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VwGH vom 24.06.2009, 2007/15/0041

VwGH vom 24.06.2009, 2007/15/0041

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der G GmbH in L, vertreten durch Harisch & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Hofhaymerallee 42, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , GZ. RV/0226-I/04, betreffend Umsatzsteuer 1999 bis 2001, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Die beschwerdeführende GmbH (Beschwerdeführerin) betreibt ein Gesundheitszentrum, bestehend aus einem Hotelbetrieb und einem Ambulatorium nach dem Tiroler Krankenanstaltengesetz. Die Umsatzsteuer der Streitjahre wurde zunächst erklärungsgemäß festgesetzt.

Im Zuge einer die Streitjahre umfassenden Betriebsprüfung wurde im Betriebsprüfungsbericht die Feststellung getroffen, dass ein Teil von den bisher mit dem ermäßigten Steuersatz von 10 v.H. erklärten Umsätzen mit dem Normalsteuersatz zu besteuern sei.

Den Feststellungen der Betriebsprüfung folgend nahm das Finanzamt zunächst die Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und erließ neue Sachbescheide.

2. In der Berufung vom bezeichnete die Beschwerdeführerin die Bescheide, gegen die sich das Rechtsmittel richtet, wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
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Umsatzsteuerbescheid 1999 vom
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Körperschaftsteuerbescheid 1999 vom
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Umsatzsteuerbescheid 2000 vom
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Körperschaftsteuerbescheid 2000 vom
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Umsatzsteuerbescheid 2001 vom
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Körperschaftsteuerbescheid 2001 vom .
Anschließend wurden nach der Überschrift "Begründung" unter
1) "Antrag auf Aufhebung der Bescheide gemäß § 299 Abs. 1 lit. c BAO", unter 2) "Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO" und unter 3) "Steuersatz" und schließlich auf der letzten Seite ohne Nummerierung Ausführungen zur "Körperschaftsteuer" und "Antrag auf Aussetzung gemäß § 212a BAO" vorgenommen.
Das Finanzamt bezeichnete im Vorlagebericht die bezughabende Norm mit "§ 303 (4) BAO" und die Streitpunkte mit "Strittig ist die Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen".

Die Beschwerdeführerin führte unter Bezugnahme auf diese Vorlagemitteilung im Schreiben vom an die belangte Behörde aus, dass neben dem angeführten Streitpunkt "Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen" betreffend Umsatzsteuer auch der angewandte Steuersatz und betreffend Körperschaftsteuer auch die Höhe des ermittelten körperschaftsteuerpflichtigen Gewinnes strittig sei. Sollte den "Anträgen auf Aufhebung der Bescheide bzw. Wiederaufnahme des Verfahrens nicht stattgegeben werden, so sei auch der Umsatzsteuerbescheid bzw. die Höhe des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens zu besprechen".

In einem im Verwaltungsakt (Band II, Blatt 42) erliegenden Gedächtnisprotokoll ist Folgendes festgehalten:

"Im Zuge des vorbereitenden Aktenstudiums befragte die Referentin den Fachvorstand des Finanzamtes Innsbruck zum Gang des Verfahrens in erster Instanz und betreffend die Berufungsschrift und den Vorlagebericht. Der Fachvorstand bestätigte, dass mit dem Bericht vom lediglich eine Berufung gegen die Sachbescheide dem UFS zur Entscheidung vorgelegt wurde. Hinsichtlich der Verfügungen über die Wiederaufnahme der Verfahren erklärte der Fachvorstand, dass aus seiner Sicht kein Anlass für weitere Maßnahmen bestünde, da sich die Berufung eindeutig nur gegen die Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide 1999-2001 richte."

3. Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Berufung gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1999 bis 2001 dahingehend, dass die angefochtenen Bescheide gemäß § 289 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben werden. Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 10 Abs. 2 Z. 15 UStG 1994 nicht voraussetze, dass im Zeitpunkt der Umsatzerzielung die nach dem Krankenanstaltengesetz bzw. den dazu ergangenen Ausführungsgesetzen der Länder vorgesehenen Bewilligungen vorliegen. Leistungen eines Krankenanstaltenbetreibers, die er zwar vor der Bewilligung einer Erweiterung seines Leistungsangebotes erbracht hat, die aber im nachträglich bewilligten Leistungsangebot Deckung fänden, seien der Begünstigung des § 10 Abs. 2 Z. 15 UStG 1994 zugänglich. Die Abgabenbehörde erster Instanz habe demnach ungeprüft gelassen, ob und inwieweit im Prüfungszeitraum durch die dem krankenanstaltsrechtlichen Antrag im Wesentlichen stattgebenden Bescheide vom (Errichtungsbescheid) und vom (Betriebsgenehmigung) nachträglich bewilligte Leistungen erbracht wurden, die der Begünstigung zugänglich seien. Weiters ging die belangte Behörde davon aus, dass nicht jede den Gesundheitszustand fördernde Leistung, sondern nur die unmittelbar mit der Krankenbehandlung im Zusammenhang stehenden Umsätze in den Genuss des ermäßigten Steuersatzes kommen könnten. Zu prüfen wäre daher, inwieweit Leistungen der nicht bewilligten Art erbracht wurden und inwieweit der Art nach genehmigte Leistungen entsprechend den Bescheidauflagen in konkret medizinisch indizierten Fällen und zur Behandlung des bescheidmäßig festgelegten Krankheitsbildes erfolgten. Das Finanzamt habe die Zuordnung lediglich hinsichtlich der Art der Leistungen getroffen, nicht jedoch die Abgrenzung in Bezug auf die konkret durchgeführten Anwendungsfälle vorgenommen.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Die Beschwerdeführerin führt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u. a. aus, über die Berufung betreffend Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO habe die belangte Behörde nicht abgesprochen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , 88/14/0135, und vom , 2000/14/0142) widerspricht es dem Gesetz, eine Berufung gegen die Wiederaufnahme unerledigt zu lassen und vorerst über die Berufung gegen den neuen Sachbescheid abzusprechen. Eine derartige Vorgangsweise würde die Entscheidung der Berufungsbehörde mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten.

Die belangte Behörde hat in der Gegenschrift zu den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen vorgebracht, die Berufungsschrift richte sich ausdrücklich nur gegen die im Anschluss an die Betriebsprüfung erlassenen neuen Sachbescheide betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer. Dementsprechend habe die Abgabenbehörde erster Instanz mit Bericht vom nur eine Berufung gegen die Umsatz- und Körperschaftsteuer 1999 bis 2001 vorgelegt.

Für die Beurteilung von Anbringen kommt es auf den Inhalt und auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes an. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgebend. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Behörde gehalten, die Absicht der Partei zu erforschen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 96/15/0127).

Nach § 250 Abs. 1 lit. a BAO muss die Berufung die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet, enthalten.

Ziel der Bestimmung des § 250 Abs. 1 lit. a BAO ist es, die Behörde in die Lage zu versetzen, über die Berufung eine Entscheidung zu treffen, sodass es für die Bezeichnung des Bescheides genügt, dass aus dem gesamten Inhalt des Rechtsmittels hervorgeht, wogegen es sich richtet, und die Behörde auf Grund des Berufungsvorbringens nicht zweifeln kann, welcher Bescheid angefochten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0042).

Nach übereinstimmender Rechtsprechung (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 93/15/0119) und Lehre (vgl. etwa Ritz, BAO3, § 307, Rz 7) haben die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Sachentscheidung für sich Bescheidqualität und ist jeder dieser Bescheide für sich einer Berufung zugänglich und für sich rechtskraftfähig. Dabei ist entscheidend, ob die Gestaltung des in der Praxis (bis 2000) üblichen, gesetzeskonformen "Sammelbescheids", in dem die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Sachentscheidung unter der gemeinsamen Bezeichnung mit dem vorangestellten Ausdruck "Bescheid" zusammengefasst werden, eine klare Trennung zwischen Wiederaufnahmeverfügung und Sachentscheidung ermöglicht. Werden diesfalls in der Berufung als Anfechtungsgegenstand nur einzelne Teile des "Sammelbescheids" klar und deutlich bezeichnet, so erwachsen die anderen mit selbständiger Bescheidqualität ausgestatteten Teile des "Sammelbescheids" in Rechtskraft.

Im Beschwerdefall hatte das Finanzamt hinsichtlich des Jahres 1999 einen solchen Sammelbescheid vom mit vier Punkten, also vier selbständige Bescheide, erlassen, in dem es unter Punkt 1. das Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer für 1999 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder aufnahm, unter Punkt 2. die Umsatzsteuer für das Jahr 1999 festsetzte, unter Punkt 3. das Verfahren hinsichtlich der Körperschaftsteuer für 1999 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder aufnahm und unter Punkt 4. die Körperschaftsteuer für das Jahr 1999 festsetzte. Jeder dieser Punkte enthält eine eigene Begründung und Rechtsmittelbelehrung.

In der Berufung vom wird zwar der "Umsatzsteuerbescheid 1999 vom " und der "Körperschaftsteuerbescheid 1999 vom " als vom Rechtsmittel umfasst bezeichnet, aber in dem wiederholt erwähnten Schreiben der Beschwerdeführerin vom wird klargestellt, dass die "Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen" strittig ist.

In den Streitjahren 2000 und 2001 wurden hinsichtlich der Wiederaufnahmeverfügung einerseits und der Abgabenfestsetzung andererseits jeweils gesondert Bescheide ausgefertigt. Nach Ausweis der Verwaltungsakte ergingen für jedes Streitjahr separate (auf einem eigenen Blatt) verfahrensrechtliche Bescheide, die allerdings nicht als solche bezeichnet waren, sondern nach der bescheidausstellenden Behörde und dem Bescheidadressaten das Wort "UMSATZSTEUERBESCHEID (JAHR)" aufweisen und darunter die Beifügung "Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 (4) BAO zu Bescheid vom (bzw. )". In der Rechtsmittelbelehrung sowohl des Wiederaufnahmebescheides als auch des Sachbescheides wurde die Beschwerdeführerin dazu angeleitet, im Falle einer Berufungserhebung den bekämpften Bescheid mit "Umsatzsteuer für 2... vom " zu bezeichnen.

Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin mit der vorgenommenen Bezeichnung der Bescheide nicht auch die jeweilige Wiederaufnahmeverfügung bekämpfte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0042, und vom , 2007/15/0043).

Richtete sich somit die Berufung sowohl gegen die verfügte Wiederaufnahme der Verfahren als auch gegen die neuen Sachbescheide, durfte die belangte Behörde im Sinne der obigen Ausführungen die Berufung gegen die Wiederaufnahmeverfügungen nicht unerledigt lassen und nur über die Berufung gegen die neuen Sachbescheide entscheiden. Da die belangte Behörde diese Vorgangsweise eingehalten hat, hat sie ihre Berufungsentscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Hätte die belangte Behörde Zweifel am Inhalt des Antrages oder an der Erklärung, in welchen Punkten der ("Sammel-")Bescheid vom oder welcher der mit "Umsatzsteuerbescheid 2000" und "Umsatzsteuerbescheid 2001" bezeichneten Bescheide vom angefochten wird, gehegt, dann hätte sie allerdings einen Mängelbehebungsauftrag nach § 275 BAO erlassen müssen und der Beschwerdeführerin die Behebung der inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen gehabt, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2006/13/0099).

Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am