VwGH vom 20.12.2012, 2011/23/0674
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des I, vertreten durch die Anwaltspartnerschaft Dr. Karl Krückl, Dr. Kurt Lichtl, Dr. Christoph Huber und Mag. Christian Eilmsteiner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Harrachstraße 14/I, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. BMI- 1005677/0001-II/3/2008, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste laut eigenen Angaben im Jahr 1995 nach Österreich ein und hielt sich in der Folge mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel im Bundesgebiet auf. Zwischen 1998 und 2000 wurde er jeweils durch das Landesgericht Linz zweimal nach den §§ 127, 129 StGB (Einbruchsdiebstahl) und einmal nach den §§ 127, 129 und 130, § 15 StGB (teilweise versuchter gewerbsmäßiger Einbruchsdiebstahl) rechtskräftig verurteilt, wobei zuletzt - nach zwei bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen - eine unbedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verhängt wurde.
Im Hinblick auf diese Verurteilungen wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 1 des Fremdengesetzes 1997 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Am beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, weil die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt hätten, weggefallen seien. Mit Bescheid vom wies die Bezirkshauptmannschaft Perg diesen Antrag gemäß § 65 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ab.
Mit dem nunmehr angefochtenen, im Devolutionsweg ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde die dagegen erhobene Berufung abgewiesen. In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde zunächst auf die dem Aufenthaltsverbot zugrunde liegenden Verurteilungen aus den Jahren 1998 bis 2000. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom wegen (teilweise versuchten) gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls, Urkundenfälschung, (teilweise versuchter) schwerer Sachbeschädigung und Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt und in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden. Am sei er unter Setzung einer Probezeit von fünf Jahren aus der Anstaltsunterbringung bedingt entlassen worden.
Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - habe am einen Asylantrag gestellt. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom sei dieser Antrag in erster Instanz abgewiesen, der Beschwerdeführer ausgewiesen und die aufschiebende Wirkung einer Berufung aberkannt worden. Der unabhängige Bundesasylsenat habe zunächst am dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine Folge gegeben und danach die Berufung mit Bescheid vom abgewiesen. Bereits zuvor sei der Beschwerdeführer am in die Türkei abgeschoben worden.
Schließlich verwies die belangte Behörde noch auf die Eingabe des Beschwerdeführers vom , in der dieser mitgeteilt habe, dass er sich seit seiner Verurteilung im Jahr 2003 wohlverhalten habe und daher keine Gefahr mehr von ihm ausgehe. Zudem habe er die beglaubigte Übersetzung eines Gutachtens eines türkischen Arztes vorgelegt, in dem angeführt werde, dass sein "geistiges Gleichgewicht in Ordnung sei".
Im Rahmen ihrer rechtlichen Erwägungen hob die belangte Behörde hervor, dass der Beschwerdeführer am unter Setzung einer fünfjährigen Probezeit "aus der Anstaltsunterbringung" bedingt entlassen worden sei und dass somit auch das Gericht angenommen habe, bis zu dem (noch nicht erfolgten) Ablauf dieser Frist gehe vom Beschwerdeführer weiterhin eine Gefahr aus. Schon im Hinblick darauf sei anzunehmen, dass die Gründe, die zur Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes geführt hätten, noch nicht weggefallen seien. An dieser Einschätzung könne auch das vorgelegte Attest nichts ändern. Die belangte Behörde verwies weiters darauf, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2003 - somit zu einem Zeitpunkt, zu dem er das Bundesgebiet auf Grund des rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes schon hätte verlassen haben müssen - abermals straffällig geworden und verurteilt worden sei. Im Anschluss daran habe er seinen Aufenthalt durch einen unbegründeten Asylantrag verlängert. Vor diesem Hintergrund und angesichts seines derzeitigen Aufenthaltes in der Türkei vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Auswirkungen der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers würden nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Aufhebung dieser Maßnahme.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im April 2009 geltende Fassung.
Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Ein darauf abzielender Antrag kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben. Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, ist für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über den Aufhebungsantrag lediglich zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zu Gunsten des Fremden weggefallen sind (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0158, mwN).
Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die von der belangten Behörde im Zusammenhang mit der Gefährdungsprognose vertretene Auffassung, durch seine bedingte Entlassung "aus der Anstaltsunterbringung" unter Setzung einer fünfjährigen Probezeit habe auch das Gericht angenommen, dass bis zum Ablauf dieser Frist nach wie vor eine Gefahr von ihm ausgehe. Dem ist zu erwidern, dass die Prognosebeurteilung, die auch bei der Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen ist, von den Fremdenbehörden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von gerichtlichen Erwägungen vorzunehmen ist (vgl. das - die Aufhebung eines Rückkehrverbotes betreffende - Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0665). Aus dem Umstand der bedingten Entlassung ergibt sich aber nicht, die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers in fremdenrechtlicher Hinsicht sei nicht mehr gegeben. Auch eine bedingte Entlassung aus einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher schließt nicht aus, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (im Sinn des Fremdenrechts) weiterhin zu bejahen sein kann (siehe dazu auch das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0042). Dem Beschwerdeführer ist diesbezüglich vor allem anzulasten, dass er nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes erneut - einschlägig - straffällig geworden ist. Ein solcher Umstand ist ein besonders starkes Indiz für die Annahme, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung und Sicherheit (weiterhin) gefährdet (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2010/22/0165, mwN).
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe sich seit seiner letzten Verurteilung im Jahr 2003 wohlverhalten und keine weiteren strafrechtlichen Handlungen mehr gesetzt. Weiters verweist er darauf, dass die "seinerzeit angenommene Neigung zur Delinquenz" auf Grund der Behandlung im Maßnahmenvollzug nicht mehr gegeben sei und dies auch durch das vorgelegte psychiatrische Gutachten bestätigt werde. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass das vorgelegte "Attest" lediglich allgemein - ohne Bezugnahme auf eine vormalige Neigung zur Delinquenz - davon spricht, "dass das geistige Gleichgewicht (des Beschwerdeführers) in Ordnung" sei. Vor allem aber ist zu erwidern, dass auch ein durch ein Gutachten festgestellter Gesinnungswandel, der nicht seine Entsprechung in einem - einen relevanten Zeitraum umfassenden - Wohlverhalten gefunden hat, für den Wegfall der Gefährdungsprognose nicht ausreicht (siehe dazu das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2011/23/0158, mwN). Vor dem Hintergrund, dass sich der Beschwerdeführer weder von der Verbüßung einer ersten Strafhaft noch von der rechtskräftigen Erlassung des Aufenthaltsverbotes davon abhalten ließ, erneut straffällig zu werden, ist es im Ergebnis aber nicht zu beanstanden, dass der Zeitraum seit Entlassung aus der Anstaltsunterbringung bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides am noch als zu kurz gewertet wurde, um verlässlich auf einen Wegfall oder eine relevante Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit schließen zu können. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers handelt es sich bei seinem Fehlverhalten im Hinblick auf die wiederholte, sich über mehrere Jahre erstreckende Straffälligkeit und die gesteigerte Intensität, die zuletzt auch in der gewerbsmäßigen Begehungsweise zum Ausdruck kam, nicht um Delikte "im Bagatellbereich". Schließlich durfte die belangte Behörde auch als fremdenrechtlich relevant berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer trotz des gegen ihn erlassenen, in Rechtskraft erwachsenen Aufenthaltsverbotes das Bundesgebiet zunächst nicht verlassen, sondern - nach seiner erneuten Straffälligkeit - versucht hat, seinen Aufenthalt noch durch einen (offenbar) unbegründeten Asylantrag zu verlängern.
Der Beschwerdeführer bemängelt weiters, die belangte Behörde hätte bei ihrer Interessenabwägung auch das Fortdauern des mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriffs in sein - in der Beschwerde nicht näher präzisiertes - Privat- und Familienleben berücksichtigen müssen.
Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer aber nicht, eine maßgebliche Verstärkung seiner persönlichen Interessen an einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes darzulegen, zumal - worauf auch die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat - seine familiären Bindungen bereits bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes berücksichtigt worden sind. Im Hinblick auf das weiter bestehende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sind die Einschränkungen im Zusammenhang mit den familiären Bindungen in Österreich hinzunehmen.
Schließlich rügt der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel noch, dass die belangte Behörde seinem Antrag auf Einholung eines psychologischen Gutachtens nicht nachgekommen sei und auch die Unterlagen über die therapeutischen Maßnahmen im Zuge der Anstaltsunterbringung nicht beigeschafft habe. Dem ist unter Bezugnahme auf das bereits Gesagte zu entgegnen, dass auch ein allenfalls durch ein Gutachten festgestellter Gesinnungswandel ohne ein entsprechendes Wohlverhalten in Freiheit nicht hinreichen würde, um eine relevante Minderung der von ihm ausgehenden Gefährdung darzutun. Dem vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensmangel fehlt es somit an der Relevanz.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am