VwGH vom 29.05.2015, 2012/02/0238
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Mag. Dr. Köller, Dr. Lehofer, Dr. N. Bachler und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in 1010 Wien, Stubenring 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 30.15-55/2011-11, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften (mitbeteiligte Partei: Z in O), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Murau vom wurde der Mitbeteiligte als Arbeitgeber einer Übertretung des § 7 Abs. 1 Bauarbeiterschutzverordung - BauV für schuldig befunden, weil anlässlich einer Unfallerhebung seitens des Arbeitsinspektorates Graz an einem näher bezeichneten Tatort am festgestellt worden sei, dass durch einen näher genannten Arbeitnehmer des Einzelunternehmens des Mitbeteiligten bei einer Absturzhöhe von 12 m Installationsarbeiten ohne Absturzsicherung durchgeführt worden seien. Gemäß § 130 Abs. 5 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG wurde über den Mitbeteiligten eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) verhängt.
Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft Graz vom ("Benachrichtigung der/des Beschuldigten von der Einstellung des Verfahrens") wurde das gegen den Mitbeteiligten wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 (1 und 4) 1. Fall StGB geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 190 Z 1 StPO mit folgender Begründung eingestellt:
"Das Strafverfahren gegen (den Mitbeteiligten) (und andere) war gemäß § 190 Z 1 StPO einzustellen, da ein sorgfaltswidriges Verhalten nicht vorliegt. Bei auswärtigen Baustellen, auf denen sich der Arbeitgeber nicht im erforderlichen Ausmaß selbst aufhält, sieht § 3 ASchG eine Übertragung der Pflicht zur Einhaltung der Schutzbestimmungen auf eine geeignete Person vor. Der Bauleiter hingegen ist nicht verpflichtet ständig die Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen zu kontrollieren (§ 7 Abs. 3 Bauarbeiterschutzverordnung)."
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der gegen das Straferkenntnis vom erhobenen Berufung des Mitbeteiligten, in der erstmals diese Benachrichtigung vorgelegt worden war, Folge, hob das Straferkenntnis auf und verfügte die Einstellung des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG.
Dies erachtete die belangte Behörde deswegen für geboten, weil die Verhängung einer Verwaltungsstrafe zu einer unzulässigen Doppelbestrafung des Mitbeteiligten geführt habe. Gegen den Mitbeteiligten sei nämlich bereits wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 StGB ein Ermittlungsverfahren geführt worden, welches von der Staatsanwaltschaft Graz gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt worden sei. Sowohl im Ermittlungsverfahren als auch im Verwaltungsstrafverfahren sei jeweils die gleiche Tat, nämlich das ungesicherte Arbeiten des besagten Arbeitnehmers ohne Absturzsicherungen gemäß § 7 BauV, welches zum gegenständlichen Absturz mit Körperverletzungsfolgen geführt habe, Sache des Verfahrens gewesen. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite reiche im Anwendungsbereich des ASchG als auch des § 88 StGB als Schuldform Fahrlässigkeit aus. Aus den gesichteten Einvernahmeprotokollen des Akts der Staatsanwaltschaft gehe hervor, dass sich diese eingehend mit der Frage beschäftigt habe, wie es zum gegenständlichen Arbeitsunfall gekommen sei, warum der Arbeitnehmer ohne Absturzsicherungen gearbeitet habe und ob seine Vorgesetzten, darunter auch der Mitbeteiligte, ihren Kontroll- und Aufsichtspflichten in ausreichendem Umfang nachgekommen seien oder nicht. Dem Einstellungswortlaut zufolge habe der Bezirksanwalt das gerichtliche Verfahren wegen Nichterfüllung der subjektiven Tatseite eingestellt und sich ausführlich mit den einschlägigen Bestimmungen des ASchG und der BauV hinsichtlich der Kontroll- und Aufsichtspflichten von Vorgesetzten auf Baustellen auseinandergesetzt. Diese Begründung setze systematisch die Bejahung der zuerst zu prüfenden objektiven Tatseite, somit die Tatbestandsmäßigkeit des § 88 StGB, wie auch die Zuständigkeit des Gerichtes, voraus. Insgesamt sei die Einstellung des Verfahrens nach § 190 Z 1 StPO im vorliegenden Fall inhaltlich so begründet, wie man es bei einem Freispruch wegen mangelnden Verschuldens erwarten würde, welcher die Verwaltungsbehörde nach ständiger Lehre und Rechtsprechung jedenfalls auch binden würde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
1. Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßgeblichen materiellrechtlichen Bestimmungen lauten in ihrer im vorliegenden Fall jeweils maßgeblichen Fassung:
§ 7 Abs. 1 BauV, BGBl. NR 340/1994 idF BGBl. II Nr. 3/2011:
"§ 7 (1) Bei Absturzgefahr sind Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen."
§ 130 Abs. 5 ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 147/2006:
"§ 130 (5) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 EUR bis 7 260 EUR, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 EUR bis 14 530 EUR zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber/in
1. den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt, oder
2. die nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden bescheidmäßigen Vorschreibungen nicht einhält."
§ 88 StGB, BGBl. Nr. 60/1974 idF BGBl. I Nr. 111/2010:
"§ 88. (1) Wer fahrlässig einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Trifft den Täter kein schweres Verschulden und ist entweder
1. die verletzte Person mit dem Täter in auf- oder absteigender Linie verwandt oder verschwägert oder sein Ehegatte, sein eingetragener Partner, sein Bruder oder seine Schwester oder nach § 72 Abs. 2 wie ein Angehöriger des Täters zu behandeln,
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2. | (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010) |
3. | aus der Tat keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit einer anderen Person von mehr als vierzehntägiger Dauer erfolgt, so ist der Täter nach Abs. 1 nicht zu bestrafen. |
(3) In den im § 81 Abs. 1 Z 1 bis 3 bezeichneten Fällen ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagsätzen zu bestrafen.
(4) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, in den im § 81 Abs. 1 Z 1 bis 3 bezeichneten Fällen aber mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen."
2. Der beschwerdeführende Bundesminister begründet seine Beschwerde damit, dass die belangte Behörde das Verfahren zu Unrecht eingestellt habe. Die Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens gemäß § 190 StPO sei einer Zurücklegung der Anzeige durch die Staatsanwaltschaft nach dem früheren § 90 StPO gleichzusetzen und entfalte entgegen der Ansicht der belangten Behörde keine Bindungswirkung, weshalb keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes vorliege. Zur Zurücklegung der Anzeige durch die Staatsanwaltschaft nach § 90 StPO alt habe der Verwaltungsgerichtshof (in näher zitierter Judikatur) festgestellt, dass das Doppelbestrafungsverbot nicht zum Tragen komme. Bei einer Zurücklegung der Anzeige durch den Staatsanwalt nach § 90 StPO alt habe kein strafgerichtliches Verfahren stattgefunden und es sei weder eine Verurteilung noch ein gerichtlicher Freispruch erfolgt, sondern es seien lediglich die Voraussetzungen für die Einleitung eines gerichtlichen Strafverfahrens durch die Anklagebehörde geprüft und verneint worden. Auch im Fall des § 190 StPO habe lediglich ein Ermittlungsverfahren stattgefunden, dessen Einstellung nicht mit einem Freispruch gleichzusetzen sei, sondern es werde damit nur klargestellt, dass der Sachverhalt nicht mit einer gerichtlichen Strafe bedroht sei. Die Begründung der gegenständlichen Einstellung könne aber nicht verhindern, dass gegen den Mitbeteiligten als Arbeitgeber eine Verwaltungsstrafe verhängt werde, da der Arbeitgeber - außer im vorliegend nicht erfolgten Fall der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 23 Arbeitsinspektionsgesetz - für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen grundsätzlich verpflichtet und dafür verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sei. Weiters habe er nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Kontrollsystem betreffend Einhaltung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen einzurichten und für dessen Einhaltung zu sorgen.
3. Mit Blick auf das in Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur Menschenrechtskonvention (im Folgenden: ZPEMRK) verankerte Doppelbestrafungsverbot (ne bis in idem - Prinzip) gilt es im vorliegenden Fall zunächst zu klären, ob die strafgerichtlich verfolgte Tathandlung (fahrlässige Körperverletzung nach § 88 StGB) einerseits und die verwaltungsstrafrechtliche Übertretungshandlung nach § 130 Abs. 5 ASchG (iVm § 7 Abs. 1 BauV) andererseits überhaupt dieselbe strafbare Handlung (idem) betreffen. Ist diese Frage zu bejahen, ist es entscheidend, ob die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 190 StPO Sperrwirkung iS des ne bis in idem - Prinzips entfaltet hat und daher die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu Recht erfolgt ist.
4. Zur Frage der gleichen strafbaren Handlung Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK besagt (in der deutschen Übersetzung), dass niemand wegen einer strafbaren Handlung (englisch: "same offence", französisch: "meme infraction"), wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden darf.
Der Verfassungsgerichtshof hat im Rahmen eines Gesetzesprüfungsverfahrens in seinem Urteil vom , G 51/97 ua, betreffend einen Fall, in dem ebenfalls die Außerachtlassung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften durch den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen (das zur Vertretung nach außen berufene Organ einer GesmbH Co KG gemäß § 9 Abs. 1 VStG) zu einem Arbeitsunfall geführt hatte, bei dem Arbeitnehmer schwer verletzt worden waren, nach Prüfung von Regelungs- und Schutzzweck sowie der wesentlichen Elemente der Straftatbestände des § 130 ASchG einerseits sowie der §§ 80 und 88 StGB andererseits bereits festgehalten, dass die Bestrafung nach § 80 bzw. § 88 StGB die Bestrafung wegen desselben Verhaltens nach § 130 Abs. 5 ASchG ausschließt.
Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich diesem Ergebnis des Verfassungsgerichtshofes an. Unabhängig von der rechtlichen Qualifikation der Fakten, die Gegenstand des (später eingestellten) Strafverfahrens sowie des parallel eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens waren, steht im Zentrum beider angewendeten Strafbestimmungen (§ 130 ASchG und § 88 StGB) derselbe Vorwurf, nämlich die (fahrlässige) Außerachtlassung der normierten arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen. Damit umfasst die strafrechtliche Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung die Fakten der Verwaltungsstraftat in ihrer Gesamtheit, und geht sogar noch um ein weiteres Element (den Erfolgseintritt der Körperverletzung) über die Verwaltungsstraftat hinaus. Auch davon, dass der Unrechtsgehalt, der im Straftatbestand des § 88 StGB zum Ausdruck kommt, von jenem des § 130 ASchG in einem wesentlichen Element abweiche und damit wesentlich verschieden sei, kann in Anbetracht der obigen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes dazu nicht die Rede sein. Somit liegen keine verschiedenen Straftatbestände vor, die sich in wesentlichen Elementen unterscheiden. Eine weitere verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung bzw. Verurteilung nach rechtskräftig beendetem Strafverfahren wäre eine Verletzung des Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK und daher unzulässig.
Diese Ansicht vertrat auch der EGMR in einem österreichischen Fall, in dem er ausgehend von einem Arbeitsunfall (tödlicher Absturz eines Arbeiters von einem Gerüst) zur Konkurrenz eines Strafverfahrens wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB und einer nach Einstellung der Vorerhebungen durch den Bezirksanwalt gemäß § 90 StPO in der Fassung vor der Strafprozessreform BGBl. I Nr. 19/2004 (in der Folge: StPO alt) erfolgten verwaltungsstrafrechtlichen Verurteilung nach § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG in Verbindung mit diversen Bestimmungen der BauV feststellte, dass die Anklage gegen den dortigen Beschwerdeführer im Strafverfahren, nämlich sein Versäumnis, einem Arbeitsunfall vorzubeugen, und der Vorwurf im Verwaltungsstrafverfahren, die Kontrolle der Beachtung der Sicherheitsregeln durch die Arbeiter versäumt zu haben, im Wesentlichen übereinstimmten (Urteil vom , Müller v. Austria (No. 2), Nr. 28034/04, Rz 32).
Vor dem Hintergrund, dass ein sorgfaltswidriges Verhalten des Mitbeteiligten und damit sein Verschulden im Rahmen des Strafverfahrens wegen Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 StGB verneint wurde, durfte der Mitbeteiligte im Hinblick auf Art. 4 7. ZPEMRK somit nicht ein weiteres Mal verwaltungsstrafrechtlich wegen Übertretung des § 130 Abs. 5 ASchG verfolgt bzw. verurteilt werden.
5. Zur Frage der Wirkung der Einstellung nach § 190 StPO
Da nunmehr davon auszugehen ist, dass die Verfolgung nach § 130 Abs. 5 ASchG als auch jene nach § 88 StGB im Fall einer tatsächlich erfolgten Körperverletzung dieselbe strafbare Handlung betrifft und diese somit nur einmal verfolgt werden darf, gilt es zu klären, ob die Einstellung durch die Staatsanwaltschaft nach § 190 Z 1 StPO Sperrwirkung iS ne bis in idem entfaltete und die belangte Behörde daher zur Hintanhaltung einer Verletzung des Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK verpflichtet war, das bei ihr anhängige Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
5.1. Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK verbietet die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidung beendet worden ist. Eine Entscheidung - Freispruch oder Verurteilung - ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, dh. wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (siehe für viele das Urteil des EGMR vom , Zolotukhin v. Russia, Nr. 14939/03, Rz 107 - 108, mwH). Wann eine Entscheidung als rechtskräftig anzusehen ist, ist nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen, wie wohl dabei von einem autonomen Verständnis des Begriffs "Rechtskraft", welches sich am traditionellen Begriffsbild iS von Unwiderruflichkeit orientiert, auszugehen ist (vgl. Thienel/Hauenschild , Verfassungsrechtliches "ne bis in idem" und seine Auswirkung auf das Verhältnis von Justiz- und Verwaltungsstrafsachen, JBl 2004, 69 bzw. 153 ff, und die dort zitierten Materialien zu Art. 4
7. ZPEMRK, siehe auch ). Die Möglichkeit der Erhebung außerordentlicher Rechtsmittel - wie einer Wiederaufnahme - ändert hingegen nichts an der Rechtskraft einer Entscheidung. Art. 4 7. ZPEMRK verbietet nicht die gleichzeitige Führung mehrerer Strafverfahren, wenn das zweite Verfahren nach endgültiger Beendigung des ersten Verfahrens eingestellt wird (siehe z.B. EGMR vom , Boman v. Finland, Rz 37, 41, mwN).
5.2. Zur Rechtskraft hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom in der Rechtssache M, C-398/12, zur Frage, ob ein Einstellungsbeschluss ohne Eröffnung des Hauptverfahrens als rechtskräftige Aburteilung iSd Art. 54 Schengener Durchführungsübereinkommen - SDÜ anzusehen ist und somit erneute Ermittlungen wegen derselben Tat gegen dieselbe Person in einem anderen Vertragsstaat ausschließt, festgehalten, dass
"30 (...) ein Einstellungsbeschluss nach einem Ermittlungsverfahren, in dessen Zuge verschiedene Beweismittel zusammengetragen und geprüft wurden, als nach Prüfung in der Sache ergangen im Sinne des Urteils Miraglia (EU:C:2005:156) anzusehen ist, soweit er eine endgültige Entscheidung dahin enthält, dass diese Beweise nicht ausreichen und jede Möglichkeit ausschließt, dass das Verfahren auf der Grundlage desselben Bündels von Indizien wieder aufgenommen wird.
31 In diesem Zusammenhang ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass der Betroffene wegen der ihm vorgeworfenen Tat als "rechtkräftig abgeurteilt" im Sinn des Art. 54 SDÜ anzusehen ist, wenn die Strafklage endgültig verbraucht ist, so dass die in Rede stehende Entscheidung in dem Vertragsstaat, in dem sie getroffen wurde, den sich aus dem Verbot der Doppelbestrafung ergebenden Schutz bewirkt (...)". (Randnr. 30, 31).
Diese Auslegung des Art. 54 SDÜ hat der EuGH im Lichte des Art. 50 Grundrechtecharta vorgenommen und dazu ausgeführt, dass das in Art. 54 SDÜ verankerte Grundrecht dieselbe Bedeutung und dieselbe Tragweite habe wie jenes nach Art. 4 ZPEMRK garantierte (Randnr. 37).
Schließlich kam der EuGH zum Schluss, dass ein Einstellungsbeschluss ohne Eröffnung des Hauptverfahrens, der in dem Vertragsstaat, in dem dieser Beschluss ergangen ist, erneute Ermittlungen aufgrund des gleichen Sachverhalts gegen die Person, zu deren Gunsten dieser Beschluss ergangen ist, verhindert, sofern keine neuen Belastungstatsachen gegen Letztere auftauchen, als eine rechtskräftige Aburteilung im Sinne des Art. 54 SDÜ anzusehen ist und somit erneute Ermittlungen wegen derselben Tat gegen dieselbe Person in einem anderen Vertragsstaat ausschließt (Randnnr. 41).
5.3. Auch eine Einstellung kann somit unter diesen Bedingungen eine rechtskräftige Entscheidung darstellen. So etwa hat der Verfassungsgerichtshof in einem Fall der Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 227 Abs. 1 StPO (Rücktritt der Staatsanwaltschaft von der Anklage vor Beginn der Hauptverhandlung) festgehalten, dass eine Fortsetzung des Strafverfahrens im Fall des Anklagerücktritts außer durch Erhebung einer Subsidiaranklage nur unter den Voraussetzungen des § 352 Abs. 1 StPO (Wiederaufnahme) möglich sei und daher eine rechtskräftige Entscheidung im Sinne des Art. 4 7. ZPEMRK vorliege (, III.7.1. und 7.2.), welche auch einem Freispruch im Sinne dieser Bestimmung der EMRK gleichzuhalten sei.
Auch der OGH wertet unter Bezugnahme auf die Rs TuranskY, , eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft als Aburteilung in der Sache, wenn sie einen Strafanklageverbrauch bewirkt, also das Verfahren nur unter den Bedingungen und Förmlichkeiten einer Wiederaufnahme fortgesetzt werden kann ().
5.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Bestimmung des § 90 StPO alt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass die Zurücklegung einer Anzeige nach dieser Bestimmung noch nicht dazu führt, dass eine Verfolgung einer (wie hier vorgeworfenen) Verwaltungsübertretung aus dem Grunde des Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK ausgeschlossen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0125).
5.5. Mit dem Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, ist die Bestimmung des § 90 StPO alt mit außer Kraft getreten und wurde die Beendigung des Ermittlungsverfahren in den §§ 190 - 197 StPO neu geregelt. Demnach ist ein Verfahren nach § 190 Z 1 StPO dann einzustellen, wenn die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst die weitere Verfolgung des Beschuldigten aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre.
5.6. § 190 Strafprozessordnung (StPO), BGBl. Nr. 631/1975 in der vorliegend maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 35/2012 lautet (samt Überschrift):
"Einstellung, Abbrechung und Fortführung des Ermittlungsverfahrens
Einstellung des Ermittlungsverfahrens
§ 190. Die Staatsanwaltschaft hat von der Verfolgung einer Straftat abzusehen und das Ermittlungsverfahren insoweit einzustellen, als
1. die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst die weitere Verfolgung des Beschuldigten aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre oder
2. kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten besteht."
§ 90 StPO in der Fassung vor Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes BGBl. I Nr. 19/2004 mit lautete:
"§ 90. (1) Findet der Staatsanwalt nach Prüfung der Anzeige oder der Akten der - nötigenfalls auf seine Veranlassung zu ergänzenden - Vorerhebungen genügende Gründe, wider eine bestimmte Person das Strafverfahren zu veranlassen, so bringt er entweder den Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung (§ 91) oder die Anklageschrift ein. Im entgegengesetzten Falle legt er die an ihn gelangte Anzeige mit kurzer Aufzeichnung der ihn dazu bestimmenden Erwägungen zurück und übersendet dem Untersuchungsrichter die Akten der Vorerhebungen mit der Bemerkung, daß er keinen Grund zur weiteren Verfolgung finde. Der Untersuchungsrichter hat in diesem Falle die Vorerhebungen einzustellen und den etwa verhafteten Beschuldigten sofort auf freien Fuß zu setzen.
(2) Legt der Staatsanwalt eine Anzeige zurück, so hat er Personen, die bereits als der strafbaren Handlung verdächtig vernommen worden sind (§ 38 Abs. 3) oder nach dem Inhalt der Akten sonst von dem gegen sie gerichteten Verdacht Kenntnis erlangt haben, hievon zu verständigen."
Den Erläuterungen zur RV des Strafprozessreformbegleitgesetzes I zufolge wurde mit dem Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, "das Vorverfahren der StPO, also der Verfahrensabschnitt, der sich der Klärung des Verdachts einer Straftat bis hin zur Erhebung der Anklage widmet (...) grundlegend erneuert. Das einheitliche, in Zusammenarbeit von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft zu führende Ermittlungsverfahren, das an die Stelle der bisherigen Vorerhebungen und der Voruntersuchung tritt, hat Auswirkungen auf eine Reihe von Bestimmungen des Haupt- und Rechtsmittelverfahrens der StPO, des StGB und des JGG, die auf dem Idealbild des früheren Verfahrens, der gerichtlichen Voruntersuchung aufbauen. (...) An die Stelle der bisherigen Teilung in unterschiedliche Verfahrensarten und -stadien mit unterschiedlicher Leitungskompetenz tritt nunmehr ein einheitliches, von der Staatsanwaltschaft in Kooperation mit der Kriminalpolizei geführtes Ermittlungsverfahren. Die Differenzierung zwischen gerichtlichen Vorerhebungen und gerichtlichen Voruntersuchungen gehört der Vergangenheit an" (RV 231 BlgNR 23. GP, 1-2).
Vorrangiges Ziel des Strafprozessreformgesetzes, das eine gänzlich neue Rollenverteilung zwischen Staatsanwaltschaft, Kriminalpolizei und Gericht gebracht hat, ist die Schaffung eines einheitlichen, ausschließlich den Regeln der StPO unterworfenen justiziellen Ermittlungsverfahrens. Der Beginn des Strafverfahrens wurde gegenüber der früher geltenden Rechtslage insoweit vorverlegt, als bereits die erste iZm der Aufklärung des Verdachts einer Straftat stehende Ermittlung oder Maßnahme der Kriminalpolizei das strafgerichtliche Ermittlungsverfahren in Gang setzt (vgl. RV 25 BlgNR 22. GP, 24 ff, 40 f zu § 1 Abs 2, § 18, § 91 StPO, siehe auch ua., III.A.2.4).
Anzumerken ist auch, dass die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach §§ 190 ff StPO eine vom Staatsanwalt in Ausübung seines Anklagemonopols nach Art. 90 Abs. 2 B-VG getroffene Entscheidung darstellt. Sie ist somit zwar nicht als Gerichtsentscheidung zu qualifizieren (vgl. ), dennoch ist sie eine das Strafverfahren, welches mit dem Ermittlungsverfahren als integrierenden Bestandteil des Strafverfahrens beginnt, beendende Entscheidung (§ 1 Abs. 2 StPO). Das gemäß § 195 StPO (Fortführungsantrag des Opfers) angerufene Gericht fungiert zwar als Rechtsschutzorgan gegen die Einstellung, kann aber die Staatsanwaltschaft nur zur Durchführung weiterer Ermittlungen verhalten, nicht aber zur Einbringung einer Anklage. Vielmehr obliegt es dem Staatsanwalt aufgrund des ihm zukommenden Verfügungsrechts über die Anklage, das Verfahren nach Durchführung der angeordneten Ermittlungen (neuerlich) einzustellen.
Die Materialien zur Strafprozessreform (RV 25 BlgNR 22. GP, 229 ff) führen zu § 190 StPO folgendes aus:
"Im Fall des § 190 handelt es sich um die prozessuale Entscheidung über das Anklagerecht, die ausschließlich der Staatsanwaltschaft zusteht und die - abgesehen von der Möglichkeit der Fortführung des Verfahrens nach § 193 - Sperrwirkung im Sinne des "ne bis in idem-Prinzips" entfaltet. Eine Fortsetzung ("Wiederaufnahme") des Verfahrens soll daher auch weiterhin grundsätzlich nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein; der Anwendungsbereich der sogenannten formlosen Wiederaufnahme (§ 363 StPO) soll gegenüber dem geltenden Recht eingeschränkt werden. Die Staatsanwaltschaft ist zunächst - selbstverständlich und ohne dass dies einer besonderen Erwähnung im Text bedürfte - verpflichtet, den Sachverhalt zu klären (d.h. mögliche be- und entlastende Umstände zu ermitteln) und soll danach - wenn kein weiterer Ansatzpunkt für erfolgversprechende Ermittlungen gegeben ist - gemäß Abs. 1 das Ermittlungsverfahren einzustellen haben, wenn der Gegenstand des Verfahrens keine gerichtlich strafbare Handlung darstellt oder ein rechtlicher Grund (Z 1) oder ein tatsächlicher Grund der (weiteren) Verfolgung des Beschuldigten entgegensteht (Z 2). (...)"
Die Fortführung eines nach § 190 StPO eingestellten Ermittlungsverfahrens kann die Staatsanwaltschaft gemäß § 193 Abs. 2 StPO anordnen, solange die Strafbarkeit der Tat nicht verjährt ist und wenn der Beschuldigte wegen dieser Tat nicht vernommen (§§ 164, 165) und kein Zwang gegen ihn ausgeübt wurde (Z 1) oder neue Tatsachen oder Beweismittel entstehen oder bekannt werden, die für sich allein oder im Zusammenhalt mit übrigen Verfahrensergebnissen geeignet erscheinen, die Bestrafung des Beschuldigten oder ein Vorgehen nach dem 11. Hauptstück (Rücktritt von der Verfolgung - Diversion) zu begründen (Z 2). Ansonsten ist eine Fortführung nur auf fristgerechten Antrag des Opfers nach den Voraussetzungen des § 195 Abs. 1 StPO möglich (vgl. dazu Nordmeyer, WK-StPO § 190 Rz 23).
Dies wurde auch vom OGH bestätigt, welcher in seinem Erkenntnis vom , 15 Os 94/13g (15 Os 95/13d, 15 Os 96/13a), festhielt:
"Eine gemäß § 190 StPO erfolgte Einstellung eines Ermittlungsverfahrens, dessen formlose Fortführung über Anordnung der Staatsanwaltschaft gemäß § 193 Abs 2 Z 1 StPO nicht mehr möglich ist, entfaltet Sperrwirkung im Sinn des Prinzips "ne bis in idem" (§ 17 Abs 1 StPO; vgl auch Art 4 des 7. ZPMRK), was zur Folge hat, dass eine neue bzw weitere Verfolgung desselben Beschuldigten wegen derselben Tat - außer in den Fällen der Anordnung der Fortführung nach § 193 Abs 2 Z 2 oder §§ 195 f StPO (§ 17 Abs 2 StPO) - nicht mehr zulässig ist (Nordmeyer, WK-StPO § 190 Rz 20).
Da fallbezogen eine "formlose" Fortführung des am gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellten Ermittlungsverfahrens gegen Zaman D***** wegen § 83 Abs 1 StGB infolge der am durchgeführten Vernehmung des Beschuldigten zur Sache gemäß § 164 StPO nicht mehr in Betracht kommt (§ 193 Abs 2 Z 1 StPO) und nach der Aktenlage eine Anordnung der Fortführung des Verfahrens gemäß § 193 Abs 2 Z 2 oder §§ 195 f StPO nicht erfolgt ist, wäre das Bezirksgericht Schwechat verpflichtet gewesen, das Verfahren nach Einlangen des Strafantrags, aber noch vor Anberaumung der Hauptverhandlung wegen des Verfolgungshindernisses des Verbrauchs des Anklagerechts ("res iudicata"; vgl Nordmeyer, WK-StPO § 190 Rz 25) gemäß § 451 Abs 2 StPO einzustellen (Bauer, WK-StPO § 451 Rz 5)."
Auch in der Lehre wird mehrheitlich davon ausgegangen, dass verfahrensbeendende Einstellungen insoweit einem rechtskräftigen Freispruch iSd Art. 4 7. ZPEMRK gleichzuhalten sind und Sperrwirkung entfalten können, als sie Bestand haben und nicht bloß aus formalen Gründen (mangelnde Verfolgbarkeit der Tat wegen Verjährung oder Unzuständigkeit) erfolgen (oder nur vorläufiger Natur sind), sondern auf einer inhaltlichen (sachverhaltsbezogenen) Prüfung des Vorwurfs basieren (siehe Nordmeyer, WK-StPO § 190 Rz 26 ff, ebenso Thienel in Thienel/Schulev-Steindl , Verwaltungsverfahrensrecht5, 460, Fn 44, Thienel/Hauenschild , aaO, 158; ebenso Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni , VStG (2013) § 30 VStG Rz 8; anderer Ansicht unter Hinweis auf das Urteil Müller (Nr. 2) des EGMR - bei dem im österreichischen Ausgangsfall noch die StPO vor der StPO-Reform anzuwenden war - ohne weitere Differenzierung Grabenwarter/Pabel , Europäische Menschenrechtskonvention5, § 24 Rz 147 f). Dabei kommt es darauf an, ob der Beschuldigte nach den Bestimmungen der StPO davon benachrichtigt werden musste und die einschreitenden Sicherheitsbehörden bei ihren Ermittlungen zur Erhärtung des Verdachts auf gerichtlichen Befehl hin tätig werden, da erst diesfalls ein Verfahren iS des Art. 4 7. ZPEMRK ausgelöst wird (siehe Thienel/Hauenschild , 158 mwH).
5.7. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 90 StPO alt nicht ohne weiteres auf § 190 StPO übertragen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Frage der Bindungswirkung anhand des Prüfungsumfangs der wesentlichen Elemente des tatbeständlichen Sachverhalts im Einzelfall zu beurteilen ist (vgl. auch Janko , Subsidiaritätsklauseln als Instrument zur Realisierung des Doppelverfolgungs- und Doppelbestrafungsverbot, in FS 20 Jahre UVS, 2011, 61 (73)).
Zusammengefasst ist daher im Fall einer Einstellung zunächst zu prüfen, ob sie (formell und materiell) rechtskräftig iSv unwiderruflich geworden ist, somit keine formlose Fortführungsmöglichkeit mehr besteht und daher ein Anklageverbrauch stattgefunden hat. In einem zweiten Schritt mit Blick auf den Umfang einer Sperrwirkung ist zu prüfen, auf welcher inhaltlichen Basis und aufgrund welcher Prüfungstiefe diese Entscheidung ergangen ist. Eine Bindungswirkung wird nur hinsichtlich jener Fakten anzunehmen sein, welche auch den Ausgangspunkt des vorangegangenen Strafverfahrens gebildet haben.
Von daher steht diesem Ergebnis im Übrigen auch die oz. frühere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 90 StPO alt, wonach Einstellungen nicht ohne weiteres, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen Bindungswirkung entfalten, nicht entgegen. Der bloße Hinweis auf eine nicht näher begründete Einstellung vermag nicht ohne weiteres Art. 4 7. ZPEMRK entgegenstehende Sperrwirkung zu entfalten. Vielmehr kommt es darauf an, aus welchen Gründen die Einstellung erfolgte und auf welcher im Verfahren herangezogenen und geprüften Faktenlage sie basierte.
5.8. Im vorliegenden Fall sind alle Bedingungen für eine Sperrwirkung erfüllt.
Im Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde war nach der Einstellung keine formlose Fortführung des Ermittlungsverfahrens mehr möglich, weil der Mitbeteiligte als Beschuldigter iSd § 193 Abs. 2 Z 1 StPO wegen derselben Tat vernommen worden war, nach der Aktenlage keine Anordnung der Fortführung des Verfahrens nach § 193 Abs. 2 Z 2 StPO erfolgt ist sowie auch die Frist für einen Fortführungsantrag des Opfers bereits abgelaufen war (§ 195 Abs. 2 StPO) und auch in dieser Hinsicht keine Anordnung der Fortführung durch die Staatsanwaltschaft nach § 195 Abs. 3 StPO erfolgt ist.
Zudem wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens dasselbe Faktensubstrat wie im Verwaltungsstrafverfahren geprüft und nach Auseinandersetzung mit den Sorgfaltspflichten des Mitbeteiligten als Arbeitgeber dessen Verschulden mit ausführlicher Begründung verneint. Damit hat auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den wesentlichen Tatbestandselementen stattgefunden und somit ist eine inhaltliche Entscheidung erfolgt, welche die Qualität eines Freispruchs iSd Art. 4 7. ZPEMRK erreicht.
6. Die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Mitbeteiligten durch die Staatsanwaltschaft hat demnach Sperrwirkung für das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren entwickelt, eine weitere Verfolgung im Verwaltungsstrafverfahren war daher unzulässig. Dies hat die belangte Behörde zutreffend erkannt und daher das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Mitbeteiligten zu Recht eingestellt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am