VwGH vom 28.11.2007, 2007/15/0145
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des Finanzamtes Neunkirchen Wiener Neustadt, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0062- W/07, betreffend Bescheidaufhebung (Einkommensteuer 2005) und Einkommensteuer 2005 (mitbeteiligte Partei: W Z, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 16), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte war Alleingesellschafter der N. GmbH. Zum trat er 35 % der Anteile an die P. AG ab.
Punkt V. des Abtretungsvertrages vom lautet:
"Das Abtretungsentgelt beträgt EUR 636.125,00 (Euro (in Worten)).
Die Bezahlung des Abtretungsentgelts erfolgt auf zehn Jahre in zwanzig gleichhohen Halbjahresraten, jeweils fällig am 01. März und am 01. September jeden Jahres, erstmals am , wobei der jeweils aushaftende Betrag mit 4% p.a. (vier Prozent per anno) zu verzinsen ist, auf ein von (dem Mitbeteiligten) namhaft zu machendes Konto."
Im Einkommensteuerbescheid 2005 vom wurden Einkünfte aus der Veräußerung der Beteiligung in Höhe von EUR 83.611,47 mit dem gemäß § 37 Abs. 1 erster Teilstrich EStG 1988 ermäßigten Steuersatz besteuert.
Nach Erlassung dieses Bescheides stellte das Finanzamt fest, dass das in Raten ausbezahlte Veräußerungsentgelt nicht EUR 83.611,47, sondern nur EUR 63.612,50 betragen und der Mitbeteiligte auch Zinsen in Höhe von EUR 19.998,97 als Einnahmen aus der Beteiligungsveräußerung erklärt hatte.
Mit Bescheid vom hob das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2005 gemäß § 299 Abs. 1 BAO mit der Begründung auf, dass er inhaltlich rechtswidrig sei. In dem zugleich erlassenen geänderten Einkommensteuerbescheid 2005 führte das Finanzamt aus, dass in den Veräußerungsraten enthaltene Zinsen nicht den Einkünften aus der Veräußerung der Beteiligung zuzuordnen seien, sondern Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellten. Der auf die Zinsen entfallende Betrag unterliege daher nicht dem begünstigten Steuersatz gemäß § 37 Abs. 1 EStG.
Der Mitbeteiligte erhob Berufung sowohl gegen den genannten Aufhebungsbescheid als auch gegen den entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid 2005.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Mitbeteiligten gegen den gemäß § 299 BAO erlassenen Bescheid Folge gegeben. Die belangte Behörde hob den genannten Bescheid auf und sprach zugleich aus, dass der geänderte Einkommensteuerbescheid 2005 vom aus dem Rechtsbestand ausscheide. Die Berufung des Mitbeteiligten gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 vom wurde als unzulässig zurückgewiesen.
In der Bescheidbegründung wird - soweit für das gegenständliche Verfahren von Bedeutung - ausgeführt, zur strittigen Rechtsfrage würden unterschiedliche Lehrmeinungen vertreten (Hinweis auf Doralt, EStG10, § 37, Tz. 86). Einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liege nicht vor. Für die belangte Behörde sei entscheidend, dass die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen im Beschwerdefall Teil der Kaufpreisvereinbarung sei. Die Zinsen gehörten deshalb zum Verkaufspreis, den der Mitbeteiligte als Entgelt für die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an den GmbH-Anteilen erhalten habe. Würde man diese Zinsen bei Ermittlung der Veräußerungseinkünfte nicht berücksichtigen, stünde diese Vorgangsweise in Widerspruch zu jener Rechtsprechung, die den "Veräußerungserlös" als Summe all dessen definiere, das der Verkäufer als Entgelt für die Eigentumsübertragung erhalte. Da Zinsen, die Bestandteil einer Kaufpreisvereinbarung seien, zum Verkaufspreis gehörten, seien auch sie gemäß § 37 Abs. 1 EStG 1988 begünstigt zu besteuern. Das Finanzamt sei daher zu Unrecht von einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des Einkommensteuerbescheides vom ausgegangen, sodass der Aufhebungsbescheid seinerseits zu Unrecht ergangen und daher aufzuheben sei. Das Einkommensteuerverfahren trete damit in den Stand zurück, in dem es sich vor der Erlassung des Aufhebungsbescheides des Finanzamtes befunden habe. Der am erlassene geänderte Einkommensteuerbescheid 2005 scheide aus dem Rechtsbestand aus, sodass die dagegen erhobene Berufung gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO zurückzuweisen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 27 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988 sind Zinsen und andere Erträgnisse aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, zum Beispiel aus Darlehen, Anleihen, Einlagen, Guthaben bei Kreditinstituten und aus Ergänzungskapital im Sinne des Bankwesengesetzes oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Gemäß § 27 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den im Abs. 1 bezeichneten Einkünften oder an deren Stelle gewährt werden, z.B. Sachleistungen, Boni und zusätzliche Zinserträge aus Wertpapierkostgeschäften, weiters nominelle Mehrbeträge auf Grund einer Wertsicherung.
Im Erkenntnis vom , 2007/14/0015, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass auch Forderungen aus einer gemischten Schenkung zu den Kapitalforderungen jeder Art im Sinne des § 27 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988 zählen. Dieses Erkenntnis betraf einen Steuerpflichtigen, der seine Kunstsammlung im Jahr 1994 gegen Zahlung einer Betrages von insgesamt S 2,2 Mrd. einer gemeinnützigen Privatstiftung gewidmet hatte. Vereinbart war, dass ein Betrag von S 750 Mio. sogleich, die restlichen Beträge von S 1,45 Mrd. hingegen in den Jahren 1995 bis 2007 unverzinst und wertgesichert auf vom Steuerpflichtigen bekannt gegebene Konten zu überweisen seien. Da der Wert der Kunstsammlung etwa das Dreifache des Wertes der Auflage betragen hatte, lag insgesamt ein unentgeltlicher Vorgang (gemischte Schenkung) vor. Vor dem Verwaltungsgerichtshof war strittig, ob die im Jahr 2000 neben der Teilzahlung von S 75 Mio. geleistete Wertsicherung in Höhe von S 5,792.197,-- der Steuerpflicht gemäß § 27 EStG 1988 unterliegt. Der Beschwerdeführer vertrat die Ansicht, er habe gleich viel an Kaufkraft erhalten, wie er bei einmaliger Zahlung des Betrages erhalten hätte, sodass die Wertsicherungsbeträge nicht den steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen zugeordnet werden dürften. Der Verwaltungsgerichtshof teilte diese Ansicht im angeführten Erkenntnis vom mit der Begründung nicht, dass es unerheblich ist, welcher Rechtstitel der Überlassung von Kapital zu Grunde liegt.
Für den Beschwerdefall kann nichts anderes gelten. Auch eine im Rahmen eines Abtretungsvertrages erworbene Forderung stellt eine Kapitalforderung im Sinne des § 27 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988 dar.
Anders als der Mitbeteiligte in seiner zur Beschwerde des Finanzamtes erstatteten Gegenschrift meint, ergibt sich auch aus dem Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht, dass "das bedungene Entgelt für die Fälligkeitsverschiebung" zum Veräußerungsentgelt gehört. Vielmehr zeigen die weiteren Ausführungen des Mitbeteiligten, im Vordergrund der Fälligkeitsverschiebung sei der "Schuldnerwunsch (gestanden), mangels Liquidität das Entgelt aus dem Zielschulschuldverhältnis später oder ratenweise zu zahlen", dass die vereinbarten Zinsen nicht nur nach dem Wortlaut der Vereinbarung, sondern auch in wirtschaftlicher Betrachtungsweise kein Entgelt für die Anteilsübertragung darstellen, sondern für die Kapitalüberlassung gewährt wurden. Die Zinsen sind daher - soweit sie wie im Beschwerdefall nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 4 EStG 1988 gehören - den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen.
Damit ist auch die steuerliche Gleichbehandlung der vorliegenden Sachverhaltskonstellation mit jenem wirtschaftlich gleich gelagerten Fall gegeben, in dem eine Anteilsveräußerung gegen Barzahlung erfolgt und der Veräußerer den erhaltenen Betrag in der Folge einem anderen Schuldner gegen entsprechende Verzinsung zur Nutzung überlässt. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht zu erkennen, dass die Beurteilung der zugeflossenen Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen dem in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei angesprochenen Erfordernis einer "verfassungskonformen Interpretation" zuwider liefe.
Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am