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VwGH vom 18.12.2008, 2007/15/0090

VwGH vom 18.12.2008, 2007/15/0090

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der P GmbH in G, vertreten durch Dr. Peter Schlösser, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Alberstraße 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , GZ. RV/0161-G/03, betreffend Körperschaftsteuer 2000 sowie Festsetzung von Körperschaftsteuervorauszahlungen 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 51,50 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH war bis Ende des Jahres 1996 im Malerei- und Anstreichergewerbe tätig. Im Lagebericht zum Jahresabschluss 1996 findet sich die Erwähnung, dass die GmbH ihre unternehmerische Tätigkeit mit eingestellt hat.

Mit Verträgen vom veräußerten die bisherigen Gesellschafter ihre Anteile an PB. Gleichzeitig wurden zwischen PB und einem der früheren Gesellschafter AB einerseits sowie zwischen PB und dem Steuerberater der GmbH RM Treuhandverträge abgeschlossen, wonach PB für AB 30% sowie für RM 45% am Stammkapital treuhändig halte.

Mit Gesellschaftsvertrag vom wurde der Geschäftsgegenstand geändert auf:

"a) die Durchführung von sämtlichen Tätigkeiten im Bereich der Personalverrechnung;

b) die Durchführung von sämtlichen Tätigkeiten im Bereich des Rechnungswesens;

c) Ausübung der Tätigkeit der Unternehmensberatung."

Zugleich beendeten die bisherigen Geschäftsführer und Prokuristen ihre Funktionen und wurde PB zur neuen Geschäftsführerin bestellt. Auch der Sitz, die Geschäftsanschrift sowie die Firmenbezeichnung der GmbH wurden geändert.

Im Körperschaftsteuerbescheid 2000 ließ das Finanzamt die als Sonderausgaben geltend gemachten Verlustvorträge in Höhe von 318.721 S mit der Begründung nicht zum Abzug zu, dass nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vom Vorliegen eines Mantelkaufes im Sinne des § 8 Abs. 4 Z. 2 KStG 1988 auszugehen sei. Die Körperschaftsteuervorauszahlungen 2002 wurden unter Zugrundelegung des festgesetzten Gewinns des Jahres 2000 festgesetzt.

In der dagegen erhobenen Berufung vertrat die Beschwerdeführerin den Standpunkt, dass der Verlustabzug lediglich dann verloren ginge, wenn sämtliche Veränderungskriterien kumulativ erfüllt seien. Eine wesentliche Änderung der Gesellschafterstruktur liege im Beschwerdefall aber nicht vor, weil dieses Kriterium nur dann erfüllt sei, wenn zumindest 75% der Gesellschaftsanteile nach der Strukturänderung von anderen Personen gehalten würden. Dies sei gegenständlich nicht der Fall, weil PB 30% der Gesellschaftsanteile treuhändig für den "Altgesellschafter" AB halte.

Über Vorhalt der belangten Behörde erläuterte die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom Mai 2006 den wirtschaftlichen Hintergrund der gegenständlichen Anteilsübertragungen. Die beschwerdeführende Gesellschaft sei vor dem Anteilserwerb durch den Wirtschaftstreuhänder RM in steuerlichen Belangen vertreten worden. Da die Auftragslage des von der Gesellschaft geführten Malereibetriebes immer schlechter geworden sei, habe der Betrieb mit eingestellt werden müssen. RM habe aus seiner beratenden Tätigkeit hohe Forderungen gegenüber der Gesellschaft gehabt und sei daher daran interessiert gewesen, durch Erwerb der Gesellschaftsanteile "in späterer Folge seine Forderungen zu erhalten". Auch habe die Gesellschaft über verrechenbare Mindestkörperschaftsteuerbeträge in einem beträchtlichen Ausmaß verfügt. Andererseits sei es AB durch den Verkauf seiner Geschäftsanteile ermöglicht worden, sich in Slowenien eine neue Existenz aufzubauen.

Zwischen Frau PB und Herrn RM habe bereits vor der Gesellschaftsübernahme ein Naheverhältnis bestanden. Gemeinsam sei beabsichtigt worden, eine Gesellschaft zu gründen und auf dem Gebiet der qualifizierten Personalberatung tätig zu werden. Geschäftsführungsfunktion und Vermögensbeteiligung "an dieser Gesellschaft war Voraussetzung für Frau (PB), um in der Gesellschaft auch entsprechende Mitbestimmungsrechte ausüben zu können." Aus diesem Grunde habe sie gemeinsam mit RM die Gesellschaftsanteile an der Beschwerdeführerin erworben. Schriftliche Unterlagen über Besprechungen habe es nie gegeben. Frau PB scheine nach außen hin als Alleingesellschafterin auf, weil sie die Beschwerdeführerin leiten solle. Auf Grund der Nahebeziehung zwischen ihr und RM sowie der freundschaftlichen Beziehung zu AB gebe es außer den Treuhandverträgen keine schriftlichen Vereinbarungen. RM habe schon wegen seiner Tätigkeit als Wirtschaftstreuhänder der Beschwerdeführerin volle Einsicht in deren Bücher und könne aus diesem Grund jede unternehmerische Gestaltung der Geschäftsführung überprüfen. AB sei die mündliche Zusage erteilt worden, dass "diese Kontrollfunktion auch in seinem Interesse durch Herrn (RM) ausgeübt" werde.

Am seien alle Abtretungs- und Treuhandverträge unter Anwesenheit sämtlicher Gesellschafter unterfertigt worden. Auch habe eine "mündliche Einigung" darüber bestanden, dass der Gesellschaftsvertrag mit Zustimmung der Treugeber geändert werde. Bis zum heutigen Tage habe noch keine ordentliche Gesellschafterversammlung stattgefunden, auch seien entsprechende Umlaufbeschlüsse noch nicht gefasst worden. Folglich gebe es auch keine entsprechenden Protokolle und keine schriftlichen Unterlagen über Weisungen der Treugeber an die Treuhänderin betreffend die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Auf Grund des Inhalts des Gesellschaftsvertrages vom sei ersichtlich, dass sich sowohl die wirtschaftliche als auch die organisatorische Struktur der Gesellschaft zu 100% geändert hätten. Wenngleich Lehre und Verwaltungspraxis davon ausgingen, dass eine wesentliche Änderung der Gesellschafterstruktur nur eintrete, wenn sich diese zu mindestens 75% ändere, liege im vorliegenden Fall trotzdem eine wesentliche Änderung der Gesamtstruktur der Gesellschaft vor.

Zivilrechtlich stehe die Beschwerdeführerin im Alleineigentum einer Gesellschafterin, die ursprünglich nicht an der Gesellschaft beteiligt gewesen sei. Erst im Zuge der Betriebsprüfung sei das Vorliegen einer verdeckten Treuhandschaft bekannt gegeben und daraus abgeleitet worden, dass "die Voraussetzungen für den Erwerb eines Mantels" nicht vorlägen.

Die Beschwerdeführerin übersehe mit diesem Vorbringen, dass der Gesetzgeber ausdrücklich auf das Gesamtbild der Verhältnisse abstelle. Unter den gegebenen Umständen sei die Tatsache, dass PB durch einen Treuhandvertrag verpflichtet sei, im Ausmaß von 30% Gesellschafterbeschlüsse im Interesse des ehemaligen Gesellschafters AB zu treffen, nicht gewichtig genug, die Änderung von 100% der organisatorischen sowie wirtschaftlichen Struktur aufzuwiegen, zumal auch keine schriftlichen Nachweise über die tatsächliche Ausübung der Treuhandvereinbarung hätten vorgelegt werden können.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf steuerliche Berücksichtigung von Verlustvorträgen verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist ausschließlich die Frage strittig, ob der Beschwerdeführerin unter Anwendung der Bestimmung des § 8 Abs. 4 Z. 2 KStG 1988 der Verlustabzug versagt werden durfte (Mantelkauf).

§ 8 Abs. 4 KStG 1988 (idF BGBl. Nr. 818/1993) lautet (auszugsweise):

"Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
...
2.
Der Verlustabzug im Sinne des § 18 Abs. 6 und 7 des Einkommensteuergesetzes 1988. Der Verlustabzug steht ab jenem Zeitpunkt nicht mehr zu, ab dem die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben ist (Mantelkauf). Dies gilt
nicht, wenn diese Änderungen zum Zwecke der Sanierung ... ".
Der gesetzliche Mantelkauftatbestand bringt die Rechtsfolge des Unterganges des Verlustvortragsrechtes mit einer gesamthaften wesentlichen Änderung der Strukturen der Körperschaft innerhalb eines überschaubar kurzen Zeitraumes in Verbindung. Voraussetzung für die Versagung des Verlustabzuges ist, dass es zwischen dem Zeitpunkt des Entstehens eines Verlustes und dem Zeitpunkt des Verlustabzuges zu einem Verlust der wirtschaftlichen Identität der Körperschaft gekommen ist. Die wirtschaftliche Identität geht verloren, wenn wesentliche Änderungen der wirtschaftlichen und der organisatorischen Struktur mit wesentlichen Änderungen der Gesellschafterstruktur einhergehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2001/14/0135).
Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde von einer gesamthaften Änderung der Strukturen der Beschwerdeführerin ausgegangen. Sie konnte sich bei ihrer Feststellung darauf stützen, dass der Unternehmensgegenstand der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Veräußerung der Gesellschaftsanteile eine vollkommene Änderung erfahren hat und auch Name, Sitz und Geschäftsanschrift sowie Gesellschaftsorgane geändert wurden.
Bei dieser Sachlage war schon im Verwaltungsverfahren zu Recht lediglich die Frage strittig, ob auch die Gesellschafterstruktur eine ausreichende Änderung erfahren hat.
In dem Zusammenhang weist die Beschwerdeführerin auch vor dem Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass AB weiterhin 30% der Gesellschaftsanteile halte und somit jederzeit in der Lage sei, mit einem zweiten der beiden Gesellschafter die positive Beschlussfassung über einen Antrag des dritten Gesellschafters zu verhindern. Ebenso könne AB mit einem der beiden anderen Gesellschafter einen von ihm gestellten Antrag wirksam beschließen, sodass die wirtschaftliche Identität der Gesellschaft gewahrt erscheine. Dies zeige, dass die Gesellschafterstruktur der Beschwerdeführerin keine wesentliche Änderung erfahren habe.
Diesem Beschwerdevorbringen ist entgegenzuhalten, dass das von der Verwaltungspraxis (vgl. Hinweis auf Rz. 1.182 KStR 2001 bei Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG 1988, Tz. 293 zu § 8) angenommene Erfordernis einer Änderung der Gesellschafterstruktur im Ausmaß von zumindest 75% allenfalls als Richtwert dienen kann. Doch ist auch bei diesem Kriterium stets auf die Verhältnisse des Einzelfalls abzustellen. Im Beschwerdefall wurden die wirtschaftlichen und organisatorischen Strukturen der Beschwerdeführerin nach den Vorstellungen der neuen Gesellschafter im Einverständnis mit AB vollkommen geändert. Über entsprechenden Vorhalt der belangten Behörde hat die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren dazu erklärt, die neuen Gesellschafter hätten mit dem Erwerb der Gesellschaftsanteile ein gemeinsamen Unternehmen beginnen wollen, während AB beabsichtigt habe, sich mit dem Erlös der Gesellschaftsanteile eine neue wirtschaftliche Existenz in Slowenien aufzubauen. Vor diesem Hintergrund erscheint die von der Beschwerde aufgezeigte Möglichkeit der gemeinsamen Willensbildung des bisherigen Gesellschafters mit einem der neuen Gesellschafter rein hypothetischer Natur.
Soweit die Beschwerde einwendet, dass die "Wesentlichkeit" im Zusammenhang mit der Veränderung der Gesellschafterstruktur durchaus eine zivilrechtliche Anknüpfung zuließe, was auch mit dem Telos von § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 im Einklang stünde, lässt sich hieraus für ihren Standpunkt nichts gewinnen, weil zivilrechtlich betrachtet - die Annahme von Treuhandeigentum ist Ausfluss der wirtschaftlichen Betrachtungsweise - ein vollständiger Gesellschafterwechsel stattgefunden hat und somit das Tatbestandselement der wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur jedenfalls (auch) als erfüllt anzusehen wäre.
Wenn die belangte Behörde bei der im Beschwerdefall gegebenen Konstellation nach dem Gesamtbild der Verhältnisse von einer Änderung der wirtschaftlichen Identität der beschwerdeführenden Gesellschaft ausgegangen ist, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am