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VwGH vom 24.05.2012, 2009/16/0257

VwGH vom 24.05.2012, 2009/16/0257

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der G GmbH als Rechtsnachfolgerin der D V GmbH in P, vertreten durch die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH in 1010 Wien, Renngasse 1/Freyung, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1458-W/05, betreffend Rechtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am unterzeichneten die D-S (mit Sitz in Polen) als Kreditgeberin und die Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Beschwerdeführerin, die D V (mit Sitz in Österreich), als Kreditnehmerin einen Vertrag über einen Kredit in Höhe von 10 Millionen polnischen Zloty. Zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung war die D-S die Alleingesellschafterin der D V.

Der Kreditvertrag hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"…

3.1. The loan may be drawn by transfer(s) of the Loan amount (or parts thereof) to the Borrower's bank account indicated by the Borrower in writing in the notice referred to in section 3.2 of the Agreement.

3.2. The Borrower will request the borrowing of the Loan by giving written notice (facsimile transmission receipt of which is confirmed by the Lender will also be considerd a notice in writing) to the Lender at least 2 (two) working days before the date the Borrower wants to borrow the Loan (or parts of thereof), provided that the Borrower may draw the Loan only during the periode as defined in 2.2 hereof. For the purpose oft the Agreement it is agreed that the date of making of the bank transfer order by the Lender should be considerd as the date of borrowing.

4.1 The Loan is granted as a long-term loan in the meaning of Polish law…

7. Final Provisions

7.1 This Agreement shall be governed by and construed in accordance with Austrian law.

7.2 … If any dispute hereunder is not resolved amicably within 30 days from the date of of a pertinent request by a Party, it will be settled finally by the courts competent for the first district of Vienna.

7.3. The exclusive place of performance for all obligations arising hereunder in connection herewith shall be Warsaw."

In Punkt 7.7 des Kreditvertrages wurde zudem festgehalten, dass der Kreditvertrag in englischer und polnischer Sprache abgeschlossen werde. Für den Fall widersprüchlicher Regelungen habe die englische Fassung vorzugehen. Der Kreditvertrag werde in vier Fassungen ausgestellt (zwei Kreditverträge für jede Vertragspartei).

Mit Schreiben vom legte die D V dem (damaligen) Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern eine Kopie der englischen Fassung des Kreditvertrages vor.

Mit Schreiben vom übermittelte die D V dem Finanzamt eine (nicht beglaubigte) deutsche Übersetzung des Kreditvertrages und gab an, es gäbe vier Originale des Vertrages, wobei sich nur eine Fassung am (österreichischen) Sitz der D V befände.

Nach dieser Übersetzung lautet der Kreditvertrag wie folgt:

"3.1. Der Kredit kann durch Auszahlung des Kreditbetrages (oder Teilen davon) auf das Konto des KN in Anspruch genommen werden, welches vom KN schriftlich in der Ziehungsnotiz gemäß Punkt 3.2 genannt wird.

3.2. Der KN wird die Inanspruchnahme des Kredites durch schriftliche Ziehungsnotiz (Faxübermittlung die vom KG bestätigt wird ist ausreichend) an den KG mindestens zwei Arbeitstage vor dem Inanspruchnahmetag übermitteln, vorausgesetzt dass der KN den Kredit nur in der in 2.2. definierten Periode in Anspruch nehmen kann. Hiermit gilt als vereinbart, dass der Tag der Banküberweisung durch den KG der Tag der Inanspruchnahme des Kredites ist.

4.1. Kredit wird als langfristiger Kredit nach der Bedeutung polnischen Rechts gewährt …

7) Schlussbestimmungen

7.1. Dieser Vertrag wird nach den Bestimmungen des österreichischen Rechts abgeschlossen.

7.2 …Falls ein Streit nicht innerhalb von 30 Tagen nach einer schriftlichen Streitverkündung gelöst wurde, wird der Streit endgültig durch die zuständigen Gerichte des ersten Bezirkes in Wien geklärt.

7.3. Der ausschließliche Leistungsort unter diesem Vertrag ist Warschau.

…"

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber der D V eine Gebühr für den Kreditvertrag gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 Z 1 GebG mit 0,8 % des Kreditbetrages von EUR 2,151.972,28, sohin EUR 17.215,78, fest. Begründend führte das Finanzamt aus, dass vier Originale des Kreditvertrages existierten. Da die über dieses Rechtsgeschäft errichteten Urkunden nicht innerhalb der Frist des § 31 Abs. 1 GebG vorgelegt worden seien, unterlägen alle original unterschriebenen Urkunden der Hundertsatzgebühr gem. § 25 Abs. 1 GebG. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Ebenfalls mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber der D V eine Gebühr für drei Gleichschriften im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag gemäß § 25 GebG von EUR 51.647,34 fest.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die D V vor, die die Gebührenpflicht begründende Urkunde sei am Sitz der D V am unterfertigt worden. Nach der Unterzeichnung des Kreditvertrages in Österreich sei dieser - für polnische Steuer- und Verwaltungszwecke - am Sitz der D-S in Warschau ins Polnische übersetzt worden. Nach der Übersetzung seien die drei weiteren Ausfertigungen von zwei Geschäftsführern der D V sowie vom Geschäftsführer und einem Prokuristen der D-S am Sitz der D-S am firmenmäßig gefertigt worden. Diese Urkunden seien im Ausland verblieben und zu keiner Zeit nach Österreich verbracht worden. Man habe daher dem Finanzamt mit Schreiben vom mitgeteilt, dass im Mai 2004 vier original unterzeichnete Urkunden vorhanden seien, sich aber nur eine davon im Inland befände. Die drei weiteren Urkunden seien keine Gleichschriften iSd § 25 GebG, weil diese nicht gleichzeitig mit der dem Finanzamt übermittelten Originalurkunde errichtet und gefertigt worden seien. Diese seien vielmehr neue Beurkundungen gem. § 25 Abs. 3 GebG. Für die am unterfertigte Originalurkunde in englischer Sprache sei gem. § 16 GebG die Gebührenschuld mit der Vertragsunterzeichnung entstanden. Für die anderen Urkunden sei nie eine Gebührenschuld entstanden. In Punkt 7.3. des Kreditvertrages sei ausschließlich Warschau als Leistungsort vorgesehen. Keine der Vertragsparteien sei zu einer Leistung in Österreich verpflichtet. Eine Verbringung der in Warschau errichteten weiteren Ausfertigungen nach Österreich sei nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom legte die D V dem Finanzamt u.a. eine Ausfertigung des Vertrages in polnischer Sprache und einen Kontoauszug vom eines (österreichischen) Kontos der D V (zum Nachweis der Zuzählung des Kreditvertrages) vor. Ergänzend führte sie aus, auch eine Zuzählung des Kreditbetrages auf ein österreichisches Bankkonto vermöge keinen Erfüllungsort in Österreich zu begründen, weil nach § 905 Abs. 2 ABGB Kreditschulden qualifizierte Schickschulden seien.

Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt der D V für den Kreditvertrag vom die Gebühr gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 Z 1 GebG mit 0,8 % der Kreditsumme von EUR 2,113.896,76, somit mit EUR 16.911,17 vor.

Mit einem weiteren Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber der D V für denselben Kreditvertrag die Gebühr für zwei Gleichschriften gemäß § 25 GebG mit insgesamt EUR 33.822,34 fest.

Mit Berufungsvorentscheidung vom hob das Finanzamt seinen Bescheid vom betreffend die Gleichschriftgebühren iZm dem Vertrag vom auf.

Mit Berufungsvorentscheidungen jeweils vom wies das Finanzamt die gegen die Bescheide vom erhobenen Berufungen als unbegründet ab.

Die D V beantragte die Vorlage der Berufungen an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte in der Folge ergänzend aus, dass nur der Urkundeninhalt maßgeblich sei. Bei der Gebührenbemessung könnten andere als in der Urkunde festgehaltene Umstände nicht zugrunde gelegt werden, selbst wenn diese den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen würden. Die eindeutige Vereinbarung des Erfüllungsortes Warschau führe dazu, dass sämtliche Rechte und Pflichten, die aus dem Kreditvertrag resultieren, in Warschau zu erfüllen seien. In Österreich sei daher keine Partei aus dem Kreditvertrag berechtigt oder verpflichtet. Die Vereinbarung des Gerichtsstandes Wien sei unerheblich für die Bestimmung des Leistungsortes.

Es gebe keine schriftliche Ziehungsnotiz. Durch die ausdrückliche Vereinbarung des Erfüllungsortes sei das eindeutige Parteieninteresse erkennbar, dass der Erfüllungsort für sämtliche Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag in Warschau liegen solle. Von einer Wahlmöglichkeit der Kreditnehmerin, ob sie die Leistung der Kreditgeberin im Inland oder im Ausland in Anspruch nehme, könne nicht gesprochen werden. Bei einem Kreditvertrag bestehe einerseits die Verpflichtung des Kreditgebers, den Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, und andererseits die Verpflichtung des Kreditnehmers auf Rückzahlung (des Kreditbetrages) und Zinsenzahlung. Da der Erfüllungsort (nach dem Wortlaut des Kreditvertrages) ohne Einschränkung, dh. für sämtliche "obligations", in Warschau liege, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Erfüllungsort für die Zuzählung der Kreditvaluta an einem anderen Ort liege. Da keine Partei zu einer Leistung in Österreich verpflichtet sei, sei für die drei in polnischer Sprache errichteten Ausfertigungen keine Gebührenschuld entstanden. Die Gebührenbescheide vom (gemeint offensichtlich: vom ) seien daher ersatzlos aufzuheben.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde das Berufungsverfahren bis zur Beendigung eines beim Verfassungsgerichtshof zu B 1903/07 anhängigen Verfahrens aus.

Mit Erkenntnis vom , G 158/08, hob der Verfassungsgerichtshof § 25 GebG zur Gänze als verfassungswidrig auf.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, dass am die D-S (mit Sitz in Polen) als Kreditgeberin mit der D V (mit Sitz in Österreich) als Kreditnehmerin in Österreich eine (rechtserzeugende) Urkunde in englischer Sprache über einen Kreditvertrag in Höhe von 10 Millionen Polnischen Zloty errichtet habe. Am sei am Sitz der D-S in Warschau die polnische Übersetzung von den Vertragsparteien unterzeichnet worden. Dabei handle es sich um weitere - rechtsbezeugende - Beurkundungen des am zustandegekommenen Rechtsgeschäftes. Diese - in dreifacher Ausfertigung errichteten - Urkunden seien im Ausland errichtet worden, weshalb für das Entstehen der Gebührenschuld die allgemeine Bestimmung des § 16 Abs. 2 GebG sowie die Spezialbestimmung für Kreditverträge des § 33 TP 19 Abs. 2a GebG iVm § 33 TP 8 Abs. 3a GebG maßgeblich seien.

Unstrittig sei, dass die Kreditnehmerin ihren Sitz im Inland habe. Zweifelhaft sei jedoch, ob eine Partei (dies könne nach dem Wortlaut der Bestimmung auch der ausländische Vertragspartner sein) im Inland zu einer Leistung auf Grund des Kreditvertrages berechtigt oder verpflichtet sei.

Beim Darlehen als einseitig verbindlichen (Real)Kontrakt gehe es nur um die Berechtigung, die Rückzahlung zu verlangen und die Verpflichtung, die Rückzahlung zu tätigen. Beim Kreditvertrag als zweiseitig verbindliches Rechtsgeschäft komme die Verpflichtung zur Kreditgewährung und die Berechtigung zur Inanspruchnahme des Kredites dazu.

Bezüglich des sachlichen Inlandsbezuges (der Inlandsbezogenheit des Rechtsgeschäftes) sei erforderlich, dass der Erfüllungsort mindestens einer Leistungspflicht im Inland liege. Vereinbarten die Parteien einen Erfüllungsort, so sei dieser maßgeblich. Sei kein Erfüllungsort vereinbart worden, habe der Schuldner, wenn der Erfüllungsort auch nicht aus der Natur oder dem Zweck des Geschäftes bestimmt werden könne, seine Verpflichtung gemäß § 905 Abs. 1 ABGB an seinem Wohnsitz oder, wenn die Verbindlichkeit im Betriebe des gewerblichen oder geschäftlichen Unternehmens entstanden sei, am Ort der Betriebsniederlassung zu erfüllen. Maßgeblich seien Wohnsitz und Betriebsniederlassung zum Zeitpunkt der Entstehung der Verbindlichkeit. Werde bei Geldschulden kein Erfüllungsort vereinbart, so sei der Schuldner gemäß § 905 Abs. 2 ABGB zwar verpflichtet, das Geld abzusenden, der Erfüllungsort sei jedoch ebenfalls der Wohnsitz (Ort der Betriebsniederlassung) des Schuldners.

Es genüge für die Inlandsbezogenheit des Rechtsgeschäftes, wenn eine der Vertragsseiten die Leistung im Inland entgegen nehmen könne.

Bei dem vorliegenden Kreditvertrag komme es nicht nur darauf an, welcher Erfüllungsort für die Rückzahlung vereinbart worden sei. Es sei auch entscheidend, ob die Kreditnehmerin auf Grund des Kreditvertrages berechtigt gewesen sei, die Geldmittel des Kreditgebers im Inland - z.B. durch Überweisung auf ein inländisches Konto - in Anspruch zu nehmen. Nach Punkt 3.1 des Vertrages könne der Kredit durch Auszahlung des Kreditbetrages (oder Teilen davon) auf das Konto der D V in Anspruch genommen werden, welches von der D V schriftlich in der Ziehungsnotiz gemäß Punkt 3.2. genannt werde. Punkt 3.2. sehe vor, dass die D V die Inanspruchnahme des Kredites mindestens zwei Tage vor dem Inanspruchnahmetag durch schriftliche Ziehungsnotiz (Faxübermittlung, die vom Kreditgeber bestätigt worden sei, sei ausreichend) an den Kreditgeber übermitteln werde. Eine derartige schriftliche Ziehungsnotiz wäre durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt geworden. Deren Inhalt käme für den Ort der Inanspruchnahme der Leistung entscheidende Bedeutung zu. Von der Beschwerdeführerin sei mehrmals betont worden, dass keine schriftliche Ziehungsnotiz vorhanden sei. Es könne dahin gestellt bleiben, ob die D V der D-S tatsächlich keine schriftliche Ziehungsnotiz übermittelt habe. Auf Grund der Bestimmung der Punkte 3.1 und 3.2. habe die Kreditnehmerin jedenfalls bestimmen können, auf welches ihrer Konten ihr die Kreditsumme (oder Teile davon) zur Verfügung gestellt werde. Auch wenn keine schriftliche Ziehungsnotiz existierte, so sei aus der Tatsache der Zuzählung auf ein Konto der D V in Österreich (Hinweis auf einen von der D V vorgelegten Kontoauszug) zu schließen, dass bei der telefonischen Anforderung der Geldmittel (die die schriftliche "Ziehungsnotiz" ersetzt habe) ein inländisches Konto genannt worden sei und daher die D V auf Grund des vorliegenden Kreditvertrages berechtigt gewesen sei, im Inland eine Leistung in Höhe von 10 Mio. polnischen Zloty zu empfangen.

Die Unterzeichnung der weiteren - rechtsbezeugenden - Urkunden in Polen am sei bereits nach Durchführung der Überweisung auf das inländische Konto der D V erfolgt. Daher habe im Zeitpunkt des möglichen Entstehens der Steuerschuld (am ) bereits eine entsprechende Erklärung der Kreditnehmerin samt einer Bestätigung der Kreditgeberin (wenn auch nicht in schriftlicher Form) darüber vorliegen müssen, auf welchem Konto der Kredit in Anspruch genommen werde.

Aus den Vertragspunkten 3.1 und 3.2. ergebe sich, dass die Kreditnehmerin habe wählen können, ob sie die Leistung in Inland oder im Ausland in Anspruch nehme. Die Urkunde enthalte Bestimmungen, die im Widerspruch zu dem in Punkt 7.3 genannten "ausschließlichen Leistungsort" Warschau stünden. Außerdem sei nach der englischen Version der Urkunde Warschau für alle Verpflichtungen ("obligations") der Erfüllungsort. Dies deute darauf hin, dass sich der Vertragspunkt 7.3 auf die Verpflichtungen der Beschwerdeführerin auf Kreditrückzahlung und auf Zinsenzahlungen beziehe und für die Inanspruchnahme des Kredites die spezielleren Bestimmungen der Punkte 3.1. und 3.2 maßgeblich seien. Da die Punkte 3.1. und 3.2 der Urkunde im Widerspruch zu einem ausschließlichen ausländischen Erfüllungsort stünden, liege ein undeutlicher Urkundeninhalt vor. Nach § 17 Abs. 2 GebG treffe daher die Beschwerdeführerin die Beweislast für jene Umstände, die für eine Gebührenfreiheit sprechen. Die Abgabenbehörde habe nicht unter Beweis zu stellen, dass die Beschwerdeführerin im Inland zu einer Leistung berechtigt gewesen sei. Da die Überweisung des Kreditbetrages auf ein Konto der D V im Inland erfolgt sei und von der Beschwerdeführerin kein Gegenbeweis erbracht worden sei, sei davon auszugehen, dass die Tatbestandvoraussetzungen des § 33 TP 19 Abs. 2a GebG iVm § 33 TP 8 Abs. 3a GebG erfüllt seien. Es sei daher die Gebührenschuld für die drei nachträglichen Beurkundungen mit Unterzeichnung der entsprechenden Urkunden am entstanden.

Die in § 25 Abs. 3 GebG vorgesehene Befreiung für weitere Urkunden komme nicht zur Anwendung, weil die am errichteten Urkunden dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern, bei dem die ursprüngliche Urkunde vergebührt worden sei, nicht bis zum 15. des auf die Entstehung der Gebührenschuld zweitfolgenden Monats angezeigt worden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit welcher die Beschwerdeführerin ausschließlich inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend macht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung von Gebühren nach dem Gebührengesetz wegen fehlenden Inlandsbezugs einer Auslandsurkunde verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 16 Abs. 2 Gebührengesetz 1957 (GebG 1957) lautet:

"§ 16

(2) Wird über ein Rechtsgeschäft eine Urkunde im Ausland errichtet, so entsteht die Gebührenschuld,

1. wenn die Parteien des Rechtsgeschäftes im Inland einen Wohnsitz (gewöhnlichen Aufenthalt), ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz haben oder eine inländische Betriebsstätte unterhalten und

a) das Rechtsgeschäft eine im Inland befindliche Sache betrifft oder

b) eine Partei im Inland zu einer Leistung auf Grund des Rechtsgeschäftes berechtigt oder verpflichtet ist, in dem für im Inland errichtete Urkunden maßgeblichen Zeitpunkt; wenn jedoch die in lit. a oder lit. b bezeichneten Erfordernisse erst im Zeitpunkt der Errichtung eines Zusatzes oder Nachtrages erfüllt sind, in diesem Zeitpunkt, im übrigen

2. wenn die Urkunde (beglaubigte Abschrift) in das Inland gebracht wird und entweder

a) das Rechtsgeschäft ein in Z 1 lit. a oder lit. b bezeichnetes Erfordernis erfüllt, im Zeitpunkt der Einbringung der Urkunde in das Inland, oder

b) auf Grund des Rechtsgeschäftes im Inland eine rechtserhebliche Handlung vorgenommen oder von der Urkunde (Abschrift) ein amtlicher Gebrauch gemacht wird, mit der Vornahme dieser Handlungen."

§ 17 GebG lautet auszugsweise:

"(1) Für die Festsetzung der Gebühren ist der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.

(2) Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird bis zum Gegenbeweis der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.

…"

Die Tarifposten 8 und 19 des § 33 GebG wurden durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, mit Ablauf des aufgehoben. Gem. § 37 Abs. 28 GebG sind die genannten Tarifposten letztmalig auf Sachverhalte anzuwenden, für die die Gebührenschuld vor dem entstand.

Die Tarifposten 8 und 19 des § 33 GebG lauteten vor ihrer Aufhebung durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. Nr. 111/2010:

" 8 Darlehensverträge

(1) …

(2) …

(3a) Wird über einen Darlehensvertrag eine Urkunde im Ausland errichtet, so entsteht die Gebührenschuld - abweichend von § 16 Abs. 2 Z 1 - in den für im Inland errichtete Urkunden maßgeblichen Zeitpunkt, wenn mindestens eine Partei des Darlehensvertrages im Inland einen Wohnsitz (gewöhnlichen Aufenthalt), ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz hat oder eine inländische Betriebsstätte unterhält und eine Partei im Inland zu einer Leistung auf Grund des Darlehensvertrages berechtigt oder verpflichtet ist; wenn jedoch dieses Erfordernis erst im Zeitpunkt der Errichtung eines Zusatzes oder Nachtrages erfüllt ist, in diesem Zeitpunkt.

19 Kreditverträge

(1) …

(2) …

(2a) Wird über einen Kreditvertrag eine Urkunde im Ausland errichtet, ist § 33 TP 8 Abs. 3a sinngemäß anzuwenden.

(3) …"

§ 25 GebG lautete vor seiner Aufhebung durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 158/08:

"§ 25.

(1) Werden über ein Rechtsgeschäft mehrere Urkunden errichtet, so unterliegt jede dieser Urkunden den Hundertsatzgebühren.

…"

Strittig ist im Beschwerdefall, ob die Abgabenbehörde der Beschwerdeführerin zu Recht Rechtsgebühr für die am in Warschau unterzeichnete Krediturkunde vorgeschrieben hat. Die Parteien des Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, dass der Inlandsbezug nach § 16 Abs. 2 GebG nicht vorliegt. Die belangte Behörde vertritt aber - zusammengefasst - die Auffassung, dass der Tatbestand der TP 19 Abs. 2a iVm TP 8 Abs. 3a des § 33 GebG deswegen zur Anwendung gelange, weil die Beschwerdeführerin ihren Sitz im Inland habe und der Erfüllungsort im Inland liege. Dass in Punkt 7.3 des Kreditvertrages als Erfüllungsort Warschau genannt werde, stehe im Widerspruch zu dessen Punkten 3.1 und 3.2, aus denen sich ein Wahlrecht der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Erfüllungsortes ergebe. Aufgrund dieses Widerspruches treffe nach § 17 Abs. 2 GebG die Beschwerdeführerin die Beweislast für alle Umstände, die für eine Gebührenfreiheit sprächen. Die Beschwerdeführerin habe aber im Abgabenverfahren keinen solchen Beweis erbracht. Darüber hinaus sei ein Inlandsbezug nach dieser Bestimmung dadurch gegeben, dass die Kreditsumme auf das inländische Konto der Beschwerdeführerin überwiesen worden sei.

Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit dem Vorbringen, dass der Urkundeninhalt eindeutig sei. Es gebe keinen Widerspruch der Punkte 3.1 und 3.2 zu Punkt 7.3. Es treffe sie daher auch keine Beweislast nach § 17 Abs. 2 GebG. Der Erfüllungsort sei eindeutig Warschau.

Nach ständiger hg. Judikatur setzt die Anwendbarkeit des § 17 Abs. 2 GebG voraus, dass die für die Gebührenbemessung bedeutsamen Umstände aus der Urkunde nicht eindeutig zu entnehmen sind. § 17 Abs. 2 leg. cit. greift in jenen Fällen ein, in denen die Urkunde verschiedene Deutungen zulässt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2001/16/0591, mwN).

Zu den für die Festsetzung der Gebühren bedeutsamen Umständen zählt unter anderem mit Rücksicht auf die im Beschwerdefall noch anzuwendende Bestimmung der TP 19 Abs. 2a iVm TP 8 Abs. 3a des § 33 GebG die Frage, ob eine Partei im Inland zu einer Leistung auf Grund des Kreditvertrages berechtigt oder verpflichtet war.

Beim Kreditvertrag handelt es sich um einen den Vertragstypen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches nicht zuzuordnenden Vertrag sui generis. Darunter ist ein Vertrag zu verstehen, wodurch sich der Kreditgeber verpflichtet, dem Kreditnehmer auf dessen Verlangen Zahlungsmittel zur Verfügung zu stellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2005/16/0108, mwN). Es handelt sich um ein zweiseitig verbindliches Rechtsgeschäft. Der Kreditgeber verpflichtet sich zur Kreditgewährung. Dieser Verpflichtung entspricht die Berechtigung des Kreditnehmers zur Inanspruchnahme dieses Kredites. Der Kreditnehmer verpflichtet sich seinerseits zur Rückzahlung der in Anspruch genommenen Kreditsumme und zwar samt Zinsen.

Der Erfüllungsort richtet sich primär nach der Vereinbarung (vgl. § 905 Abs. 1 ABGB), wobei Geldschulden im Zweifel Schickschulden sind, auch dann, wenn die Zahlung auf ein Bankkonto vereinbart wurde.

Im vorliegenden Kreditvertrag wurde in Punkt 7.3 vereinbart, dass "der ausschließliche Leistungsort" aus diesem Vertrag Warschau sein solle. Den von der belangten Behörde ins Treffen geführten Punkten 3.1 bzw. 3.2 des Kreditvertrages ist zu entnehmen, dass die Inanspruchnahme des Kredites aufgrund einer Mitteilung der Beschwerdeführerin ("Ziehungsnotiz") und "Auszahlung" (gemeint wohl: Überweisung) des in Polnischen Zloty bestimmten Kreditbetrages auf das von der Beschwerdeführerin in ihrer Mitteilung zu benennende Bankkonto erfolgen solle.

Daraus schließt die belangte Behörde, dass die Beschwerdeführerin frei hätte wählen können, ob sie die Leistung aus dem Kredit im Inland oder im Ausland in Anspruch nehme. Punkt 7.3 des Vertrages beziehe sich nur auf die Verpflichtung der Kreditrückzahlung und Zinsenzahlung. Es müsse von einem undeutlichen Vertragsinhalt ausgegangen werden, der zu einer Beweislastumkehr führen würde.

Dieser Auffassung ist aber schon deswegen nicht zu folgen, weil sich aus den Punkten 3.1 und 3.2 zwar ein Recht der Beschwerdeführerin auf Nennung eines Kontos, auf das die Kreditzuzählung erfolgen solle, ergibt, daraus aber wegen des Punktes 7.3 noch nicht abgeleitet werden kann, dass es sich dabei auch um ein inländisches Konto handeln kann. Dass sich Punkt 7.3, wonach der "ausschließliche Leistungsort" (vgl. "the exclusive place of performance for all obligations" im englischen Vertragstext) Warschau sein sollte, ausschließlich auf die Kreditrückzahlungen beziehe, kann dem Wortlaut dieser Bestimmung, aber auch der Urkunde insgesamt nicht entnommen werden. Auch der Umstand, dass sich der Punkt 7.3 unter den "Schlussbestimmungen" ("Final Provisions") befindet, zeigt, dass diese Bestimmung auf sämtliche in dem Vertrag geregelten Verpflichtungen Anwendung finden soll. Somit ist nicht von einem Widerspruch zwischen den genannten Regelungen auszugehen. Ebenso wenig ist die Urkunde - den Erfüllungsort betreffend - in einer eine Ermittlungspflicht der Abgabenbehörde auslösenden Weise unvollständig (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 93/16/0012).

Daran vermag auch der von der belangten Behörde ins Treffen geführte Umstand, dass die tatsächliche Zuzählung des Kredites (per ) auf ein Konto der Beschwerdeführerin bei einer inländischen Bank erfolgt ist, nichts zu ändern, auch wenn davon auszugehen ist, dass dieser Umstand bei Unterfertigung des Vertrages am bereits bekannt gewesen ist.

Nach dem aus § 17 Abs. 1 GebG 1957 folgenden Urkundenprinzip ist für die Beurteilung der Gebührenschuld nämlich nur der schriftlich festgelegte Urkundeninhalt maßgeblich. Außerhalb der Urkunde liegende Tatsachen, wie insbesondere mündliche Nebenabreden, sind bei der Bemessung der Gebühr nicht zu berücksichtigen ( Gaier , Kommentar zum Gebührengesetz 19574, Rz 4 zu § 17, mwN). Unmaßgeblich ist auch, ob das Rechtsgeschäft in weiterer Folge aufrechterhalten und ob und wie es ausgeführt wurde. Erfüllt ein Schriftstück die Voraussetzungen einer Urkunde über ein Rechtsgeschäft und enthält es alle für die Gebührenbemessung bedeutsamen Umstände - also auch den Erfüllungsort -, so richtet sich die Gebührenpflicht ausschließlich nach dem Urkundeninhalt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , 90/15/0101, mwN).

Indem die belangte Behörde dennoch von einem Inlandsbezug des in Rede stehenden Kreditvertrages ausging, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Diese betrifft nicht nur die Vorschreibung der Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 Z 1 GebG, sondern auch der Rechtsgebühr für die Gleichschriften nach § 25 GebG. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am