VwGH vom 23.02.2010, 2007/15/0073
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der H GmbH in K, vertreten durch Dallmann Juranek Rechtsanwälte GmbH in 1040 Wien, Gußhausstraße 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0648-G/05, betreffend Abweisung eines Antrages auf Veranlagung zur Umsatzsteuer 2004, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende GmbH ist eine Unternehmerin, die in Österreich weder Sitz noch Betriebsstätte hat. Im Jahre 2004 hat sie in Österreich Umsätze aus der Durchführung von Sägearbeiten mit Helikoptern erzielt.
Am langte beim Finanzamt Graz-Stadt der Antrag der Beschwerdeführerin "auf Vergütung der Umsatzsteuer für nicht im Inland ansässige Unternehmer" ein, in welchem für das Kalenderjahr 2004 als Vergütungszeitraum Vorsteuern im Ausmaß von EUR 66.321,61 (zum weitaus überwiegenden Teil aus "Flugkosten") geltend gemacht wurden. In diesem Antrag wird zum Ausdruck gebracht, dass die Beschwerdeführerin in Österreich nur Leistungen bewirkt habe, bei denen gemäß § 19 Abs. 1 UStG 1994 die Steuerschuld auf den Empfänger übergegangen sei (Reverse Charge).
Der Bescheid des Finanzamtes vom , mit dem der Vergütungsantrag der Beschwerdeführerin wegen Nichteinhaltung der in der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 vorgesehenen Frist von sechs Monaten zurückgewiesen worden ist, ist in Rechtskraft erwachsen.
Am langte beim Finanzamt eine Umsatzsteuererklärung 2004 der Beschwerdeführerin ein, in welcher Umsätze nach § 3a Abs. 1a UStG 1994 ("Eigenverbrauch") in Höhe von EUR 692,71 und Vorsteuern wiederum in Höhe von EUR 66.321,61 ausgewiesen sind. Aus der Beilage zur Erklärung ergibt sich, dass die erklärten Umsätze aus der Überlassung von Hotelzimmern durch die Beschwerdeführerin an ihre Arbeitnehmer "zu privaten Zwecken, wie etwa Kurzurlaube in 2004" resultierten.
Mit Bescheid vom verweigerte das Finanzamt die Durchführung einer Umsatzsteuerveranlagung und führte zur Begründung aus, der in der Erklärung angegebene "Eigenverbrauch" erfülle keinen Steuertatbestand. Da es sich um Privaturlaube der Arbeitnehmer handle, lägen keine Aufwendungen für den Betrieb der Beschwerdeführerin vor.
In der Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit Sägearbeiten per Helikopter in Österreich durchgeführt. Hiefür sei Personal benötigt worden, und zwar überwiegend Personal aus Deutschland, das keinen Wohnsitz in Österreich habe. Damit die Übernachtung der Arbeitnehmer am Arbeitsort gesichert sei, habe die Beschwerdeführerin auf eigenen Namen und auf eigene Rechnung Hotelzimmer am jeweiligen Arbeitsort angemietet und den Arbeitnehmern zur Nutzung überlassen. Vertragspartner der Hotels sei jeweils die beschwerdeführende GmbH gewesen, die auch als Rechnungsempfängerin aufgeschienen sei. Die Anmietung der Hotelzimmer sei teilweise auch für arbeitsfreie Wochenenden der Arbeitnehmer erfolgt. An diesen Wochenenden hätten die Arbeitnehmer die Zimmer für private Zwecke, wie etwa Kurzurlaube, nutzen können. Bei dieser Überlassung der angemieteten Hotelzimmer an die Arbeitnehmer an Wochenenden handle es sich um in Österreich steuerpflichtigen Eigenverbrauch im Sinne des § 3a Abs. 1a Z. 2 UStG 1994. Die Beschwerdeführerin habe ihren Arbeitnehmern einen wirtschaftlichen Vorteil in Form der Nutzungsmöglichkeit der Hotelzimmer zum privaten Gebrauch zugewendet. Diese Überlassung der Hotelzimmer an die Arbeitnehmer an Wochenenden stelle kein Entgelt für die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer dar. Es liege daher kein tauschähnlicher Umsatz vor. Bei Benutzung dieser Zimmer werde keine Reduzierung der Bararbeitslöhne der jeweiligen Arbeitnehmer vorgenommen. Die kostenlose Überlassung von Hotelzimmern an Wochenenden liege ausschließlich im privaten Interesse der Arbeitnehmer. Bei der Überlassung der Hotelzimmer handle es sich im Übrigen auch nicht um bloße Aufmerksamkeiten, da die Überlassung wertmäßig nicht unerheblich gewesen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Beilage zur Umsatzsteuererklärung 2004 seien 22 Wochenendtage angeführt, an denen die Beschwerdeführerin Zimmer an Dienstnehmer überlassen habe. Zwei Dienstnehmer hätten jeweils acht Tage, ein Dienstnehmer habe vier Tage und ein Dienstnehmer habe zwei Tage an "Kurzurlauben" verbracht. Die belangte Behörde erachte die nunmehrige Darstellung der Beschwerdeführerin als unglaubwürdig, zumal in den Erstattungsanträgen 2002 und 2003 trotz Vorliegens von Hotelrechnungen aus Übernachtungen keine Umsätze in Form eines Eigenverbrauches erklärt worden seien. Die Wochenendübernachtungen der Dienstnehmer seien bei länger andauernden Arbeitseinsätzen, die mit Montageleistungen durchaus vergleichbar seien, im betrieblichen Interesse, zumal eine freie Dispositionsmöglichkeit am weit vom Wohnort der Dienstnehmer gelegenen Arbeitsort in Österreich nach Art eines Freizeiturlaubes nicht den Erfahrungstatsachen des täglichen Lebens entspreche. Auf Grund der weiten Entfernung werde eine Familienheimfahrt aus Zeit- und Kostengründen den Dienstnehmern nicht tunlich erschienen sein. Die bloße Möglichkeit, die zugewiesenen Quartiere an dienstfreien Wochenenden zu benutzen, um dann den Arbeitseinsatz fortzusetzen, vermittle dem Dienstnehmer noch keinen entgeltlichen Vorteil aus dem Dienstverhältnis.
Zuwendungen, die ausschließlich oder ganz überwiegend im Interesse des Arbeitgebers lägen, führten weder zu einem Leistungsaustausch noch zu Eigenverbrauch. Ein solcher liege nur dann vor, wenn der Arbeitgeber eine Zuwendung mache, die überwiegend im Interesse des Arbeitnehmers liege. Liege die Leistung im Interesse des Arbeitgebers und komme dem Arbeitnehmer kein verbrauchsfähiger Nutzen zu, dann sei eine "steuerbare Entnahme" zu verneinen. Kein Leistungsaustausch und kein Eigenverbrauch seien gegeben, wenn das Verhalten des Arbeitgebers ausschließlich oder überwiegend von seinem eigenen Interesse diktiert sei, somit bei Abwägung der Umstände primär dazu diene, die Voraussetzungen für die unternehmerische Leistungserbringung zu verschaffen. Eine Unterkunftsgewährung und Verpflegung im Gastgewerbe werde regelmäßig von der Verwaltungspraxis als überwiegend im Interesse des Arbeitgebers gelegen betrachtet und stelle sohin keinen Eigenverbrauch dar, wenn die rasche Einsatzbereitschaft des Personals gewährleistet werden solle. Die belangte Behörde könne sich nicht der Tatsache verschließen, dass der gegenständliche Antrag auf Veranlagung vom Fristversäumnis der Beschwerdeführerin im Vorsteuererstattungsverfahren nach der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 "intendiert" gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine Veranlagung seien sohin mangels steuerbarer und steuerpflichtiger Umsätze nicht gegeben.
Mit Beschluss vom , B 1927/06, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen bei Unternehmern, die im Inland weder ihrer Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend von den Abs. 1 bis 5 - insbesondere von der Regelung über die Veranlagung nach Abs. 4 - sowie abweichend von den §§ 11 und 20 regeln.
§ 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. 279/1995, lautet auszugsweise:
"Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, ist abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2 und 3 durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinn des § 1 Abs. 1 Z. 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
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2. | ... |
3. | nur Umsätze bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz und Art. 19 Abs. 1 Z. 3 UStG 1994) oder |
... | |
ausgeführt hat." | |
Gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung hat der Unternehmer die Erstattung mittels amtlich vorgeschriebenem Vordruck beim Finanzamt Graz-Stadt zu beantragen. Der Antrag ist binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. | |
Liegen die Voraussetzungen für das Erstattungsverfahren vor, dann ist die Geltendmachung von Vorsteuern im Wege einer Veranlagung ausgeschlossen (vgl. Ruppe, UStG3, § 21 Tz 57/2). | |
Gemäß § 3a Abs. 1a UStG 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 134/2003 ist die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, sowie die unentgeltliche Erbringung von anderen sonstigen Leistungen durch den Unternehmer für den Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen, einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt. | |
Eine Leistung im Sinn des § 3a Abs. 1a UStG 1994 liegt vor, wenn eine Sachzuwendung an den Arbeitnehmer primär zur Deckung eines privaten Bedarfes des Arbeitnehmers dient, das heißt dem Arbeitnehmer in seiner privaten Sphäre ein bedarfsdeckender Nutzen zukommt. Leistungen, die zwar für Arbeitnehmer bestimmt sind, aber dem überwiegenden Interesse des Arbeitgebers dienen oder bei denen dem Arbeitnehmer kein verbrauchsfähiger Nutzen übertragen wird, fallen nicht unter den Leistungstatbestand (vgl. Ruppe, UStG3, § 1 Tz 122/1). | |
Dient eine Leistung des Unternehmers zwar der Deckung privater Bedürfnisse der Arbeitnehmer, überwiegen aber die betrieblichen Interessen des Unternehmers, liegt keine Leistung im Sinne des § 3a Abs. 1a UStG 1994 vor. So sind beispielsweise Unternehmer im Gastgewerbe auf Grund langer oder untypischer Arbeitszeiten sowie Wochenend- und Feiertagsarbeit daran interessiert, ihrem Personal im eigenen Haus Verpflegung und Unterkunft zu gewähren, sodass solche Zuwendungen im überwiegenden betrieblichen Interesse liegen (vgl. Hörtnagl, ÖStZ 2005, 195). | |
Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgebracht, sie habe ihren in Deutschland ansässigen, zum Arbeitseinsatz nach Österreich entsandten Arbeitnehmern die Möglichkeit der Nutzung von Hotelzimmern auch an Wochenenden eingeräumt, und zwar an Wochenenden zur Durchführung von "Kurzurlauben". | |
Nun wird bei der gegebenen Konstellation eine Leistung für den privaten Bedarf eines Dienstnehmers und ohne überwiegendes Arbeitgeberinteresse vorliegen, wenn der Wohnsitz des Dienstnehmers in Deutschland bloß in einer solchen Entfernung zum Ort der Hotelunterkunft in Österreich gelegen ist, dass vom Arbeitnehmer die Rückkehr an seinen Wohnsitz an arbeitsfreien Tagen am Wochenende üblicherweise zu erwarten gewesen ist und wenn der Arbeitnehmer zudem berechtigt gewesen ist, in der ihm unentgeltlich zur Verfügung gestellten Hotelunterkunft Besuch (im Rahmen eines "Kurzurlaubes") zu empfangen und zu beherbergen. | |
Hingegen wird aus der Sicht des Beschwerdefalles ein überwiegendes Interesse der Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin insbesondere dann anzunehmen sein, wenn im Hinblick auf die Entfernung nicht zu erwarten gewesen ist, dass der Dienstnehmer an arbeitsfreien Tagen an seinen Wohnsitz zurückfährt, oder wenn der Dienstnehmer an seiner Unterkunft keinen Besuch beherbergen durfte. In einem solchen Fall ergäbe sich das überwiegende betriebliche Interesse der Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin aus der Besonderheit des auswärtigen Arbeitseinsatzes, weil dann feststünde, dass der Arbeitnehmer die weitere Unterkunft, derer er wegen seiner Entsendung bedarf, im Rahmen der Entsendung auch an arbeitsfreien Tagen benötigt. | |
Erhebungen im Sinne der vorstehenden Ausführungen hat die belangte Behörde nicht angestellt. So enthält sich der angefochtene Bescheid insbesondere jeglicher Feststellung über die Entfernung zwischen dem Wohnsitz der Arbeitnehmer in Deutschland und dem Ort der Unterkunft in Österreich. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid ist es aber keinesfalls in jeglicher Konstellation (insbesondere Entfernung) ungewöhnlich, dass für ein arbeitsfreies Wochenende die Heimfahrt von einem Ort in Österreich an einen Ort in Deutschland unternommen wird. | |
Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verletzt und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden. | |
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. | |
Wien, am |