VwGH vom 28.05.2008, 2007/15/0246
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der FgesmbH in S, vertreten durch Dr. Friedrich Ganzert, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Dr.-Koss-Straße 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , RV/1179-L/06, RV/1180-L/06, RV/1181-L/06 und RV/0306-L/07, betreffend Erklärung einer Berufung als zurückgenommen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 51,50 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zug einer bei der beschwerdeführenden GmbH durchgeführten Außenprüfung trafen die Prüfer u.a. die Feststellung, dass am Verrechnungskonto des Gesellschafter-Geschäftsführers ausgewiesenen Beträgen sowie unter dem Titel "Kilometergeld" und "sonstiger Aufwand" ausbezahlten Beträgen (kapitalertragsteuerpflichtige) verdeckte Gewinnausschüttungen zu Grunde lägen. Diese Beträge an "Kilometergeld" und "sonstigem Aufwand" seien auch nicht als Betriebsausgabe anzuerkennen und erhöhten sohin den Gewinn bzw. minderten den Verlust der Beschwerdeführerin.
Im Anschluss an diese Prüfung erließ das Finanzamt Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahrens (Körperschaftsteuer für 2001 und 2002), Körperschaftsteuer für 2001 und 2002, Anspruchszinsen betreffend Körperschaftsteuer für 2001 und 2002 sowie Kapitalertragsteuer für 2001, 2002 und 2003.
Die Beschwerdeführerin brachte mit Eingabe vom Berufung gegen alle vorgenannten Bescheide ein. In dieser Eingabe wird nach der Bezeichnung der angefochtenen Bescheide ausgeführt:
"Begründung: Die Begründung kann derzeit noch nicht angegeben werden, da noch umfangreiche Recherchen notwendig sind und das Einholen von Beweismaterial einige Zeit dauert.
Antrag: Es wird höflich beantragt, die Mängelbehebungsfrist zur Nachreichung der entsprechenden Begründung bis zu bewilligen."
Das Finanzamt trug der Beschwerdeführerin mit dem Mängelbehebungsauftrag vom gemäß § 275 BAO auf, den Mangel des Fehlens der Berufungsbegründung bis nachzuholen. Es wurde darauf hingewiesen, dass bei Versäumnis dieser Frist die Berufung als zurückgenommen gelte.
Mit Eingabe vom brachte die Beschwerdeführerin vor:
"Die angefochtenen Bescheide werden jeweils zur Gänze angefochten (Rechtswidrigkeit des Inhaltes) beantragt wird jeweils eine Nullfestsetzung. Zur Begründung ist festzuhalten, dass die jeweiligen Vorschreibungen völlig aus der Luft gegriffen sind und auf reiner Willkür basieren. Am wurden sämtliche Belege und Beweismittel durch Beamte der PAST beschlagnahmt. Aus diesen Unterlagen ist zweifelsfrei die Unrichtigkeit der Abgabenfestsetzung erweisbar. Trotz unzähliger Urgenzen wurden die Originalunterlagen bis dato nicht wieder ausgefolgt; es wird daher noch einmal die Ausfolgung der Unterlagen beantragt, in eventu beantragt die Unterlagen im Berufungsverfahren beizuschaffen."
Das Finanzamt wies die Berufungen mit Berufungsvorentscheidung vom ab und führte zur Begründung aus, dass ausreichende Ausführungen zu den Prüfungsfeststellungen der Beilage (Niederschrift über die Schlussbesprechung) zum Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung zu entnehmen seien. Der Beschwerdeführerin wäre eine konkrete Begründung der Berufung auch ohne Ausfolgung der beschlagnahmten Unterlagen möglich gewesen wäre, da es sich bei den Feststellungen der Außenprüfung um rechtliche Probleme handle.
Im Vorlageantrag nahm die Beschwerdeführerin zu den einzelnen Feststellungen der Außenprüfung Stellung.
Mit dem angefochtenen Bescheid erklärte die belangte Behörde die Berufung unter Bezugnahme auf § 275 BAO als zurückgenommen. Entspreche eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 oder Abs. 2 erster Satz BAO umschriebenen Erfordernissen, so habe die Abgabenbehörde nach § 275 BAO der Partei die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gelte. Nach § 279 Abs. 1 BAO kämen im Berufungsverfahren der Abgabenbehörde zweiter Instanz die Obliegenheiten und Befugnisse zu, die den Abgabenbehörden erster Instanz auferlegt und eingeräumt seien. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz dürfe auch dann einen Zurücknahmebescheid erlassen, wenn den Mängelbehebungsauftrag die Abgabenbehörde erster Instanz erlassen habe (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 90/14/0241).
Die Beschwerdeführerin sei in ihrer Berufung selbst davon ausgegangen, dass diese inhaltlich mangelhaft sei. Das Finanzamt habe diese Mängel im Mängelbehebungsauftrag vom dargestellt. Es fehlten die Begründung und die Erklärungen nach § 250 Abs. 1 lit. b und c BAO.
Das Finanzamt habe im Mängelbehebungsauftrag eine angemessene Frist gesetzt. Die Frist nach § 275 BAO müsse den besonderen Verhältnissen Rechnung tragen. Sie müsse ausreichend lang sei, damit der Berufungswerber in der Lage sei, dem Auftrag ordnungsgemäß nachzukommen.
Im gegenständlichen Fall habe das Finanzamt die bekämpften Abgabenbescheide auf Grund einer Außenprüfung und nach Amtshandlungen der Prüfungsabteilung Strafsachen erlassen. Die Beschwerdeführerin bringe vor, dass ihre Unterlagen beschlagnahmt worden seien und sie daher keine Möglichkeit zur Rechtfertigung gehabt habe; weder aus den Akten noch aus den Eingaben der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren sei ersichtlich, dass sie einen Antrag auf Akteneinsicht innerhalb der Berufungsfrist und der anschließenden Mängelbehebungsfrist gestellt habe. Sie habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Unterlagen von der Prüfungsabteilung Strafsachen beschlagnahmt worden seien und deren Herausgabe verweigert werde. Von der Beschwerdeführerin werde nicht behauptet, dass ihr seitens der Finanzverwaltung die Einsichtnahme in beschlagnahmte Geschäftsbücher, Aufzeichnungen und Belege oder deren Abschriftnahme verweigert worden sei; solches ergebe sich auch nicht aus den Akten. Es sei kein Grund ersichtlich, warum die Beschwerdeführerin gehindert gewesen wäre, von ihrem Recht auf Einsichtnahme gemäß § 92 des FinStrG Gebrauch zu machen. Es wäre der Beschwerdeführerin zuzumuten gewesen, sich ab Zustellung der bekämpften Bescheides bis zum Ablauf der vom Finanzamt festgesetzten Mängelbehebungsfrist, also innerhalb von mehr als drei Monaten, um die Einsichtnahme in die beschlagnahmten Unterlagen zu bemühen. Zudem sei der Beschwerdeführerin ohnehin der Bericht der Betriebsprüfung zur Verfügung gestanden, sodass eine Auseinandersetzung mit den Feststellungen der Betriebsprüfung innerhalb der Frist von mehr als drei Monaten möglich und zumutbar gewesen wäre. Somit erweise sich die vom Finanzamt festgesetzte Mängelbehebungsfrist als angemessen.
Im Anbringen vom habe die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass die Bescheide zur Gänze angefochten würden und jeweils eine Nullfestsetzung beantragt werde. Den Inhaltserfordernissen des § 250 Abs. 1 lit. b und lit. c BAO werde damit ausreichend entsprochen. Gemäß § 250 Abs. 1 lit. d BAO müsse die Berufung jedoch auch eine Begründung enthalten. Eine allenfalls unschlüssige oder inhaltlich unzutreffende Begründung könne dem Fehlen einer Begründung nicht gleich gehalten werden. Als Begründung könne jedoch nicht schon jede nicht näher begründete Behauptung angesehen werden. So stellten die Behauptungen, dass der Bescheid unrichtig und ungesetzlich oder die vorgeschriebene Abgabe zu hoch sei, keine Begründung dar.
Solcherart könne auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der "Mängelbehebung" vom , dass die jeweiligen Vorschreibungen "völlig aus der Luft gegriffen" seien und "auf reiner Willkür" basierten, keine Begründung iSd § 250 Abs. 1 lit. d BAO darstellen. Gleiches gelte auch für die in diesem Anbringen aufgestellte Behauptung, die Unrichtigkeit der Abgabenfestsetzung sei aus den beschlagnahmten Unterlagen erweisbar. Auch der Hinweis auf die Nichtausfolgung der beschlagnahmten Unterlagen sei keine Begründung iSd § 250 Abs. 1 lit. d BAO, zumal dadurch die Berufungsbehörde nicht in die Lage versetzt werde, zu erkennen, aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin die Berufung für Erfolg versprechend halte. Es sei auch zu beachten, dass sich die gegenständliche Berufung gegen neun inhaltlich völlig unterschiedliche Bescheide richte, sodass die bloß pauschale Behauptung der Rechtswidrigkeit und Willkür die Berufungsbehörde keinesfalls in die Lage versetzt habe, sich inhaltlich mit der Berufung auseinander zu setzen.
Der Umstand, dass nunmehr im Vorlageantrag vom zu den einzelnen Feststellungen der Betriebsprüfung eine inhaltliche Stellungnahme abgegeben worden sei, ändere nichts daran, dass bis zum Ablauf der Mängelbehebungsfrist am keine Begründung der gegenständlichen Berufung vorgebracht worden sei.
Somit sei die Abgabenbehörde verpflichtet, einen Zurücknahmebescheid zu erlassen, zumal dem berechtigten Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes nicht zeitgerecht - also innerhalb der Frist - Rechnung getragen worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 250 Abs. 1 BAO muss eine Berufung enthalten: a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet; b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird; c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden; d) eine Begründung.
§ 275 BAO lautet:
"Entspricht eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 oder Abs. 2 erster Satz umschriebenen Erfordernissen, so hat die Abgabenbehörde dem Berufungswerber die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt."
In einer Berufungsbegründung muss erkennbar sein, was die Partei anstrebt und "womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt" (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2575, mwN). Die im § 250 Abs. 1 lit. d BAO geforderte Angabe soll die Berufungsbehörde in die Lage versetzen, klar zu erkennen, aus welchen Gründen der Berufungswerber die Berufung für Erfolg versprechend hält (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/13/0120). Von einem gänzlichen Fehlen einer Begründung ist erst dann auszugehen, wenn eine Berufung keine Ansatzpunkte dafür erkennen lässt, worin die Unrichtigkeiten des bekämpften Bescheides gelegen sein sollen (Stoll, aaO, 2576). Dem Fehlen einer Begründung ist nicht gleichzuhalten, dass eine Begründung allenfalls unschlüssig oder inhaltlich unzutreffend ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/14/0104).
In der Beschwerde wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin hätte nur nach Einsichtnahme in die beschlagnahmten Unterlagen bzw. nach Ausfolgung diese Unterlagen eine konkrete Berufungsbegründung ausführen können. Die belangten Behörde wäre verpflichtet gewesen, zum "Schutz des rechtlichen Gehörs" die beschlagnahmten Unterlagen der Beschwerdeführerin auszufolgen. Die belangte Behörde hätte Akteneinsicht gewähren müssen. Bei der Beurteilung, ob eine Berufung den Erfordernissen des § 250 Abs. 1 BAO entspreche, dürfe nicht ein überspitzter Formalismus zur Anwendung komme. Die Berufung der Beschwerdeführerin habe den Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 BAO entsprochen.
Gemäß § 92 FinStrG sind beschlagnahmte Geschäftsbücher, Aufzeichnungen und Belege dem Eigentümer oder einer von diesem hiezu bevollmächtigten Person auf Verlangen zur Einsicht zugänglich zu machen, sofern hiedurch die Tatbestandsermittlung nicht beeinträchtigt und das Verfahren nicht ungebührlich verzögert wird. Der angefochtene Bescheid geht davon aus, dass die Beschwerdeführerin einen entsprechenden Antrag auf Einsichtnahme an die Finanzstrafbehörden nicht gestellt hat, einer Einsichtnahme aber nichts entgegen gestanden wäre. Dem tritt die Beschwerde nicht entgegen. Die Beschwerde tritt auch nicht konkret den Feststellungen des angefochtenen Bescheides entgegen, wonach die Auseinendersetzung mit den Feststellungen der Betriebsprüfer bereits auf Grund der von den Prüfern verfassten Berichte möglich gewesen wäre.
Die Verwahrung der beschlagnahmten Gegenstände regelt § 90 FinStrG. Mit dem Vorbringen, die belangten Behörde hätte (von Amts wegen) Akteneinsicht in die beschlagnahmten Unterlagen gewähren müssen, wird schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dargetan, weil sich die beschlagnahmen Unterlagen nicht in der Gewahrsame der belangten Behörde befunden haben.
Der Beurteilung der belangten Behörde, weder die Berufung vom noch der Mängelbehebungsschriftsatz vom enthielten eine Begründung im Sinne eines Vorbringens, welches der Behörde zu erkennen ermöglicht hätte, aus welchen Gründen die Partei den jeweils bekämpften Bescheid für unrichtig und die Berufung für Erfolg versprechend hielt, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Solcherart entspricht es dem Gesetz, dass die belangten Behörde, weil die Beschwerdeführerin dem nach § 275 BAO ergangenen Mängelbehebungsauftrag nicht entsprochen hat, die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid als zurückgenommen erklärt hat.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG verzichtet werden.
Die Kostenentscheidung betreffend den Ersatz des Aufwandes der belangten Behörde für die Aktenvorlage gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II. 2003/333.
Wien, am