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VwGH 05.08.2016, Ra 2016/03/0083

VwGH 05.08.2016, Ra 2016/03/0083

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
VStG §1 Abs2;
VwGVG 2014 §38;
RS 1
Das "Günstigkeitsprinzip" des § 1 Abs. 2 VStG bezieht sich auf die die Strafe betreffenden Bestimmungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/09/0031). Dieses Günstigkeitsprinzip kommt aber auch immer dann zur Anwendung, wenn die Strafbarkeit eines Verwaltungsstraftatbestandes nach dem Zeitpunkt der Begehung zur Gänze weggefallen ist.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2005/06/0156 E VwSlg 17067 A/2006 RS 4
Normen
MRK Art7 Abs1;
VStG §1 Abs2;
VStG §1;
VStG §31 idF 2009/I/020;
VStG §31 idF 2013/I/033;
RS 2
§ 1 Abs 2 VStG steht auch einer Anwendung einer geänderten Verjährungsbestimmung auf vor dem Inkrafttreten der jeweiligen Novelle begangene Straftaten nicht entgegen, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der geänderten Bestimmung Verjährung noch nicht eingetreten war; ein allgemeines, die Verjährungsbestimmung umfassendes Günstigkeitsprinzip lässt sich aber aus Art 7 Abs 1 MRK nicht ableiten (vgl ; , mwH; siehe EGMR vom , Scoppola gg Italien (Nr 2), Nr 10.249/03, Tz 110). Im Sinne dieser Rechtsprechung bezieht sich Art 7 Abs 1 MRK auf das Verbot rückwirkender Strafbestimmungen und rückwirkender Strafverschärfungen, nicht aber auf Vorschriften über Verjährungsfristen, wobei die in § 1 VStG enthaltene Regelung von Art 7 Abs 1 MRK verfassungsrechtlich garantiert wird.
Norm
MRKZP 07te Art4 Abs1;
RS 3
Nach Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden (vgl , mwH). Zur Würdigung der Frage, ob "dieselbe Sache" vorliegt, ist iSd gefestigten Rechtsprechung allein auf die Fakten abzustellen und nicht auf die rechtliche Qualifikation derselben; eine neuerliche Strafverfolgung ist dann unzulässig, wenn sie sich auf denselben oder zumindest im Wesentlichen denselben Sachverhalt bezieht (vgl , , und , alle mwH; vgl weiters ; siehe insoweit auch ).
Normen
B-VG Art90 Abs2;
MRKZP 07te Art4 Abs1;
StPO 1975 §190;
RS 4
Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK verbietet die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidung beendet worden ist. Der VwGH hat zu den mit dem StrafprozessreformG 2004 geschaffenen Bestimmungen über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach den §§ 190 ff StPO 1975 ausgesprochen, dass eine solche Einstellung eine vom Staatsanwalt in Ausübung seines Anklagemonopols nach Art 90 Abs 2 B-VG getroffene Entscheidung darstellt, die zwar nicht als Gerichtsentscheidung zu qualifizieren ist, aber eine das Strafverfahren, welches mit dem Ermittlungsverfahren als integralen Bestandteil des Strafverfahrens beginnt, beendende Entscheidung darstellt (vgl , mwH).
Normen
MRKZP 07te Art4 Abs1;
StPO 1975 §190 Z2;
StPO 1975 §190;
VStG §22;
VStG §30;
VwGG §42 Abs2 Z1;
RS 5
Die Frage der Bindungswirkung einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach den §§ 190 ff StPO 1975 ist an Hand des Prüfungsumfangs der wesentlichen Elemente des tatbestandserheblichen Sachverhalts im Einzelfall zu beurteilen; dabei ist zunächst zu prüfen, ob die Einstellung (formell und materiell) rechtskräftig im Sinne von unwiderruflich wurde, somit für die Staatsanwaltschaft keine formlose Fortsetzungsmöglichkeit mehr besteht und daher ein Anklageverbrauch stattgefunden hat. In einem zweiten Schritt ist mit Blick auf den Umfang einer Sperrwirkung zu prüfen, auf welcher inhaltlichen Basis und auf Grund welcher Prüfungstiefe die Einstellungsentscheidung ergangen ist. Eine Bindungswirkung wird nur hinsichtlich jener Fakten anzunehmen sein, welche auch den Ausgangspunkt eines vorangegangenen Strafverfahrens gebildet haben. Der bloße Hinweis auf eine nicht näher begründete Einstellung vermag daher nicht ohne weiteres eine dem Art 4 des 7. ZPEMRK entgegenstehende Sperrwirkung zu entfalten, vielmehr kommt es darauf an, aus welchen Gründen die Einstellung erfolgte und auf welcher im Verfahren herangezogenen und geprüften Faktenlage sie basierte (vgl dazu die in der Entscheidung , näher dargestellte Vorgangsweise). Diese nach dieser Rechtsprechung erforderliche Prüfung vermag der (bloße) Hinweis auf §§ 22, 30 VStG nicht zu ersetzen.
Normen
VStG §44a Z1;
VwGVG 2014 §50;
RS 1
Wenn das VwG die Beschwerde gegen das Straferkenntnis der BH als unbegründet abgewiesen hat, ist dies derart zu werten, dass das VwG ein mit dem Inhalt des verwaltungsbehördlichen Bescheides übereinstimmendes Erkenntnis erlassen hat, das an die Stelle des beim VwG bekämpften Bescheides tritt (vgl dazu ). Damit hat auch das VwG die von der BH angegebene Tatzeit in seine Entscheidung übernommen.
Normen
VwGG §39 Abs2 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
RS 2
Die Bestimmung des § 39 Abs 2 Z 3 VwGG ist auch dann einschlägig, wenn eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegt, die Aufhebung aber wegen des Prävalierens der inhaltlichen Rechtswidrigkeit lediglich nach § 42 Abs 2 Z 1 VwGG erfolgt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des L, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin L.L.M., Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 10/14, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl LVwG-S-1415/001-2016, betreffend Übertretung nach dem Waffengesetz 1996 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Baden), erhobenen außerordentliche Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde über den Revisionswerber u a wegen Übertretungen des Waffengesetzes 1996 Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

2 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision hat der Revisionswerber mit dem Antrag verbunden, dieser die aufschiebende Wirkung gemäß § 30 Abs 2 VwGG zuzuerkennen. Zum Antrag wird insbesondere vorgebracht, dass zwingende öffentliche Interessen einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegenstünden und in Hinblick auf die Höhe der nach dem angefochtenen Erkenntnis zu leistenden Geldleistung es für den Revisionswerber unzumutbar wäre, den geforderten Betrag zu bezahlen, ohne seinen Lebensunterhalt zu gefährden.

3 Nach § 30 Abs 1 VwGG kommt einer Revision eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Gemäß § 30 Abs 2 VwGG hat jedoch bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers der Revision die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnis oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Bewilligung ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu prüfen, weil diese Prüfung nicht dem vorliegenden Provisorialverfahren, sondern dem ordentlichen Verfahren vorbehalten ist. Auch sind nach der ständigen Rechtsprechung die Erfolgsaussichten der Revision im vorliegenden Provisorialverfahren nicht zu prüfen (vgl dazu , mwH).

5 Da gemäß § 54b Abs 3 VStG einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, auf Antrag ein angemessener Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen ist, ist nicht zu erkennen, dass dem Revisionswerber bezüglich der verhängten Geldstrafe ein unverhältnismäßiger Nachteil iSd § 30 Abs 2 VwGG drohen würde. Dass der Revisionswerber sich vergeblich um die Bewilligung eines Zahlungsaufschubes oder die Entrichtung in Teilbeträgen bemüht hätte, hat er nicht behauptet (vgl dazu , , sowie ferner ).

6 Bezüglich der Ersatzfreiheitsstrafe ist auf § 53b Abs 2 VStG hinzuweisen, wonach mit dem Vollzug einer Freiheitsstrafe nach dem VStG bis zur Erledigung einer vor dem Verfassungsgerichtshof oder dem Verwaltungsgerichtshof in der Sache anhängigen Revision zuzuwarten ist, sofern keine begründete Sorge besteht, dass sich der Bestrafte durch Flucht dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen würde (vgl dazu ). Für eine Sorge iSd § 53b Abs 2 VStG geben weder die Ausführungen des Revisionswerbers noch die des Verwaltungsgerichtes einen Anhaltspunkt. Soweit die vorliegende Entscheidung im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe in Bezug auf die Ersatzfreiheitsstrafe dennoch zu vollziehen wäre, steht der Gewährung der aufschiebenden Wirkung ein zwingendes öffentliches Interesse entgegen (vgl nochmals ).

7 Damit war dem vorliegenden Aufschiebungsantrag nicht stattzugeben.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des L L in K, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 14/10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl LVwG-S-1415/0001-2016, betreffend Übertretungen nach dem Waffengesetz 1996 (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde: Bezirkshauptmannschaft Baden), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird bezüglich der Übertretungen des Waffengesetzes 1996 (Punkte 1 bis 4 der Tatumschreibung im verwaltungsbehördlichen Straferkenntnis) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. Sachverhalt

1 A. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Bezirkshauptmannschaft (BH) legte dem Revisionswerber in ihrem Straferkenntnis vom für die Tatzeit (06:00 Uhr) ua Folgendes zur Last:

"1. Sie waren in Besitz von zwei Gewehrpatronen Kal. 12,7 x 99 mm Browning bzw. 50 BMG, die als Kriegsmaterial eingestuft worden sind, obwohl Sie nicht im Besitz eines Waffenpasses, einer Waffenbesitzkarte oder Jagdkarte waren.

2. Sie waren in Besitz von fünf Stück Munition für Faustfeuerwaffen, Kal. 9 mm, obwohl Sie nicht im Besitz eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte waren.

3. Sie haben es bis zum  unterlassen, Ihre zwei Karabiner K 98 einem im Bundesgebiet niedergelassenen Gewerbetreibenden, der zum Handel mit nichtmilitärischen Schusswaffen berechtigt ist, binnen 4 Wochen nach dem Erwerb (1 Woche vor dem auf einem Flohmarkt in O) zu melden.

4. Sie haben es zu verantworten, dass die zwei Karabiner K 98 nicht gem. § 16a Waffengesetz sicher verwahrt wurden. Da diese in einem Nebenzimmer gestellt wurden und somit nicht sicher in einem Waffenschrank, sodass diese in zumutbarer Weise vor unberechtigtem Zugriff geschützt sind, verwahrt wurden."

2 Der Revisionswerber habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

"zu 1. § 18 (4) Waffengesetz zu 2. § 24 (1) Waffengesetz zu 3. § 30 (1), 33 (1) Waffengesetz zu 4. § 16a Waffengesetz".

3 Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurden über den Revisionswerber folgende Strafen verhängt:

"


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Geldstrafen von
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafen von
Gemäß
zu 1. EUR 300,00
57 Stunden
§ 51 (1) Z. 1 Waffengesetz
zu 2. EUR 300,00
57 Stunden
§ 51 (1) Z. 1 Waffengesetz
zu 3. EUR 300,00
57 Stunden
§ 51 (1) Z. 7 Waffengesetz
zu 4. EUR 300,00
57 Stunden
§ 51 Abs. 1 Ziffer 9 Waffengesetz

".

4 Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass der Revisionswerber fristgerecht Einspruch gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht vom erhoben habe, weshalb das ordentliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Die Strafverfügung stelle eine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 VStG dar, weshalb zu der unter Punkt 2. genannten Übertretung Verfolgungsverjährung nicht eingetreten sei. Bezüglich der unter Punkt 3. genannten Übertretung seien im Verfahren zwei Registrierungsbestätigungen gemäß § 33 WaffG vorgelegt worden, aus welchen ersichtlich sei, dass die genannten Karabiner am erworben und am registriert worden seien.

5 B. Die gegen dieses Straferkenntnis gerichtete Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht mit der angefochtenen Entscheidung gemäß § 50 VwGVG als unbegründet abgewiesen, ferner wurde eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt.

6 Da die BH mit der Strafverfügung vom ausgehend vom unstrittigen Tatzeitpunkt am eine taugliche Verfolgungshandlung iSd § 32 VStG innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs 1 leg cit setzte, gehe der Einwand betreffend die Verfolgungsverjährung fehl. Zum Einwand, es werde gegen das Verbot der Doppelbestrafung iSd Art 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK (7. ZPEMRK) verstoßen, sei auf § 22 VStG und auf § 30 VStG zu verweisen. Anders als im gerichtlichen Strafverfahren komme im Verwaltungsstrafverfahren das Kumulationsprinzip nach § 22 VStG zur Anwendung. Dabei mache es keinen Unterschied, ob der Täter durch verschiedene Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen (Realkonkurrenz) oder durch ein und dieselbe Tat mehrere verschiedene Delikte verwirklicht habe (Idealkonkurrenz). § 30 VStG sehe vor, dass ua auch dann, wenn einem Beschuldigten eine Verwaltungsübertretung und eine andere von einem Gericht zu ahndende strafbare Handlung zur Last gelegt werde, diese strafbaren Handlungen unabhängig voneinander zu verfolgen seien, und zwar in der Regel auch dann, wenn strafbare Handlungen durch ein und dieselbe Tat begangen worden seien. Dass das "vor einem ordentlichen Gericht - StA - Wr. Neustadt" eingeleitete Verfahren eingestellt worden sei, ändere im vorliegenden Fall nichts an der Verfolgbarkeit nach verwaltungsstrafrechtlichen Bestimmungen; eine Bindungswirkung im Hinblick auf die erfolgte Einstellung des Verfahrens sei für die Verwaltungsstrafbehörden nicht gegeben. Zu der im Straferkenntnis unter Punkt 3. genannten Übertretung habe der Revisionswerber in der niederschriftlichen Einvernahme am Tattag, dem , ausdrücklich zugestanden, dass er die in Rede stehenden zwei Karabiner K 98 vor ca einer Woche auf einem Flohmarkt gekauft hätte, wobei dieser Rechtfertigung im Rahmen der Beweiswürdigung eine höhere Glaubwürdigkeit beizumessen sei als eine später getätigte weniger glaubwürdige Rechtfertigung. Bezüglich der unter Punkt 4. im Straferkenntnis genannten Übertretung habe der Revisionswerber bei seiner Erstangabe vor der Polizeiinspektion Traiskirchen am selbst zugestanden, dass er für die sichere Verwahrung der dort genannten Schusswaffen nicht gesorgt habe; dass er (nach seinen eigenen Angaben) einfach vergessen hätte, die Karabiner in den Waffenschrank des Vaters zu geben (für den er überdies keinen Schlüssel hätte), könne ihn von der ihm zur Last gelegten Übertretung nicht exkulpieren.

7 C. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die bezüglich der Übertretungen des WaffG, die in den Punkten 1. bis 4. des Straferkenntnisses der BH angeführt sind, beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl Ra 2016/03/0083, protokolliert wurde. Im Übrigen wurde diese Revision beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl Ra 2016/01/0154 protokolliert. Mit der Revision wird insbesondere die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.

8 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete

keine Revisionsbeantwortung.

II. Rechtslage

9 A.a. § 31 VStG in der hier maßgeblichen, am in Kraft getretenen Fassung BGBl I Nr 33/2013 lautet

samt Überschrift:

"Verjährung

§ 31. (1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

(2) Die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung erlischt durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt in dem in Abs. 1 genannten Zeitpunkt. In die Verjährungsfrist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren nach einer gesetzlichen Vorschrift die Verfolgung nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden kann;

2. die Zeit, während deren wegen der Tat gegen den Täter ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft, beim Gericht oder bei einer anderen Verwaltungsbehörde geführt wird;

3. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

4. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.

(3) Eine Strafe darf nicht mehr vollstreckt werden, wenn seit ihrer rechtskräftigen Verhängung drei Jahre vergangen sind. In die Verjährungsfrist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union;

2. Zeiten, in denen die Strafvollstreckung unzulässig, ausgesetzt, aufgeschoben oder unterbrochen war;

3. Zeiten, in denen sich der Beschuldigte im Ausland aufgehalten hat.

..."

10 A.b. § 31 Abs 1 und 2 VStG in der bis geltenden Fassung des BGBl I Nr 20/2009 lautete:

"§ 31. (1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt."

11 B.a. § 32 VStG in seiner mit in Kraft tretenden Fassung nach BGBl I Nr 33/2013 lautet wie folgt:

"Beschuldigter

§ 32. (1) Beschuldigter ist die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluß der Strafsache. Der Beschuldigte ist Partei im Sinne des AVG.

(2) Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

(3) Eine Verfolgungshandlung, die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen (§ 9 Abs. 1) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen und die verantwortlichen Beauftragten. Eine Verfolgungshandlung, die gegen den Unternehmer (§ 9 Abs. 3) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die verantwortlichen Beauftragten."

12 B.b. § 32 VStG idF BGBl I Nr 158/1998, die

bis zum galt, lautete wie folgt:

"Beschuldigter

§ 32. (1) Beschuldigter ist die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluß der Strafsache. Der Beschuldigte ist Partei im Sinne des AVG.

(2) Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

(3) Eine Verfolgungshandlung, die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen (§ 9 Abs. 1) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen und die verantwortlichen Beauftragten. Eine Verfolgungshandlung, die gegen den Unternehmer (§ 9 Abs. 3) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die verantwortlichen Beauftragten."

C.a. Art 7 EMRK,BGBl Nr 210/1958 idF BGBl III Nr 30/1998, hat folgenden authentischen Wortlaut in englischer und französischer Sprache:

"ARTICLE 7

No punishment without law

1. No one shall be held guilty of any criminal offence on account of any act or omission which did not constitute a criminal offence under national or international law at the time when it was committed. Nor shall a heavier penalty be imposed than the one that was applicable at the time the criminal offence was committed.

2. This Article shall not prejudice the trial and punishment of any person for any act or omission which, at the time when it was committed, was criminal according to the general principles of law recognised by civilised nations."

"ARTICLE 7

Pas de peine sans loi

1. Nul ne peut etre condamne pour une action ou une omission qui, au moment ou elle a ete commise, ne constituait pas une infraction d'apres le droit national ou international. De meme il n'est inflige aucune peine plus forte que celle qui etait applicable au moment ou l'infraction a ete commise.

2. Le present article ne portera pas atteinte au jugement et a la punition d'une personne coupable d'une action ou d'une omission qui, au moment ou elle a ete commise, etait criminelle d'apres les principes generaux de droit reconnus par les nations civilisees."

C.b. Diese Bestimmung lautet in ihrer deutschen

Übersetzung:

"Artikel 7 - Keine Strafe ohne Gesetz

(1) Niemand kann wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohte Strafe verhängt werden.

(2) Durch diesen Artikel darf die Verurteilung oder Bestrafung einer Person nicht ausgeschlossen werden, die sich einer Handlung oder Unterlassung schuldig gemacht hat, welche im Zeitpunkt ihrer Begehung nach den von den zivilisierten Völkern allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen strafbar war."

13 D.a. Art 4 des Protokolls Nr 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (7. ZPEMRK, BGBl Nr 628/1988) erhielt durch das Protokoll Nr 11 (BGBl III Nr 30/1998) die Überschrift "Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden" und hat folgenden authentischen Wortlaut in englischer und französischer Sprache:

"ARTICLE 4

Right not to be tried or punished twice

1. No one shall be liable to be tried or punished again in criminal proceedings under the jurisdiction of the same State for an offence for which he has already been finally acquitted or convicted in accordance with the law and penal procedure of that State.

2. The provisions of the preceding paragraph shall not prevent the reopening of the case in accordance with the law and penal procedure of the State concerned, if there is evidence of new or newly discovered facts, or if there has been a fundamental defect in the previous proceedings, which could affect the outcome of the case.

3. No derogation from this Article shall be made under Article 15 of the Convention."

"ARTICLE 4

Droit a ne pas etre juge ou puni deux fois

1. Nul ne peut etre poursuivi ou puni penalement par les juridictions du meme Etat en raison d'une infraction pour laquelle il a deja ete acquitte ou condamne par un jugement definitif conformement a la loi et a la procedure penale de cet Etat.

2. Les dispositions du paragraphe precedent n'empechent pas la reouverture du proces, conformement a la loi et a la procedure penale de l'Etat concerne, si des faits nouveaux ou nouvellement reveles ou un vice fondamental dans la procedure precedente sont de nature a affecter le jugement intervenu.

3. Aucune derogation n'est autorisee au present article au titre de l'article 15 de la Convention."

D.b. Diese Bestimmung lautet in ihrer deutschen

Übersetzung:

"Artikel 4

Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht

gestellt oder bestraft zu werden

1. Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

2. Abs 1 schließt die Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des betreffenden Staates nicht aus, falls neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen oder das vorausgegangene Verfahren schwere, den Ausgang des Verfahrens berührende Mängel aufweist.

3. Dieser Artikel darf nicht nach Art 15 der Konvention außer Kraft gesetzt werden."

III. Erwägungen

14 A. Die Revision erweist sich im Ergebnis als zulässig, weil das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht hinreichend beachtete.

15 B. Der in Revision gezogenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes stand eine Strafbarkeitsverjährung iSd § 31 VStG nicht entgegen. Wenn die Revision in ihren Ausführungen zur Zulässigkeit meint, dass der vorliegend maßgebliche Tatzeitpunkt am "" liege, ist dem entgegenzuhalten, dass die Revision ohnehin im Rahmen der Darstellung des Sachverhaltes im Einklang mit der angefochtenen Entscheidung im Zusammenhalt mit den vorgelegten Akten einräumt, dass der maßgebliche Tatzeitpunkt bezüglich der vorliegend relevanten Übertretungen des WaffG am  liegt, als beim Revisionswerber eine von der Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt angeordnete Hausdurchsuchung wegen Verdachtes nach § 3g des Verbotsgesetzes, § 89 StGB und der Bestimmungen der §§ 50 f WaffG stattfand. Das angefochtene, mit datierte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich wurde dem Revisionswerber nach Ausweis der vorgelegten Akten am und somit innerhalb der dreijährigen Frist für die Strafbarkeitsverjährung iSd § 31 Abs 2 VStG zugestellt, wodurch die besagte Dreijahresfrist gewahrt wurde (vgl , und (VwSlG 18.286 A/2011)). Ein Eintritt der Strafbarkeitsverjährung, der vom Verwaltungsgericht von Amts wegen wahrzunehmen ist, ist daher im Revisionsfall nicht gegeben.

16 C. Ebensowenig liegt der vom Revisionswerber angenommene Eintritt einer Verfolgungsverjährung vor.

17 Nach § 1 Abs 2 VStG im Lichte seines von § 38 VwGVG geforderten Verständnisses richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung der verwaltungsbehördlichen Entscheidung geltende Recht günstiger wäre. Das "Günstigkeitsprinzip" des § 1 Abs 2 VStG bezieht sich damit auf die Strafe betreffenden Bestimmungen, es kommt im Übrigen auch dann zur Anwendung, wenn die Strafbarkeit eines Verwaltungsstraftatbestands nach dem Zeitpunkt der Begehung zur Gänze weggefallen ist (vgl ; ; ). Rechtsänderungen nach abgeschlossener Tat berühren demnach - (wie vorliegend) bei Fehlen besonderer gegenteiliger Übergangsbestimmungen - eine bereits eingetretene Strafbarkeit nicht und haben, wenn Taten der gleichen Art auch weiterhin strafbar bleiben, nach § 1 Abs 2 VStG nur hinsichtlich der Strafe zur Folge, dass bis zur Fällung der verwaltungsbehördlichen Entscheidung iSd § 1 Abs 2 leg cit ein für den Täter günstigeres Recht zur Anwendung zu kommen hat. Im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eingetretene Änderungen der Rechtslage sind im Bereich des Verwaltungsstrafrechts nicht erheblich. Ein verwaltungsbehördliches Straferkenntnis stellt fest, ob geltendes Recht verletzt wurde, was aber nur nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht entschieden werden kann; eine im Zeitpunkt der Änderung der Rechtslage bereits abgeschlossene Tat ist daher mangels anderer besonderer gesetzlicher Vorschriften strafbar geblieben (vgl , mwH). In diesem Sinne schafft ein verwaltungsrechtliches Straferkenntnis nicht Recht, sondern stellt fest, ob geltendes Recht verletzt wurde (vgl ).

18 § 1 Abs 2 VStG steht auch einer Anwendung einer geänderten Verjährungsbestimmung auf vor dem Inkrafttreten der jeweiligen Novelle begangene Straftaten nicht entgegen, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der geänderten Bestimmung Verjährung noch nicht eingetreten war; ein allgemeines, die Verjährungsbestimmung umfassendes Günstigkeitsprinzip lässt sich aber aus Art 7 Abs 1 EMRK entgegen der Revision nicht ableiten (vgl ; , mwH; siehe EGMR vom , Scoppola gg Italien (Nr 2), Nr 10.249/03, Tz 110). Im Sinne dieser Rechtsprechung bezieht sich Art 7 Abs 1 EMRK auf das Verbot rückwirkender Strafbestimmungen und rückwirkender Strafverschärfungen, nicht aber auf Vorschriften über Verjährungsfristen, wobei die in § 1 VStG enthaltene Regelung von Art 7 Abs 1 EMRK verfassungsrechtlich garantiert wird (vgl nochmals ). Ausgehend davon ist für den Revisionswerber nichts zu gewinnen, wenn er darauf hinweist, dass die Verfolgungsverjährungsfrist bis zum nach § 31 Abs 2 VStG iVm § 32 lediglich sechs Monate betrug.

D. Mit ihrem Hinweis auf das Verbot der Doppelbestrafung iSd Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK hat die Revision aber im Ergebnis Erfolg. Die Revision weist diesbezüglich (auch zu ihrer Zulässigkeit) darauf hin, dass im Fall des Revisionswerbers die Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt (nach Ausweis der vorgelegten Akten: mit ) die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 190 Z 2 StPO wegen des Verdachtes des Verbrechens nach § 3 g des Verbotsgesetzes 1947 und des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit iSd § 89 StGB, und ebenfalls nach § 190 Abs 2 StPO mit die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Revisionswerber betreffend § 50 Abs 1 Z 4 WaffG verfügte.

19 Nach Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden (vgl , mwH). Zur Würdigung der Frage, ob "dieselbe Sache" vorliegt, ist iSd gefestigten Rechtsprechung allein auf die Fakten abzustellen und nicht auf die rechtliche Qualifikation derselben; eine neuerliche Strafverfolgung ist dann unzulässig, wenn sie sich auf denselben oder zumindest im Wesentlichen denselben Sachverhalt bezieht (vgl , , und , alle mwH; vgl weiters ; siehe insoweit auch ).

20 Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK verbietet die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidung beendet worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu den mit dem StrafprozessreformG 2004 geschaffenen Bestimmungen über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach den §§ 190 ff StPO 1975 ausgesprochen, dass eine solche Einstellung eine vom Staatsanwalt in Ausübung seines Anklagemonopols nach Art 90 Abs 2 B-VG getroffene Entscheidung darstellt, die zwar nicht als Gerichtsentscheidung zu qualifizieren ist, aber eine das Strafverfahren, welches mit dem Ermittlungsverfahren als integralen Bestandteil des Strafverfahrens beginnt, beendende Entscheidung darstellt (vgl , mwH). Die Frage der Bindungswirkung einer solchen Einstellung ist an Hand des Prüfungsumfangs der wesentlichen Elemente des tatbestandserheblichen Sachverhalts im Einzelfall zu beurteilen; dabei ist zunächst zu prüfen, ob die Einstellung (formell und materiell) rechtskräftig im Sinne von unwiderruflich wurde, somit für die Staatsanwaltschaft keine formlose Fortsetzungsmöglichkeit mehr besteht und daher ein Anklageverbrauch stattgefunden hat. In einem zweiten Schritt ist mit Blick auf den Umfang einer Sperrwirkung zu prüfen, auf welcher inhaltlichen Basis und auf Grund welcher Prüfungstiefe die Einstellungsentscheidung ergangen ist. Eine Bindungswirkung wird nur hinsichtlich jener Fakten anzunehmen sein, welche auch den Ausgangspunkt eines vorangegangenen Strafverfahrens gebildet haben. Der bloße Hinweis auf eine nicht näher begründete Einstellung vermag daher nicht ohne weiteres eine dem Art 4 des 7. ZPEMRK entgegenstehende Sperrwirkung zu entfalten, vielmehr kommt es darauf an, aus welchen Gründen die Einstellung erfolgte und auf welcher im Verfahren herangezogenen und geprüften Faktenlage sie basierte (vgl dazu die in der Entscheidung , näher dargestellte Vorgangsweise).

Diese nach dieser Rechtsprechung erforderliche Prüfung vermag der (bloße) Hinweis auf §§ 22, 30 VStG nicht zu ersetzen. Insofern hat das Verwaltungsgericht die Rechtslage verkannt. Im fortgesetzten Verfahren wird das Gericht daher die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs näher dargestellte Prüfung vorzunehmen haben, ob mit Bezug auf die in Rede stehende Einstellung des Ermittlungsverfahrens im Grunde des § 190 Z 2 StPO das Verbot der Doppelverfolgung nach Art 4 Abs 1 7. ZBEMRK einer Bestrafung im Verwaltungsstrafverfahren entgegensteht.

E. Damit war es entbehrlich, auf das weitere Vorbringen in der Revision einzugehen.

IV. ErgebnisA. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen wäre (vgl § 39 Abs 2 Z 4 VwGG).

B. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des L L in K, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 14/10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl LVwG-S-1415/0001-2016, betreffend Übertretung des EGVG (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde: Bezirkshauptmannschaft Baden), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird bezüglich der Übertretung des Art III Abs 1 Z 4 EGVG (Punkt 5 der Tatumschreibung im verwaltungsbehördlichen Straferkenntnis) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Ein weiterer Kostenzuspruch findet nicht statt.

Begründung

1 A. Zunächst ist vorauszuschicken, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2016/03/0083, das genannte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich bezüglich der Übertretungen des Waffengesetzes 1996 (Punkte 1 bis 4 der Tatumschreibungen im verwaltungsbehördlichen Straferkenntnis) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben hat.

2 B. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Bezirkshauptmannschaft (BH) legte dem Revisionswerber in ihrem Straferkenntnis vom für die Tatzeit , 06:00 Uhr, ua auch Folgendes zur Last:

"5. Sie haben durch das Ausstrecken der rechten Hand zum Hitlergruß und den Gebrauch der Worte ‚Heil dem Führer' nationalsozialistisches Gedankengut im Sinne des Verbotsgesetzes verbreitet."

Dadurch habe der Revisionswerber folgende Rechtsvorschrift verletzt: "zu 5. Art III Abs 1 Zif. 4 EGVG".

3 Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Revisionswerber eine Geldstrafe von EUR 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 167 Stunden) nach Art III Abs 1 vorletzter Satz EGVG verhängt, der die Verhängung einer Geldstrafe bis zu EUR 2.180,-- vorsieht.

4 C. Die gegen dieses Straferkenntnis gerichtete Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht mit der angefochtenen Entscheidung gemäß § 50 VwGVG als unbegründet abgewiesen, ferner wurde eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt.

5 D. Die Revision erweist sich im Ergebnis als zulässig, weil das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht hinreichend beachtete.

6 Aus den im zitierten Erkenntnis vom angestellten Erwägungen ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht bezüglich des Verbots der Doppelbestrafung iSd Art 4 Abs 1 der

7. ZPEMRK die Rechtslage unzutreffend beurteilt hat. Auf diese Erwägungen, die auch für den vorliegenden Fall maßgeblich sind, wird gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen.

7 Darüber hinaus ist Folgendes festzuhalten: Wenn das Verwaltungsgericht die Beschwerde gegen das Straferkenntnis der BH als unbegründet abgewiesen hat, ist dies derart zu werten, dass das Verwaltungsgericht ein mit dem Inhalt des verwaltungsbehördlichen Bescheides übereinstimmendes Erkenntnis erlassen hat, das an die Stelle des beim Verwaltungsgericht bekämpften Bescheides tritt (vgl dazu ). Damit hat auch das Verwaltungsgericht die von der BH angegebene Tatzeit in seine Entscheidung übernommen. Diese Tatzeit erweist sich allerdings als aktenwidrig. Sowohl aus dem Abschluss-Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich an die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt als auch in der Strafverfügung der BH vom ergibt sich zweifelsfrei, dass die revisionswerbende Partei die hier in Rede stehende Tat bereits am und nicht erst - wie sich letztlich aus der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ergibt - am begangen hat. Die Annahme der Tatzeit findet so in der Aktenlage keine Deckung. Damit hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet (§ 42 Abs 2 Z 3 lit a VwGG; vgl ).

8 E. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen wäre (vgl § 39 Abs 2 Z 4 VwGG sowie ferner die Bestimmung des § 39 Abs 2 Z 3 VwGG, die auch dann einschlägig ist, wenn - wie im Revisionsfall - eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegt, die Aufhebung aber wegen des Prävalierens der inhaltlichen Rechtswidrigkeit lediglich nach § 42 Abs 2 Z 1 VwGG erfolgt).

9 Da der Verwaltungsgerichtshof über den Aufwandersatz bereits mit seinem Erkenntnis vom , Ra 2016/03/0083, entschieden hat, war ein weiterer Abspruch über den Aufwandersatz entbehrlich.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
VStG §53b Abs2;
VStG §54b Abs3;
VwGG §30 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016030083.L00.1
Datenquelle

Fundstelle(n):
AAAAE-68678