselkabine oder jedes Wechselkästchen ist ein Stellplatz zu schaffen.

(5) Bei Schaffung von Kleingärten im Kleingartengebiet sowie im Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen sind im Rahmen der Abteilungsbewilligung Trennstücke für Stellplätze zu schaffen; dabei sind bei Kleingärten mit der Widmung 'Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen' für jeden Kleingarten, sonst für je fünf Kleingärten, ein Stellplatz zu berechnen. Bei Neufestsetzung der Widmung 'Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet' oder 'Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen' ist bei Abteilung auf Kleingärten, sofern diese Kleingärten in ihrer überwiegenden Anzahl tatsächlich bereits bebaut sind, von der Verpflichtung zur Schaffung der Stellplätze insofern abzusehen, als dafür Grundflächen nicht zur Verfügung stehen; diese Verpflichtung gilt bis zum Freiwerden eines Kleingartens, der sich für die Erfüllung der Stellplatzverpflichtung eignet, als gestundet.

(6) Bei Anwendung der Abs. 1 bis 5 ist ein Stellplatz jeweils nur für die volle Verhältniszahl zu berechnen.

(7) Bei Änderungen der Raumwidmung beziehungsweise Raumeinteilung ist für die betroffenen Räume die Zahl der Pflichtstellplätze nach den Grundsätzen der Abs. 1 bis 6 gesondert für die bisherige und für die neue Widmung zu ermitteln; Stellplätze sind insoweit zu schaffen, als die Gegenüberstellung dieser Zahlen für die neue Raumwidmung beziehungsweise Raumeinteilung eine zusätzliche Stellplatzverpflichtung ergibt.

(8) Entsteht bei einem einheitlichen Bauvorhaben nach den Grundsätzen der Abs. 1 bis 7 einerseits die Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen und andererseits durch die Änderung der Raumwidmung beziehungsweise Raumeinteilung rechnerisch ein Guthaben von Pflichtstellplätzen, dürfen sie gegeneinander aufgerechnet werden.

(9) Keine Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen besteht für

1. Kleinhäuser mit nur einer Wohneinheit, Kleingartenwohnhäuser und Kleingartenhäuser;

2. unmittelbar kultische oder der Bestattung dienende Anlagen.

(10) Für 10% der gemäß Abs. 1 bis 9 zu schaffenden Stellplätze können Abstellplätze für Fahrräder oder Abstellplätze für einspurige Kraftfahrzeuge geschaffen werden, wobei für einen Stellplatz sechs Abstellplätze für Fahrräder bzw. drei Abstellplätze für einspurige Kraftfahrzeuge zu schaffen sind. Die Verpflichtung zur Schaffung eines Raumes zum Abstellen von Fahrrädern gemäß § 119 Abs. 5 der Bauordnung für Wien bleibt davon unberührt.

(11) Bei der Berechnung des durch Stellplätze für Fahrräder bzw. einspurige Kraftfahrzeuge ersetzbaren Stellplatzanteiles haben die jeweiligen Dezimalreste außer Betracht zu bleiben."

Nach dem Einleitungssatz des § 60 Abs. 1 BO kommt diese Bestimmung insgesamt nur dann zum Tragen, wenn nicht (u.a.) § 62 BO zur Anwendung kommt. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kommt es somit nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht darauf an, ob ein Umbau oder eine bloße bauliche Änderung im Sinne des § 60 Abs. 1 lit.a bzw. lit. c BO vorliegt. Maßgebend ist im gegebenen Fall lediglich, ob die Bauführung die Vorschriften des § 62 Abs. 1 BO erfüllt.

In Frage kommt im hier gegenständlichen Zusammenhang § 62 Abs. 1 Z. 4 BO. Die belangte Behörde hat nicht festgestellt und es ist auch aus den Einreichplänen nicht ersichtlich, dass eine Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerkes durch die geplante Bauführung bewirkt würde. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass Wohnungen umgewidmet würden. Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung auch nicht darauf gestützt, dass das Bauvorhaben eine Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen auslöste.

Die belangte Behörde äußerte in der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch Bedenken dagegen, dass auch ein Umbau (wie hier gegeben) bloß anzeigepflichtig sein könnte, und zwar wegen der dann fehlenden Zustimmungspflicht des Grundeigentümers und der dann nicht eingeräumten Nachbarparteistellung aus dem Grunde des § 134 Abs. 5 BO.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass ein verfassungsrechtliches Gebot der Zustimmung des Grundeigentümers im baubehördlichen Bewilligungsverfahren nicht besteht (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 3509/96) und es angesichts der zivilrechtlichen Stellung des Grundeigentümers auch nicht unsachlich erscheint, wenn der Gesetzgeber bei Baumaßnahmen (wie hier) lediglich im Inneren des Gebäudes im Hinblick auf die anzustrebende Verfahrensvereinfachung auf die Grundeigentümerzustimmung verzichtet.

Im Zusammenhang mit der Parteistellung der Nachbarn, die bei Bauführungen im Inneren des Gebäudes im Bauanzeigeverfahren hinsichtlich des Rechtes auf Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung ergeben könnten (§ 134a Abs. 1 lit. e BO), verletzt sein könnte, ist zunächst zu bemerken, dass die Behörde gemäß § 62 Abs. 4 BO ohnedies zu prüfen hat, ob die Baumaßnahmen den gesetzlichen Erfordernissen - etwa auch im Hinblick auf den in der Gegenschrift genannten zweiten Satz des § 6 Abs. 6 BO betreffend Immissionen - entsprechen. Dass dies in einer relativ kurzen Frist zu erfolgen hat, kann nicht dazu führen, dass Baumaßnahmen, die die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 BO erfüllen, nicht nach dieser Bestimmung behandelt werden. Für den vorliegenden Fall ist im gegebenen Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, dass ein Kindergarten als soziale Einrichtung im Sinne des § 6 Abs. 6 erster Satz BO jedenfalls auch im Wohngebiet zulässig ist und damit kein Immissionsschutz der Nachbarn besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/05/0021).

Eine Verfassungswidrigkeit der gegenständlichen Gesetzesbestimmungen, nach deren Wortlaut auch ein Umbau gegebenenfalls nur einer Bauanzeige bedarf, kann aber auch deshalb nicht erblickt werden, weil eine Bauanzeige gemäß § 62 Abs. 1 Z. 4 BO auch dann ausscheidet, wenn eine Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen ausgelöst wird. Dies ist gemäß § 48 Abs. 1 WGG nach Maßgabe der näheren Regelungen dieses Gesetzes unter anderem bei Änderungen der Raumwidmung oder der Raumeinteilung der Fall. Welche Raumwidmungen eine Stellplatzpflicht auslösen, ist in § 50 WGG normiert. Damit werden auch immissionsrelevante Umwidmungen erfasst, sodass jedenfalls bei einer Durchschnittsbetrachtung keine unsachliche Behandlung der Nachbarn zu erblicken ist. Bemerkt wird, dass es bei der Frage, ob eine bestimmte Baumaßnahme eine Stellplatzpflicht im Sinne des § 62 Abs. 1 Z. 4 BO "auslöst", nicht darauf ankommen kann, in welchem Ausmaß die Stellplätze konkret zu schaffen sind, dass es also insbesondere auch keine Rolle spielt, ob gegebenenfalls eine Anrechnung im Sinne des § 50 Abs. 7 oder 8 WGG erfolgt.

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung im vorliegenden Fall, wie bereits erwähnt, nicht darauf gestützt, dass das Bauvorhaben eine Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen auslöste. Dies erweist sich nach den Einreichplänen auch als zutreffend, weil das Ausmaß der umgewidmeten Räume unter der 300 m2-Grenze des § 50 Abs. 2 letzter Satz WGG liegt.

Anders als die belangte Behörde vermeint, ist allerdings entsprechend den obigen Ausführungen im Beschwerdefall keine verfassungskonforme Interpretation geboten, die entgegen dem Wortlaut des Gesetzes Umbauten von der Bauanzeige ausschließen würde. Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am