VwGH vom 26.05.2011, 2009/16/0322
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der Mag. C in W, vertreten durch die Gruber Partner Rechtsanwalts KEG in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1208- W/08, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Gesellschaftsvertrag vom gründete die Beschwerdeführerin mit CL die V GmbH. Beide Gesellschafter hatten deren Geschäftsführung inne.
Nach dem Ableben von CL am gelangten durch nachstehend angeführte Versicherungsunternehmen folgende Beträge zur Auszahlung an die Beschwerdeführerin:
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Versicherungsunternehmen | Abschluss | Auszahlungsbetrag | |
1 | G Lebensversicherung AG | April 2004 | EUR 32.050,94 |
2 | A Lebensversicherung AG | EUR 145.345,67 | |
3 | U Personenversicherung AG | EUR 145.346,00 | |
4 | G Lebensversicherung AG | März 1997 | EUR 11.371,22 |
Summe | EUR 334.113,83 |
Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt der Beschwerdeführerin dafür Erbschaftssteuer von EUR 140.281,26 vor.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, die (nach Auskunft des Finanzamtes der Abgabenvorschreibung zugrunde gelegte) Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG verlange einen Vermögensvorteil aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages. Der Erblasser CL habe aber selbst keinen der Versicherungsverträge abgeschlossen. Vertragspartnerin, Versicherungsnehmerin und Prämienzahlerin sei stets die V GmbH gewesen. Eine Abgabenschuld nach § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG liege folglich nicht vor.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Eine Abgabenschuld nach § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG entstehe auch dann, wenn der begünstigende Versicherungsvertrag nicht vom Erblasser selbst, sondern von einem Dritten geschlossen werde. Es sei davon auszugehen, dass die Versicherungsverträge eine Nebenleistung des Dienstgebers (der V GmbH) aus dem mit dem Erblasser CL geschlossenen Dienstvertrag gewesen sei.
Die Beschwerdeführerin stellte einen Vorlageantrag.
Mit Schreiben vom führte die Beschwerdeführerin ergänzend aus, die Lebensversicherung mit der Versicherungssumme von EUR 32.056,00 sei an die Beschwerdeführerin verpfändet gewesen. Dieser Betrag sei von der V GmbH als Versicherungsnehmerin und Prämienzahlerin in der Bilanz 2006 als Erlös zu führen und für die Rückzahlung von Verbindlichkeiten der V GmbH bei der Beschwerdeführerin zu verwenden gewesen. Er unterliege daher nicht der Besteuerung nach § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG.
Für die übrigen drei Versicherungsverträge sei nicht der Dienstvertrag des Erblassers CL heranzuziehen, sondern der Dienstvertrag der Beschwerdeführerin. CL habe keine persönlichen Gründe gehabt, der Beschwerdeführerin Geld zu vererben. Es liege weder ein Verwandtschaftsverhältnis noch eine Lebensgemeinschaft oder Partnerschaft vor. Die Beschwerdeführerin sei als Begünstigte eingesetzt worden, um als Gesellschafter-Geschäftsführerin der V GmbH im Falle des Todes des CL finanziell abgesichert zu sein und die allfälligen Verpflichtungen aus dem Gesellschaftsverhältnis mit der V GmbH bedienen zu können. Die Prämienzahlungen der V GmbH seien ertragsteuerlich als verdeckte Ausschüttung an die Beschwerdeführerin anzusehen. Es hätte dieselbe Wirkung, hätte die Beschwerdeführerin die Prämienzahlung bar als Geschäftsführerbezug entnommen. Es wäre eine systemwidrige Doppelbesteuerung, müsste die Beschwerdeführerin dafür nicht nur Ertragsteuer, sondern auch Erbschaftssteuer entrichten.
Bei der ergänzenden Einvernahme am gab die Beschwerdeführerin an, die Versicherungsverträge seien eine Art "Teilhaberversicherung" gewesen, weil im Gründungsvertrag keine Vorsorge für den Fall des Ablebens einer der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer vorgesehen gewesen sei. Es sei angenommen worden, es könnten im Falle des Ablebens des CL Verpflichtungen entstehen, sodass an dessen Erben finanzielle Leistungen zu erbringen seien. Mit den Versicherungsverträgen habe der Fortbestand des Unternehmens gesichert und der Beschwerdeführerin die Fortführung der Geschäfte ermöglicht werden sollen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung hinsichtlich des Versicherungsvertrages mit der G Lebensversicherung AG Folge, weil in diesem die Beschwerdeführerin nicht als Begünstigte angeführt sei, sondern die die Zahlung von EUR 32.050,94 als Verpfändungsgläubigerin erhalten habe. Im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen. Das Finanzamt habe der Abgabenvorschreibung zu Recht den Dienstvertrag des Erblassers CL zugrunde gelegt. Die Beschwerdeführerin habe mit Abtretungsvertrag vom ihre Anteile an der V GmbH an CL abgetreten. Sie sei zwar weiterhin Geschäftsführerin geblieben, aber erst 2001 wieder Gesellschafterin geworden. Vor der belangten Behörde habe die Beschwerdeführerin ausgesagt, dass der Grund für den Abschluss der Versicherungsverträge darin gelegen gewesen sei, dass es weder für sie noch für CL eine betriebliche Altersvorsorge gegeben habe. Durch die Auszahlung der Versicherungssumme habe die Beschwerdeführerin als Begünstigte zweifellos einen Vermögensvorteil erlangt.
Mangels Verwandtschaftsverhältnis oder Lebenspartnerschaft könne eine moralische Verpflichtung des Erblassers, der Beschwerdeführerin einen standesgemäßen Unterhalt zu sichern, ausgeschlossen werden. Der Behauptung der Beschwerdeführerin, dass sie durch den Abschluss der Versicherungen in die Lage hätte versetzt werden sollen, fällige Verpflichtungen aus dem Gesellschaftsverhältnis mit der V GmbH zu bedienen, könne nicht gefolgt werden, weil die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Abschlusses der Versicherungsverträge nicht Gesellschafterin gewesen sei. Unerheblich sei, ob der Erblasser persönliche Gründe gehabt habe, der Beschwerdeführerin Geld zu vererben, weil dessen Motivation für das Vorliegen des Bereicherungswillens nicht weiter von Bedeutung sei. Bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände bestehe für die belangte Behörde kein Zweifel daran, dass der Erblasser eine Bereicherung der Beschwerdeführerin bejaht oder zumindest in Kauf genommen habe, sodass die Abgabenfestsetzung hinsichtlich dreier Versicherungsverträge zu Recht erfolgt sei. Ob die Prämienzahlungen der V GmbH als Bezug oder verdeckte Ausschüttungen an die Beschwerdeführerin anzusehen seien, bleibe ohne Einfluss auf die abgabenrechtliche Würdigung, weil es bei dieser nur darauf ankomme, dass mit Eintritt des Versicherungsfalles der Beschwerdeführerin als Begünstigter ein Anspruch auf Zahlung der Versicherungssummen gegen die Versicherungsunternehmen zustehe.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1467/09-3, ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In ihrer vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sie erachtet sich in ihrem Recht verletzt, dass die Auszahlungen aus den drei näher bezeichneten Lebensversicherungen nicht der Erbschaftssteuer unterliegen.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 (ErbStG) idF vor der Aufhebung durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 54/06 u. a., VfSlg. 18.093, unterlag der Erwerb von Todes wegen der Steuer nach diesem Bundesgesetz.
Nach § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen der Erwerb von Vermögensvorteilen, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages unter Lebenden von einem Dritten mit dem Tod des Erblassers unmittelbar gemacht wird.
Die zuletzt genannte Gesetzesstelle umschreibt den Begriff "Erwerb von Todes wegen" (des § 1 Abs. 1 Z. 1 leg. cit.) und nimmt über die in § 2 Abs. 1 Z. 1 genannten bürgerlich-rechtlichen Fälle eines Erwerbes von Todes wegen hinaus wesentliche Erweiterungen vor, so insbesondere durch die Einbeziehung des Erwerbes von Vermögensvorteilen auf Grund von Verträgen zugunsten Dritter, die der spätere Erblasser schon zu Lebzeiten geschlossen hat. Insbesondere Lebensversicherungsverträge zugunsten eines Dritten begründen diesen Steuertatbestand. Die Versicherungssumme einer Lebensversicherung zugunsten eines im Versicherungsvertrag benannten Bezugsberechtigten gewährt der berechtigten Person einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer und fällt nicht in den Nachlass (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2000/16/0602, mwN).
Unter den Tatbestand des § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG kann auch der Erwerb eines Vermögensvorteils fallen, dessen Grundlage nicht ein Vertrag, sondern zwei oder mehrere (einander ergänzende) Verträge bilden (vgl. die bei Fellner , Gebühren und Verkehrsteuern, Bd. III, Rz 49 zu § 2 ErbStG genannte hg. Rechtsprechung).
Voraussetzung für die Annahme eines Erwerbes von Todes wegen durch einen Vertrag zu Gunsten Dritter ist die Erlangung eines Vermögensvorteils; wie bei Zuwendungen unter Lebenden ist daher Voraussetzung eine objektive Bereicherung. Mit Rücksicht darauf, dass es sich bei einer Zuwendung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG um einen Erwerb von Todes wegen handelt, der auf einem vom Erblasser zu seinen Lebzeiten mit einem Dritten geschlossenen Rechtsgeschäft beruht, ist überdies zu prüfen, ob beim Erblasser ein Bereicherungswille bestanden hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/16/0055).
Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung die Feststellung zugrunde gelegt, dass die gegenständlichen Versicherungsverträge auf einer Vereinbarung der V GmbH mit dem CL beruhten. Sie begründete dies damit, dass solches schon in der Berufungsvorentscheidung festgestellt worden sei und die Beschwerdeführerin dies nicht ausdrücklich in Abrede gestellt habe.
Die Beschwerdeführerin hat aber bereits im Schreiben vom vorgebracht, dass die V GmbH die Versicherungsverträge, die zu den gegenständlichen Zahlungen geführt haben, nicht aufgrund des Dienstvertrages mit CL, sondern zur Absicherung der Beschwerdeführerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin der V GmbH abgeschlossen habe. Die Prämienzahlungen für die verfahrensgegenständlichen Lebensversicherungen seien daher auch ertragsteuerlich als Bezug oder verdeckte Ausschüttung an die Beschwerdeführerin zu beurteilen.
Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Dies wäre aber zum Zwecke der nachprüfenden Kontrolle des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich gewesen.
Der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG würde nämlich nicht zur Anwendung gelangen, wenn der Erwerb der Vermögensvorteile (in Form der Versicherungsleistungen an die Beschwerdeführerin) nicht auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages, sondern aufgrund des Dienstvertrages der Beschwerdeführerin mit der V GmbH oder ihrer Gesellschafterstellung erfolgt wäre. Dass mit dem Ableben des CL der Versicherungsfall eingetreten ist und die Beschwerdeführerin als Begünstigte anzusehen ist, vermag entsprechende Feststellungen nicht zu ersetzen.
Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zum Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Rechtsgrundes der Versicherungsverträge (nämlich ihre Stellung als Geschäftsführerin und Gesellschafterin) zu treffen haben. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wird die Beschwerdeführerin allenfalls zur Vorlage entsprechender Beweismittel aufzufordern sein. Entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht der belangten Behörde wird dabei der erfolgten ertragsteuerlichen Behandlung der Prämienzahlung durch die V GmbH eine Indizwirkung nicht abgesprochen werden können. Die belangte Behörde wird sich auch mit dem Beschwerdevorbringen, wonach die Beschwerdeführerin - entgegen den Feststellungen der belangten Behörde - auch im Zeitpunkt des Abschlusses der gegenständlichen Versicherungsverträge Gesellschafterin der V GmbH gewesen sei, auseinandersetzen müssen. Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang dem Verwaltungsgerichtshof eine Treuhandvereinbarung vom vorgelegt, wonach CL sich verpflichtet habe, die ihm übergebenen Anteile (gemeint wohl: der Beschwerdeführerin) bis zur Beendigung des Studiums der Beschwerdeführerin zu treuen Handen zu halten.
Da die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit dem dargestellten Begründungsmangel belastet hat, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am