TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 25.11.2010, 2007/15/0150

VwGH vom 25.11.2010, 2007/15/0150

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der M I in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0054- G/07, betreffend Einkommensteuer für 2004, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 die Gewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages, welchen das Finanzamt mit der Begründung nicht berücksichtigte, dass die Beschwerdeführerin im Streitjahr keine Familienbeihilfe für ihre Tochter bezogen habe.

In ihrer gegen den Einkommensteuerbescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die Tochter im Streitzeitraum bei ihr gelebt und sie auch alle Kosten (einschließlich der Ausgaben für die Kinderbetreuung) getragen habe. Die Eltern ihres geschiedenen Ehemannes würden die Familienbeihilfe für die Tochter lediglich deshalb beziehen, weil sie des öfteren - während der berufsbedingten Abwesenheiten der Beschwerdeführerin - Ausgaben für das Kind (ihre Enkelin) vorfinanzierten. Dies könnten sowohl ihr geschiedener Ehemann und ihre "Ex-Schwiegereltern", als auch ihr (jetziger) Ehemann bestätigen.

Daher stünden der Beschwerdeführerin der Alleinerzieherabsetzbetrag und die "Sonderausgaben für Kinderbetreuung" sehr wohl zu.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung und Einbringung eines Vorlageantrages nahm das Finanzamt über Aufforderung der Abgabenbehörde zweiter Instanz ergänzende Erhebungen, insbesondere zur Frage der Kinderbetreuungskosten vor.

In diesem Zusammenhang gab die Beschwerdeführerin an, ihrer Schwester für die Betreuung der Tochter monatlich 350 EUR, in Summe also 4.200 EUR bezahlt zu haben. Ein Betreuungsbedarf habe sich dadurch ergeben, dass sie als freiberufliche Dolmetscherin für Arabisch bei der örtlichen Bundespolizeidirektion und anderen Polizeidienststellen sowie bei Gericht sehr unregelmäßige Arbeitszeiten habe und teilweise auch in der Nacht arbeiten müsse. Die monatliche Entschädigung iHv 350 EUR sei für die ebenfalls unregelmäßige, aber häufige Tätigkeit, teilweise auch während der Nacht und auch an Sonn- und Feiertagen, sicherlich angemessen. Der geschiedene Ehemann, der ebenfalls das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter habe, komme aus näher dargestellten Gründen für die Betreuung nicht in Frage. Die Tochter sei zwar seit 2003 bei der Beschwerdeführerin gemeldet, doch habe der "Ex-Schwiegervater" die Familienbeihilfe weiter bezogen. Dieser Umstand resultiere noch aus der Zeit, als die Beschwerdeführerin aufgrund eines UNO-Einsatzes ihres geschiedenen Ehemannes in Zypern gelebt habe. Die Änderung der Verhältnisse sei der Familienbeihilfenstelle nie bekannt gegeben worden. Seit 2003 lebe die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrer Tochter in Österreich. Die Zahlungen für die Kinderbetreuung seien der Schwester in bar ausgehändigt worden, was diese bestätigen könne.

In seiner gegenüber der belangten Behörde abgegebenen Stellungnahme vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass die Kinderbetreuungskosten nicht als außergewöhnliche Belastung anzusehen seien, weil die diesbezügliche Vereinbarung mit der Schwester der Beschwerdeführerin keinem, den Kriterien für Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen entsprechenden, Fremdvergleich standhielte. Einerseits seien die monatlichen Betreuungskosten iHv 350 EUR verglichen mit den Kosten für eine Hortbetreuung des örtlichen Magistrats von 174 EUR (Maximalbetrag ohne Berücksichtigung von Förderungen) unangemessen hoch. Andererseits spreche auch das Vorliegen eines leistungsunabhängigen Pauschalentgelts bei unregelmäßiger tatsächlicher Betreuung gegen eine fremdübliche und für eine familiär bedingte Vereinbarung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab.

Der Alleinerzieherabsetzbetrag stehe nach § 33 Abs. 4 Z 2 iVm § 106 Abs. 1 EStG 1988 nur einem Steuerpflichtigen zu, dem mehr als sechs Monate im Kalenderjahr Familienbeihilfe für mindestens ein Kind gewährt werde. Unbestritten sei, dass nicht die Beschwerdeführerin, sondern der Großvater des Kindes im Streitjahr die Familienbeihilfe für die Tochter der Beschwerdeführerin bezogen habe. Dieser habe am den Antrag auf Bezug der Familienbeihilfe mit der Begründung gestellt, die Tochter der Beschwerdeführerin wohne bei ihm. Mangels Bekanntgabe einer Änderung der Haushaltszugehörigkeit der Tochter an die Familienbeihilfenstelle des Finanzamtes sei die Familienbeihilfe in der Zeit von April 1996 bis Februar 2007 durchgehend an den Großvater ausbezahlt worden, weshalb der Beschwerdeführerin für das Jahr 2004 kein Alleinerzieherabsetzbetrag zuerkannt werden könne.

Zu den geltend gemachten Kinderbetreuungskosten vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass der Berücksichtigung von Aufwendungen, die typischerweise mit der Beaufsichtigung von Kindern im Zusammenhang stünden (zB Betreuung der Kinder in der Zeit der Berufstätigkeit der Eltern) als außergewöhnliche Belastung die Bestimmung des § 34 Abs. 7 Z 1 EStG idF BGBl. I Nr. 79/1998 entgegenstünde. Diesen Aufwendungen fehle es an der Außergewöhnlichkeit. Unterhaltsaufwendungen, die beim Unterhaltsberechtigten selbst außergewöhnliche Belastungen darstellten (§ 34 Abs. 7 Z 4 EStG), habe die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren nicht geltend gemacht, weshalb die beantragten Kinderbetreuungskosten weder (wie beantragt) als Sonderausgaben noch als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen seien.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende Beschwerde, über welche der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Alleinerzieherabsetzbetrag

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 ist Alleinerzieher ein Steuerpflichtiger, der mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt.

Gemäß § 106 Abs. 1 EStG 1988 (idF vor dem StRefG 2009, BGBl. I Nr. 26/2009) gelten als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a zusteht.

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a EStG 1988 (idF vor dem StRefG 2009, BGBl. I Nr. 26/2009) steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ab dem Jahr 2000 ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 50,90 Euro für jedes Kind zu.

Aus den genannten Regelungen ergibt sich, dass ein Kind iSd § 106 Abs. 1 leg.cit. bei der Beschwerdeführerin nur im Falle eines Familienbeihilfenbezuges durch die Beschwerdeführerin selbst oder ihren (Ehe)Partner gegeben wäre. Die Beschwerdeausführungen, wonach die Zuerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages nicht (auch) an den tatsächlichen Bezug des Kinderabsetzbetrages geknüpft sei, zeigen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil der Kinderabsetzbetrag seinerseits an die Gewährung, also den tatsächlichen Bezug der Familienbeihilfe anknüpft. Die streitgegenständlichen Bestimmungen eröffnen das von der Beschwerdeführerin angenommene Wahlrecht der Aufteilung der Transferleistungen auf andere Personen als den Steuerpflichtigen und dessen (Ehe)Partner nicht (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 2010/15/0155).

2. Kinderbetreuungskosten

§ 34 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung vor dem StRefG 2009 lautete auszugsweise:

"(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2.
Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3.
Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

...

(7) Für Unterhaltsleistungen gilt folgendes:

1. Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a und c abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.

2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind, das nicht dem Haushalt des Steuerpflichtigen zugehört und für das weder der Steuerpflichtige noch sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner Anspruch auf Familienbeihilfe hat, sind durch den Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. b abgegolten.

3. Unterhaltsleistungen für den (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) sind durch den Alleinverdienerabsetzbetrag abgegolten.

4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.

5. (Verfassungsbestimmung) Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, sind außer in den Fällen und im Ausmaß der Z 4 weder im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages noch einer außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen."

Unterhaltsleistungen für ein Kind sind nach § 34 Abs. 7 Z 1 EStG 1988 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des BG BGBl. I Nr. 79/1998 durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag abgegolten.

Im Verhältnis zu haushaltsangehörigen Kindern können Aufwendungen für deren Unterhalt unter Beachtung des § 34 Abs. 7 EStG 1988 somit nur dann Berücksichtigung finden, wenn die Aufwendungen beim Unterhaltsberechtigten selbst iSd § 34 Abs. 7 Z 4 leg. cit. eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden, wobei ein Betreuungsbedarf auch auf Grund des Alters des Kindes bestehen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2003/15/0021).

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren den Betreuungsbedarf ihrer Tochter mit ihrer Berufstätigkeit begründet, der sie auch an Wochenenden und teilweise auch nachts nachgehen müsse. Damit wurde der Tatbestand des § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 angesprochen. Zu Recht rügt die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang, dass sich die belangte Behörde mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt habe. Anders als das Finanzamt hat die belangte Behörde weder den tatsächlichen Anfall von Aufwendungen für die Betreuung der Tochter in Abrede gestellt noch den von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren behaupteten Betreuungsbedarf (etwa unter dem Gesichtspunkt des Alters des Kindes) verneint. Auch hat die belangte Behörde keine Feststellungen dahingehend getroffen, dass der Unterhalt der Beschwerdeführerin ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit gesichert wäre. Dem angefochtenen Bescheid können aber auch sonst keine Feststellungen zur Frage der Zwangsläufigkeit der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Betreuungsaufwendungen (beispielsweise im Sinne der dem hg. Erkenntnis vom , 98/15/0036, zu Grunde liegenden Erwägungen) entnommen werden.

Der angefochtene Bescheid erweist sich nach dem Gesagten als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am