VwGH vom 16.12.2010, 2007/15/0204

VwGH vom 16.12.2010, 2007/15/0204

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der T GmbH in W, vertreten durch die Wirtschaftstreuhand Tirol Steuerberatungs GmbH Co KG in 6020 Innsbruck, Rennweg 18, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. RV/0154-I/04, betreffend

u. a. Körperschaftsteuer 1999 bis 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH ist als Frächterin im grenzüberschreitenden Güterverkehr tätig.

In den Streitjahren 1999 bis 2002 veräußerte sie Lastkraftwagen, für welche die gesetzliche Behaltefrist von vier Wirtschaftsjahren bei Geltendmachung eines Investitionsfreibetrages noch nicht abgelaufen war. Da die Veräußerungen nach Ansicht der Beschwerdeführerin infolge eines behördlichen Eingriffes erfolgten, beließ sie die Auflösung der entsprechenden Investitionsfreibeträge gemäß § 10 Abs. 9 letzter Satz EStG 1988 steuerfrei.

Im Rahmen einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung teilte der Prüfer diese Ansicht nicht. Der für die "ausgeschiedenen Zugmaschinen" gebildete Investitionsfreibetrag (IFB) sei gewinnerhöhend aufzulösen, weil die streitgegenständlichen Lkw nach nur zwei Jahren wieder verkauft worden seien. Von der vierjährigen Behaltefrist bei Zugmaschinen könne nur dann abgesehen und ein "behördlicher Eingriff" angenommen werden, wenn die außerhalb des normalen Investitionsrhythmus angeschafften Neufahrzeuge um mindestens drei Ökopunkte weniger als die Altfahrzeuge verbrauchen würden. Im vorliegenden Fall betrage diese Differenz jedoch nur zwischen null und zwei Ökopunkten.

Diesen und anderen nicht streitgegenständlichen Feststellungen folgend erließ das Finanzamt - nach Wiederaufnahme der Verfahren - neue Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1999 und 2000 sowie den Prüfungsfeststellungen entsprechende Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2001 und 2002.

In der dagegen erhobenen Berufung wandte sich die Beschwerdeführerin - soweit für das gegenständliche Verfahren von Bedeutung - gegen die "von dem acht Jahre alten Erlass aus 1993" geforderte starre Absenkung um drei Ökopunkte mit der Begründung, dass "der Erlass" (gemeint offenbar der "Durchführungserlass des Z 14 0205/1-IV/14/93", AÖF Nr. 75/1994) in Verkennung der technischen Gegebenheiten nicht die Ausgangsbasis der Reduktion berücksichtige. Die wörtliche Interpretation des Erlasses könne nur für die zeitlich unmittelbar benachbarten Veranlagungsjahre 1993 und 1994 gelten, während für die anschließenden Jahre ein behördlicher Eingriff dann anzunehmen sei, wenn die Neufahrzeuge zumindest um 18,75% (3 Punkte von 16 Punkten) weniger Ökopunkte verbrauchen würden als die Altfahrzeuge.

Da die Ersatzanschaffungen in den Jahren 2000 und 2001 durchwegs einen Ökopunktebedarf von 5 gehabt hätten, während die ausgeschiedenen Altfahrzeuge einen solchen von 7 aufgewiesen hätten, habe die erreichte Reduktion 28,57% betragen. Das sei jedenfalls mehr als "die geforderten 18,75%", weshalb "die drei Bedingungen" für die Annahme eines behördlichen Eingriffs - bei richtiger Interpretation des Erlasses - erfüllt seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung in dem vor dem Verwaltungsgerichtshof einzig strittigen Punkt ab. Sie stützte sich dabei im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:

Der Erlass des BMF im Zusammenhang mit dem Abschluss des Transitabkommens zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sei für die belangte Behörde nicht bindend, sodass auch für eine Interpretation des gegenständlichen Erlasses kein Grund bestünde.

Infolge des Inkrafttretens des Transitabkommens seien den Frächtern im Jahr 1995 nur mehr 71,7% der bisherigen Ökopunkte zur Verfügung gestanden, sodass bei gleicher Anzahl der Fahrten statt bisher 16 nur mehr 11 Ökopunkte (jeweils gerundet) hätten verbraucht werden dürfen. Diese massive Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Verwendbarkeit von Fahrzeugen sei von der Verwaltung zum Anlass genommen worden, von einer gewinnerhöhenden Auflösung des IFB Abstand zu nehmen, sofern ein Fahrzeug angeschafft worden sei, das zumindest drei Ökopunkte weniger aufgewiesen habe als das veräußerte Fahrzeug. Demgegenüber sei die Reduktion der Kontingente in den Folgejahren aus Art. 9 des Abkommens bekannt gewesen und habe in den Folgejahren nur mehr jeweils einen Bruchteil der ursprünglichen Beschränkung betragen. Unter der Voraussetzung einer gleichen Anzahl von Fahrten hätten statt bisher 8,20 Ökopunkten (1999) nur mehr 7,87 Ökopunkte (2000) bzw. 7,66 Ökopunkte (2001) verbraucht werden dürfen. Zwar treffe es zu, dass mit der Verknappung der Ökopunkte und der Prämisse einer jährlich gleich bleibenden Anzahl an Fahrten ein Druck vorhanden gewesen sei, möglichst schadstoffarme Fahrzeuge anzuschaffen. Da jedoch die Reduktion der Kontingente bis zum Auslaufen des Abkommens (Ende 2003) vorhersehbar gewesen sei, könne in der sukzessiven Absenkung der Ökopunkte in den Streitjahren kein behördlicher Eingriff im Sinne des § 10 Abs. 9 EStG 1988 erblickt werden.

Die weitere Verwendung der Altfahrzeuge wäre möglich gewesen und hätte nur zur Konsequenz gehabt, dass die Altfahrzeuge - zufolge des höheren Punkteverbrauches - nicht im selben Maße ökonomisch hätten eingesetzt werden können wie Neufahrzeuge. Das Finanzamt habe den IFB daher zu Recht gewinnerhöhend aufgelöst.

Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem "Recht auf Steuerfreiheit des wegen Ausscheidens von Wirtschaftsgütern infolge behördlichen Eingriffes aufzulösenden Investitionsfreibetrages (§ 10 Abs. 9 letzter Satz EStG in der Fassung der Beschwerdejahre)" verletzt.

Nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 9 letzter Satz EStG 1988 in der Fassung vor dem BGBl. I Nr. 101/2006 konnte im Falle des Ausscheidens eines Wirtschaftsgutes infolge höherer Gewalt oder behördlichen Eingriffs die gewinnerhöhende Auflösung des Investitionsfreibetrages unterbleiben.

Der Begriff des "behördlichen Eingriffes" ist im Gesetz nicht ausdrücklich definiert, findet sich jedoch auch noch an weiteren Stellen, so in den §§ 12, 30 und 37 EStG 1988.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den genannten Bestimmungen ist unter einem "behördlichen Eingriff" nicht jede behördliche Einwirkung auf ein Geschehen zu verstehen, sondern nur eine solche, mit der die öffentliche Hand Eigentumsrechte zu ihren Gunsten verschiebt oder ebenfalls zu ihren Gunsten in einer Weise beeinträchtigt, dass - ohne Übertragung des Eigentums - das Eigentumsrecht an einer Sache mit enteignungsähnlicher Wirkung beschränkt wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 94/15/0009, vom , 95/14/0017, und vom , 2005/13/0017).

Wenn die Beschwerde meint, im Beschwerdefall liege ein "behördlicher Eingriff" vor, weil die Beschwerdeführerin durch das streitgegenständliche Transitabkommen aus wirtschaftlichen Gründen (rechtliche Gründe seien nach den Beschwerdeausführungen niemals behauptet worden) "gezwungen" gewesen sei, Fahrzeuge frühzeitig zu verkaufen und sie durch neue abgasärmere Fahrzeuge zu ersetzen, um als Unternehmen am Markt bestehen und erfolgreich wirtschaften zu können, so kann ihr nicht gefolgt werden.

Es unterlag der unternehmerischen Entscheidung der Beschwerdeführerin, Fahrzeuge mit (vergleichsweise) höherem Ökopunkteverbrauch weiterhin in ihrem Betrieb einzusetzen oder die Fahrzeuge - wie im Beschwerdefall geschehen - zu verkaufen und durch neuere schadstoffärmere Fahrzeuge zu ersetzen. Dass der streitgegenständliche Transitvertrag und das System der Ökopunkte die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Beschwerdeführerin diese Entscheidung treffen konnte, mitbestimmten, stellt keinen behördlichen Eingriff im Sinne der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dar. Die Berücksichtigung (auch) rechtlicher Rahmenbedingungen (wie die Anzahl der der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehenden Ökopunkte) mag, wie in der Beschwerde geschildert, zwar ein Abgehen vom "betriebswirtschaftlich anerkannten Modell des optimalen Ersatzzeitpunktes von Anlagen" erfordert haben, stellt aber keine Beschränkung des Eigentumsrechtes mit enteignungsgleicher Wirkung dar.

Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes liegt eine Enteignung (nur) dann vor, wenn eine Sache durch Verwaltungsakt oder unmittelbar kraft Gesetzes dem Eigentümer zwangsweise entzogen und auf den Staat, eine andere Körperschaft oder eine gemeinnützige Unternehmung übertragen wird oder wenn darauf auf gleiche Weise fremde Rechte begründet werden (vgl. mit weiteren Nachweisen das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 298/02 ua, VfSlg. 17.071).

Von derartigen Eingriffen in das Eigentumsrecht kann im Beschwerdefall keine Rede sein. Die Vereinbarung über eine sukzessive Reduktion der Ökopunkte für Österreich hat mit einer Enteignung der Fahrzeuge der Beschwerdeführerin zu Gunsten der Republik Österreich oder anderer Personen nichts zu tun.

Erlässe des Bundesministeriums für Finanzen, wie der schon im Verwaltungsverfahren von der Beschwerdeführerin angeführte "Erlass vom Dezember 1993 (AÖFV 1994, S. 266)" stellen keine für den Verwaltungsgerichtshof maßgebende Rechtsquelle dar (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0143). Der Versuch der Beschwerdeführerin, die dort getroffenen Aussagen, einer teleologischen Auslegung zu unterziehen, vermögen der Beschwerde somit von vornherein nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dies gilt auch für die geltend gemachten Begründungsmängel des angefochtenen Bescheides, weil diese keine rechtlich relevanten Sachverhaltselemente betreffen.

Die Beschwerde erweist sich deshalb als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am