VwGH vom 28.10.2009, 2007/15/0148

VwGH vom 28.10.2009, 2007/15/0148

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Zorn und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des M R in K, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstraße 41-43, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, vom , Zl. FSRV/0114-L/04, betreffend Finanzvergehen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Erkenntnis des Spruchsenates III beim Finanzamt Linz entschieden, in dem es den Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannte, er habe als Geschäftsführer und Wahrnehmender der steuerlichen Interessen der B-GmbH vorsätzlich

a) für die Monate Mai bis November 1996 Vorauszahlungen an Umsatzsteuer (in konkret genannter Höhe) nicht bis zum fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet, sowie

b) für April, Mai, November, Dezember 1997 sowie Februar, März und Juni 1998 und unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen (in konkret genannter Höhe) bewirkt, indem er die Vorauszahlungen weitaus verspätet entrichtet bzw. Voranmeldungen weitaus verspätet eingereicht und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten hat. Er habe dadurch a) Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG und b) Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen, weshalb eine Geldstrafe von 9.000 EUR (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Wochen) verhängt wurde.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom war der Beschwerdeführer zur mündlichen Verhandlung am , 11.00 Uhr, geladen worden. Mit der am um ca. 15.00 Uhr an die belangte Behörde gefaxten und dort eingegangenen, an den Vorsitzenden des Senates gerichteten und die Geschäftszahl des Berufungsverfahrens aufweisenden Eingabe hatte der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter mitgeteilt, dass er krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, an der mündlichen Verhandlung vom teilzunehmen und deshalb um eine Vertagung der Verhandlung ersuche. Zugleich war der belangten Behörde eine Bestätigung des allgemeinen öffentlichen Krankenhauses der Stadt Linz gefaxt worden, in welcher unter Angabe der Diagnose angeführt wird, dass der Beschwerdeführer akut erkrankt sei und für voraussichtlich mindestens eine Woche Bettruhe einzuhalten habe.

Aus einem im Finanzstrafakt befindlichen Aktenvermerk ergibt sich, dass die Eingabe am durch Aktenboten der belangten Behörde in das Büro des Senatsvorsitzenden gebracht worden ist, und zwar während dieser sich zur Durchführung der Berufungsverhandlung im Verhandlungssaal aufgehalten hat.

Im angefochtenen Bescheid wird auf Seite 7 ausgeführt, dass der Senatsvorsitzende nach der Verhandlung und daher ohne Einfluss auf die Entscheidung des Berufungssenates, in Abwesenheit des Beschwerdeführers zu verhandeln, von dem bereits am Vortag per Fax eingebrachten Gesuch, die Berufungsverhandlung zu vertagen, weil der Beschwerdeführer krankheitsbedingt nicht zum festgelegten Verhandlungstermin erscheinen könne, Kenntnis erlangt habe.

Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ergibt sich, dass die Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt worden ist und mit einer Verkündigung der Berufungsentscheidung geendet hat.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, der angefochtene Bescheid leide an Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde. Der Berufungssenat der belangten Behörde sei nämlich nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt gewesen. An der Berufungsverhandlung vom hätten die in der Geschäftsverteilung bloß zweit- und drittgereihten "Laienbeisitzer" teilgenommen.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Aus der Aktenlage (OZ 130.1) ergibt sich, dass Dr. G. E. als Erstgereihter der entsendeten Mitglieder, nachdem er vom Verhandlungstermin verständigt worden ist, die Behörde von seiner krankheitsbedingten Verhinderung informiert hat. Punkt 3.7.5. der Geschäftsverteilung der belangten Behörde regelt: "Die Senatsmitglieder werden im Falle ihrer aktenkundigen Verhinderung jeweils von dem in der Geschäftsverteilung nächstgereihten, nicht aktenkundig verhinderten Senatsmitglied vertreten." Es ist somit nicht rechtswidrig gewesen, dass die nach der Geschäftsverteilung für die Zusammensetzung des "Finanzstrafsenates 3" an zweiter und dritter Stelle gereihten entsendeten Mitglieder tätig geworden sind.

In der Beschwerde wird sodann u.a. vorgebracht, die belangte Behörde habe die Berufungsverhandlung trotz der begründeten Verhinderung des Beschwerdeführers am planmäßig durchgeführt. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers stelle für diesen einen wesentlichen Nachteil dar. Auf Grund der Erkrankung des Beschwerdeführers und der Übermittlung des ärztlichen Attestes einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung sei ein "entschuldbares Fernbleiben" vorgelegen. Der Beschwerdeführer sei gegen seinen Willen vom Berufungssenat nicht gehört worden.

Die belangte Behörde habe in ihrer Entscheidung übersehen, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1996 bis 1998 immer wieder auch solche Umsatzsteuervoranmeldungen verspätet eingereicht habe, welche letztlich zu einer Gutschrift geführt hätten. Der Beschwerdeführer sei dabei immer davon ausgegangen, dass sich die Umsatzsteuervorauszahlungen und die Gutschriften summenmäßig ausgleichen würden. Der Beschwerdeführer habe auch erklärt, dass er "die Buchhaltungsunterlagen laufend zur Bearbeitung und Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen weitergegeben hat und sich nach Unterfertigung auch auf die Erledigung zur Erfüllung seiner umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen verlassen hat". Diese Verantwortung des Beschwerdeführers habe die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt. Wäre ihm im Rahmen einer mündlichen Berufungsverhandlung Parteiengehör gewahrt worden, hätte sich die belangte Behörde davon überzeugen können, dass die subjektive Tatseite nicht in der von ihr angenommenen Weise vorgelegen sei.

Gemäß § 157 FinStrG gilt für die Berufungsverhandlung die Bestimmung des § 126 FinStrG. Danach hindert, wenn der Beschuldigte einer Vorladung zur Verhandlung nicht nachkommt, ohne durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstiges begründetes Hindernis abgehalten zu sein, dies nicht die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses auf Grund des Verfahrensergebnisses.

Die Aufgabe der Finanzstrafbehörde, über einen konkreten Lebenssachverhalt ein abschließendes rechtliches Urteil zu fällen, ist in aller Regel ohne Anhörung des Beteiligten nicht zu lösen. Der Gesetzgeber erblickt, wie der Ausschließung des Abwesenheitsverfahrens bei Krankheit, Gebrechlichkeit oder bei Vorliegen sonstiger begründeter Hindernisse in dem - gemäß § 157 FinStrG u.a. auf das Rechtsmittelverfahren sinngemäß anzuwendenden - § 126 FinStrG zu entnehmen ist, in der Abwicklung der Verhandlung ohne Beteiligung des Beschuldigten grundsätzlich einen wesentlichen Nachteil für diesen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 91/16/0093).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2002/16/0054, unter Hinweis auf Fellner, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, §§ 125 bis 135 , Rz 10, zum Ausdruck gebracht, (nur) ein erst nach der Beschlussfassung des Senates eingelangtes Entschuldigungsschreiben habe nicht die rechtliche Wirkung, nachträglich die getroffene Entscheidung des zusammengetretenen Kollegialorgans rechtswidrig zu machen. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich aus der Formulierung des Schreibens und der Art der Einbringung ergebe, dass ein nicht rechtzeitiges Einlangen beim Berufungssenat offenbar in Kauf genommen werde. Überdies müsse ein Vertagungsgesuch den Berufungssenat in der Lage versetzen, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob ein in § 126 FinStrG genanntes Hindernis vorliege, sodass über eine bloße Behauptung hinaus auch eine (insbesondere ärztliche) Bescheinigung vorgelegt werden müsse.

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer per Telefax einen Tag vor der mündlichen Verhandlung der belangten Behörde in einem unmissverständlich formulierten Schreiben mitgeteilt, dass er in einer Weise erkrankt ist, die ihm die Teilnahme an der Verhandlung unmöglich macht, und er um die Vertagung ersucht. Diesem Schreiben ist ein hinreichend nachvollziehbares ärztliches Attest angeschlossen. Bei dieser Sachlage hat die belangte Behörde, indem sie die Berufungsverhandlungen in Abwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführt hat, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am