VwGH vom 15.12.2009, 2007/13/0125

VwGH vom 15.12.2009, 2007/13/0125

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg in 1093 Wien, Nußdorferstraße 90, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0217-W/07, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum bis (mitbeteiligte Partei: G in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als der Berufung der Mitbeteiligten Folge gegeben wurde (Zeitraum bis ), wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die am geborene Tochter der Mitbeteiligten für den Zeitraum bis zurück. Da die Tochter ab beim Arbeitsmarktservice nicht mehr als Arbeitssuchende ohne einen Anspruch auf eine Leistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz vorgemerkt gewesen sei, seien die Voraussetzungen zum Bezug von Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit. f FLAG 1967 nicht mehr erfüllt gewesen.

In der Berufung vom brachte die Mitbeteiligte vor, dass ihre Tochter nach der Matura, "wie für den Bezug der FB und KAB vorgeschrieben", beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend vorgemerkt gewesen sei. Als die Tochter den Termin beim Arbeitsmarktservice am nicht habe wahrnehmen können, weil sie bei ihrer Schwester in Berlin gewesen sei, habe sich die Mitbeteiligte mit dem Arbeitsmarktservice telefonisch in Verbindung gesetzt, um die Situation zu erklären. Die Mitbeteiligte habe dabei mitgeteilt, dass sich die Tochter ab Mitte Jänner 2006 für ihre Aufnahmeprüfung in Physiotherapie () vorbereite und (unbezahlte) Praktika bei diversen Physiotherapeutinnen (AKH, Altersheim, Privatordination) absolviere. Daraufhin habe man ihr beim Arbeitsmarktservice gesagt, dass dies "in Ordnung" gehe und man bis zu zwei Jahre arbeitssuchend sein könne. Da die Tochter allerdings nicht zur Ausbildung in Physiotherapie zugelassen worden sei (Absageschreiben von Mai 2006), habe sie sich für den nächst möglichen Termin zu einer einjährigen privaten Ausbildung ab September 2006 als Heilmasseurin angemeldet. Erst anlässlich eines Telefongespräches mit der zuständigen Beamtin des Finanzamtes anlässlich der Überprüfung der Gewährung der Familienbeihilfe habe die Mitbeteiligte erfahren, dass die Tochter am beim Arbeitsmarktservice abgemeldet worden sei. Mehrere Telefonate und persönliche Vorsprachen beim Arbeitsmarktservice mit Verweis auf die Zusagen vom Jänner 2006 seien erfolglos geblieben. Man habe die Vormerkung gelöscht, während sich die Mitbeteiligte "im guten Glauben auf die Aussage der AMS-Beamtin verlassen hatte, ihre Meldung zu belassen". Es werde ersucht, auch Eigenleistungen (wie Vorbereitungszeiten für Aufnahmsprüfungen und berufsorientierte Praktika) zu berücksichtigen und von der Rückforderung für den Zeitraum bis Abstand zu nehmen.

In einem Vorhalt vom teilte die belangte Behörde der Mitbeteiligten mit, dass ihre Tochter im Zeitraum 1. Februar bis unbestritten nicht als Arbeitssuchende vorgemerkt gewesen sei, wobei die Gründe hiefür unmaßgeblich seien. Somit sei dem Finanzamt zuzustimmen, dass die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. f FLAG 1967 nicht zur Anwendung kommen könne. Allerdings sei es auf Grund der Angaben im Schreiben vom möglich, dass die Tochter von Februar bis August 2006 (oder zumindest für einen Teil dieses Zeitraumes) bereits in Berufsausbildung gestanden sei. Voraussetzung sei, dass die Ausbildung "ernstlich, zielstrebig und in genügender zeitlicher Intensität" erfolgt sei. Um dies beurteilen zu können, werde ersucht, "sämtliche diesbezüglichen Unterlagen (Anmeldung zur Aufnahmsprüfung, Absageschreiben, Bestätigung über absolvierte Praktika ...) zu übermitteln".

Mit Antwortschreiben vom übermittelte die Mitbeteiligte "Unterlagen als Bestätigung der ernstlichen und zielstrebigen Bemühungen" ihrer Tochter "im Sinne einer Berufsausbildung" und führte dazu aus:

"15. Jänner - : Vorbereitung zur Aufnahmsprüfung: Physiotherapeutischer Dienst (Studium der einschlägigen dafür zur Verfügung stehenden Literatur). Die Bezahlung der Anmeldegebühr und eingeschriebene Sendung der geforderten Unterlagen als Anmeldung zur Aufnahmeprüfung erfolgte am 20. resp. (siehe Beilage 1)

: Dreistündiger Aufnahmeprüfungstest im Wiener AKH (1. Auswahlstufe)

: Eintreffen des vom 27. April datierten Absageschreiben für die Qualifizierung für die 2. Auswahlstufe. (Beilage 2) Mai 2006: Anmeldung für den nächst möglichen Berufungsausbildungskurs: Heilmasseur und Elektrotherapie, der im September 2006 begann.

Juli - September 2006: Praktikum: Mitarbeit an der wissenschaftlichen Studie Alpha EEG Feedback und Gedächtnis (Beilage 3)."

Die Vorhaltsbeantwortung wurde von der belangten Behörde an das beschwerdeführende Finanzamt zur Stellungnahme mit dem Bemerken übermittelt, dass aus der Vorhaltsbeantwortung und den beigeschlossenen Unterlagen ersichtlich sei, dass sich die Tochter der Mitbeteiligten offensichtlich zumindest für eine Teil des Rückforderungszeitraumes in Berufsausbildung befunden habe.

In der Stellungnahme hielt das beschwerdeführende Finanzamt u. a. fest, dass in der Vorhaltsbeantwortung keine Rede mehr von der in der Zeit ab Mitte Jänner 2006 absolvierten vorbereitenden und unbezahlten Praktika bei diversen Physiotherapeutinnen sei und auch keine Bestätigungen für derartige Praktika vorgelegt worden seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge. Der erstinstanzliche Bescheid wurde insoweit abgeändert, als nur mehr Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum 1. Mai bis zurückgefordert wurden.

Aus den von der Mitbeteiligten vorgelegten Unterlagen gehe hervor - so die Begründung des angefochtenen Bescheides -, dass die Tochter am zur ersten Stufe des Berufseignungstests an der Akademie für den physiotherapeutischen Dienst angetreten sei. Mit Schreiben vom sei ihr mitgeteilt worden, dass sie sich nicht für die zweite Auswahlstufe qualifiziert habe. In der Zeit von Juli bis September 2006 habe die Tochter im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie gelernt, EEG-Elektroden anzulegen; "sie hat bei den Ableitungen assistiert und zum Teil auch selbständig Feedback-Trainings an Probanden der Studie durchgeführt". Ab September 2006 nehme sie als ordentliche Schülerin am Kurs "Medizinischer Masseur inklusive Elektrotherapie" teil. Dieser Kurs werde vom Finanzamt auch als Berufsausbildung anerkannt.

Mit der Ablegung der Reifeprüfung sei die Berufsausbildung abgeschlossen und mit der Aufnahme eines Studiums werde ein neuer Ausbildungsweg beschritten. Dazwischen liegende Zeiten stellten keine Zeiten einer Berufsausbildung dar. Der Besuch von im Allgemeinen nicht auf eine Berufsausbildung ausgerichteten Veranstaltungen könne nicht als Berufsausbildung gewertet werden, selbst dann nicht, wenn diese Ausbildung für eine spätere spezifische Berufsausbildung Voraussetzung oder nützlich sei. Ziel einer Berufsausbildung sei, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu gehöre regelmäßig auch der Nachweis eines ernstlichen Bemühens um diese Qualifikation. Entscheidend sei das nach außen erkennbare ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang bzw. - abschluss. Dieses Bemühen manifestiere sich im Antreten zu den erforderlichen Prüfungen.

Gemessen an diesen Kriterien könne für die Zeit der Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung für den physiotherapeutischen Dienst das Vorliegen einer Berufsausbildung nicht verneint werden. Es sei durchaus "glaubwürdig und angemessen, dass die Vorbereitungszeit hierfür etwas mehr als zwei Monate in Anspruch genommen hat". Die Tochter der Mitbeteiligten sei zur ersten Teststufe des Berufseignungstests angetreten, wodurch sich das ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang nach außen manifestiert habe. Dass sie die Prüfung letztlich nicht bestanden habe, ändere daran nichts. Somit bestehe bis Ende April 2006 Anspruch auf Familienbeihilfe. Ab diesem Zeitpunkt bis zum Beginn des Kurses "Medizinischer Masseur inklusive Elektrotherapie", der vom Finanzamt als Berufsausbildung anerkannt worden sei, habe die Tochter im Rahmen einer Studie diverse Tätigkeiten verrichtet, wie z.B. das Anlegen von EEG-Elektroden. Eine im Anschluss an eine abgeschlossene Schulbildung aufgenommene praktische Ausbildung sei aber nur dann als Berufsausbildung zu werten, wenn diese Praxis für die Ausübung des Berufes vorgeschrieben sei. Dass die angeführte Tätigkeit der Tochter für die Berufsausbildung "Medizinischer Masseur inklusive Elektrotherapie" vorgeschrieben gewesen sei, sei allerdings nicht behauptet worden und könne nach dem Berufsbild ausgeschlossen werden. Dass die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. f FLAG 1967 im Beschwerdefall nicht zur Anwendung kommen könne, habe bereits das Finanzamt zutreffend im Rückforderungsbescheid festgestellt und sei der Mitbeteiligten auch im Schreiben der belangten Behörde vom mitgeteilt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, mit der der angefochtene Bescheid insoweit bekämpft wird, "soweit der Berufung stattgegeben wurde" (die Stattgabe habe sich auf die Rückforderung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum " bis " erstreckt).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Strittig ist lt. Amtsbeschwerde, ob die volljährige Tochter der Mitbeteiligten im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 im Zeitraum 1. Februar bis "für einen Beruf ausgebildet" wurde. Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (jedenfalls) alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0076, und vom , 2008/13/0127).

Dass die Tochter der Mitbeteiligten im Zeitraum Februar bis April 2006 an Lehrveranstaltungen oder Kursen teilgenommen hätte, ist nicht aktenkundig und wurde auch von der belangten Behörde nicht festgestellt. Die belangte Behörde hat vielmehr allein die Vorbereitungszeit für die Aufnahmeprüfung für den physiotherapeutischen Dienst als Berufsausbildungszeit anerkannt. Dabei hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aber verkannt, dass es zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang" ankommt, sondern die Berufsausbildung auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen muss (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 2007/15/0050, und vom , 2008/13/0013, mwN). Feststellungen in Bezug auf solche quantitativen Anforderungen im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf die in Rede stehende Aufnahmeprüfung hat die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage nicht getroffen (die Mitbeteiligte verwies in ihrer Vorhaltsbeantwortung vom auch nur auf das "Studium der einschlägigen dafür zur Verfügung stehenden Literatur"). Der angefochtene Bescheid war daher im Rahmen der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2 VwGG), somit betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum bis , wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 1 Z 1 VwGG aufzuheben.

Soweit sich die Mitbeteiligte in der von ihr erstatteten Gegenschrift zur Amtsbeschwerde (ausschließlich) auf den Rückforderungszeitraum vom 1. Mai bis bezieht, in dem sich ihre Tochter nach Ansicht der Mitbeteiligten ebenfalls noch in Berufsausbildung befunden habe, sodass ersucht werde, von einer Rückforderung "der Bezüge für die Zeit von - " Abstand zu nehmen, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der Amtsbeschwerde nach § 41 Abs. 1 VwGG nur befugt war, den angefochtenen Bescheid im Rahmen der in dieser erfolgten Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2 VwGG) zu überprüfen.

Wien, am