VwGH vom 29.09.2011, 2009/16/0261
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2009/16/0262
2009/16/0265
2009/16/0264
2009/16/0263
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde 1. des Mag. Dr. Z in R, 2. des Dr. HZ in S 3. der N in A, 4. der T und 5. der RZ, beide in E, alle vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen die Bescheide des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, jeweils vom , 1. Zl. RV/0464-L/08, 2. Zl. RV/0463-L/08,
3. Zl. RV/0460-L/08, 4. Zl. RV/0461-L/08 und 5. Zl. RV/0462-L/08, jeweils betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Vater der beschwerdeführenden Parteien verstarb am . Seine in seinem Testament vom als Alleinerbin eingesetzte Witwe AZ gab eine bedingte Erbantrittserklärung ab.
Mit Pflichtteilsübereinkommen vom vereinbarten die beschwerdeführenden Parteien mit der Erbin als Abgeltung für ihre Pflichtteilsansprüche die Zahlung von jeweils EUR 240.000,-- bis zum . Sollte AZ eine in den Nachlass gehörige und näher bezeichnete Liegenschaft vor dem verkaufen, so seien die Pflichtteilsforderungen aus dem Verkaufserlös schon mit Fälligkeit des Kaufpreises zur Zahlung fällig.
Mit Bescheiden jeweils vom setzte das Finanzamt ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb von EUR 233.305,57 die Erbschaftssteuer für die beschwerdeführenden Parteien mit je EUR 20.997,45 fest. In seiner Begründung führte das Finanzamt jeweils aus, die Steuerschuld entstehe im Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches. Das sei jener Zeitpunkt, in dem der Pflichtteilsberechtigte nach außen hin zu erkennen gebe, seinen Pflichtteilsanspruch wahren zu wollen und nicht darauf zu verzichten. Dass im Beschwerdefall die Zahlung der Pflichtteilsforderung hinausgeschoben worden sei, sei für den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld ohne Bedeutung. Im Pflichtteilsübereinkommen sei die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches erkennbar gemacht worden. Die Steuerschuld sei somit entstanden.
In den dagegen erhobenen Berufungen brachten die beschwerdeführenden Parteien ausschließlich verfassungsrechtliche Bedenken vor. § 12 Abs. 1 lit. b ErbStG verletze den Gleichheitsgrundsatz, weil er den Pflichtteilsberechtigten insofern benachteilige, als die Steuerschuld in seinem Fall bereits vor der Vermögensvermehrung entstehe. Der Verfassungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom , G 54/06 u.a., § 1 Abs. 1 ErbStG mit Ablauf des aufgehoben. Damit habe er aber eine "Immunisierung der aufgehobenen Regelung für die Übergangszeit" bewirkt und gegen das Rechtsstaatlichkeitsprinzip verstoßen, weil über die Anlassfallwirkung hinaus Parteien willkürlich von der nachprüfenden Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof ausgeschlossen würden.
Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen jeweils als unbegründet ab. Begründend führte sie im Wesentlichen gleichlautend aus, die jeweils beschwerdeführende Partei habe weder dem Grunde noch der Höhe nach Einwendungen gegen den Erbschaftssteuerbescheid vorgebracht, sondern zugestanden, dass sich der Bescheid des Finanzamtes auf dem Boden der geltenden Rechtslage und bisherigen Rechtsprechung bewege. Auch die belangte Behörde könne (diesbezüglich) keine Rechtswidrigkeit erkennen.
Der Verfassungsgerichtshof habe mit seinem Erkenntnis vom § 1 Abs. 1 ErbStG und somit den Grundtatbestand für Erwerbe von Todes wegen als verfassungswidrig aufgehoben und für das Inkrafttreten seiner Aufhebung eine Frist bis gesetzt. Das bedeute, dass sämtliche Bestimmungen des ErbStG auf alle bis zum Ablauf des verwirklichten Tatbestände weiterhin anzuwenden seien. Eine Ausnahme bestehe nur für Anlassfälle, wozu der vorliegende Beschwerdefall nicht zähle.
Dem Einwand des Beschwerdeführers, § 12 Abs. 1 lit. b ErbStG benachteilige gleichheitswidrig den Pflichtteilsberechtigten, weil für ihn - anders als bei den übrigen Tatbeständen des § 12 ErbStG -
die Steuerschuld schon vor der tatsächlichen Vermögensvermehrung entstehe, sei entgegen zu halten: Grundsätzlich entstehe die Steuerschuld mit dem Tod des Erblassers. Sowohl dem Erben als auch dem Pflichtteilsberechtigten stehe aber bloß ein Anwartschaftsrecht zu. Um die Steuerpflicht auszulösen, müsse eine Erbantrittserklärung oder die Geltendmachung des Pflichtteils erfolgen. Ab diesem Zeitpunkt habe der Pflichtteilsberechtigte ein Forderungsrecht (auf einen verhältnismäßigen Teil des Nachlasswertes). Dieses Forderungsrecht sei ein selbstständig zu bewertendes Wirtschaftsgut. Damit habe der Begünstigte bereits einen Vermögensgegenstand in Händen, welcher abtretbar, vererblich und belastbar sei. Es sei unwesentlich, wann die Forderung tatsächlich erfüllt werde. Auch der Erbe erwerbe für den steuerlichen Bereich die Erbschaft bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Erbantrittserklärung, obwohl er das Eigentum am Nachlassvermögen erst mit der gerichtlichen Einantwortung erwerbe.
Da jedoch nur eine tatsächliche Bereicherung der Besteuerung unterworfen werden solle, werde die Grundregel, wonach die Steuerschuld mit dem Tod des Erblassers entstehe, durch die Bestimmungen des § 12 Abs. 1 lit. a bis h ErbStG durchbrochen. Dabei handle es sich um Erwerbsvorgänge, bei denen infolge eines der im Gesetz aufgezählten Ereignisse eine Bereicherung noch nicht eingetreten sei oder noch nicht mit voller Sicherheit feststehe. Dem widerspreche auch nicht die Regelung des § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a ErbStG (Erwerb unter aufschiebender Bedingung oder Befristung), weil diese darauf abstelle, dass der Rechtserwerb an sich an die Bedingung geknüpft gewesen sei. Es bestünden keine Bedenken dagegen, dass die Steuerschuld des Pflichtteilsberechtigten zu einem anderen Zeitpunkt entstehe als jene des Erben (Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 239/85). Auch der Gleichheitssatz verlange keine allgemeine Gleichbehandlung von Pflichtteilsberechtigten und Erben (Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 175/90).
Die beschwerdeführenden Parteien erhoben zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , B 518 bis 522/09-3, lehnte dieser deren Behandlung ab, weil die behaupteten Rechtsverletzungen zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes wären. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Fragen, wann der Pflichtteilsanspruch im Beschwerdefall als geltend gemacht gelte und ob die belangte Behörde zu Unrecht die Ladung des ausgewiesenen Vertreters der beschwerdeführenden Parteien zur Berufungsverhandlung unterlassen habe, insoweit nicht anzustellen.
Soweit die Beschwerde insofern verfassungsrechtliche Fragen berührte, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtenen Bescheide tragenden Rechtsvorschriften behauptet werde, lasse ihr Vorbringen die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Dem Vorbringen sei zu entgegnen, dass die Verfassungsbestimmung des Art. 140 Abs. 7 B-VG nicht gegen Baugesetze der Verfassung verstoße und ihre Überprüfung daher dem Gerichtshof verwehrt sei. Es liege im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Steuerschuld des Pflichtteilsberechtigten zu einem anderen Zeitpunkt entstehen zu lassen als jene des Erben (zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit unterschiedlicher Regelungen für Pflichtteilsberechtigte einerseits und Erben andererseits Hinweis auf VfSlg. 12.567/1990). Die Beschwerde übersehe zudem, dass die Erbschaftssteuerschuld bei Erwerben von Todes wegen grundsätzlich schon mit dem Todestag des Erblassers entstehe (§ 12 Abs. 1 ErbStG).
Über Antrag der beschwerdeführenden Parteien trat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In ihrer vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde machen die beschwerdeführenden Parteien Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich in ihrem Recht, nicht entgegen der Bestimmung des § 12 ErbStG mit der "Erbschaftssteuer belegt" zu werden, verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 Erbschafts und Schenkungssteuergesetz 1955 (ErbStG) idF vor der Aufhebung durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 54/06 u.a., VfSlg. 18.093, unterlag der Erwerb von Todes wegen der Steuer nach diesem Gesetz.
Der Verfassungsgerichtshof bestimmte in Spruchpunkt 3. des genannten Erkenntnisses, dass die Aufhebung (des Grundtatbestandes des Erbschaftssteuergesetzes § 1 Abs. 1 Z 1 leg. cit.) mit Ablauf des in Kraft treten solle.
Nach § 2 Abs. 1 Z 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches.
Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 ErbStG entsteht die Steuerschuld bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers, jedoch u. a. für den Erwerb des unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter einer Befristung Bedachten mit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Bedingung oder des Ereignisses (lit. a) und für den Erwerb eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung (lit. b).
Dabei ist nach der hg. Rechtsprechung als Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteils jener anzunehmen, in dem der Pflichtteilsberechtigte nach außen hin - sei es auch außergerichtlich - zu erkennen gibt, er wolle seinen Pflichtteilsanspruch wahren und nicht darauf verzichten (vgl. das Erkenntnis vom , 93/16/0129).
Im Beschwerdefall ist allein strittig, zu welchem Zeitpunkt die Steuerschuld für die pflichtteilsberechtigten beschwerdeführenden Parteien entstanden ist.
Die Abgabenbehörde vertritt - unter Berufung auf die genannte hg. Rechtsprechung - die Auffassung, dass dies bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Pflichtteilsübereinkommens der Fall gewesen ist.
Dem Beschwerdevorbringen, dass diese Interpretation des § 12 Abs. 1 Z 1 ErbStG durch die Abgabenbehörde und auch durch den Verwaltungsgerichtshof verfassungswidrig sei, ist entgegen zu halten, dass eine verfassungskonforme Interpretation - wie auch jede andere - ihre Grenze im eindeutigen Wortlaut des Gesetzes findet (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2005/12/0240, mwN). Beide von der Beschwerde in den Raum gestellten und als verfassungskonform erachtete Deutungen der genannten Bestimmung, wonach auf den Zeitpunkt der "Klagbarkeit" des Pflichtteilsanspruches oder auf den Zeitpunkt, in dem die "tatsächliche Vermögensvermehrung" aufgrund des Pflichtteils eintritt, abzustellen sei, finden aber im Wortlaut der Bestimmung keine Deckung.
Bedenken, dass § 12 Abs. 1 Z 1 ErbStG - unter Zugrundelegung des Verständnisses der hg. Rechtsprechung - verfassungswidrig sein könnte, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch aufgrund des Beschwerdevorbringens nicht entstanden. Da sich die beschwerdeführenden Parteien in ihrer vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde darauf beschränken, ihr bereits vor dem Verfassungsgerichtshof erstattetes Vorbringen zu wiederholen, genügt es, auf den bereits genannten Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , B 518 bis 522/09-3, und die darin angeführte Rechtsprechung verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auf Grund des unveränderten Beschwerdevorbringens nicht veranlasst, der Anregung, beim Verfassungsgerichtshof ein diesbezügliches Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten, näher zu treten. Dasselbe gilt auch hinsichtlich des Vorbringens, dass die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , G 54/06 u.a., VfSlg. 18.093, angewandte Bestimmung des Art. 140 Abs. 5 dritter und vierter Satz B-VG, wonach die Aufhebung eines Gesetzes zwar am Tag der Kundmachung in Kraft tritt, der Verfassungsgerichtshof dafür aber auch eine Frist bestimmen darf, gegen das Rechtsstaatlichkeitsprinzip verstoße. Diesbezüglich kann ebenfalls auf den genannten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes verwiesen werden.
Die Beschwerde will die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor der belangten Behörde mit dem Vorbringen aufzeigen, dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung ausschließlich den beschwerdeführenden Parteien, nicht aber deren rechtsfreundlichem Vertreter zugestellt worden sei. Dieses Vorgehen wird von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt. Vielmehr bringt die belangte Behörde vor, in den Ladungen jeweils darauf hingewiesen zu haben, dass ein Rechtsvertreter von dem Termin nicht in Kenntnis gesetzt worden sei und dass bei einer gewünschten Teilnahme des Parteienvertreters an der Berufungsverhandlung dieser von der Partei informiert werden müsste.
Nach § 103 Abs. 1 BAO sind Vorladungen (§ 91) ungeachtet einer Zustellungsbevollmächtigung dem Vorgeladenen zuzustellen. Es kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob § 91 BAO auch für die Ladung zur Berufungsverhandlung gem. § 284 BAO gilt (vgl. dazu Ritz , BAO3, Tz 20 zu § 284), weil es die Beschwerde unterlässt darzutun, zu welchem anderen Bescheid die belangte Behörde bei Unterlassung des behaupteten Verfahrensmangels hätte kommen können. Die beschwerdeführenden Parteien behaupten auch nicht, dass die belangte Behörde ihren Rechtsbeistand an der Mitwirkung an der mündlichen Verhandlung gehindert hätte (vgl. Stoll, BAO, Band 1, 1065, und die dort angeführte hg. Rechtsprechung).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 1 Z 6 VwGG Abstand genommen werden. Die Durchführung der Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war auch nicht unter dem Aspekt des Art. 6 EMRK erforderlich, weil Abgabenangelegenheiten nicht "civil rights" betreffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2007/14/0015).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am